Landesarbeitsgericht Hamm Beschluss, 21. Feb. 2014 - 13 TaBV 40/13
Gericht
Tenor
Auf die Beschwerde des Betriebsrats wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Münster vom 17.01.2013 – 2 BV 40/12 – abgeändert.
Die Anträge werden abgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
1
Gründe
2A.
3Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Zustimmungsersetzungsverfahrens (noch) um die zutreffende Ein- bzw. Umgruppierung sogenannter Punktionskräfte.
4Die antragstellende Arbeitgeberin betreibt einen Blutspendedienst und beschäftigt in ihrem Betrieb in N ca. 300 Arbeitnehmer. Es besteht ein Betriebsrat.
5In der Vergangenheit traf die Arbeitgeberin Tarifabschlüsse einerseits mit der Gewerkschaft ver.di und andererseits mit den Arbeitnehmerorganisationen DHV und medsonet, wobei den Mitarbeitern ein Wahlrecht hinsichtlich des für ihr Arbeitsverhältnis einschlägigen Tarifwerks eingeräumt wurde. Die mit dem DHV und medsonet abgeschlossenen Tarifverträge wurden arbeitgeberseits am 05.08.2011 zum 31.12.2011 fristgerecht gekündigt.
6Kurz zuvor am 26.07.2011 war es unter Beteiligung der Arbeitgeberin, die mit Wirkung ab 01.03.2011 dem Kommunalen Arbeitgeberverband Nordrhein-Westfalen (KAV NW) beigetreten war, mit der Gewerkschaft ver.di zum Abschluss eines Tarifvertrages zur Überleitung der Beschäftigten der E-Blutspendedienst West gGmbH in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts (ÜTV-E-BSD) gekommen. Dieser am 01.08.2011 in Kraft getretene Tarifvertrag trifft u.a. folgende Regelungen:
7„§ 2
8Ablösung bisheriger Tarifverträge durch den TVöD-V
9Der TVöD-V und die diesen ergänzenden sonstigen Tarifverträge der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) sowie des KAV NW ersetzen alle bisherigen sonstigen tarifvertraglichen Regelungen und die aufgrund bisheriger Tarifregelungen begründeten Ansprüche, soweit sich aus diesem Tarifvertrag nicht etwas anderes ergibt.
10…
11§ 3
12Zuordnung zu einer Entgeltgruppe
13Für die Überleitung werden die Beschäftigten entsprechend einer zwischen den Tarifvertragsparteien abgestimmten Anlage zur Niederschriftserklärung der dort genannten Entgeltgruppe zugeordnet. Die Tarifvertragsparteien gehen insbesondere von der Richtigkeit der dort genannten Zuordnung aus.
14Niederschriftserklärung zu § 3:
15Die Zuordnung nach § 3 zu den jeweiligen Entgeltgruppen dient der Überleitung und wirkt insofern in Bezug auf die nach der Eingruppierungsordnung des TVöD-V i.V.m. § 17 TVÜ-VKA anzuwendenden Eingruppierungsvorgänge nicht präjudizierend.“
16In einer „Verhandlungsniederschrift über die Tarifverhandlungen am 26. Juli 2011 in Düsseldorf“ heißt es u.a.:
17„Zur Eingruppierungszuordnungsanlage:
18…
19Für Beschäftigte nach DHV-TV, die als Punktionskräfte eingesetzt sind und für die zwischen den Tarifvertragsparteien keine Einigkeit über die Zuordnung besteht, wird – ohne Präjudiz - eine Eingruppierung nach Entgeltgruppe 6 vorgenommen. Die Gewerkschaft ver.di erklärt hierzu, dass sie für diese Beschäftigten und alle anderen Beschäftigten, die gleiche oder gleichwertige Tätigkeiten als Punktionskräfte ausüben, eine Mindesteingruppierung in die Entgeltgruppe 8 gefordert hat, die sich in den Verhandlungen nicht durchsetzen ließ.“
20Wegen des weiteren Inhalts des Tarifvertrages und der Verhandlungsniederschrift wird verwiesen auf die mit Schriftsatz des Betriebsrates vom 28.08.2012 eingereichten Kopien (Bl. 40 ff. d. A.).
21Bei der Arbeitgeberin sind zahlreiche sogenannte Punktionskräfte beschäftigt. Deren Aufgabenbereich umfasst nach der ab 01.01.2011 bei der Arbeitgeberin geltenden Arbeitsplatzbeschreibung folgende Tätigkeiten:
22- 23
„Überprüfung der Identität des Spendewilligen an der Spendeliege durch Abfrage von Namen, Vornamen und Geburtsdatum, die der Spender aktiv nennen muss
- 24
Information und Aufklärung der Spendewilligen
- 25
Überprüfung der eindeutigen Nummernzuweisung durch Sicherstellung der Übereinstimmung identischer Barcode-Etiketten auf dem Beutelset, dem Spendenformular, sowie auf den Untersuchungsröhrchen
- 26
Desinfektion der Punktionsstelle nach Vorgabe der jeweils geltenden Hygienevorschriften
- 27
Punktion und Einleitung der Entnahme
- 28
Abnahme der Blutkonserve
- 29
elektronische Erfassung der Spender- und Konservenmerkmale („Scannen“)
- 30
Nachbearbeitung der Konserve und Einsortieren der Laborröhrchen
- 31
Dokumentation
- 32
Medizinische Überwachung des Spenders während und nach der Blutspende
- 33
Notfallmanagement inklusive Dokumentation ggf. mit Übergabe an den Entnahmearzt
- 34
Spenderinformation über das Verhalten während und nach der Spende
- 35
Sämtliche Aufgaben des Teamhelfers sowie falls erforderlich auch der E-Helfer
- 36
Unterstützung der ehrenamtlichen Helfer beim Umgang mit der mobilen Datenerfassung“
Laut einer Ausschreibung der Arbeitgeberin vom 05.06.2012 (Bl. 47 d.A.) werden dafür Arzthelfer/-innen, Krankenschwestern/-pfleger, Rettungssanitäter/-innen oder Rettungsassistenten/-innen gesucht.
38Mit Schreiben vom 23.07.2012 (Bl. 63 d. A.) beantragte die Arbeitgeberin beim Betriebsrat im Zuge der unbefristeten Übernahme der ausgebildeten Arzthelferin E1 in die Entnahmedienstabteilung (Midijob in der Gleitzone) auch die Zustimmung zur Vergütung „in Anlehnung an Entgeltgruppe 5, Stufe 3 gemäß TVöD-V“. Nachdem der Betriebsrat mit Schreiben vom 24.07.2012 die beabsichtigte Eingruppierung abgelehnt hatte, antwortete daraufhin die Arbeitgeberin am 30.07.2012 auszugsweise wie folgt:
39„Die Eingruppierung von Fr. E1 erfolgt unter Anwendung der weiterhin gültigen, tariflichen Eingruppierungsregelungen des BAT (Anlage 1 a, Teil II Buchstabe D). Hier ist für die Vergütungsgruppe VII (entspricht EG 5 des TVöD-V) unter Nr. 9 das Anforderungsprofil „Arzthelferinnen mit Abschlussprüfung und schwierigen Aufgaben“ angegeben.“
40Mit Schreiben vom 03.08.2012 blieb der Betriebsrat bei seiner Ablehnung und führte zur Begründung u.a. aus, dass die Tätigkeit einer Punktionskraft wegen der damit verbundenen erhöhten Verantwortung vergleichbar sei mit der Tätigkeit von Krankenschwestern bzw. –pflegern und daher eine Vergütung nach Entgeltgruppe 8 zutreffend sei (Bl. 66 f. d. A.).
41Mit Schreiben vom 06.08.2012 (Bl. 74 d. A.) beantragte die Arbeitgeberin beim Betriebsrat im Zuge der unbefristeten Übernahme des ausgebildeten Rettungsassistenten T als Punktionskraft in die Abteilung Entnahme (geringfügige Beschäftigung) auch die Zustimmung zur Vergütung „in Anlehnung an Entgeltgruppe 5, Stufe 3 gemäß TVöD-V“. Der Betriebsrat verweigerte die Zustimmung zur Eingruppierung ebenfalls unter Hinweis darauf, eine Vergütung nach Entgeltgruppe 8 sei sachgerecht ( Bl. 75 f. d. A.).
42Mit Schreiben vom 03.08.2012 (Bl. 99 d. A.) beantragte die Arbeitgeberin beim Betriebsrat im Zuge der unbefristeten Übernahme der ausgebildeten Arzthelferin I als Punktionskraft in die Abteilung Entnahme (mit 20 Wochenstunden) auch die Zustimmung zur Vergütung nach „Tarif TVöD Entgeltgruppe 6, Stufe 2“. Der Betriebsrat verweigerte u.a. die Zustimmung zur Eingruppierung mit Hinweis darauf, eine Vergütung nach Entgeltgruppe 8 sei sachgerecht (Bl. 100 ff. d. A.).
43In dem von ihr eingeleiteten vorliegenden Beschlussverfahren hat die Arbeitgeberin die Auffassung vertreten, das Anforderungs- und Aufgabenprofil einer Punktionskraft sei nicht so umfassend wie das von Arzthelfern bzw. Arzthelferinnen oder Krankenpflegern bzw. Krankenpflegerinnen. So rechtfertige das tatsächliche Aufgabenspektrum in den Fällen E1, T und I keine über die Entgeltgruppe 5 bzw. Entgeltgruppe 6 hinausgehende Vergütung.
44Soweit hier noch von Interesse, hat die Arbeitgeberin beantragt,
45den Betriebsrat zu verpflichten,
46- 47
1. der Eingruppierung der Mitarbeiterin E1 in die Entgeltgruppe 5, Stufe 3 gemäß TVöD-V gemäß Antrag vom 23.07.2012 zuzustimmen,
- 48
2. der Eingruppierung des Mitarbeiters T in die Entgeltgruppe 5, Stufe 3 gemäß TVöD-V gemäß Antrag vom 06.08.2012 zuzustimmen,
- 49
3. der Eingruppierung der Frau I gemäß Antrag vom 03.08.2012 in den TVöD-V Entgeltgruppe 6, Stufe 2 zuzustimmen.
Der Betriebsrat hat beantragt,
51die Anträge abzuweisen.
52Er hat die Meinung zum Ausdruck gebracht, mit der Tätigkeit von Punktionskräften sei eine erhöhte Verantwortung verbunden, weil sie mit der Entnahme eines halben Liters Blut deutlich in die Physis des jeweiligen Spenders eingreifen würden. Vor dem Hintergrund sei es gerechtfertigt, sie – vergleichbar mit der Tätigkeit von Krankenschwestern oder –pflegern – nach Entgeltgruppe 8 zu vergüten.
53Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 17.01.2013 den Zustimmungsersetzungsanträgen der Arbeitgeberin stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass für Punktionskräfte keine ausdrückliche tarifliche Regelung bestehe und es nicht erkennbar sei, dass die Arbeitgeberin durch die von ihr vorgenommene Zuordnung zu den Entgeltgruppen 5 bzw. 6 gegen Tarifrecht verstoßen habe.
54Gegen diese Entscheidung wendet sich der Betriebsrat mit seiner Beschwerde.
55Er meint, es sei gerechtfertigt, die Punktionskräfte wegen der von ihnen erbrachten selbständigen Leistungen in die Entgeltgruppe 8 einzugruppieren.
56Der Betriebsrat beantragt,
57den Beschluss des Arbeitsgerichts Münster vom 17.01.2013 – 2 BV 40/12 – abzuändern und die Anträge der Arbeitgeberin abzuweisen.
58Die Arbeitgeberin beantragt,
59die Beschwerde zurückzuweisen.
60Sie ist der Auffassung, Leitbild der Punktionskraft sei die Arzthelferin. Deshalb habe man in den Fällen E1, T und I zu Recht die Eingruppierung in Entgeltgruppe 5 bzw. 6 vorgenommen.
61Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen ergänzend Bezug genommen.
62B.
63Die zulässige Beschwerde des Betriebsrates ist begründet.
64Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts kann den auf § 99 Abs. 4 BetrVG gestützten Anträgen der Arbeitgeberin auf Ersetzung der Zustimmung zur Ein- bzw. Umgruppierung der Arbeitnehmer E1, T und I nicht stattgegeben werden. Es fehlt nämlich an einer im Betrieb der Arbeitgeberin geltenden Vergütungsordnung für den Beschäftigungsbereich der sogenannten Punktionskräfte.
65I. Nach der zutreffenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (zuletzt 11.09.2013 – 7 ABR 29/12 – m.w.N.) setzt die betriebsverfassungsrechtliche Verpflichtung zur Ein- und Umgruppierung von Arbeitnehmern eine im Betrieb geltende Vergütungsordnung voraus. Es muss ein mindestens zwei Entgeltgruppen umfassendes Vergütungsschema bestehen, das die Zuordnung der Arbeitnehmer zu einer Entgeltgruppe nach bestimmten generell beschriebenen Merkmalen vorsieht. Solche Vorgaben können namentlich in einem Tarifvertrag enthalten sein.
66II. Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist im konkreten Fall eine Ein- bzw. Umgruppierung der drei genannten Mitarbeiter nicht möglich.
671. In dem Zusammenhang ist vorauszuschicken, dass nach der zwischen der Arbeitgeberin und dem Betriebsrat ergangenen rechtskräftigen Entscheidung der erkennenden Kammer vom 30.11.2012 (13 TaBV 56/10) die jedenfalls ab dem 01.01.2012 vorzunehmenden Ein- bzw. Umgruppierungen ausschließlich nach dem in § 2 Satz 1 ÜTV-E-BSD u.a. in Bezug genommenen tariflichen Eingruppierungssystem des TVöD in der für die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände geltenden Fassung zu erfolgen haben.
682. Dementsprechend sind, weil es für den genannten Tarifbereich noch keine neuen Eingruppierungsvorschriften gibt, nach § 17 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-VKA weiterhin die Regelungen der Allgemeinen Vergütungsordnung für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände – im Folgenden kurz: VergO (VKA) – einschlägig.
69In der genannten Vergütungsordnung finden sich aber keine für die Zuordnung von Punktionskräften geeigneten Eingruppierungskriterien.
70a) Soweit auf die sachlich am nächsten liegenden Bestimmungen für Angestellte in medizinischen Hilfsberufen und medizinisch-technischen Berufen in Teil V VergO (VKA) abgestellt wird, werden die bei der Arbeitgeberin zum Einsatz kommenden Punktionskräfte mit ihrem Aufgabenzuschnitt den dort vorausgesetzten Anforderungen nicht gerecht. Namentlich sind die Tätigkeitsmerkmale für Arzthelferinnen (jetzt Medizinische Fachangestellte) nicht einschlägig.
71Allerdings ist in den Fällen E1 und I das erstmals in Vergütungsgruppe VIII Fallgruppe 13 vorausgesetzte subjektive Merkmal einer Arzthelferin mit Abschlussprüfung gegeben. Es fehlt aber an der Erfüllung der objektiven Erfordernisse (vgl. BAG, 11.03.1987 – 4 AZR 385/86 – AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 135). Denn bei der Tätigkeit als Punktionskraft, die mit manuellem Geschick und einschlägiger Erfahrung „lediglich“ Blutentnahmen einschließlich der damit verbundenen Vor- und Nacharbeiten vorzunehmen hat, bedarf es nicht des Einsatzes eines durch eine ausgebildete Arzthelferin erworbenen fachberuflichen Wissens und Könnens; vielmehr handelt es sich nur um einen kleinen, eng begrenzten Teil der Tätigkeiten, die von einer über mehrere Jahre ausgebildeten medizinischen Fachkraft verlangt werden.
72Dies zeigt sich nicht zuletzt auch daran, dass z.B. auch Krankenschwestern und –pfleger sowie Rettungssanitäter und, wie im Falle T, Rettungsassistenten trotz anderer beruflicher Profile für den Einsatz als Punktionskraft in Betracht kommen. Ihnen allen ist gemeinsam, dass sie in ihren jeweiligen Ausbildungsgängen die fachgerechte Entnahme von Blut gelernt haben, was ausreicht, um die Arbeit als Punktionskraft bei der Arbeitgeberin verrichten zu können.
73b) Für die Eingruppierung der drei Punktionskräfte kommen auch die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale für den Verwaltungsdienst (Teil I der VergO VKA) nicht in Betracht, auch wenn ihnen nach dem Willen der Tarifvertragsparteien eine Auffangfunktion zukommt (vgl. z.B. BAG, 14.08.1985 – 4 AZR 322/84 – AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 105). Denn Voraussetzung ist, dass es sich noch um Tätigkeiten mit einem unmittelbaren Bezug zu Verwaltungsaufgaben handelt (BAG, 23.01.1985 – 4 AZR 14/84 – AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 99; 21.06.2000 – 4 AZR 931/98 – AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 276), was bei Entnahmetätigkeiten im Bereich mobiler Blutspenden nicht der Fall ist.
743. Die danach bestehende Tariflücke kann nicht durch die Gerichte für Arbeitssachen geschlossen werden.
75a) Nach der zutreffenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (z.B. 24.09.2008 – 4 AZR 642/07 – AP TVG § 1 Nr. 57; 21.06.2000 – 4 AZR 931/98 – AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 276) kommt nur bei unbewussten Tariflücken deren Schließung in Betracht, sofern in einer Vergütungsordnung artverwandte und vergleichbare Tätigkeiten bewertet worden sind.
76b) Andere Grundsätze gelten bei einer bewussten Tariflücke. Eine solche ist anzunehmen, wenn die Tarifvertragsparteien eine regelungsbedürftige Frage bewusst ungelöst lassen und das in einer entsprechenden Auslassung seinen Ausdruck findet, wobei eine Ursache die nicht mögliche Einigung der Tarifvertragsparteien gewesen sein kann (BAG, 26.08.1987 – 4 AZR 146/87 – AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 138). In dieser Konstellation sind die Gerichte nicht befugt, gegen den Willen der Tarifpartner ergänzende tarifliche Regelungen zu „schaffen“ und dadurch ggf. die schlechte Verhandlungsführung einer Partei dadurch zu prämieren, dass ihr Vertragshilfe geleistet wird. Darin würde ein unzulässiger Eingriff in die verfassungsrechtlich durch Artikel 9 Abs. 3 Satz 1 GG garantierte Tarifautonomie liegen (BAG, 24.09.2008 – 4 AZR 642/07 – AP TVG § 1 Nr. 57).
77Nach diesen Maßgaben war es hier der Kammer verwehrt, die festgestellte Tariflücke zu schließen. Denn ausweislich der Ziffer 3. der Niederschrift, die die Tarifvertragsparteien am 26.07.2011, also am Tag des Abschlusses des ÜTV-E-BSD, über die Verhandlungen gefertigt haben, ist es im Zusammenhang mit der Erstellung der sogenannten Eingruppierungszuordnungsanlage auch zu Verhandlungen über die Einstufung der Punktionskräfte gekommen. Dabei konnte angesichts der von der Gewerkschaft ver.di geforderten Mindesteingruppierung in Entgeltgruppe 8 keine Einigung erzielt werden.
78In dieser Situation steht es den Gerichten angesichts der in Artikel 9 Abs. 3 Satz 1 GG verbürgten Tarifautonomie nicht zu, in der offen gebliebenen, allein auf kollektiver Ebene zu lösenden Frage der sachgerechten Eingruppierung von Punktionskräften durch eine Entscheidung Einfluss zu nehmen.
79Nach alledem waren die Anträge der Arbeitgeberin abzuweisen.
80Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der entscheidungserheblichen Rechtsfrage war die Rechtsbeschwerde zuzulassen (§§ 92 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 i.V.m. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG).
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Annotations
(1) In Unternehmen mit in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern hat der Arbeitgeber den Betriebsrat vor jeder Einstellung, Eingruppierung, Umgruppierung und Versetzung zu unterrichten, ihm die erforderlichen Bewerbungsunterlagen vorzulegen und Auskunft über die Person der Beteiligten zu geben; er hat dem Betriebsrat unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen Auskunft über die Auswirkungen der geplanten Maßnahme zu geben und die Zustimmung des Betriebsrats zu der geplanten Maßnahme einzuholen. Bei Einstellungen und Versetzungen hat der Arbeitgeber insbesondere den in Aussicht genommenen Arbeitsplatz und die vorgesehene Eingruppierung mitzuteilen. Die Mitglieder des Betriebsrats sind verpflichtet, über die ihnen im Rahmen der personellen Maßnahmen nach den Sätzen 1 und 2 bekanntgewordenen persönlichen Verhältnisse und Angelegenheiten der Arbeitnehmer, die ihrer Bedeutung oder ihrem Inhalt nach einer vertraulichen Behandlung bedürfen, Stillschweigen zu bewahren; § 79 Abs. 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.
(2) Der Betriebsrat kann die Zustimmung verweigern, wenn
- 1.
die personelle Maßnahme gegen ein Gesetz, eine Verordnung, eine Unfallverhütungsvorschrift oder gegen eine Bestimmung in einem Tarifvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung oder gegen eine gerichtliche Entscheidung oder eine behördliche Anordnung verstoßen würde, - 2.
die personelle Maßnahme gegen eine Richtlinie nach § 95 verstoßen würde, - 3.
die durch Tatsachen begründete Besorgnis besteht, dass infolge der personellen Maßnahme im Betrieb beschäftigte Arbeitnehmer gekündigt werden oder sonstige Nachteile erleiden, ohne dass dies aus betrieblichen oder persönlichen Gründen gerechtfertigt ist; als Nachteil gilt bei unbefristeter Einstellung auch die Nichtberücksichtigung eines gleich geeigneten befristet Beschäftigten, - 4.
der betroffene Arbeitnehmer durch die personelle Maßnahme benachteiligt wird, ohne dass dies aus betrieblichen oder in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen gerechtfertigt ist, - 5.
eine nach § 93 erforderliche Ausschreibung im Betrieb unterblieben ist oder - 6.
die durch Tatsachen begründete Besorgnis besteht, dass der für die personelle Maßnahme in Aussicht genommene Bewerber oder Arbeitnehmer den Betriebsfrieden durch gesetzwidriges Verhalten oder durch grobe Verletzung der in § 75 Abs. 1 enthaltenen Grundsätze, insbesondere durch rassistische oder fremdenfeindliche Betätigung, stören werde.
(3) Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung, so hat er dies unter Angabe von Gründen innerhalb einer Woche nach Unterrichtung durch den Arbeitgeber diesem schriftlich mitzuteilen. Teilt der Betriebsrat dem Arbeitgeber die Verweigerung seiner Zustimmung nicht innerhalb der Frist schriftlich mit, so gilt die Zustimmung als erteilt.
(4) Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung, so kann der Arbeitgeber beim Arbeitsgericht beantragen, die Zustimmung zu ersetzen.
(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.
(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn
- 1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.
(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.
(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.
(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.
(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.