Landesarbeitsgericht Düsseldorf Urteil, 15. Aug. 2013 - 15 Sa 160/12
Gericht
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 06.12.2011 - 2 Ca 4314/11 - teilweise abgeändert:
Die Klage wird in Höhe eines Betrages von 344,40 € brutto abgewiesen und zur Klarstellung im Hinblick auf Ziffer 2 des Urteilstenors wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.092,95 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 618,59 € ab dem 01.03.2011, 01.04.2011, 01.05.2011, 01.06.2011, 01.07.2011 zu zahlen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung trägt die Beklagte.
Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.
I.
1
T a t b e s t a n d :
2Die Parteien streiten über die zutreffende tarifliche Eingruppierung des Klägers.
3Der Kläger ist für die Beklagte seit dem 25.02.2002 zuletzt als einer von insgesamt elf regionalen Einsatzleitern der Beklagten im Regionalbereich West tätig gewesen. Kraft vertraglicher Vereinbarung sind die jeweils für den Betrieb oder Betriebsteil der Arbeitgeberin betrieblich/fachlich einschlägigen Tarifverträge in ihrer jeweiligen Fassung anzuwenden.
4Wegen der Darstellung des beruflichen Werdeganges des Klägers wird auf seine diesbezüglichen Ausführungen in der Klageschrift sowie in seinem Schriftsatz vom 07.03.2013 Bezug genommen.
5Die Beklagte ist eine Tochtergesellschaft der DB Deutsche Bahn AG. Sie entstand zum 01.01.2006 und bündelt die operativen Sicherheitsfunktionen im DB-Konzern.
6Zu den Aufgaben und Kompetenzen enthält eine Stellenbeschreibung der Beklagten vom 28.02.2007 folgende Ausführungen:
7" - Durchführen der Disposition und Koordinieren der regional zugeordneten operativen Mitarbeiter unter Berücksichtigung auftragsgebundener Personalzuordnungen auf der Basis monatlich abgestellter Dienstpläne.
8- Koordinieren des Einsatzes der regional zugeordneten operativen Mitarbeiter bei besonderen Lagen.
9- Koordinieren der regional zugeordneten operativen Mitarbeiter unter Berücksichtigung auftragsgebundener Personalzuordnungen auf der Basis monatlich abgestimmter Dienstpläne.
10- Überwachen der An- und Abmeldung der Mitarbeiter der lokalen Einsatzleitungen.
11- Abstimmen von Dienstplanänderungen bei kurzfristigem Bedarf.
12- Durchführung von Auswertungen von Lageberichten und anderen Sicherheitshinweisen interner und externer Stellen.
13- Informieren über sicherheitsrelevante Sachverhalte und deren unverzügliche Aufbereitung und Weiterleitung.
14- Zusammenarbeiten mit dem DB-Lagezentrum bei besonderen Sicherheitslagen.
15- Zusammenarbeiten mit dem DB-Lagezentrum, den lokalen Einsatzleitungen sowie den Lage- und Einsatzzentren der BPOL-Ämter.
16- Veranlassen sofortiger Maßnahmen im Fall des Ausbleibens einer Meldung.
17- Informieren der zuständigen Stellen bei "gefährlichen Ereignissen im Eisenbahnverkehr.
18- Informieren der zuständigen disziplinarischen Vorgesetzten über Unregelmäßigkeiten der Dienstausführung.
19- Durchführung der situationsbedingten Betreuung der operativen Mitarbeiter mittels Handlungsanweisungen und Informationen.
20- Sicherstellen der Aktualität der regionalen Kommunikationsübersichten bezüglich der Mitarbeiter, Polizeidienststellen der Bundes- und Landespolizei, internen und externen Kunden u.a."
21Der Kläger ist als regionaler Einsatzleiter gegenüber 300 operativ tätigen Mitarbeitern fachlich weisungsberechtigt, wobei lediglich bis zu 100 Mitarbeiter in einer Schicht tätig werden.
22Bei der Beklagten galt aufgrund eines Verweisungstarifvertrages vom 04.10.2005 der Entgeltrahmentarifvertrag für die Arbeitnehmer verschiedener Gesellschaften des Geschäftsfelds Services im UB Dienstleistungen (ERTV DB Services). Bei der Beklagten gab es bezüglich der zutreffenden Eingruppierung von regionalen Einsatzleitern verschiedene Rechtsstreitigkeiten.
23Mit Wirkung zum 01.01.2010 schlossen auf Gewerkschaftsseite die Tarifgemeinschaft TRANSNET/GDBA sowie die Beklagte den funktionsspezifischen Tarifvertrag für die Arbeitnehmer der DB-Sicherheit GmbH (TV Sicherheit).
24§ 7 dieses Tarifvertrages lautet auszugsweise wie folgt:
25"(1) Die Eingruppierung des Arbeitnehmers in eine Entgeltgruppe richtet sich nach der von ihm ausgeführten und nicht nur vorübergehend übertragenen Tätigkeit und nicht nach der Berufsbezeichnung des Arbeitnehmers. Die Entgeltgruppen ergeben sich aus dem Entgeltgruppenverzeichnis aus der Anlage 1....."
26Die Beklagte vergütete den Kläger bis Ende Dezember 2009 auf Basis der Vergütungsgruppe T 2.1. Mit Schreiben vom 21.12.2009 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie beabsichtige, ihn in die Vergütungsgruppe D zu überführen.
27Der Kläger hat die Ansicht vertreten, dass er in der Vergangenheit zutreffend nach der Vergütungsgruppe T 3.1 hätte vergütet werden müssen. Dementsprechend habe er nunmehr nach der Überleitungsmatrix auch nach der Vergütungsgruppe G eingruppiert sein müssen.
28Der Kläger hat beantragt,
291. es wird festgestellt, dass er ab dem 01.01.2010 und zukünftig nach
30der Entgeltgruppe G der Anlage 1 zum funktionsspezifischen Tarif-
31vertrag für die Arbeitnehmer der DB Sicherheit GmbH (TV Sicherheit)
32eingruppiert ist;
332. es wird festgestellt, dass er vom 01.10.2008 bis zum 31.12.2009
34nach der Vergütungsgruppe T 3.1 der Anlage 1 des Entgeltrahmen-
35tarifvertrages der DB Services eingruppiert ist;
363. die Beklagte wird verurteilt, an ihn 12.374,46 EURO brutto nebst
37Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basissatz aus
38jeweils 687,47 EURO ab dem 01.02.2010, 01.03.2010, 01.04.2010,
3901.05.2010, 01.06.2010, 01.07.2010, 01.08.2010, 01.09.2010,
4001.10.2010, 01.11.2010, 01.12.2010, 01.01.2011, 01.02.2011,
4101.03.2011, 01.04.2011, 01.05.2011, 01.06.2011 bis einschließlich
4201.07.2011 zu zahlen;
434. die Beklagte wird verurteilt, an ihn 8.652,60 EURO brutto nebst
44Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basissatz aus
45jeweils 576,84 EURO ab dem 01.11.2008, 01.12.2008, 01.01.2009,
4601.02.2009, 01.03.2009, 01.04.2009, 01.05.2009, 01.06.2009,
4701.07.2009, 01.08.2009, 01.09.2009, 01.10.2009, 01.11.2009,
4801.12.2009 bis einschließlich 01.01.2010 zu zahlen.
49Die Beklagte hat beantragt,
50die Klage abzuweisen.
51Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, dass der Kläger zutreffend in der Vergütungsgruppe D eingruppiert sei. Dies ergebe sich aus § 7 TV-Sicherheit. Grundlage der Eingruppierung sei ausschließlich die Stellenbeschreibung. Weisungsbefugt sei der Kläger nur in fachlicher Hinsicht, was unstreitig ist. Aus der Überleitungsmatrix ergebe sich zudem, dass der bisher in der Vergütungsgruppe T 2.1 vergütete Kläger in die Vergütungsgruppe D überzuleiten sei. Es sei keine Überleitungseingruppierung vorzunehmen gewesen; die bisherige Eingruppierung sei bindend.
52Das Arbeitsgericht hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben und insoweit zugrunde gelegt, dass der Kläger in der Entgeltgruppe G gemäß der Anlage 1 zum TV-Sicherheit eingruppiert sei. Die Voraussetzungen der Entgeltgruppe G seien erfüllt. Die Tätigkeiten des Klägers seien insbesondere mit dem fachlichen Führen von Mitarbeitern verbunden. Es komme nicht darauf an, dass der Kläger auch ein disziplinarisches Weisungsrecht gegenüber seinen Mitarbeitern innehabe. Dies werde nach dem Wortlaut der Tarifregelung nicht vorausgesetzt. Die Tätigkeiten des Klägers würden sich auch gegenüber der Entgeltgruppe F durch gesteigerte Arbeitsinhalte abheben. Was hierunter zu verstehen sei, werde von den Tarifvertragsparteien zwar nicht konkret definiert. Ein wesentlicher Anhaltspunkt ergebe sich aber aus der vereinbarten Überleitungsmatrix. Aus dieser ergebe sich, dass die Tarifvertragsparteien ohne weiteres davon ausgegangen seien, dass solche Tätigkeiten, die nach früherer Rechtslage die Voraussetzungen der Entgeltgruppe T 3.1 erfüllen, nunmehr die Voraussetzungen der Entgeltgruppe G erfüllen. Der Kläger sei bis zum 31.12.2009 nach der Entgeltgruppe T 3.1 der Anlage 1 des ERTV DB Services eingruppiert gewesen. Insoweit verweist das Arbeitsgericht auf ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 26.10.2010 (9 Sa 1193/09) und macht sich dessen Begründung zu eigen. Entgegen der Auffassung der Beklagten hätten sich die Tarifvertragsparteien mit der Vereinbarung der Überleitungsmatrix auch nicht die damalige Eingruppierungspraxis der Beklagten in der Weise festschreiben wollen, dass die damals nach Entgeltgruppe T 2 vergüteten regionalen Einsatzleiter zukünftig nach Entgeltgruppe D eingruppiert seien.
53Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
54Mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung rügt die Beklagte, dass sich das Arbeitsgericht mit den Anforderungen des TV-Sicherheit faktisch gar nicht auseinander setze. Es stelle lediglich fest, dass die Funktion REL mit der fachlichen Führung von Mitarbeitern verbunden sei, was ausreiche. Die fachliche Qualifikation des Klägers sei durch langejährige Tätigkeit und eine bestandene Meisterprüfung belegt. Das Arbeitsgericht ignoriere, dass das tarifliche System des TV-Sicherheit auch bezüglich der geforderten Qualifikation aufeinander aufbaue. Das Arbeitsgericht habe seine Entscheidung im Wesentlichen auf die These gestützt, dass die Eingruppierung aus der Überleitungsmatrix folge. Die vom Arbeitsgericht dargelegte Argumentation messe der heutigen tariflichen Regelung keinen, respektive einen nur untergeordneten Wert bei und begründe seine Eingruppierungsentscheidung ausschließlich mit der früheren Tarifierung. Insoweit sei im Übrigen auch fehlerhaft von einer früheren Eingruppierung in Entgeltgruppe T 3 DB Services ausgegangen worden. Zutreffend sei T 2. Fehlerhaft sei schon die Annahme, dass die Tätigkeit des Klägers den technischen Entgeltgruppen zuzuordnen sei. Ungeachtet dessen erfülle die Funktion des Klägers auch nicht die Voraussetzungen der Entgeltgruppe T 3. In der alltäglichen Praxis erfolge die Koordination und Steuerung der Mitarbeiter durch die sogenannten Ländereinsatzleitungen, eine Ausnahme bildeten lediglich die Mitarbeiter des Fahrkartenprüfdienstes. Die übrigen Aufgaben seien unterstützender Natur. Die angefochtene Entscheidung des Arbeitsgerichts überbewerte die koordinierende, steuernde und leitende Funktion des Klägers.
55Die Beklagte beantragt,
56das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 06.12.2011 (Az. 2 Ca 4314/11) wird abgeändert.
57Die Klage wird abgewiesen.
58Der Kläger beantragt,
591.die Berufung der Beklagten und Berufungsklägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 06.12.2011, Az. 2 Ca 4314/11, wird zurückgewiesen.
602.Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
61Der Kläger verteidigt im Wesentlichen das angefochtene Urteil und verweist nochmals auf die erstinstanzlich bereits überreichte Stellenbeschreibung vom 24.11.1998, sowie darauf, dass die dort aufgeführten Aufgaben und Kompetenzen durch den Kläger auch tatsächlich wahrgenommen werden, wie sich aus dem gleichfalls erstinstanzlich bereits überreichten Zwischenzeugnis vom 26.04.2011 ergebe.
62Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze und die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.
63II.
64E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
65Die Berufung der Beklagten ist statthaft und zulässig, im Wesentlichen ist sie jedoch unbegründet.
661.Zu Recht hat das Arbeitsgericht angenommen, dass der hier streitgegenständliche Feststellungsantrag zulässig ist.
67Der Klageantrag ist dahingehend auszulegen, dass der Kläger die Feststellung begehrt, die Beklagte sei verpflichtet, ihn nach der im Antrag genannten Vergütungsgruppe zu vergüten. Es handelt sich dabei um eine allgemein übliche Eingruppierungsfeststellungsklage, wegen deren Zulässigkeit nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auch im Bereich der Privatwirtschaft keine Bedenken bestehen (BAG vom 21.04.2010 - 4 AZR 735/08 - Rz. 12). Der Zahlungsantrag kann nur die Vergütungsansprüche für den insoweit streitgegenständlichen Zeitraum klären.
68Soweit der Feststellungsantrag auch diesen (zurückliegenden) Zeitraum, d.h. eine Feststellung für die Vergangenheit (ab dem 01.01.2010) erfasst, fehlt das erforderliche besondere Feststellungsinteresse auch insoweit nicht, da der Einstiegstermin auch für die Zukunft Auswirkungen hat, nämlich für die Frage, wann der Kläger die nächsthöhere Vergütungsstufe erreicht.
69Bei der Auslegung des Feststellungsantrages ist des Weiteren, wie sich aus dem erstinstanzlichen Vorbringen des Klägers ergibt, zugrunde zu legen, dass die streitgegenständlichen Eingruppierungs- und Vergütungsfragen in erster Linie auf den Gesichtspunkt der Überleitungsmatrix und nur hilfsweise auf eine originäre Eingruppierung in die Entgeltgruppe G gestützt werden soll und er sich - wie im Termin vom 15.08.2013 mit den Parteien besprochen - insoweit auch nur auf den bislang streitgegenständlichen Sachverhalt bezieht und nicht auf eine gegebenenfalls wegen veränderter Umstände neuerlich erforderlich werdende originäre Eingruppierung.
702.Die Klage ist auch ganz überwiegend begründet.
71a)Die Beklagte kann sich vorliegend nicht mit Erfolg darauf berufen, dass der Kläger nicht die Tätigkeitsmerkmale der Entgeltgruppe G der Anlage zum TV-Sicherheit (Entgeltgruppenverzeichnis) erfülle bzw. dass er das Vorliegen der dort genannten Voraussetzungen nicht ausreichend dargetan habe bzw. das Arbeitsgericht in dem angefochtenen Urteil das Vorliegen derselben nicht ausreichend geprüft habe.
72Der TV-Sicherheit einschließlich der diesbezüglichen Einführungsregelungen im Anhang IV und der insoweit in Bezug genommenen Anlage, der Überleitungsmatrix, finden kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme auf das Arbeitsverhältnis des Klägers Anwendung. Von einem normativen Charakter der Einführungsregelungen und der Überleitungsmatrix ist vorliegend auszugehen. Dieser ergibt sich aus ihrem Sinn und Zweck, nämlich die Einzelheiten der Überleitung in das neue Vergütungsschema zu regeln und damit Konflikte über eine korrekte Anwendung des neuen Vergütungsschemas möglichst zu vermeiden, was derartige Regelungen nur dann erfüllen können, wenn sie bindende, d.h. die Klärung von Rechtsanwendungsproblemen verbindlich vorwegnehmende, normative Regelungen darstellen (vgl. dazu etwa BAG vom 19.10.2011 - 4 AZR 643/09 - Rz. 29, 30 m.w.N.). Für die normative Wirkung der hier streitgegenständlichen Einführungsregelungen spricht im Übrigen auch die im dortigen § 2 aufgenommene Besitzstandsregelung, die für einen Arbeitnehmer nur dann anspruchsbegründend sein kann, wenn sie Teil eines normativ geltenden Tarifvertrages ist (BAG a.a.O., Rz. 30 m.w.N.).
73Die hier streitgegenständliche Einführungsregelung nebst Überleitungsmatrix ordnet in abstrakter Form die vormaligen Vergütungsgruppen den neuen Entgeltgruppen zu. Es handelt sich mithin nicht um eine Einzelfallregelung bzw. um eine Klärung bzw. Festlegung bestehender Eingruppierungsstreitfragen in bestimmten Fällen, wie hier etwa für die Fälle der regionalen Einsatzleiter. Die diesbezüglichen Eingruppierungsfragen sind offen geblieben und sollten es auch, wie sich aus dem Schreiben der Beklagten vom 25.01.2010 ergibt, nach dem die Tarifvertragsparteien vereinbart hätten, dass mit der Einführung der neuen Entgeltstruktur kein Präjudiz für die laufenden Eingruppierungsstreitigkeiten der REL-Mitarbeiter hat geschaffen werden sollen.
74Die nach Maßgabe der Überleitungsmatrix getroffene Zuordnung der bereits vorhandenen Vergütungsgruppen in das neue Vergütungsschema stellt hier mithin eine bindende, d.h. die Klärung von Rechtsfragen vorwegnehmende normative Regelung dar, die insofern dann auch für die Überprüfung der allgemeinen Tätigkeitsmerkmale keinen Raum mehr lässt (BAG vom 19.10.2011 - 4 AZR 643/09 - Rz. 25; BAG vom 19.05.2010 - 4 AZR 903/08 -).
75Im Hinblick auf die Einführungsregelungen zum TV-Sicherheit und der insoweit in § 1 in Bezug genommenen Überleitungsmatrix ist die Schriftform nach § 1 Abs. 2 TVG als gewahrt anzusehen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG vom 19.10.2011 a.a.O., Rz. 36 m.w.N.) nehmen Anlagen zur Haupturkunde an der Schriftform des § 126 BGB selbst dann teil, wenn sie nicht körperlich mit der Haupturkunde verbunden und auch nicht eigens unterzeichnet sind. Für die Wahrung der Schriftform reicht es aus, wenn die sachliche Zusammengehörigkeit von unterzeichneter Haupturkunde und Anlage zweifelsfrei feststeht.
76Letzteres ist vorliegend der Fall: Der Tarifvertrag enthält auf Seite 2 zunächst ein Inhaltsverzeichnis, in dem auch die einzelnen Anlagen und Anhänge aufgeführt sind. Die Unterschrift der Tarifvertragsparteien auf Seite 16 deckt mithin sämtliche vorhergehenden, durchnummerierten Seiten und damit dann auch das Inhaltsverzeichnis mit den darin im Einzelnen aufgeführten Anlagen und Anhänge mit ab.
77Auf eine inhaltliche Prüfung der Voraussetzungen der Entgeltgruppe G kam es nach alledem angesichts der Überleitung der Entgeltgruppen vom ERTV DB Services in den TV-Sicherheit nicht an (so auch LAG Hamburg, Urteil vom 25.09.2012 - 4 Sa 37/12 - Rz. 67). Der früheren Entgeltgruppe T 3.1 entspricht nach der Überleitungsmatrix die jetzige Entgeltgruppe G.
78b)Zu Recht ist das Arbeitsgericht in der angefochtenen Entscheidung unter Zugrundelegung des Urteils des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 26.10.2010 (9 Sa 1193/09) davon ausgegangen, dass die Tätigkeit des Klägers vor dem 01.01.2010 der Entgeltgruppe T 3.1 unterfiel. In dem vorgenannten Urteil hat das Landesarbeitsgericht Düsseldorf zu den von der Beklagten auch im vorliegenden Verfahren thematisierten Gesichtspunkten im Einzelnen Stellung genommen und mit näherer Begründung dargelegt, dass und warum es ohne Belang ist, dass die Tätigkeit eines regionalen Einsatzleiters nicht technisch ausgerichtet ist und auch kein größerer technischer Arbeitsbereich im engeren Sinne überwacht wird, wieso ein größerer Arbeitsbereich im Zusammenhang mit der Überwachung zu bejahen ist, und dass und wieso es sich bei den Tätigkeiten eines regionalen Einsatzleiters nicht nur um einfache Tätigkeiten der Entgeltgruppe T 2 handelt, sondern - hier abzustellen auf die Gesamttätigkeit - über diese weit hinausgeht. Den diesbezüglichen Ausführungen - wie auch den zwischenzeitlich insoweit ergangenen weiteren Entscheidungen einzelner Landesarbeitsgerichte (LAG Hamburg vom 25.09.2012 - 4 Sa 37/12 -; LAG Hamburg vom 17.04.2013 - 5 Sa 12/12 -; Hess. Landesarbeitsgericht vom 10.01.2012 - 12 Sa 497/09 -; LAG Hamburg vom 01.11.2012 - 7 Sa 13/12 -) schließt sich die erkennende Kammer an. Der hier in Rede stehende Sachverhalt und die Einwendungen der Beklagten in ihrer Berufungsbegründung geben zu einer abweichenden Beurteilung keinen Anlass: Irgendwelche eingruppierungsrelevanten Qualifikationsdefizite beim Kläger werden beklagtenseits nicht bemängelt. Gerügt wird im Wesentlichen lediglich, dass die Entscheidung des Arbeitsgerichts die koordinierende, steuernde und leitende Funktion des Klägers überbewerte. Schon erstinstanzlich hätte die Beklagte insoweit darauf hingewiesen, dass sich aus der Stellenbeschreibung keine besondere steuernde oder verantwortliche Position ergebe. Aus der Stellenbeschreibung ergibt sich jedoch, dass die regionalen Einsatzleiter u. a. folgende Aufgaben haben: Informieren über sicherheitsrelevante Sachverhalte und deren unverzügliche Aufbereitung und Weiterleitung, Zusammenarbeit mit dem DB Lagezentrum bei besonderen Sicherheitslagen, Veranlassung sofortiger Maßnahmen im Falle des Ausbleibens einer Meldung, Informieren der zuständigen Stellen bei "gefährlichen Ereignissen im Eisenbahnverkehr", Durchführung der situationsbedingten Betreuung der operativen Mitarbeiter mittels Handlungsanweisung und Information. Auf diese Aufgaben bezieht sich die Beklagte offensichtlich, soweit sie erstinstanzlich darauf verwiesen hat, dass der eigenständige Verantwortungsrahmen gering sei und sich im Wesentlichen auf besondere Vorkommnisse, die abweichend vom Standard im Einzelfall zu regeln seien, beziehe. Insoweit ist jedoch anzumerken, dass es gerade die über das "Alltagsgeschäft" hinausgehenden besonderen sicherheitsrelevanten Vorkommnisse sind, zu deren Beobachtung und Mitwirkung bei der Abwendung und Bewältigung derselben es entsprechend kompetenter Mitarbeiter bedarf. Diesbezüglich hat bereits das Landesarbeitsgericht Düsseldorf in seinem Urteil vom 26.10.2010 darauf hingewiesen, dass die über einfache Arbeiten hinausgehende Aufgaben und die daraus folgenden Anforderungen der regionale Einsatzleiter grundsätzlich und insgesamt vorhalten müsse.
79Der Berufung der Beklagten gegen die (im Sinne der Antragsauslegung nach Ziffer 1 zu verstehende) Eingruppierungsfeststellungsklage und damit im Zusammenhang stehenden Zahlungsansprüche konnte mithin kein Erfolg beschieden sein.
803.Stattzugeben war der Berufung der Beklagten in Höhe eines Betrages von 344,40 €, den das Arbeitsgericht dem Kläger zu Unrecht zugesprochen hat. Es handelt sich dabei um die klägerseits geltend gemachte, aber nicht schlüssig begründete monatliche Zulage in Höhe von 68,88 €, die für die hier streitgegenständlichen fünf Monate dem Kläger durch das Arbeitsgericht zugesprochen wurden, indem es nicht - wie es zutreffend gewesen wäre - den monatlichen, insoweit unstreitigen Differenzbetrag von 618,59 € zugrunde gelegt hat, sondern jeweils 687,47 € für fünf Monate und damit den Differenzbetrag einschließlich Zulage ausgeurteilt hat - obwohl es unter D II der Entscheidungsgründe selbst ausgesprochen hat, dass der Klageantrag zu 3. unbegründet sei, soweit der Kläger monatliche Zulagen in Höhe von 68,88 € geltend mache.
81III.
82Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 2 Ziff. 1 ZPO.
83IV.
84Die Revision war für die Beklagte gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, die Eingruppierung der regionalen Einsatzleiter bislang nicht höchstrichterlich geklärt ist und diesbezügliche Rechtsstreitigkeiten beim Bundesarbeitsgericht anhängig sind.
85RECHTSMITTELBELEHRUNG
86Gegen dieses Urteil kann von der beklagten Partei
87R E V I S I O N
88eingelegt werden.
89Für die klagende Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
90Die Revision muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich oder in elektronischer Form beim
91Bundesarbeitsgericht
92Hugo-Preuß-Platz 1
9399084 Erfurt
94Fax: 0361-2636 2000
95eingelegt werden.
96Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
97Die Revisionsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
981.Rechtsanwälte,
992.Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
1003.Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
101In den Fällen der Ziffern 2 und 3 müssen die Personen, die die Revisionsschrift unterzeichnen, die Befähigung zum Richteramt haben.
102Eine Partei, die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
103Bezüglich der Möglichkeit elektronischer Einlegung der Revision wird auf die Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesarbeitsgericht vom 09.03.2006 (BGBl. I Seite 519) verwiesen.
104* eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
105Dr. StoltenbergKochSchmidt
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Annotations
(1) Ist durch Gesetz schriftliche Form vorgeschrieben, so muss die Urkunde von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet werden.
(2) Bei einem Vertrag muss die Unterzeichnung der Parteien auf derselben Urkunde erfolgen. Werden über den Vertrag mehrere gleichlautende Urkunden aufgenommen, so genügt es, wenn jede Partei die für die andere Partei bestimmte Urkunde unterzeichnet.
(3) Die schriftliche Form kann durch die elektronische Form ersetzt werden, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.
(4) Die schriftliche Form wird durch die notarielle Beurkundung ersetzt.
(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.
(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn
- 1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.
(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.
(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.
(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.
(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.