Landesarbeitsgericht Köln Urteil, 25. Feb. 2016 - 4 Ta 31/16
Gericht
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Aachen vom 02.12.2015 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
1
G r ü n d e
2I. Der Bundesgerichtshof hat mit dem grundlegenden Beschluss vom 17.12.2002 – X ZB 9/02 – entschieden, dass die (damals nach BRAGO gegebene) 13/20 Gebühr für den vor Ablauf der Begründungsfrist für das nur zur Fristwahrung eingelegte und später zurückgenommene Rechtsmittel beauftragten Prozessbevollmächtigten des Rechtsmittelgegners nach § 91 Abs. 1 ZPO erstattungsfähig ist. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass diese Gebühr seinerzeit nicht die volle Prozessgebühr war, die bei Stellung eines Sachantrags anfiel.
3Der Bundesgerichtshof hat dazu folgendes Grundsätzliche ausgeführt: Gemäß § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO gehören zu den erstattungsfähigen Kosten die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei. Daraus folgt, dass eine Partei im Prozess einen Rechtsanwalt zur Hilfe nehmen darf und die dadurch entstandenen Kosten auch erstattungsfähig sind. Eine Einschränkung dieses Grundsatzes für die Fälle, in denen ein Rechtsmittel nur vorsorglich eingelegt wird, ist im Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehen (BGH a. a. O. Rn. 11). Eine derartige Einschränkung lässt sich auch aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO nicht entnehmen. Maßgebend ist dabei nicht, ob die Beauftragung eines Prozessbevollmächtigten im konkreten Fall objektiv nützlich oder gar notwendig war, sondern ob eine verständige Partei in der gleichen Situation ebenfalls einen Anwalt beauftragen würde. Dieses – so der Bundesgerichtshof weiter (Rn. 12) – kann im Regelfall, solange die Berufung nicht wieder zurückgenommen ist, nicht verneint werden. Denn die mit einem Rechtsmittel überzogene Partei kann regelmäßig nicht selbst beurteilen, was zur Rechtsverteidigung sachgerecht zu veranlassen ist. Ihr kann daher nicht gemutet werden, zunächst die weiteren Entschließungen des anwaltlich vertretenen Berufungsklägers abzuwarten.
4Ob in der aktuellen Situation tatsächlich etwas zu veranlassen ist, kann in diesem Zusammenhang nicht allein den Ausschlag geben. Die Beauftragung eines Anwalts braucht auch nicht erforderlich zu sein, damit Vorbereitungen für eine Berufungserwiderung rechtzeitig getroffen werden können und damit der Fristendruck vermieden wird (BGH a. a. O. Rn. 13). Vielmehr muss genügen, dass der Rechtsmittelgegner anwaltlichen Rat in einer als risikobehaftet empfundene Situation für erforderlich halten darf. Daher kann ihm im Normalfall auch nicht zugemutet werden, mit der Bestellung eines Anwalts so lange zu warten, bis der Berufungskläger einen Antrag auf Verlängerung der Frist zur Begründung des Rechtsmittels gestellt hat (BHG a. a. O. Rn. 13).
5Diese Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gilt bis heute (vgl. BGH 03.06.2003 – VIII ZB 19/03; 28.02.2013 – V ZB 132/12; 23.10.2013– V ZB 143/12).
6II. Auch das Bundesarbeitsgericht folgt dieser Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Beschlüsse vom 16.07.2003 – 2 AZB 50/02 – und vom 14.11.2007 – 3 AZB 36/07).
7III. Soweit in diesen Entscheidungen ausgeführt wird, davon sei zu unterscheiden die Frage, „welche Maßnahmen“ der bestellte Rechtsanwalt zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung für erforderlich halten dürfe, betrifft dieses die Frage, ob die erst bei Stellung eines Sachantrages nach Nr. 3200, 3201 VV RVG anfallende volle Verfahrensgebühr dann auch in dieser Höhe erstattungsfähig ist, wenn der Antrag gestellt wird, bevor feststeht, dass das Rechtsmittel tatsächlich durchgeführt wird (vgl. z. B. BGH 03.07.2007 – VI ZB 21/06 – Rn. 6 m. w. N.; BHG 23.10.2013 – V ZB 143/12).
8Diese weitere Frage ist im vorliegenden Fall allerdings nicht erheblich– worauf das Arbeitsgericht bereits zu Recht hingewiesen hat. Denn der Prozessbevollmächtigte der Beklagten verlangt nur die 1,1-Gebühr nach KV 3201 VV RVG.
9IV. Diese letztere Gebühr entsteht bei vorzeitiger Beendigung des Auftrags. Eine solche liegt nach 3201 VV RVG vor, wenn der Auftrag endet, bevor der Rechtsanwalt das Rechtsmittel eingelegt oder einen Schriftsatz, der Sachanträge, Sachvortrag, die Zurücknahme der Klage oder die Zurücknahme des Rechtsmittels enthält, einreicht oder bevor er einen gerichtlichen Termin wahrgenommen hat.
10Grundsätzlich entsteht die Verfahrensgebühr nach Nr. 3200, auf die Nr. 3201 verweist, indes, wenn der Rechtsanwalt in irgendeiner Weise über Neben- und Abwicklungstätigkeiten aus dem erstinstanzlichen Auftrag hinaus im Rahmen der Erfüllung seines Prozessauftrags tätig geworden ist. Eines nach außen erkennbaren Tätigwerdens bedarf es dabei nicht (BGH 25.10.2012– IX ZB 62/10). Es genügt das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information des Mandanten. Der Rechtsanwalt hat die Gebühr verdient, wenn er Informationen entgegen nimmt oder mit seinem Mandanten bespricht, wie er auf das von der Gegenseite eingelegte Rechtsmittel reagieren soll. Auch die interne Prüfung, ob ein Mandant sich gegen das eingelegte Rechtsmittel wehren soll, lässt die Verfahrensgebühr entstehen (BGH a. a. O. m. w. N.).
11Um reine Abwicklungstätigkeiten gemäß § 19 Abs. 1 S. 1 RVG handelt es sich im vorliegenden Fall nicht. Solche sind z. B. die Empfangnahme von Rechtsmittelschriften und ihre Mitteilung an den Auftraggeber (BGH a. a. O.). Dazu ist auch zu zählen die bloße Entgegennahme und Weiterleitung der Bitte eines Rechtsmittelführers, dass die Gegenseite noch keinen Prozessbevollmächtigten bestellen möge.
12Im vorliegenden Fall aber hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten mehr getan. Er hat – wie aus seinem Schriftsatz vom 22.09.2015 folgt – zumindest geprüft, ob seine Mandantin sich gegen das eingelegte Rechtsmittel wehren soll, was nach der oben zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ausreicht, um die Gebühr entstehen zu lassen.
13V. Der vorliegende Fall ist nicht zu vergleichen mit dem vom Bundesarbeitsgericht im Beschluss vom 14.07.2007 (3 AZB 36/07) entschiedenen Fall. Dieser war dadurch gekennzeichnet, dass für die dortige Beklagte aufgrund eines mit dem Rechtsmittel übermittelten Begleitschreibens des Vorsitzenden der Berufungskammer klar war, dass sie sich nicht in einer risikobehaftenden Situation befand, sondern die Berufung ohne Weiteres als unzulässig verworfen werden würde, soweit keine weitere Entwicklung eintrete (vgl. BAG a. a. O. Rn. 12). Im vorliegenden Fall gab es ein solches Schreiben des Gerichts nicht. Die Berufung war auch nicht unzulässig. Dass der Prozessbevollmächtigte der Beklagten sie irrtümlich für unzulässig hielt, ändert nichts daran, dass allein mit der Prüfung des Rechtsmittels dahingehend, ob man sich gegen das eingelegte Rechtsmittel wehren solle, die Verfahrensgebühr entstanden ist (nochmals BGH 25.10.2012 a. a. O. Rn. 11).
14Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
15Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
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(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
(1) Zu dem Rechtszug oder dem Verfahren gehören auch alle Vorbereitungs-, Neben- und Abwicklungstätigkeiten und solche Verfahren, die mit dem Rechtszug oder Verfahren zusammenhängen, wenn die Tätigkeit nicht nach § 18 eine besondere Angelegenheit ist. Hierzu gehören insbesondere
- 1.
die Vorbereitung der Klage, des Antrags oder der Rechtsverteidigung, soweit kein besonderes gerichtliches oder behördliches Verfahren stattfindet; - 1a.
die Einreichung von Schutzschriften und die Anmeldung von Ansprüchen oder Rechtsverhältnissen zum Klageregister für Musterfeststellungsklagen sowie die Rücknahme der Anmeldung; - 1b.
die Verkündung des Streits (§ 72 der Zivilprozessordnung); - 2.
außergerichtliche Verhandlungen; - 3.
Zwischenstreite, die Bestellung von Vertretern durch das in der Hauptsache zuständige Gericht, die Ablehnung von Richtern, Rechtspflegern, Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder Sachverständigen, die Entscheidung über einen Antrag betreffend eine Sicherungsanordnung, die Wertfestsetzung, die Beschleunigungsrüge nach § 155b des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit; - 4.
das Verfahren vor dem beauftragten oder ersuchten Richter; - 5.
das Verfahren - a)
über die Erinnerung (§ 573 der Zivilprozessordnung), - b)
über die Rüge wegen Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, - c)
nach Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 861/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juni 2007 zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen, - d)
nach Artikel 20 der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens und - e)
nach Artikel 19 der Verordnung (EG) Nr. 4/2009 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen;
- 6.
die Berichtigung und Ergänzung der Entscheidung oder ihres Tatbestands; - 7.
die Mitwirkung bei der Erbringung der Sicherheitsleistung und das Verfahren wegen deren Rückgabe; - 8.
die für die Geltendmachung im Ausland vorgesehene Vervollständigung der Entscheidung und die Bezifferung eines dynamisierten Unterhaltstitels; - 9.
die Zustellung oder Empfangnahme von Entscheidungen oder Rechtsmittelschriften und ihre Mitteilung an den Auftraggeber, die Einwilligung zur Einlegung der Sprungrevision oder Sprungrechtsbeschwerde, der Antrag auf Entscheidung über die Verpflichtung, die Kosten zu tragen, die nachträgliche Vollstreckbarerklärung eines Urteils auf besonderen Antrag, die Erteilung des Notfrist- und des Rechtskraftzeugnisses; - 9a.
die Ausstellung von Bescheinigungen, Bestätigungen oder Formblättern einschließlich deren Berichtigung, Aufhebung oder Widerruf nach - a)
§ 1079 oder § 1110 der Zivilprozessordnung, - b)
§ 39 Absatz 1 und § 48 des Internationalen Familienrechtsverfahrensgesetzes, - c)
§ 57, § 58 oder § 59 des Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetzes, - d)
§ 14 des EU-Gewaltschutzverfahrensgesetzes, - e)
§ 71 Absatz 1 des Auslandsunterhaltsgesetzes, - f)
§ 27 des Internationalen Erbrechtsverfahrensgesetzes und - g)
§ 27 des Internationalen Güterrechtsverfahrensgesetzes;
- 10.
die Einlegung von Rechtsmitteln bei dem Gericht desselben Rechtszugs in Verfahren, in denen sich die Gebühren nach Teil 4, 5 oder 6 des Vergütungsverzeichnisses richten; die Einlegung des Rechtsmittels durch einen neuen Verteidiger gehört zum Rechtszug des Rechtsmittels; - 10a.
Beschwerdeverfahren, wenn sich die Gebühren nach Teil 4, 5 oder 6 des Vergütungsverzeichnisses richten und dort nichts anderes bestimmt ist oder keine besonderen Gebührentatbestände vorgesehen sind; - 11.
die vorläufige Einstellung, Beschränkung oder Aufhebung der Zwangsvollstreckung, wenn nicht eine abgesonderte mündliche Verhandlung hierüber stattfindet; - 12.
die einstweilige Einstellung oder Beschränkung der Vollstreckung und die Anordnung, dass Vollstreckungsmaßnahmen aufzuheben sind (§ 93 Absatz 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit), wenn nicht ein besonderer gerichtlicher Termin hierüber stattfindet; - 13.
die erstmalige Erteilung der Vollstreckungsklausel, wenn deswegen keine Klage erhoben wird; - 14.
die Kostenfestsetzung und die Einforderung der Vergütung; - 15.
(weggefallen) - 16.
die Zustellung eines Vollstreckungstitels, der Vollstreckungsklausel und der sonstigen in § 750 der Zivilprozessordnung genannten Urkunden und - 17.
die Herausgabe der Handakten oder ihre Übersendung an einen anderen Rechtsanwalt.
(2) Zu den in § 18 Absatz 1 Nummer 1 und 2 genannten Verfahren gehören ferner insbesondere
- 1.
gerichtliche Anordnungen nach § 758a der Zivilprozessordnung sowie Beschlüssenach §§ 90 und 91 Absatz 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, - 2.
die Erinnerung nach § 766 der Zivilprozessordnung, - 3.
die Bestimmung eines Gerichtsvollziehers (§ 827 Absatz 1 und § 854 Absatz 1 der Zivilprozessordnung) oder eines Sequesters (§§ 848 und 855 der Zivilprozessordnung), - 4.
die Anzeige der Absicht, die Zwangsvollstreckung gegen eine juristische Person des öffentlichen Rechts zu betreiben, - 5.
die einer Verurteilung vorausgehende Androhung von Ordnungsgeld und - 6.
die Aufhebung einer Vollstreckungsmaßnahme.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)