Landesarbeitsgericht Hamburg Urteil, 20. Okt. 2016 - 8 Sa 47/16
Gericht
Tenor
Das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 28.06.2016 (9 Ca 9/16) wird abgeändert:
1. Die Beklagte wird verurteilt,
a) an den Kläger € 414,90 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten p.a. über dem Basiszinssatz der EZB auf Beträgen von € 77,35 ab dem 01.09.2015 und jeweils weiteren € 77,35 ab dem jeweiligen 01. der Folgemonate bis zum 01.01.2016 zu zahlen
b) an den Kläger € 2.023,38 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten p.a. über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 01.12.2015 zu zahlen
c) an den Kläger € 207,45 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB mit € 69,15 ab dem 01.03.2016 und jeweils weiteren € 69,15 ab dem 01.04. und 01.05.2016
d) an den Kläger € 125,85 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten p.a. über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 01.06.2016 zu zahlen
e) an den Kläger € 2.058,82 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten p.a. über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 01.06.2016 zu zahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
- 1
Die Parteien streiten über monatliche Entgelterhöhungen seit August 2015, das Weihnachtsgeld für das Jahr 2015 sowie das Urlaubsgeld 2016.
- 2
Der Kläger steht seit 1999 in einem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten. Er ist als Lagerist tätig. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag besteht nicht. Der Kläger bezog zuletzt ein regelmäßiges Bruttomonatseinkommen in Höhe von € 3.168,26. Dieses bestand aus einem Grundgehalt von € 2.766,-, einer Zulage in Höhe von € 102,26 aufgrund einer Betriebsvereinbarung aus dem Jahre 1997 sowie einer weiteren Zulage in Höhe von € 300,-. Die Höhe des Grundgehalts entspricht der Tarifgruppe G2-6 des Hamburger Einzelhandelstarifvertrags in der bis Juli 2015 geltenden Fassung.
- 3
Die Betriebsvereinbarung vom 01.08.1997 (im Folgenden: BV 97) beinhaltet unter anderem auch Regelungen über Gehaltszahlungen und Zahlung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld. In der Präambel der Betriebsvereinbarung heißt es:
- 4
„Präambel:
- 5
Ziel der Konzeption einer Betriebsvereinbarung war die Schaffung eines Gehalts- und Arbeitszeitsystems, das für jeden Mitarbeiter nachvollziehbar, einsehbar und leistungsgerecht ist.
- 6
Ferner sollen die gesetzlichen Ladenschlusszeiten des Einzelhandels in gerechte Rahmenbedingungen gefügt werden.
- 7
Als Grundlage wurden größtenteils bestehende Vereinbarungen genommen. Der Tarif berücksichtigt die Mindestforderungen des Einzelhandelstarifes in Hamburg soweit nicht andere Vereinbarungen getroffen werden und diese einen individuellen Leistungsausgleich berücksichtigen (Arbeitsvertrag). Eine Überarbeitung findet mindestens zum Zeitpunkt gültiger Tarifverhandlung des Einzelhandels statt.
- 8
Die nachstehenden Paragraphen ergänzen die Regelungen des Arbeitsrechtes und gelten als Bestandteil des Arbeitsvertrages (Individualvereinbarung).
- 9
Jedem G. wird eine Ausfertigung der Vereinbarung bei Beginn des Arbeitsverhältnisses zusammen mit dem Arbeitsvertrag übergeben.
…
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Inhaltsverzeichnis
- 11
…
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§ 9 Urlaubs- und Weihnachtsgeld
- 13
G. zahlt für jedes Beschäftigungsjahr ein Urlaubsgeld in Höhe von 62,5 % des Gehaltes. Zahlungstermin ist spätestens der 31. Mai eines jeden Jahres. …
G. zahlt in jedem Beschäftigungsjahr ein Weihnachtsgeld in Höhe von 62,5 % des Gehaltes. Zahlungstermin ist spätestens der 30. November eines jeden Jahres. …
…
- 14
§ 17 Gehaltstarif
- 15
Die G.-Gehälter garantieren eine Mindesthöhe über den jeweiligen Hamburger Tarifen
- 16
In den Tarifen G0, G1, G2 sind das DM 200,00
In den Tarif G3 sind das DM 300,00
In den Tarifen G4a G4b sind das DM 500,00
…
- 17
Gehaltserhöhungen:
- 18
Zukünftige Tariferhöhungen führen mit Wirkung des neuen Tarifabschlusses zu einer entsprechenden Erhöhung des Garantiegehaltes.
- 19
In den Tarifen G0, G1, G2 sind das DM 200,00
In den Tarif G3 sind das DM 300,00
In den Tarifen G4a G4b sind das DM 500,00
- 20
Gehaltsgruppen:
- 21
Die Tätigkeitsbereiche der G. werden verschiedenen Gehaltsgruppen zugeordnet. Für die Eingruppierung des G.s kommt es auf die gemäß Arbeitsvertrag vereinbarte und zu verrichtende Tätigkeit an. …
…
- 22
§ 22 Schlussbestimmung
- 23
Diese Betriebsvereinbarung tritt ab 1.8.97 in Kraft. Sie ist mit einer Frist von 6 Monaten zum Kalenderjahres, erstmals zum 28.2.98 kündbar.“
- 24
Vor der BV 97 gab es bereits eine entsprechende Betriebsvereinbarung vom 01.07.1991.
- 25
Die Beklagte war bei Abschluss der BV 97 an die Tarifverträge des Hamburger Einzelhandels gebunden. Die Mitgliedschaft der Beklagten im Landesverband des Hamburger Einzelhandels e.V. endete im April 2008.
- 26
Die BV 97 wurde von der Beklagten zum 31.12.2014 gekündigt. Mit Schreiben vom 31.07.2015 teilte sie dem Betriebsrat mit, dass die Tarifvertragsparteien eine tarifliche Entgelterhöhung zum 01.08.2015 vereinbart hätten, die Beklagte diese Erhöhung aber nicht weitergeben könne. Aufgrund der äußerst negativen Personalkostensituation und angespannten Finanzlage des Unternehmens könne sie zudem künftig die Zahlung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld nicht mehr fortsetzen. In ähnlicher Weise unterrichtete die Beklagte die bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer. Ferner bot die Beklagte den Beschäftigten individuelle Ablösevereinbarungen an, die eine Zahlung von 30 % eines Gehalts als Einmalzahlung sowie ab 2016 40 % eines Gehalts gezwölftelt zusätzlich zum Monatsgehalt vorsahen. 70 % der Mitarbeiter der Beklagten haben diese Angebote angenommen.
- 27
Die Tarifentgelte des Hamburger Einzelhandels haben sich bezüglich der für den Kläger einschlägigen Tarifgruppe G 2-6 mit Wirkung zum 01.08.2015 um € 69,15 auf € 2.835,15 erhöht. Zum 01.05.2016 folgte eine weitere Tariferhöhung um 2 %.
- 28
Der Kläger machte mit Schreiben vom 21.09.2015 (Anl. A5, Bl. 25 d.A.) einen Anspruch auf eine Gehaltserhöhung ab 01.08.2015 um € 78,46 monatlich sowie auf Weihnachtsgeld für 2015 in Höhe von 62,5 % seines Gehalts geltend.
- 29
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass ihm die geltend gemachten Ansprüche auf der Basis zweier Rechtsgrundlagen zustünden.
- 30
Zum einen sei dem Kläger in der BV 97 ein arbeitsvertraglicher individueller Leistungsanspruch zugesprochen worden. Mit der Formulierung in der Präambel der BV 97, dass die nachstehenden Paragraphen die Regelungen des Arbeitsrechtes ergänzten und als Bestandteil des Arbeitsvertrages (Individualvereinbarung) gälten, hätten die Betriebsparteien geregelt, dass unabhängig von der Wirksamkeit der Betriebsvereinbarung die Inhalte der Betriebsvereinbarung Inhalt des jeweiligen Arbeitsvertrages werden würden. Selbst bei Unwirksamkeit der Betriebsvereinbarung würde es sich um ein gebündeltes Vertragsangebot an die Arbeitnehmer handeln, welches diese nachfolgend stillschweigend durch die Entgegennahme der Leistungen angenommen hätten. Diese Auffassung werde auch dadurch bestärkt, dass jedem Arbeitnehmer nach der Präambel der Betriebsvereinbarung eine Ausfertigung der Vereinbarung bei Beginn des Arbeitsverhältnisses zusammen mit dem Arbeitsvertrag übergeben werden sollte. Folglich könne die Beklagte aufgrund dieses bestehenden individualrechtlichen Anspruchs nur versuchen, diesen auf individualrechtlichem Wege zu verändern. Die ausgesprochene Kündigung der Betriebsvereinbarung sei dazu jedoch untauglich, weil sie nicht die einzelvertraglich entstandenen Ansprüche berühren könne.
- 31
Zum anderen bestehe für den Kläger aufgrund jahrelanger Zahlung des Tarifentgelts in der jeweiligen Fassung des Tarifvertrages zuzüglich eines Festbetrages ein individueller Anspruch aus einer erteilten Gesamtzusage in Verbindung mit betrieblicher Übung. Dabei sei zunächst zu berücksichtigen, dass die Beklagte sich auf die Unwirksamkeit der BV 97 wegen Verstoßes gegen § 77 III BetrVG berufe. Insoweit sei zuzugestehen, dass für den Fall, in welchem ein Arbeitgeber in Anwendung einer vermeintlich wirksamen Betriebsvereinbarung Leistungen an die Arbeitnehmer erbringe, allein dies regelmäßig keine betriebliche Übung begründe. Allerdings komme eine Umdeutung in eine vertragliche Einheitsregelung als Gesamtzusage in Betracht, wenn besondere Umstände die Annahme rechtfertigten, der Arbeitgeber habe sich unabhängig von der Betriebsvereinbarung auf jeden Fall verpflichten wollen, den Beschäftigten die in einer unwirksamen Betriebsvereinbarung vorgesehenen Leistungen zu gewähren. Dies müsse hier angenommen werden, weil die Beklagte die Unwirksamkeit der BV 97 schon bei Abschluss gekannt, gleichwohl die in der BV 97 vorgesehenen Leistungen – dies ist unstreitig – über 13 Jahre hinweg gewährt und auch nach Kündigung der Betriebsvereinbarung das Urlaubsgeld im Mai 2015 gezahlt und Anhebungen des Entgelts nach der Staffel der Betriebszugehörigkeitsjahre vorgenommen habe.
- 32
Der Kläger hat beantragt,
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1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 414,90 brutto (Entgelterhöhung ab 01.08.2015 für die Monate August bis Januar 2016) zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten p.a. über dem Basiszinssatz auf den Betrag in Höhe von jeweils € 69,15 ab dem 1. September 2015, 1. Oktober 2015, 1. November 2015, 1. Dezember 2015, 1. Januar 2016 und 1. Februar 2016;
- 34
2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 2.023,38 brutto (Weihnachtsgeld 2015) zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten p.a. über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2015;
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3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 207,45 brutto (Entgelterhöhung für Februar bis April 2016) zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf den Betrag von jeweils € 69,15 ab dem 1. März 2016, 1. April 2016 und 1. Mai 2016;
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4. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 125,85 brutto (Entgelterhöhung 2,5 plus 2,0 % für Mai 2016) zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten p.a. über dem Basiszinssatz ab 01.06.2016 zu zahlen;
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5. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 2.058,82 brutto (Urlaubsgeld 2016) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten p.a. über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2016.
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Die Beklagte hat beantragt,
- 39
die Klage abzuweisen.
- 40
Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, unmittelbar aus der BV 97 ergebe sich kein Anspruch, weil die Betriebsvereinbarung hinsichtlich der Regelungstatbestände der Vergütung sowie des Weihnachts- und Urlaubsgeldes gemäß § 77 III BetrVG nichtig sei. In § 17 der Betriebsvereinbarung hätten die Betriebsparteien abschließende Gehaltsregelungen für die bei der Beklagten beschäftigten Mitarbeiter treffen wollen. Diese Regelung sei aber gemäß § 77 III BetrVG insgesamt unwirksam, weil der Gehaltstarifvertrag für den Einzelhandel in Hamburg umfassende Gehaltsregelungen enthalten habe und enthalte. Entsprechende Regelungen für den Einzelhandel in Hamburg seien seit 1949 regelmäßig ohne Unterbrechungen bis in die Gegenwart durch die Tarifvertragsparteien abgeschlossen worden. Die Regelungen der BV 97 in Bezug auf die Tariferhöhungen sowie das Weihnachts- und Urlaubsgeld wiederholten den Tarifvertrag auch nicht nur inhaltlich, sondern ersetzten ihn durch spezifische Regelungen zur Höhe des Gehaltes, zu Tätigkeitsjahren und anderem.
- 41
Die Herleitung einer Individualvereinbarung aus der Präambel der BV 97 sei nicht möglich. Soweit der Kläger diesbezüglich auf den dritten Absatz der Präambel rekurriere, stellte diese Passage lediglich eine Wiederholung des Rechtsgrundsatzes nach § 77 IV BetrVG dar. Die Betriebsparteien hätten auch weiterhin die Regelungsbefugnis über die Bestandteile der Betriebsvereinbarung behalten wollen. Dies ergebe sich auch aus der vereinbarten Kündigungsmöglichkeit. Die Betriebsparteien hätten mit dem Mittel der Betriebsvereinbarung ein nachvollziehbares Gehalts- und Arbeitszeitsystem schaffen wollen. Um deutlich zu machen, dass dieses System durch Abschluss der Betriebsvereinbarung für jeden Arbeitnehmer gelten würde, sei dies in der Präambel klargestellt worden.
- 42
Die Präambel stelle auch kein Angebot zum Abschluss einer gleichlautenden arbeitsvertraglichen Vereinbarung dar. Präambeln enthielten in aller Regel die Absichten, welche zu dem Entschluss geführt hätten, eine nachfolgende Vereinbarung zu treffen. Eine Vereinbarung der Betriebsparteien, neben der Betriebsvereinbarung die Mitarbeiter auch zusätzlich durch arbeitsvertragliche Vereinbarung an die Inhalte der Betriebsvereinbarung zu binden, wäre nicht Gegenstand einer Präambel, sondern einer eigenständigen Regelung der Betriebsparteien geworden.
- 43
Die nichtige Betriebsvereinbarung könne auch nicht in eine Gesamtzusage umgedeutet werden. Auch wenn es rechtlich möglich sei, eine unwirksame Betriebsvereinbarung in eine Gesamtzusage umzudeuten, übersehe der Kläger, dass eine Umdeutung nicht die Regel, sondern die Ausnahme sei. Daher seien besondere Umstände erforderlich, welche die Annahme rechtfertigten, der Arbeitgeber habe sich auf jeden Fall verpflichten wollen, den Arbeitnehmern die in einer unwirksamen Betriebsvereinbarung vorgesehenen Leistungen zukommen zu lassen. Die Beklagte sei aber im Jahre 1997 wie auch der Betriebsrat davon ausgegangen, dass die Betriebsvereinbarung wirksam sei. Erst Mitte 2015 sei die Beklagte darauf hingewiesen worden, dass die Betriebsvereinbarung zumindest hinsichtlich der Regelungsgegenstände der Vergütung sowie des Weihnachts- und Urlaubsgeldes aufgrund des Verstoßes gegen den Tarifvorbehalt des § 77 III BetrVG unwirksam sei. Auch die Zeitdauer der Anwendung der Betriebsvereinbarung stelle keinen Ausnahmetatbestand dar, welcher eine Umdeutung in eine Gesamtzusage rechtfertige. Die Betriebsparteien hätten nämlich die Betriebsvereinbarung nicht stets und ständig wieder neu abgeschlossen, sondern sie lediglich in Annahme ihrer Rechtswirksamkeit durchgehend angewendet.
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Ein Anspruch des Klägers ergebe sich auch nicht aus dem Umstand, dass während der Dauer seines Arbeitsverhältnisses bis zur Tariferhöhung zum 01.08.2015 sein Gehalt entsprechend der Vereinbarungen des Landesverbandes des Hamburger Einzelhandels angepasst worden sei. Die Beklagte habe allein aufgrund der vermeintlichen Verpflichtung aus der Betriebsvereinbarung heraus die Tariferhöhungen in der Vergangenheit weitergegeben. Folglich scheide eine Umdeutung des tatsächlichen Verhaltens der Beklagten in eine betriebliche Übung oder eine Gesamtzusage aus.
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Schließlich hat die Beklagte geltend gemacht, die Klage sei in Bezug auf die geltend gemachte Gehaltserhöhung der Höhe nach unschlüssig und unbegründet.
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Mit Urteil vom 28.06.2016 hat das Arbeitsgericht Hamburg die Klage abgewiesen. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 90 – 97 d.A.) Bezug genommen.
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Gegen das ihm am 07.07.2016 zugestellte Urteil hat der Kläger am 11.07.2016 Berufung eingelegt und diese am 14.07.2016 begründet.
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Der Kläger rügt, das arbeitsgerichtliche Urteil sei unzutreffend. Aus der BV 97 ergebe sich ein arbeitsvertraglicher Anspruch auf die eingeklagten Leistungen. Das Arbeitsgericht habe Absatz 3 der Präambel der BV 97 nicht ausreichend gewürdigt. In Verbindung mit dem mündlichen Arbeitsvertrag der Parteien ergäben sich die Ansprüche des Klägers unmittelbar als vertragliche Ansprüche. Es sei deutlich der Wille der „Urheber“ der BV 97 erkennbar, neben dem (vermeintlichen) Geltungsanspruch der BV 97 vorsorglich eine vertragliche Anspruchsgrundlage zusätzlich zu stiften („Bestandteil des Arbeitsvertrags“; „Individualvereinbarung“). Hieraus könne der Kläger die Abstandsregelung des § 17 der BV 97 (Entgelterhöhung) und die Zahlung der 62,5 % Weihnachts- und Urlaubsgeld (§ 9 BV 97) geltend machen.
- 49
Unabhängig hiervon sei eine direkte Gesamtzusage gegeben. Diese sei aus der BV 97 abzuleiten, dort aus der Präambel. Damit sei ebenfalls ein individualrechtlicher Anspruch geschaffen. Auf eine Umdeutung einer nichtigen Betriebsvereinbarung in eine Gesamtzusage komme es nicht an. Das habe das Arbeitsgericht verkannt ebenso wie den Umstand, dass eine Erklärung der Beklagten in der Präambel auszulegen sei und nicht eine Vereinbarung der Betriebsparteien. Von Bedeutung sei auch der Umstand, dass jedem Mitarbeiter eine Ausfertigung der BV 97 mit dem Arbeitsvertrag habe übergeben werden sollen. Damit habe die Beklagte die Bedeutung der Regelungen als individuelle Vertragsbestandteile unterstrichen. Von einer bloß deklaratorischen Wiederholung des § 77 IV BetrVG könne aus diesem Grund nicht ausgegangen werden. Soweit das Arbeitsgericht ausführe, die Regelung der BV 97 ziele auf die Schaffung eines kollektivrechtlichen Systems ab, finde sich hierfür in der Präambel kein Anhalt. Vor allem der Bezug zum Arbeitsvertrag in der Präambel spreche dagegen. Der Wille der Betriebsparteien spiele letztlich keine Rolle, da es auf den objektiven Empfängerhorizont ankomme. Der Umstand, dass sich einzelne Inhalte der BV 97 auf Ausbildungsverhältnisse oder kollektivrechtliche Inhalte bezögen, stehe der Auslegung als Individualanspruch nicht entgegen. Die jeweiligen Geltungsbereiche ließen sich klar trennen.
- 50
Jedenfalls sei aber die unwirksame BV 97 in eine Gesamtzusage umzudeuten. Die Beklagte habe sich auf jeden Fall, unabhängig von der Wirksamkeit der BV 97, rechtlich binden wollen. Das folge aus der Präambel. Die Kündigungsmöglichkeit in der BV 97 bezöge sich nur auf die kollektivrechtlichen mitbestimmungspflichtigen Teile der Betriebsvereinbarung. Ferner bewirke die Kündigungsmöglichkeit, dass die Beklagte mit neuen Arbeitnehmern andere Vertragsinhalte regeln könne. Außerdem sei davon auszugehen, dass die Betriebsparteien von der Unwirksamkeit der BV 97 gewusst hätten. Deshalb hätten sie in der Präambel von ergänzenden Regelungen und Individualvereinbarung gesprochen.
- 51
Schließlich seien die Ansprüche des Klägers auch deswegen begründet, weil die Beklagte das Entgeltsystem und die Entgeltgrundsätze ohne Beachtung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates geändert habe.
- 52
Der Kläger beantragt,
- 53
unter Abänderung des am 28.06.2016 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Hamburg im Verfahren 9 Ca 9/16,
- 54
1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 414,90 brutto (Entgelterhöhung ab 01.08.2015 für die Monate August bis Januar 2016) zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten p.a. über dem Basiszinssatz auf den Betrag in Höhe von jeweils € 69,15 ab dem 01.09.2015, 01.10.2015, 01.11.2015, 01.12.2015, 01.01.2016 und 01.02.2016;
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2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 2.023,38 brutto (Weihnachtsgeld 2015) zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten p.a. über dem Basiszinssatz seit dem 1.12.2015;
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3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 207,45 brutto (Entgelterhöhung für Februar bis April 2016) zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf den Betrag von jeweils € 69,15 ab dem 01.03.2016, 01.04.2016 und 01.05.2016;
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4. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 125,85 brutto (Entgelterhöhung 2,5 plus 2,0 % für Mai 2016) zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten p.a. über dem Basiszinssatz ab 01.06.2016 zu zahlen;
- 58
5. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 2.058,82 brutto (Urlaubsgeld 2016) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten p.a. über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2016.
- 59
Die Beklagte hat beantragt,
- 60
die Berufung zurückzuweisen.
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Die Beklagte verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.
- 62
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet.
I.
- 64
Der Kläger hat Anspruch auf die von ihm begehrten Entgelterhöhungen. Die Ansprüche ergeben sich aus der Gesamtzusage, in welche die unwirksame BV 97 umzudeuten ist. Im Einzelnen:
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1. Ein Anspruch des Klägers auf Entgelterhöhung entsprechend der Tarifentwicklung im Hamburger Einzelhandel ergibt sich nicht bereits aus § 17 der BV 97, denn die Regelung in § 17 der BV 97, wonach zukünftige Tariferhöhungen mit Wirkung des neuen Tarifabschlusses im Hamburger Einzelhandel zu einer entsprechenden Erhöhung des Garantiegehaltes führen, ist gemäß § 77 III 3 BetrVG unwirksam (ebenso: LAG Hamburg v. 06.10.2016 – 7 Sa 43/16 und v. 07.12.2016 – 3 Sa 39/16).
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a) Nach § 77 III 1 BetrVG können Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Dies gilt nach Satz 2 der Vorschrift nur dann nicht, wenn ein Tarifvertrag den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zulässt. Eine gegen § 77 III 1 BetrVG verstoßende Betriebsvereinbarung ist unwirksam (BAG v. 22.03.2005 – 1 ABR 64/03 – Tz 41 m.w.N.). Die Sperrwirkung des § 77 III 1 BetrVG hängt nicht davon ab, dass der Arbeitgeber tarifgebunden ist. Die Vorschrift soll die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie nach Art. 9 III GG gewährleisten. Dazu räumt sie den Tarifvertragsparteien den Vorrang bei der Regelung von Arbeitsbedingungen ein. Zum Schutz der ausgeübten und aktualisierten Tarifautonomie ist jede Normsetzung durch die Betriebsparteien ausgeschlossen, die inhaltlich zu derjenigen der Tarifvertragsparteien in Konkurrenz treten würde. Arbeitgeber und Betriebsrat sollen weder abweichende noch auch nur ergänzende Betriebsvereinbarungen mit normativer Wirkung abschließen können. Die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie würde auch dann gestört, wenn nicht tarifgebundene Arbeitgeber kollektivrechtliche Konkurrenzregelungen in Form von Betriebsvereinbarungen treffen könnten (BAG v. 22.03.2005 – 1 ABR 64/03 – Tz 42).
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Die Sperrwirkung des § 77 III 1 BetrVG tritt in den Betrieben eines nicht tarifgebundenen Arbeitgebers allerdings nur insoweit ein, wie der betreffende Regelungsgegenstand nicht der zwingenden Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 I BetrVG unterliegt. Andernfalls könnte in den fraglichen Betrieben weder eine tarifliche Regelung noch eine betrieblich mitbestimmte Regelung entstehen. Dies liefe dem Schutzzweck des § 87 I BetrVG zuwider. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts können deshalb Angelegenheiten, die der zwingenden Mitbestimmung unterliegen, auch dann durch eine Betriebsvereinbarung geregelt werden, wenn einschlägige tarifliche Regelungen bestehen, die beim Arbeitgeber mangels Tarifbindung nicht normativ gelten (BAG v. 22.03.2005 – 1 ABR 64/03 – Tz 58, m.w.N.).
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b) Die Anwendung dieser Rechtsgrundsätze auf den vorliegenden Fall ergibt, dass jedenfalls § 17 der BV 97 nicht anwendbar ist.
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Beim Abschluss der BV 97 war die Beklagte tarifgebunden, sodass die Regelungssperre des § 77 III 1 BetrVG galt. Die Gehälter für die Beschäftigten im Hamburger Einzelhandel waren durch einen Gehaltstarifvertrag geregelt, so dass eine Regelung der Höhe der Gehälter durch Betriebsvereinbarung unwirksam war. Auch nach Beendigung der Tarifbindung der Beklagten war die Höhe der Gehälter nicht durch Betriebsvereinbarung regelbar, denn die Gehälter im Hamburger Einzelhandel werden nach wie vor durch Tarifvertrag festgelegt. Bei der Regelung in § 17 der BV 97, wonach zukünftige Tariferhöhungen mit Wirkung des neuen Tarifabschlusses zu einer entsprechenden Erhöhung des Garantiegehaltes führen, handelt es sich nicht um einen Entlohnungsgrundsatz i.S.v. § 87 I Nr. 10 BetrVG. Die Bestimmung der konkreten Höhe des Arbeitsentgelts wird vom Beteiligungsrecht des Betriebsrats nach § 87 I Nr. 10 BetrVG nicht umfasst. Vereinbaren die Betriebsparteien die konkreten Arbeitsentgelte, kann dies zur Unwirksamkeit einer Betriebsvereinbarung nach § 77 III BetrVG führen (BAG v. 18.02.2015 – 4 AZR 778/13 – Tz 24). Bei der Regelung des § 17 der BV 97, wonach zukünftige Tariferhöhungen mit Wirkung des neuen Tarifabschlusses zu einer entsprechenden Erhöhung des Garantiegehaltes führen, handelt es sich um eine Regelung zur Höhe der Entgelte, die nicht der Mitbestimmung des Betriebsrates unterliegt, und somit von der Regelungssperre des § 77 III 3 BetrVG erfasst wird.
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2. Der Anspruch des Klägers auf Entgeltanpassungen ergibt sich auch nicht aus einer Individualvereinbarung der Parteien. Unstreitig ist mit dem Kläger, der nicht über einen schriftlichen Arbeitsvertrag verfügt, zu keinem Zeitpunkt eine entsprechende vertragliche Übereinkunft geschlossen worden. Aus der BV 97 kann sich ein solcher Anspruch schon deshalb nicht ergeben, weil der Betriebsrat die Arbeitnehmer in vertraglichen Angelegenheiten nicht vertritt. Der Betriebsrat ist Interessenvertreter der Arbeitnehmer und kann im eigenen Namen Vereinbarungen treffen, welche die Arbeitnehmer wie Individualansprüche geltend machen können (§ 77 IV 1 BetrVG). An der Rechtsnatur als kollektives Recht ändert sich durch die individualrechtliche Durchsetzbarkeit nichts.
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3. Die unwirksame Regelung der BV 97, wonach die Gehälter entsprechend der Tarifentwicklung im Hamburger Einzelhandel anzupassen sind, kann jedoch in eine Gesamtzusage umgedeutet werden.
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a) Eine Gesamtzusage ist die an alle Arbeitnehmer des Betriebs oder einen nach abstrakten Merkmalen bestimmten Teil von ihnen in allgemeiner Form gerichtete ausdrückliche Erklärung des Arbeitgebers, bestimmte Leistungen ohne Gegenleistung der Arbeitnehmer erbringen zu wollen. Eine ausdrückliche Annahme des in der Erklärung enthaltenen Antrags i.S.v. § 145 BGB wird dabei nicht erwartet. Das in der Zusage liegende Angebot wird gemäß § 151 BGB angenommen und ergänzender Inhalt des Arbeitsvertrags. Gesamtzusagen werden bereits dann wirksam, wenn sie gegenüber den Arbeitnehmern in einer Form verlautbart werden, die den einzelnen Arbeitnehmer typischerweise in die Lage versetzt, von der Erklärung Kenntnis zu nehmen. Auf dessen konkrete Kenntnis kommt es nicht an. Die Arbeitnehmer erwerben einen einzelvertraglichen Anspruch auf die zugesagten Leistungen, wenn sie die Anspruchsvoraussetzungen erfüllen (BAG v. 13.11.2013 – 10 AZR 848/12 – Tz 16). Von der seitens der Arbeitnehmer angenommenen Zusage kann sich der Arbeitgeber nur durch Änderungsvertrag oder Änderungskündigung lösen (BAG v. 11.12.2007 – 1 AZR 869/06 – Tz 13).
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Eine Gesamtzusage ist typischerweise nicht auf die im Zeitpunkt ihrer erstmaligen Erklärung beschäftigten Arbeitnehmer beschränkt. Sie wird regelmäßig auch gegenüber nachträglich in den Betrieb eintretenden Mitarbeitern abgegeben und diesen bekannt. Auch sie können deshalb das in ihr liegende Vertragsangebot gemäß § 151 BGB annehmen. Gemäß § 151 Satz 2 BGB bestimmt sich der Zeitpunkt, in welchem der Antrag erlischt, nach dem aus dem Antrag oder den Umständen zu entnehmenden Willen des Antragenden. Geht es nicht um eine einmalige Leistung an bestimmte Arbeitnehmer, sondern erklärt sich der Arbeitgeber zu einer Regelung im Sinne einer auf Dauer angelegten Handhabung bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen bereit, spricht das für die Fortgeltung des Antrags bis zu einer gegenteiligen Erklärung. Wegen der Verpflichtung des Arbeitgebers gegenüber jedem Arbeitnehmer, der die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt, ist auf die Erteilung der Gesamtzusage und nicht auf den Beginn des einzelnen Arbeitsverhältnisses abzustellen. Die Zusage hat für alle Arbeitnehmer den gleichen Inhalt und die gleiche Bedeutung, sofern es nicht zwischenzeitlich zu einer Veränderung des Inhalts der Zusage durch den Arbeitgeber gekommen oder diese für die Zukunft aufgehoben worden ist (BAG v. 20.08.2014 – 10 AZR 453/13 – Tz 15).
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b) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist es nicht ausgeschlossen, eine unwirksame Betriebsvereinbarung entsprechend § 140 BGB in eine vertragliche Einheitsregelung (Gesamtzusage oder gebündelte Vertragsangebote) umzudeuten. Eine solche Umdeutung kommt allerdings nur in Betracht, wenn besondere Umstände die Annahme rechtfertigen, der Arbeitgeber habe sich unabhängig von der Betriebsvereinbarung auf jeden Fall verpflichten wollen, seinen Arbeitnehmern die in dieser vorgesehenen Leistungen zu gewähren. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass sich der Arbeitgeber von einer Betriebsvereinbarung durch Kündigung jederzeit lösen kann, während eine Änderung der Arbeitsverträge, zu deren Inhalt eine Gesamtzusage wird, grundsätzlich nur einvernehmlich oder durch gerichtlich überprüfbare Änderungskündigung möglich ist. Ein hypothetischer Wille des Arbeitgebers, sich unabhängig von der Wirksamkeit einer Betriebsvereinbarung auf Dauer einzelvertraglich zu binden, kann daher nur in Ausnahmefällen angenommen werden (BAG v. 23.02.2016 – 3 AZR 960/13 – Tz 25; BAG v. 19.06.2012 – 1 AZR 137/11 – Tz 21; BAG v. 17.03.2010 – 7 AZR 706/08 – Tz 26).
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c) Besondere Umstände, welche die Umdeutung jedenfalls der in § 17 der BV 97 enthaltenen Erhöhungszusage rechtfertigen, liegen nach Auffassung der erkennenden Kammer vor (a.A. insoweit LAG Hamburg v. 06.10.2016 – 7 Sa 43/16 und v. 07.12.2016 – 3 Sa 39/16). Maßgeblich ist nicht, ob sich der BV nach den Grundsätzen der objektiven Auslegung entnehmen lässt, dass unabhängig vom Fortbestand der Betriebsvereinbarung Individualansprüche begründet werden sollten, sondern ob die Bekanntgabe der BV 97 aus der Sicht eines redlichen Empfängers als eine solche Zusage auszulegen ist. Eine Umdeutung kommt auch nicht nur in Fällen in Betracht, in denen der Arbeitgeber bei Abschluss der BV deren Unwirksamkeit kannte. Sofern die Beklagte bereits die Bekanntgabe der BV 97 bestreitet, kann sie damit schon deshalb nicht gehört werden, weil die Beklagte ansonsten Vorteile aus einem eigenen betriebsverfassungswidrigen Verhalten herleiten würde (§ 77 II 2 BetrVG i.V.m. § 242 BGB).
- 76
Die Formulierung in Absatz 3 der Präambel der BV, „Die nachstehenden Paragraphen ergänzen die Regelungen des Arbeitsrechts und gelten als Bestandteil des Arbeitsvertrages (Individualvereinbarung)“ können redlicherweise kaum anders als als Angebot auf Abschluss einer Individualvereinbarung interpretiert werden. Da alle Regelungen Bestandteil des Arbeitsrechts sind und dieses in ihrer Gesamtheit darstellen, spricht Vieles dafür, dass die getroffenen Regelungen nach dem Willen der Betriebsparteien diejenigen des Arbeitsvertrags (nicht des Arbeitsrechts) ergänzen und Bestandteil des Arbeitsvertrags werden sollten. Bestandteil des Arbeitsvertrags sind aber gerade nicht kollektive Normen. Dafür, dass die Formulierung in diesem Sinne gemeint ist, spricht der Klammerzusatz „Individualvereinbarung“. Der Versuch der Beklagten, dies lediglich als Wiederholung der Regelung von § 77 IV 1 BetrVG zu interpretieren, überzeugt nicht. § 77 IV BetrVG verwendet den Begriff „Individualvereinbarung“ gerade nicht, sondern regelt die „unmittelbare und zwingende“ Wirkung der Normen einer Betriebsvereinbarung an. Unmittelbare und zwingende Wirkung einer Betriebsvereinbarung bedeutet aber lediglich, dass deren Regelungen von den einzelnen Arbeitnehmern ggf. klageweise durchgesetzt werden können. Die Inhalte einer Betriebsvereinbarung bleiben gleichwohl kollektives Recht. Der Klammerzusatz „Individualvereinbarung“ wäre ohne jede Bedeutung, wenn die Betriebsparteien nicht neben dem Abschluss der Betriebsvereinbarung auch eine individualrechtliche Bindung herbeiführen wollten. Dies wird durch die in Absatz 4 der Präambel getroffene Regelung unterstrichen, wonach jeder Mitarbeiter bei Beginn des Arbeitsvertrags eine Ausfertigung der Vereinbarung erhalten sollte. Dies entspricht der regelmäßigen Vorgehensweise bei Individualvereinbarungen, nicht jedoch bei kollektiven Regelungen, für die der Gesetzgeber die Bekanntgabe an geeigneter Stelle im Betrieb (§ 77 II 3 BetrVG) vorgegeben hat.
- 77
Gegen die Behauptung der Beklagten, den Betriebsparteien sei der Unterschied zwischen vertraglichen Regelung und individuell einklagbaren Kollektivregelungen unklar gewesen, spricht Abs. 2 Satz 1 der Präambel, wo zwischen dem „Tarif“, der hier für die Gesamtheit der in der BV 97 getroffenen Regelungen steht, und dem individuellen Leistungsausgleich (Arbeitsvertrag) ausdrücklich unterschieden wird.
- 78
Dass sich die Regelung, auf die der Kläger seine Auslegung stützt, in der Präambel der BV 97 befindet, spricht nicht gegen ihre rechtliche Relevanz. Zwar ist es nicht unüblich, in Präambeln eher Ziele und Grundsätze zu formulieren, und deren rechtliche Ausgestaltung den folgenden Vorschriften zu überlassen. Zwingend ist dieser Aufbau jedoch nicht. Enthält eine Betriebsvereinbarung, was eher unüblich ist, eine Vielzahl ganz unterschiedlicher Regelungsgegenstände, so erscheint es ebenso sinnvoll, in der Präambel Regelungen „vor die Klammer“ zu ziehen, die für alle oder mehrere Gegenstände gelten sollen. So interpretiert die Kammer den Aufbau der BV 97. Von den 5 Absätzen der Präambel enthält nur der erste allgemeine Zielvorstellungen. Die folgenden drei Abschnitte beschreiben die Regelungstechnik der BV 97, u.a. die Begründung von Individualansprüchen. Der letzte Absatz enthält eine Begriffsbestimmung. Dass nicht alle der folgenden 22 Paragraphen Regelungen enthalten, bei denen Individualansprüche begründet werden können, steht dem nicht generell entgegen. Der Formulierung „nachstehende Paragraphen“ wird dadurch auch nicht unklar.
- 79
Die Option der Überarbeitung in Absatz 2 Satz 2 der Präambel und die Kündigungsmöglichkeit in § 22 sprechen lediglich dagegen, dass die Betriebsparteien bewusst statt kollektiver nur individuelle Regelungen begründen wollten. Dass die Beklagte sich der Unwirksamkeit der BV von Anfang an bewusst war, hat der Kläger dem entsprechend auch nur unsubstantiiert behauptet. Dass steht jedoch der Auslegung als Vertragsangebot aus der Sicht eines redlichen Empfängers der Erklärung nicht entgegen.
- 80
Dass es (unstreitig) bereits eine frühere Betriebsvereinbarung der Beteiligten gab, die durch die BV 97 jedenfalls teilweise abgelöst worden sein könnte, spricht ebenfalls nicht gegen die im Wortlaut der BV klar zum Ausdruck gebrachte Begründung von Individualansprüchen. Dass dadurch ggf. die Frage aufgeworfen werden kann, welche Ansprüche individualrechtlich fortbestehen, ist eine bloße Vermutung. Da der Inhalt der früheren Betriebsvereinbarung von keiner Partei dargelegt worden ist, muss nicht davon ausgegangen werden, dass auch die ältere BV Formulierungen enthielt, die als Grundlage für Individualansprüche in Betracht kamen.
II.
- 81
Die vorstehenden Ausführungen gelten entsprechend auch für die Ansprüche des Klägers auf Weihnachtsgeld für das Jahr 2015 und auf Urlaubsgeld für das Jahr 2016. Ob diese Ansprüche darüber hinaus auch deshalb begründet sind, weil die Beklagte durch die Einstellung dieser Leistungen gegen § 87 I Nr. 10 BetrVG verstoßen hat (so LAG Hamburg v. 07.12.2016 – 3 Sa 39/16), kann somit dahinstehen.
III.
- 82
Die Ansprüche des Klägers sind auch richtig berechnet: Das der Tarifgruppe G2-6 des Einzelhandels-TV entsprechende Grundgehalt des Klägers war mit Wirkung vom 01.08.2015 um 2,5 % = € 69,15 zu erhöhen. Die bis April 2016 angefallenen Beträge sind in den Anträgen zu 1 und 3 enthalten und unter 1 a und c tenoriert. Die weitere Steigerung um 2 % ab Mai 2016 beträgt monatlich € 56,71, so dass sich für Mai 2015 insgesamt eine Differenz von € 125,86 ergibt. Mit seinem Antrag zu 4, der Ziffer 1 d des Tenors entspricht, hat der Kläger € 125,85 geltend gemacht. Das mit dem Antrag zu 2 = Ziffer 1 b des Tenors geltend gemachte Weihnachtsgeld für 2015 beträgt 62,2 % von € 3.237,41, also € 2.023,38. Als Urlaubsgeld für 2016 stehen dem Kläger 62,5 % von € 3.294,26, also € 2.058,91 zu. Beantragt unter Ziffer 5 wurden € 2.058,82, was Ziffer 1 e des Tenors entspricht. Die Zinsansprüche ergeben sich aus § 288 I BGB.
IV.
V.
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Wer einem anderen die Schließung eines Vertrags anträgt, ist an den Antrag gebunden, es sei denn, dass er die Gebundenheit ausgeschlossen hat.
Der Vertrag kommt durch die Annahme des Antrags zustande, ohne dass die Annahme dem Antragenden gegenüber erklärt zu werden braucht, wenn eine solche Erklärung nach der Verkehrssitte nicht zu erwarten ist oder der Antragende auf sie verzichtet hat. Der Zeitpunkt, in welchem der Antrag erlischt, bestimmt sich nach dem aus dem Antrag oder den Umständen zu entnehmenden Willen des Antragenden.
Entspricht ein nichtiges Rechtsgeschäft den Erfordernissen eines anderen Rechtsgeschäfts, so gilt das letztere, wenn anzunehmen ist, dass dessen Geltung bei Kenntnis der Nichtigkeit gewollt sein würde.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.