Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 22. Aug. 2012 - 2 Sa 66/12
Gericht
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund – 3 Ca 421/11 – vom 31.01.2012 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Dem Rechtsstreit liegt nach dem Urteil des Arbeitsgerichtes Stralsund vom 31.01.2012 – 3 Ca 421/11 – folgender Sachverhalt zugrunde:
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Der Kläger begehrt die Berechnung des Vergleichsentgelts im Rahmen der Überleitung vom BAT-O auf den TVL unter Zugrundelegung des Ortszuschlages für Verheiratete, deren Ehegatte nicht im öffentlichen Dienst tätig ist, mithin des vollen Ortszuschlages der Stufe 2.
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Der Kläger ist beim beklagten Land als Angestellter an der Fachhochschule in B-Stadt tätig. Das Arbeitsverhältnis des Klägers wurde im Rahmen der Überleitung mit 3.841,75 EUR errechnet. Da die Ehefrau befristet für die Zeit vom 01.11.2005 bis zum 31.12.2006 im öffentlichen Dienst beschäftigt war, wurde ein Ortszuschlag der Stufe 1 zuzüglich der Hälfte der Differenz zur Stufe 2 zugrunde gelegt. Die Differenz zur vollen Stufe beträgt 45,73 EUR.
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Der Kläger vertritt die Auffassung, nach Ausscheiden seiner Ehefrau aus dem öffentlichen Dienst habe er einen Anspruch auf Neuberechnung des Vergleichsentgelts unter Zugrundelegung des vollen Ortszuschlags der Stufe 2.
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Eine Klage auf Zahlung des vollen Ortszuschlages für die Zeit vom 01.01.2007 bis 31.10.2008 in Höhe von 1.006,06 EUR brutto nebst Zinsen hat das Arbeitsgericht Stralsund mit der vorgenannten Entscheidung abgewiesen. Es hat darauf hingewiesen, dass die Tarifvertragsparteien nicht verpflichtet seien, bei Aufstellung der Überleitungsregelung den bestehenden Zustand unter Berücksichtigung jeglicher Beschäftigungskonstellationen überzuleitender Ehepaare zu erhalten, weil dies ohnehin nur bezogen auf einen bestehenden Stichtag möglich war. Die auf den Stichtag bezogene Regelung solle das Familieneinkommen zum Stichtag – hier: Oktober 2006 – sicherstellen. Dies sei mit der Überleitungsregelung erfolgt.
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Im Übrigen wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.
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Gegen dieses Urteil hat der Kläger form- und fristgerecht Berufung eingelegt.
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Er hat vorgetragen, dass auch die Tarifvertragsparteien den Gleichheitssatz des Artikels 3 Absatz 1 Grundgesetz beachten müssten. Bereits zum Stichtag im Oktober 2006 habe festgestanden, dass seine Ehefrau mit dem 31.12.2006 aus dem öffentlichen Dienst ausscheiden solle. Es sei nicht einzusehen, dass aufgrund der kurzzeitigen Beschäftigung im öffentlichen Dienst der Kläger für die gesamte Restlaufzeit seines Dienstverhältnisses den Anspruch auf den vollen Ortszuschlag verlieren soll.
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Der Kläger beantragt,
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unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Stralsund vom 31.01.2012 – 3 Ca 421/11 – das beklagte Land Mecklenburg-Vorpommern zu verurteilen, an den Kläger 1.006,06 EUR brutto nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen.
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Das beklagte Land beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Es tritt der angefochtenen Entscheidung bei.
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Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die vorbereitenden Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
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Das Arbeitsgericht hat mit zutreffender Begründung die Klage abgewiesen. Nach § 5 Abs. 1 TV-ÜL wird das Vergleichsentgelt auf der Grundlage der Verhältnisse, die im Oktober 2006 bestehen, gebildet. Für die Frage, ob eine andere Person ortszuschlagsberechtigt ist, sind die Verhältnisse am 1. November 2006 maßgeblich. Zu diesem Zeitpunkt war die Ehefrau des Klägers ortszuschlagsberechtigt.
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Diese Regelung ist nicht rechtswidrig. Das Bundesarbeitsgericht hat in einem vergleichbaren Fall durch Urteil vom 09.06.2011 – 6 AZR 867/09 – darauf hingewiesen, dass die Eigentumsgarantie des Artikels 14 Absatz 1 Satz 1 Grundgesetz die Tarifvertragsparteien auch dann nicht hindert, ein tarifliches Vergütungssystem durch ein anderes zu ersetzen, wenn dies zu einer verminderten Vergütung führt. Nur bereits entstandene Ansprüche oder rechtlich gesicherte Anwartschaften von Arbeitnehmern können so verfestigt sein, dass sie durch Artikel 14 Absatz 1 Grundgesetz geschützt werden.
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Die Regelung ist auch nicht gleichheitswidrig. Bereits das Arbeitsgericht hat darauf hingewiesen, dass eine Überleitung von einem Tarifvertrag in einen anderen generell nur gezogen auf einen bestehenden Stichtag möglich ist. Der Wille der Tarifvertragsparteien, das Vergütungssystem im öffentlichen Dienst grundsätzlich zu reformieren, rechtfertigt auch die mit einem Stichtag verbundenen notwendigen Ungleichbehandlungen. Ohne einen Stichtag ist ein derartiger Übergang nicht denkbar.
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Letztlich erstrebt der Kläger, dass trotz der Stichtagsregelung nachträglich eintretende Verhältnisse – hier: die Änderung der Ortszuschlagsberechtigung seiner Ehefrau – aus Gleichheitsgründen doch noch berücksichtigt werden müssen.
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Würde man den Gleichbehandlungsgrundsatz derart verstehen, hätte dies im Ergebnis zur Folge, dass trotz des entgegenstehenden Willens der Tarifvertragsparteien das alte Vergütungssystem ohne zeitliche Einschränkung auf alle Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes parallel angewendet werden müsste, soweit auf diese einmal die Regelungen des BAT Anwendung gefunden haben. Dies kann man - wie die Tarifvertragsparteien - als nicht praktikabel ansehen.
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Die Tarifvertragsparteien können vielmehr unter Inkaufnahme im Einzelfall eintretender mittelbarer Nachteile Bestimmungen treffen, die familienbezogene Vergütungsbestandteile in genereller Weise behandeln und müssen nicht bei der Aufstellung von Überleitungsregelungen den bisherigen Zustand unter Berücksichtigung aller Beschäftigungskonstellationen überzuleitender Paare erhalten (BAG, Urteil vom 09.06.2011, 6 AZR 867/09).
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Zur Zulassung der Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG bestand kein Anlass.
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Die vorstehende Frage ist zwar noch nicht durch das Bundesarbeitsgericht entschieden worden. Aus dem zitierten Urteil vom 09.06.2011 – 6 AZR 867/09 – ergibt sich jedoch die grundsätzliche Berechtigung der Tarifvertragsparteien, Überleitungsstichtage trotz damit zusammenhängender Ungleichbehandlungen im Einzelfall festzulegen.
Annotations
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)
(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.
(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn
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eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.
(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.
(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.
(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.
(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.