Landesarbeitsgericht Köln Urteil, 06. März 2015 - 4 Sa 871/14
Gericht
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 25.07.2014 – 5 Ca 2266/14 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
1
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten darum, dass von der Jahressonderzahlung gemäß § 20 TVöD ein Betrag von 500,00 € nach § 850 a Nr. 4 ZPO unpfändbar ist. Wegen des erstinstanzlichen unstreitigen und streitigen Vorbringens der Parteien sowie der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß § 69 Abs. 3 ArbGG auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
3Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen.
4Gegen dieses ihm am 02.09.2014 zugestellte Urteil hat der Kläger am 12.09.2014 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 01.12.2014 am 01.12.2014 begründet.
5Der Kläger verfolgt in der Berufungsinstanz sein erstinstanzliches Klageziel ausschließlich mit Rechtsausführungen weiter. Wegen dieser wird auf die Berufungsbegründung Bezug genommen.
6Der Kläger beantragt
7das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 25.05.2014 – 5 Ca 2266/14 – abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag von 500,00 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
8Die Beklage beantragt,
9die Berufung zurückzuweisen.
10Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Insoweit wird auf die Berufungserwiderung Bezug genommen.
11Ergänzend wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die Protokolle der mündlichen Verhandlungen Bezug genommen.
12E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
13Die zulässige, form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung des Klägers hatte in der Sache keinen Erfolg.
14I. Das Bundesarbeitsgericht hat in dem den Parteien bekannten Urteil vom 14.03.2012 (10 AZR 778/10), das im Übrigen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 28.10.2014 (17 Sa 623/10) zum Gegenstand hatte, auf das sich der Kläger beruft, unter Berücksichtigung der wesentlichen Auslegungskriterien einer Tarifnorm (Wortlaut, Wortsinn, tariflicher Gesamtzusammenhang, im Zweifel auch Entstehungsgeschichte) zu § 44 Abs. 1 Satz 2 TVöD BT-S zu der dort geregelten „Sparkassensonderzahlung“ Folgendes ausgeführt:
15„Weihnachtsvergütungen“ im Sinne des § 850 a Nr. 4 ZPO seien nicht nur „Weihnachtsgratifikationen“ im klassischen Sinn, die der Arbeitgeber als Beitrag zu den erhöhten Aufwendungen des Arbeitnehmer leiste, sondern könnten auch Sondervergütungen für erbrachte Arbeit sein, sofern sie aus Anlass des Weihnachtsfestes gezahlt würden. Ob das der Fall sei, sei nach den bekannten Auslegungskriterien für die Auslegung von Tarifnormen festzustellen. Der Wortlaut des § 44 Abs. 1 Satz 2 TVöD BT-S enthalte keinen Hinweis darauf, dass der garantierte Anteil der SSZ aus Anlass von Weihnachten gezahlt wird. Dem tariflichen Gesamtzusammenhang lasse sich ebenfalls kein durchgreifender Hinweis auf die Zweckbestimmung im Zusammenhang mit Weihnachten entnehmen: Insbesondere die Fälligkeit des garantierten Anteils der SSZ mit dem Entgelt für den Monat November könne ohne ergänzende Anhaltspunkte nur bei einer reinen Gratifikation ein durchgreifendes Indiz für das Vorliegen einer „Weihnachtsvergütung“ sein. Bei einer Zahlung mit Vergütungscharakter ohne Vorliegen weiterer Anhaltspunkte sei hingegen regelmäßig davon auszugehen, dass geleistete Arbeit zusätzlich honoriert werden solle und damit eine andere als die nach § 850 a Nr. 4 ZPO erforderliche Zweckbestimmung maßgeblich sei.
16Der Vergütungscharakter des garantierten Anteils des SSZ werde auch dadurch bestätigt, dass sowohl der garantierte Anteil als auch der variable Anteil um 1/12 für jeden Kalendermonat vermindert würden, in dem kein Anspruch auf Entgelt, Entgelt im Krankheitsfall oder Fortzahlung des Entgelts während des Urlaubs besteht. Sei ein Arbeitnehmer ohne Anspruch auf Entgelt ganzjährig erkrankt, erhalte er, sofern nicht die Ausnahmen des § 44 Abs. 1 Satz 8 TVöD BT-S griffen, weder den garantierten noch den variablen Anteil.
17Dass der Beschäftigte am 1. Dezember des jeweiligen Kalenderjahres im Arbeitsverhältnis stehe müsse, führe zu keiner anderen Bewertung. Daraus folge vielmehr, dass mit der SSZ auch die Betriebstreue honoriert werde, nicht aber, dass die Zuwendung zweckbestimmt für Weihnachten sei.
18Schließlich folge aus der Entstehungsgeschichte nichts Gegenteiliges. Auch wenn die Tarifparteien mit der SSZ tariflich geregelte Zuwendungen mit anderem Inhalt abgelöst hätten, folge daraus nicht, dass deren Zweck nunmehr für die SSZ maßgeblich sei. Die Tarifparteien seien frei darin, Zuwendungen neu zu gestalten und ihnen einen neuen Leistungszweck und -Inhalt zu geben. Das sei mit der SSZ geschehen.
19II. Nach diesen Maßgaben gilt im vorliegenden Fall Folgendes:
201. Der Wortlaut des § 20 TVöD erwähnt ebenso wenig wie § 44 TVöD BT-S in irgendeiner Weise das Weihnachtsfest. Anders als § 44 TVöD BT-S spricht aber § 20 TVöD nicht gänzlich neutral von einer „Sonderzahlung“ („Sparkassensonderzahlung“), sondern von einer „Jahressonderzahlung“. Der Bezugspunkt der Sonderzahlung ist also das Jahr. Dieses spricht schon dagegen, dass der Bezugspunkt der Sonderzahlung das Weihnachtsfest ist.
212. Soweit der Kläger argumentiert, § 20 TVöD sei mit § 44 TVöD BT-S nicht vergleichbar, weil in § 44 TVöD BT-S ein variabler und ein garantierter Anteil geregelt seien, so ist daraus zu seinen Gunsten in Anbetracht der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nichts abzuleiten. Das Bundesarbeitsgericht hat nämlich gerade nur über den garantierten Teil der SSZ entschieden. Nur dieser Teil war Gegenstand des Rechtsstreits, wie sich klar aus dem Tatbestand und den Entscheidungsgründen des Bundesarbeitsgerichts ergibt. Das Fehlen eines variablen Teils im vorliegenden Fall spielt damit keine Rolle.
223. Der Kläger argumentiert weiter (Bl. 81 d. A.) nach dem Wortlaut handele es sich um „die zusammengefassten Zahlungen für Urlaubs- und Weihnachtsgeld, wie sie vor Einführung des TVöD gezahlt wurden“.
23Der Wortlaut spricht lediglich von „Jahres“- Sonderzahlung. Weder der Urlaub noch Weihnachten finden im Wortlaut irgendeinen Anklang.
244. Der Kläger beruft sich darüber hinaus auf den Auszahlungszeitpunkt. Hier werde – wie schon in seinem Beschäftigungsbetrieb vor Geltung des TVöD – die Jahressonderzahlung einmalig und komplett im November und damit im zeitlichen Zusammenhang vor Weihnachten ausgezahlt.
25Was konkret im Betrieb des Klägers vor der Geltung des TVöD geschehen ist, spielt für die Auslegung des TVöD keine Rolle. Zum Fälligkeitszeitpunkt November hat das Bundesarbeitsgericht die oben zitierten Ausführungen gemacht. Danach kann ohne ergänzende Anhaltspunkte die Fälligkeit der Zahlung in zeitlicher Nähe zu Weihnachten nur relevant sein, wenn es sich um eine „reine Gratifikation“ handelt. Bei einer Zahlung mit Vergütungscharakter indes ist ohne Vorliegen weiterer Anhaltspunkte regelmäßig davon auszugehen, dass geleistete Arbeit zusätzlich honoriert werden soll, mithin eine andere Zweckbestimmung als die des § 850 a Nr. 4 ZPO gegeben ist.
26Wie bei § 44 Abs. 1 TVöD BT-S ist auch in § 20 Abs. 4 TVöD eine 1/12-Regelung enthalten: Der Anspruch vermindert sich um 1/12 für jeden Kalendermonat, in dem der Beschäftigte keinen Anspruch auf Entgelt oder Fortzahlung des Entgelts nach § 21 hat oder ein Fall des § 20 Abs. 4 Satz 2 vorliegt. Die Ausnahmevorschriften, in denen die Verminderung unterbleibt, entsprechen exakt dem Wortlaut des § 44 Abs. 1 Satz 8 TVöD BT-S. Hier wie dort wird durch diese Regelung der Vergütungscharakter der Sonderzahlung bestätigt.
275. Dass der Beschäftigte nach § 20 Abs. 1 TVöD am 1. Dezember des jeweiligen Kalenderjahres im Arbeitsverhältnis stehen muss, führt hier wie bei§ 44 Abs. 1 Satz 7 TVöD zu keiner anderen Bewertung. Daraus folgt vielmehr, dass mit der Sonderzahlung auch Betriebstreue honoriert wird, nicht aber, dass die Zuwendung zweckbestimmt für das Weihnachtsfest gezahlt wird.
286. Ergibt sich mit dem nach Wortlaut und Gesamtzusammenhang ein eindeutiges Ergebnis, so kommt es auf die Entstehungsgeschichte nicht mehr an. Davon unabhängig aber spricht die Tatsache, dass mit § 20 TVöD das frühere Urlaubsgeld und das frühere Weihnachtsgeld abgelöst wurden, nicht dafür, dass § 20 TVöD auch diese Zweckbestimmungen hat. Wie bereits das Bundesarbeitsgericht ausgeführt hat, können Tarifparteien Zuwendungen neu gestalten und ihnen einen neuen Leistungszweck geben. Das ist mit § 20 TVöD geschehen.
29Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
30RECHTSMITTELBELEHRUNG
31Gegen dieses Urteil kann vonder klagenden Partei
32R E V I S I O N
33eingelegt werden.
34Für die beklagte Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
35Die Revision muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich oder in elektronischer Form beim
36Bundesarbeitsgericht
37Hugo-Preuß-Platz 1
3899084 Erfurt
39Fax: 0361-2636 2000
40eingelegt werden.
41Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
42Die Revisionsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
43- 44
1. Rechtsanwälte,
- 45
2. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
- 46
3. Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
In den Fällen der Ziffern 2 und 3 müssen die Personen, die die Revisionsschrift unterzeichnen, die Befähigung zum Richteramt haben.
48Eine Partei, die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
49Bezüglich der Möglichkeit elektronischer Einlegung der Revision wird auf die Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesarbeitsgericht vom 09.03.2006 (BGBl. I Seite 519) verwiesen.
50* eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
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(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.
(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.
(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.
(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)