Landesarbeitsgericht Hamm Urteil, 27. Feb. 2014 - 16 Sa 777/13
Gericht
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamm vom 30.04.2013 – 3 Ca 2238/12 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand
2Die Parteien streiten um die Vergütung des Klägers nach dem Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz NRW (im Folgenden: AWbG NW) für die Zeit der Teilnahme an einem Seminar in Höhe von 1.458,90 € brutto.
3Der Kläger ist bei der Beklagten seit mehreren Jahren in deren Werk in I beschäftigt. Er ist Mitglied des dort gebildeten Betriebsrats.
4Mit Schreiben vom 25.06.2012 (Bl. 5 d.A.) lud die IG Metall Verwaltungsstelle Hamm-Lippstadt den Kläger zu einem Seminar zum Thema „Weimarer Demokratie und faschistische Diktatur – der Kampf um soziale Rechte“ ein. Veranstalter dieses Seminars war die IG Metall Bildungsstätte Berlin, die mit Anerkennungsbescheid vom 26.04.2010 (Bl. 41 d.A.) von der Bezirksregierung Detmold als Träger für die Durchführung von Bildungsveranstaltungen mit der Auflage anerkannt worden war, bis zum 14.05.2012 den Nachweis der Verlängerung des Gütesiegels zu übermitteln. Dieses Testat mit einer Laufzeit bis zum 21.06.2016 wurde dem IG Bildungszentrum Berlin unter dem 22.06.2012 erteilt. Für das genannte Seminar wurde im Bildungsprogramm 2012 der IG Metall, einsehbar in allen IG Metall-Verwaltungsstellen sowie im Internet unter - igmetall-bildung-in-berlin - geworben. Es richtet sich an interessierte Arbeitnehmer und Betriebsräte. Im Betrieb der Beklagten wurde nicht auf die konkreten Veranstaltungen, auch nicht auf die vorliegende durch einen Aushang am schwarzen Brett aufmerksam gemacht. Nach Angaben des Klägers befand sich am schwarzen Brett ein Zeitungsartikel über Bildungsurlaub. Das Jahresprogramm der IG Metall sei beim Betriebsrat einsehbar gewesen, die Arbeitnehmer kämen auch durchaus zum Betriebsrat.
5Zu den Themen des in Frage stehenden Seminars gehörten die folgenden Punkte:
6- Wie erklären wir uns diese historische Niederlage?
7- Mit welcher Politik gelang es dem Faschismus, die Unterstützung breiter Massen zu erhalten, auch in der Arbeiterschaft?
8- Welche Konsequenzen hatte die Zerschlagung einer demokratischen Betriebsverfassung?
9- Welche Auswirkungen hatte diese Entwicklung auf die Betriebsverfassung der Bundesrepublik Deutschland?
10Wegen der weiteren Einzelheiten des Themenplans wird auf den Ausschreibungstext Bl. 11 d.A. Bezug genommen. Das Seminar fand montags bis freitags von 8.30 Uhr bis 10.00 Uhr, 10.15 Uhr bis 12.30 Uhr, 14.30 Uhr bis 15.45 Uhr und 16.00 Uhr bis 17.00 Uhr statt. Die Kosten für ein zweiwöchiges Seminar beliefen sich in der Bildungsstätte Berlin im Jahre 2012 auf insgesamt 2.741,40 €, wovon 840,-- € auf die Übernachtung und 540,-- € auf die Verpflegung entfielen, was einschließlich der Mehrwertsteuer einen Betrag von 1.541,40 € ausmachte. Hinzu kamen steuerfreie Seminarkosten in Höhe von 1.200,-- €.
11Mit Schreiben vom 18.10.2011 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er, da er im laufenden Jahr keinen Bildungsurlaub nach dem Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz NW in Anspruch genommen habe, im folgenden Jahr die Zusammenfassung der Ansprüche beabsichtige und daher die Übertragung von fünf Bildungsurlaubstagen in das Jahr 2012 geltend mache. Im Januar 2012 beantragte der Kläger die Teilnahme an dem Seminar für den März 2012 unter Überreichung der Seminarunterlagen. Da er aus betrieblichen Gründen an dem geplanten Seminar nicht teilnehmen konnte, stellte er unter dem 25.06.2012 einen neuen Antrag. Die Beklagte lehnte die Freistellung mit Schreiben vom 11.07.2012 ab, weil nicht erkennbar sei, dass es sich um ein Seminar handele, welches jedermann zugänglich sei. Es richte sich vielmehr an Gewerkschaftsmitglieder. Unter dem 19.07.2012 (Bl. 15 d.A.) erklärte der Kläger, dass er gemäß § 5 Abs. 4 AWbG NW gleichwohl an der Bildungsveranstaltung teilnehmen werde. Die Beklagte kürzte nunmehr das Entgelt für den Monat September 2012 um 1.458,90 € brutto. Der Entgeltausfall wurde dem Kläger von der IG Metall erstattet. Mit seiner am 11.11.2012 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage verfolgt der Kläger den Anspruch, den er zuvor mit Schreiben vom 02.10.2012 geltend gemacht hatte, gegenüber der Beklagten weiter.
12Durch Urteil vom 30.04.2013 hat das Arbeitsgericht der Klage in Höhe des geltend gemachten Betrages nebst Zinsen stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Voraussetzungen nach §§ 5 Abs. 4, 7 AWbG NW für einen Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts für die Dauer der Seminarteilnahme in unstreitiger Höhe von 1.458,90 € brutto lägen vor. Es handele sich um eine Bildungsveranstaltung, die den Grundsätzen des Arbeitnehmerweiterbildungsgesetzes entspräche, von einer anerkannten Einrichtung der Arbeitnehmerweiterbildung durchgeführt werde, allen Arbeitnehmern zugänglich sei und auch den gesetzlich geforderten Mindestumfang von Unterrichtsstunden umfasse.
13Gegen dieses ihr am 22.05.2013 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 21.06.2013 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 22.08.2013 fristgerecht begründet.
14Die Beklagte ist der Meinung, dass bereits aus der Seminarbeschreibung deutlich werde, dass es sich um eine reine Funktionsträgerschulung handele, die den Betriebsrat, die Vertrauensleute und die Gewerkschaften im Fokus habe. Allein die Erklärung, das Seminar sei für jedermann zugänglich, reiche nicht aus. Die Teilnehmer würden nach einer Bewerbung bei der IG Metall von letzterer ausgesucht. Es sei nicht dargelegt, welcher Arbeitnehmer, der in keiner Beziehung zur Gewerkschaft stehe, an diesem Seminar teilgenommen habe. Würden die Teilnehmer des Seminars offengelegt, würde deutlich werden, dass ausschließlich Gewerkschaftsmitglieder oder Vertrauensleute oder Jugend- und Auszubildendenvertreter Teilnehmer gewesen seien. Angesichts der Höhe der für das Seminar anfallenden Gesamtkosten finde eine faktische Zugangssperre statt. Kein Arbeitnehmer sei bereit, bei Seminarkosten in Höhe von 1.200,-- € für ein zweiwöchiges Seminar an der Veranstaltung teilzunehmen, wenn er keinen Kostenerstattungsanspruch habe. Bei einem Gewerkschaftsbeitrag in der Größenordnung von 30,-- € monatlich könne dieser nicht zur Rechtfertigung herangezogen werden. Nichtgewerkschaftsmitglieder würden faktisch über die Seminarkosten inklusive Verpflegung und Übernachtung ausgegrenzt. Die Kostenübernahme finde nicht ihre Rechtfertigung im Gewerkschaftsbeitrag. Darüber hinaus sei der Kläger nicht mehr aktiv legitimiert, nachdem die IG Metall die Entgeltfortzahlungskosten für den Zeitraum vom 02.09. bis 14.09.2012 erstattet habe. Die Forderung sei gemäß § 267 Abs. 1 BGB getilgt. Der Kläger sei damit klaglos gestellt.
15In der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht ist im Einverständnis mit den Prozessbevollmächtigten die Uhrzeit der IG Metall Bildungsstätte Berlin aufgerufen worden. Ein Anmeldeformular für die dort angebotenen Seminare ist nicht festgestellt worden. Es ist eine E-Mail-Funktion, die ein Anschreiben ermöglichte, aufgefunden worden.
16Die Beklagte beantragt,
17das Urteil des Arbeitsgerichts Hamm vom 30.04.2013 – 3 Ca 2238/12 – abzuändern und die Klage abzuweisen.
18Der Kläger beantragt,
19die Berufung zurückzuweisen.
20Er verteidigt das angefochtene Urteil. Er verweist darauf, dass er eine Abtretungserklärung nicht unterzeichnet habe.
21Zum weiteren Sachvortrag der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
22Entscheidungsgründe
23Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet.
24Das Arbeitsgericht hat den Anspruch des Klägers auf Zahlung seines Arbeitsentgelts für die Teilnahme an der zweiwöchigen Bildungsveranstaltung „Weimarer Demokratie und Faschistische Diktatur – Der Kampf um soziale Rechte“ zutreffend bejaht. Dieser Anspruch findet seine rechtliche Grundlage in §§ 7, 5 Abs. 4 AWbG NW i.V.m. § 611 BGB.
251.
26Zunächst folgt die Kammer dem Arbeitsgericht darin, dass der Kläger berechtigt ist, diesen Anspruch gerichtlich geltend zu machen. Nach § 7 AWbG NW hat der Arbeitgeber das Arbeitsentgelt für die Zeit der Arbeitnehmerweiterbildung fortzuzahlen. Es handelt sich demnach um einen Anspruch nach § 611 BGB, für den der Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“ aufgrund gesetzlicher Anordnung durchbrochen ist. Dieser Anspruch ändert durch die Übernahme des Entgeltausfalls durch die IG Metall seinen rechtlichen Charakter nicht. Für eine Abtretung der Entgeltforderung des Klägers an die IG Metall gemäß § 398 BGB liegen keine Anhaltspunkte vor. Solche sind insbesondere nicht im Schreiben der IG Metall vom 25.06.2012 enthalten, wonach eine Verdienstausfallbescheinigung benötigt wird für den Fall, dass ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung nicht besteht und der Ausfall von der IG Metall übernommen werden soll. Vorliegend wird gerade über das Bestehen eines solchen Anspruchs gestritten. Auch wenn die IG Metall dem Kläger den Lohnausfall bereits erstattet hat, so ist sie entsprechend dem Schreiben vom 26.06.2012 lediglich in Vorleistung getreten, solange nicht feststeht, dass ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung nicht besteht.
27Auch auf § 267 Abs. 1 BGB kann die Beklagte ihre Auffassung, der Kläger sei für die Durchsetzung seines Anspruchs nicht aktiv legitimiert, nicht stützen. Danach kann zwar ein Dritter die Leistung bewirken, wenn der Schuldner nicht in Person zu leisten hat. Der Dritte muss dann aber mit dem Willen leisten, die Verpflichtung des Schuldners zu tilgen, wobei es nicht auf seinen inneren Willen ankommt, sondern darauf, wie der Gläubiger sein Verhalten bei objektiver Bewertung verstehen durfte (BAG vom 12.12.2012, 5 AZR 93/12, JURIS). Die IG Metall wollte durch die Erstattung des Entgeltausfalls keine für sie fremde Vergütungsschuld der Beklagten tilgen. Dies wird schon daran deutlich, dass sie mit Schreiben vom 02.10.2012 den in Frage stehenden Anspruch für den Kläger gegenüber der Beklagten geltend gemacht hat.
282.
29Die persönlichen Voraussetzungen für einen Anspruch des Klägers sind erfüllt.
30Der Kläger hat der Beklagten mit Schreiben vom 02.07.2012 und damit sechs Wochen vor Beginn des Seminars die Teilnahme an der Bildungsveranstaltung sowie den Zeitraum vom 02.09. bis 14.09.2012 gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 AWbG NW rechtzeitig mitgeteilt. Der Zeitraum von zwei Wochen ist nicht zu beanstanden. Nach § 3 Abs. 1 Satz 2 AWbG NW kann der Anspruch von zwei Kalenderjahren zusammengefasst werden. Mit Schreiben vom 18.10.2011 hat der Kläger eine Übertragung des Bildungsurlaubs aus dem Jahre 2011 auf das Jahr 2012 gegenüber der Beklagten geltend gemacht.
31Die nach § 5 Abs. 1 Satz 2 AWbG NW erforderlichen Unterlagen hatte der Kläger bereits im Januar 2012 für die im März geplante Fortbildung eingereicht, an der er aus betrieblichen Gründen nicht teilnehmen konnte.
32Zwar hatte die Beklagte mit Schreiben vom 11.07.2012 eine Freistellung des Klägers mit der Begründung abgelehnt, dass nicht erkennbar sei, dass das Seminar jedermann zugänglich sei. Durch eine am 19.07.2012 bei der Beklagten eingegangenen Erklärung hat der Kläger schriftlich mitgeteilt, dass er gemäß § 5 Abs. 4 Satz 1 AWbG NW gleichwohl an der Veranstaltung teilnehmen werde. Auch wenn das Datum des Zugangs des Schreibens vom 11.07.2012 von den Parteien nicht mitgeteilt worden ist, so ist die Einhaltung der Wochenfrist des § 5 Abs. 4 Satz 1 AWbG NW zwischen den Parteien nicht streitig. Im Übrigen dürfte dieses Schreiben dem Kläger über den Betriebsrat übermittelt worden sein und er vor dem 12.07.2012 keine Kenntnis vom Inhalt dieses Schreibens gehabt haben. Hierauf deutet das bei der Gerichtsakte befindliche Schreiben des Klägers vom 18.07.2012 hin.
333.
34Die Bildungsveranstaltung erfüllt die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Anerkennung nach § 9 Abs. 1 AWbG NW.
35a)
36Bei dem IG Metall Bildungszentrum Berlin handelt es sich um eine anerkannte Einrichtung der Arbeitnehmerweiterbildung gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 AWbG NW. Die Bildungsveranstaltungen umfassen in der Regel täglich acht Unterrichtsstunden, mindestens aber sechs Unterrichtsstunden von jeweils 45 Minuten, was zwischen den Parteien nicht in Streit steht, sodass die Voraussetzung des § 9 Abs. 1 Nr. 4 AWbG NW erfüllt ist.
37b)
38Das Seminar „Weimarer Demokratie und Faschistische Diktatur – Der Kampf um soziale Rechte“ erfüllt außerdem die Anforderungen des § 1 AWbG NW und entspricht damit den Anforderungen des § 9 Abs. 1 Nr. 1 AWbG NW.
39Es handelt sich um eine politische Arbeitnehmerweiterbildung nach § 1 Abs. 4 AWbG NW. Dies hat das Arbeitsgericht bereits ausführlich begründet (S. 6 – 7 des Urteils). Hierauf wird Bezug genommen.
40Dem steht auch nicht entgegen, dass die Veranstaltung zugleich als Schulungsveranstaltung für Betriebsräte nach § 37 Abs. 7 BetrVG ausgeschrieben war. Zwar wurden Fragen der Betriebsverfassung behandelt, es handelte sich jedoch nicht um eine Spezialschulung für Betriebsräte. Das zu erwerbende Wissen bezog sich auch insoweit auf allgemeine politische Inhalte (s. auch BAG vom 21.10.1997, 9 AZR 253/96, NZA 1998, 760 Rdnr. 32).
41c)
42Weitere Voraussetzungen für eine Freistellungsverpflichtung des Arbeitgebers ist nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 AWbG NW, dass die Bildungsveranstaltung allen Arbeitnehmern zugänglich ist. Dies ist im Entscheidungsfall zu bejahen.
43aa)
44„Allen Arbeitnehmern zugänglich“ im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 3 AWbG NW ist eine Bildungsveranstaltung, wenn sie den nach § 2 AWbG NW anspruchsberechtigen Arbeitnehmern offensteht. Richtet sich die Veranstaltung nur an Gewerkschaftsmitglieder, ist sie nicht allgemein zugänglich (vgl. BAG vom 21.10.1997, aaO., Rdnr. 29 m.w.N.).
45Die Veranstaltung wendete sich ausdrücklich an interessierte Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, nicht also ausdrücklich oder nur an Gewerkschaftsmitglieder. Die Beklagte hält dies zwar für ein reines Lippenbekenntnis. Für die Kammer ist dies jedoch nicht ohne weiteres nachvollziehbar. Es dürfte eher im Interesse der Gewerkschaft IG Metall liegen, Nichtmitglieder anzusprechen und diese für ihre Angebote zu interessieren.
46Wie das Arbeitsgericht bereits zutreffend ausgeführt hat, folgt aus dem an den Kläger gerichteten Einladungsschreiben vom 25.06.2012 nichts anderes. Wenn der Kläger als Gewerkschaftsmitglied angesprochen wurde, bedeutet dies keinen Ausschluss von Nichtmitgliedern. Auf die Begründung des Arbeitsgerichts (S. 9 des Urteils) wird Bezug genommen.
47bb)
48Die Kammer folgt dem Arbeitsgericht auch darin, dass die Kosten in Höhe von 2.741,40 € für eine zweiwöchige Seminardauer der Allgemeinzugänglichkeit nicht entgegenstehen. Diese Kosten setzen sich aus einem Betrag von 1.380,-- € für Übernachtung und Verpflegung zuzüglich Mehrwertsteuer, mithin 1.541,40 € sowie Seminarkosten in Höhe von 1.200,-- € zusammen. Ein Preis für Übernachtung und Verpflegung von netto 98,57 € erscheint nicht unangemessen hoch. Gleiches gilt für Seminarkosten in Höhe von 1.200,-- € für eine zweiwöchige Veranstaltung. Ob ein Arbeitnehmer dieses Angebot unter Beurteilung des Preis-Leistungs-Verhältnisses annimmt, unterliegt seiner freien Entscheidung. Dass sich eine solche Veranstaltung Arbeitnehmer mit niedrigem Einkommen womöglich nicht leisten können, steht der Allgemeinzugänglichkeit nicht entgegen. In der Metallindustrie NRW belief sich das höchste tarifliche Monatsgrundentgelt in der Entgeltgruppe 14 ab dem 01.05.2012 auf 5.256,50 €, das der Entgeltgruppe 7 auf 2.294,00 €. Jedenfalls ab der Entgeltgruppe 10 mit einem Grundentgelt von 2.866,50 € lag das monatliche Einkommen über dem Gesamtpreis für die zweiwöchige Fortbildung. Damit ist schon eine große Gruppe der Tarifbeschäftigten in der Metallindustrie nicht aus Kostengründen gehindert, die von der Bildungsstätte Berlin der IG Metall angebotene Fortbildung wahrzunehmen. Hinzu kommt die Gruppe der außertariflichen Angestellten. Die Themen des in Frage stehenden Seminars können auch gerade diese Gruppen ansprechen.
49cc)
50Allerdings lässt sich nicht feststellen, dass es im Betrieb der Beklagten einen Hinweis auf die Bildungsveranstaltung gegeben hat. Nach den Angaben des Klägers hing am schwarzen Brett des Betriebsrates in Form eines Zeitungsartikels zwar ein allgemeiner Hinweis auf die Möglichkeit eines Bildungsurlaubs. Der darlegungs- und beweisbelastete Kläger hat jedoch nicht vorgetragen, dass die konkrete Veranstaltung im Betrieb der Beklagten am schwarzen Brett angekündigt worden sei oder auch nur, dass es einen Hinweis auf das Bildungsprogramm der IG Metall und der Bildungsstätte Berlin gegeben habe, das beispielsweise beim Betriebsrat eingesehen werden könne. Von den Parteien nicht thematisiert ist die Frage, ob und inwieweit die Fortbildungsveranstaltung der IG Metall Bildungsstätte allgemein in Betrieben oder in Metallbetrieben bekannt gemacht worden ist und interessierte Arbeitnehmer so die Möglichkeit der Kenntnisnahme erhielten (vgl. hierzu BAG vom 21.10.1997, aaO., Rdnr. 30). Nicht ausreichend ist insoweit der Sachvortrag des Klägers, dass das Bildungsprogramm der IG Metall in den örtlichen Verwaltungsstellen ausgelegen habe. Hierbei handelt es sich nicht um eine Nichtmitgliedern ohne weiteres zugängliche Möglichkeit der Kenntnisnahme.
51Im Ergebnis kommt es jedoch auf diese herkömmlichen und vom Bundesarbeitsgericht als ausreichend angesehene Bekanntgabemöglichkeit (BAG vom 21.10.1997, aaO., Rdnr. 30) angesichts der Entwicklung der elektronischen Medien nicht an. Das Bildungsprogramm der IG Metall und der Bildungsstätte Berlin ist im Internet zugänglich. Die Beklagte selbst hat einen Internetausdruck des IG Metall Bildungszentrums Berlin über die in Streit stehende Veranstaltung, den sie am 04.07.2012 getätigt hat, zu den Gerichtsakten gereicht. Zwar ist beim Aufruf der Webseite der IG Metall Bildungsstätte ein Anmeldeformular für die dort angebotenen Seminare nicht festgestellt worden, es fand sich jedoch eine E-Mail-Funktion, die ein Anschreiben an die IG Metall Bildungsstätte ermöglichte. Wird davon ausgegangen, dass gerade Arbeitnehmer, die ein Entgelt ab den höheren Entgeltgruppen erzielen, im Umgang mit dem Internet vertraut sein dürften, so ist die Bekanntgabe des Bildungsprogramms über das Internet sowie die Möglichkeit einer Anmeldung jedenfalls per E-Mail bei der IG Metall Bildungsstätte ausreichend, um die Allgemeinzugänglichkeit der Veranstaltung zu bejahen.
524.
53Die Höhe des ausgeurteilten Betrags entspricht dem von der Beklagten vorgenommenen Einbehalt. Die Forderung ist gem. §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 2 BGB zu verzinsen.
545.
55Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
56Die Kammer hat die Revision nach § 72 Abs. 2 ArbGG zugelassen.
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Eine Forderung kann von dem Gläubiger durch Vertrag mit einem anderen auf diesen übertragen werden (Abtretung). Mit dem Abschluss des Vertrags tritt der neue Gläubiger an die Stelle des bisherigen Gläubigers.
(1) Die Mitglieder des Betriebsrats führen ihr Amt unentgeltlich als Ehrenamt.
(2) Mitglieder des Betriebsrats sind von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts zu befreien, wenn und soweit es nach Umfang und Art des Betriebs zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist.
(3) Zum Ausgleich für Betriebsratstätigkeit, die aus betriebsbedingten Gründen außerhalb der Arbeitszeit durchzuführen ist, hat das Betriebsratsmitglied Anspruch auf entsprechende Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts. Betriebsbedingte Gründe liegen auch vor, wenn die Betriebsratstätigkeit wegen der unterschiedlichen Arbeitszeiten der Betriebsratsmitglieder nicht innerhalb der persönlichen Arbeitszeit erfolgen kann. Die Arbeitsbefreiung ist vor Ablauf eines Monats zu gewähren; ist dies aus betriebsbedingten Gründen nicht möglich, so ist die aufgewendete Zeit wie Mehrarbeit zu vergüten.
(4) Das Arbeitsentgelt von Mitgliedern des Betriebsrats darf einschließlich eines Zeitraums von einem Jahr nach Beendigung der Amtszeit nicht geringer bemessen werden als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung. Dies gilt auch für allgemeine Zuwendungen des Arbeitgebers.
(5) Soweit nicht zwingende betriebliche Notwendigkeiten entgegenstehen, dürfen Mitglieder des Betriebsrats einschließlich eines Zeitraums von einem Jahr nach Beendigung der Amtszeit nur mit Tätigkeiten beschäftigt werden, die den Tätigkeiten der in Absatz 4 genannten Arbeitnehmer gleichwertig sind.
(6) Die Absätze 2 und 3 gelten entsprechend für die Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen, soweit diese Kenntnisse vermitteln, die für die Arbeit des Betriebsrats erforderlich sind. Betriebsbedingte Gründe im Sinne des Absatzes 3 liegen auch vor, wenn wegen Besonderheiten der betrieblichen Arbeitszeitgestaltung die Schulung des Betriebsratsmitglieds außerhalb seiner Arbeitszeit erfolgt; in diesem Fall ist der Umfang des Ausgleichsanspruchs unter Einbeziehung der Arbeitsbefreiung nach Absatz 2 pro Schulungstag begrenzt auf die Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers. Der Betriebsrat hat bei der Festlegung der zeitlichen Lage der Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen die betrieblichen Notwendigkeiten zu berücksichtigen. Er hat dem Arbeitgeber die Teilnahme und die zeitliche Lage der Schulungs- und Bildungsveranstaltungen rechtzeitig bekannt zu geben. Hält der Arbeitgeber die betrieblichen Notwendigkeiten für nicht ausreichend berücksichtigt, so kann er die Einigungsstelle anrufen. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.
(7) Unbeschadet der Vorschrift des Absatzes 6 hat jedes Mitglied des Betriebsrats während seiner regelmäßigen Amtszeit Anspruch auf bezahlte Freistellung für insgesamt drei Wochen zur Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen, die von der zuständigen obersten Arbeitsbehörde des Landes nach Beratung mit den Spitzenorganisationen der Gewerkschaften und der Arbeitgeberverbände als geeignet anerkannt sind. Der Anspruch nach Satz 1 erhöht sich für Arbeitnehmer, die erstmals das Amt eines Betriebsratsmitglieds übernehmen und auch nicht zuvor Jugend- und Auszubildendenvertreter waren, auf vier Wochen. Absatz 6 Satz 2 bis 6 findet Anwendung.
(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.
(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.
(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.
(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)
(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.
(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn
- 1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.
(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.
(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.
(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.
(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.