Landesarbeitsgericht Köln Urteil, 17. Feb. 2016 - 11 Sa 734/15
Gericht
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird unter Zurückweisung im Übrigen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 05.06.2015 – 1 Ca 8922/14 – teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird kostenpflichtig verurteilt, an die Klägerin 4.804,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14.12.2014 zu zahlen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten über die Vergütung von Zeiten während des Nachtdienstes.
3Die Klägerin ist seit dem November 1997 bei der Beklagten, die ein Alten- und Pflegezentrum betreibt, als Altenpflegerin mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 31,96 Stunden beschäftigt. In der Seniorenwohnanlage besteht eine stationäre Pflegeinrichtung und eine ambulante Pflege während der Zeiten der Nachtwache. Von den Nachtwachen werden etwa 100 Pflegebedürftige aller Pflegestufen betreut. Der stationäre Nachtdienst ist mit zwei Pflegekräften besetzt. Während der gesamten Nachtschicht haben die in der Nachtwache eingesetzten Mitarbeiter ein Telefon oder einen Pieper bei sich zu führen, um im Notfall unverzüglich eingreifen zu können. Zudem kann im Notfall eine Nachtwache aus dem ambulanten Dienst zur Unterstützung hinzu gerufen werden. Die Beklagte hat einen Zeitkorridor festgesetzt, in dem die Pausen vom Nachtwachenpersonal zu nehmen sind. Die Mitarbeiter können im Schwesternzimmer die Pausenzeiten verbringen.
4Die Klägerin begehrt mit der Klage die durchgehende Vergütung der Nachtwachenzeiten für den Zeitraum Januar 2011 bis Oktober 2014. Wegen der Anzahl und Verteilung der Nachtwachen wird Bl. 9 ff. d. A. verwiesen. Der Nachtdienst lag bis März 2013 in der Zeit von 20:45 Uhr bis 06:45 Uhr, der Pausenkorridor in der Zeit von 00:15 Uhr bis 01:00 Uhr bzw. von 01:00 Uhr bis 01:45 Uhr. Seit dem 01.04.2013 beginnt die Nachtschicht um 21:30 Uhr und endet gegen 07:00 Uhr, der Pausenkorridor wurde auf die Zeit von 00:00 Uhr bis 02:00 Uhr festgelegt. Das Gehalt der Klägerin betrug in den Jahren 2011 und 2012 1.857,81 € brutto, in der Zeit von Januar bis Juli 2013 2.224,91 € brutto, von August 2013 bis Januar 2014 2.256,05 € brutto und ab März 2014 2.330,76 € brutto. Die Klägerin erhält auf arbeitsvertraglicher Grundlage einen Nachtzuschlag von 1,28 € die Stunde. Hinsichtlich der unstreitigen Berechnung der Zahlungsansprüche durch die Klägerin wird auf Bl. 5 f. d. A. Bezug genommen.
5Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 05.06.2015 (Bl. 103 ff. d.A.) entsprochen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte habe die Klägerin während der Pausenkorridore nicht von jeder Arbeitsverpflichtung freigestellt und damit keine Pause gewährt. Die Klägerin habe vielmehr durchgehend Nachtdienst verrichtet. Wegen der weiteren Einzelheiten des streitigen und unstreitigen Vorbingens sowie der Antragstellung der Parteien erster Instanz wird auf den Tatbestand, wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung des Arbeitsgerichts wird die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
6Die Beklagte hat gegen das ihr am 30.06.2015 zugestellte Urteil am 10.07.2015 Berufung eingelegt und diese am 31.08.2015 begründet.
7Die Beklagte meint, eine Vergütung für Pausen stehe der Klägerin nicht zu, denn während der Dauer der gesetzlichen Mindestpausen könne aus Rechtsgründen keine Arbeitsleistung angenommen bzw. bewirkt werden. Im Notfall sei die im Dienst befindliche Nachtwache zuständig. Erst wenn diese Nachtwache zusätzliche Hilfe benötige, komme auch ein Einsatz der in der Pause befindlichen Nachtwache in Betracht. Dass es zu solchen Fällen gekommen sei, habe die Klägerin nicht vorgetragen.
8Die Beklagte beantragt,
9das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 05.06.2015(1 Ca 8922/14), der Beklagten am 30.06.2015 zugestellt, abzuändern und die Klage abzuweisen.
10Die Klägerin beantragt,
11die Berufung der Beklagten kostenpflichtig zurückzuweisen.
12Die Klägerin verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Aufgrund der Personalorganisation der Beklagten sei eine Pausengewährung nicht gewährleistet. Die Beklagte stelle nicht sicher, dass keine Arbeitsleistung entgegen genommen werde, sondern erwarte unstreitig, dass in Notfällen die Patientenversorgung sichergestellt werde. Die Klägerin könne daher nicht frei über die eingeräumten Pausenzeiten verfügen.
13Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze der Parteien vom 31.08.2015 und 06.11.2015, die Sitzungsniederschrift vom 17.02.2016 sowie den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.
14E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
15I. Die Berufung der Beklagten ist zulässig, denn sie ist gemäß § 64 Abs. 2 b) ArbGG statthaft und wurde innerhalb der Fristen des § 66 Abs. 1 ArbGG ordnungsgemäß eingelegt und begründet.
16II. Die Berufung ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat mit überzeugender Argumentation, der sich das Berufungsgericht anschließt und auf die zwecks Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, der Klage in Hauptsache stattgegeben. Die Ausführungen der Beklagten in der Berufungsbegründung rechtfertigen keine Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 4.804,00 € brutto aus § 611 Abs. 1 BGB i.V.m. dem Anstellungsvertrag nebst Rechtshängigkeitszinsen.
171. Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienstzeiten sind grundsätzlich nach § 611 Abs. 1 BGB i.V.m. dem Arbeitsvertrag zu vergüten. Arbeit als Leistung der versprochenen Dienste gemäß § 611 Abs. 1 BGB ist nicht nur jede Tätigkeit, die als solche der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient. Arbeit in diesem Sinne ist auch die vom Arbeitgeber veranlasste Untätigkeit, während derer der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz anwesend sein muss und nicht frei über die Nutzung des Zeitraums bestimmen kann, er also weder eine Pause im Sinne des Arbeitszeitgesetzes noch Freizeit hat (BAG Urt. v. 20.04.2011 - 5 AZR 200/10 - m.w.N.). Für diese Sonderformen der Arbeit steht es den Arbeitsvertragsparteien frei, eine gesonderte Vergütungsregelung zu treffen. Diese Vergütung kann geringer sein als das Entgelt für Vollarbeit (BAG, Urt. v. 19.11.2014 - 5 AZR 1101/12 - m.w.N.). Pausen nach § 4 ArbZG sind im Voraus feststehende Unterbrechungen der Arbeit, in denen der Arbeitnehmer weder Arbeit zu leisten noch sich dafür bereitzuhalten hat und frei über die Nutzung des Zeitraums bestimmen kann (BAG, Urt. v. 25.02.2015- 5 AZR 886/12 - m.w.N.).
182. Die Klägerin hat hiernach während der Nachtwache vergütungspflichtige Arbeit geleistet und die von ihr arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit während der gesamten Zeit des Nachtwachendienstes erbracht. Sie konnte aufgrund der Arbeitseinteilung der Beklagten das Alten- und Pflegezentrum nicht verlassen, sondern musste in den Räumlichkeiten der Einrichtung zur Verfügung stehen, um im Notfall unterstützend zu helfen. Sie konnte nicht frei über die Nutzung der Zeit bestimmen. Die Klägerin war nicht aufgrund verbindlicher und konkreter Pausenanordnung von jeder Dienstverpflichtung, einschließlich der Pflicht, sich zum Dienst bereitzuhalten, freigestellt (vgl. hierzu: BAG, Urt. v. 23.09.1992– 4 AZR 562/91 -). Eine geringere Entgeltabrede für die Bereitschaft im Nachtwachendienst haben die Parteien nicht getroffen.
193. Hinsichtlich des Beginns des Zinsanspruchs bedurfte das Urteil des Arbeitsgerichts der Abänderung. Die Klägerin hat Rechtshängigkeitszinsen geltend gemacht. Diese sind erst ab 14.12.2014 geschuldet, denn die Klage wurde der Beklagten am 13.12.2014 zugestellt. Die Verzinsungspflicht für Prozesszinsen beginnt nach den §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2, 187 Abs. 1 BGB erst mit dem Folgetag der Rechtshängigkeit, welche durch Zustellung der Klage begründet wurde (vgl. z.B.: BAG, Urt. v. 15.09.2009 - 9 AZR 645/08 - m.w.N.).
20III. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
21IV. Die Revision wurde nicht zugelassen, da die gesetzlichen Zulassungsvoraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht vorliegen.
22R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
23Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
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(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.
(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.
Die Arbeit ist durch im voraus feststehende Ruhepausen von mindestens 30 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs bis zu neun Stunden und 45 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als neun Stunden insgesamt zu unterbrechen. Die Ruhepausen nach Satz 1 können in Zeitabschnitte von jeweils mindestens 15 Minuten aufgeteilt werden. Länger als sechs Stunden hintereinander dürfen Arbeitnehmer nicht ohne Ruhepause beschäftigt werden.
Eine Geldschuld hat der Schuldner von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Die Vorschriften des § 288 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, Abs. 3 und des § 289 Satz 1 finden entsprechende Anwendung.
(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.
(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.
(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.
(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)
(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.
(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn
- 1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.
(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.
(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.
(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.
(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.