Kammergericht Urteil, 15. Nov. 2022 - 21 U 55/21
Gericht
Submitted by
Tenor
-
Die Berufung des Klägers gegen das am 20. April 2021 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin – 3 O 242/20 – wird zurückgewiesen.
-
Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen.
-
Das Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
-
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
-
I.
-
Der Kläger macht als Insolvenzverwalter über das Vermögen der XXX Schadensersatzansprüche in Höhe von 409.813,85 € wegen Verletzung eines Steuerberatermandats geltend. Hinsichtlich der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in erster Instanz wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
-
Mit Urteil vom 20. April 2021 hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es könne nicht feststellen, dass dem Kläger ein Schadensersatzanspruch in Gestalt eines Insolvenzverschleppungsschadens wegen Pflichtverletzungen des Beklagten aus dem steuerberaterlichen Vertragsverhältnis mit der Schuldnerin zustehe. Dabei könne dahinstehen, ob der Insolvenzverwalter überhaupt befugt sei, einen Schadensersatzanspruch gegen einen Steuerberater wegen der Verursachung eines Insolvenzvertiefungsschadens geltend zu machen und damit gegebenenfalls die Schadensersatzbeträge zur Masse zu ziehen. Denn der Kläger habe schon nicht dargelegt, dass der mit der Erstellung des Jahresabschlusses 2017 beauftragte Beklagte den Jahresabschluss mangelhaft erstellt habe, weil dieser etwa nicht auf Grundlage von Fortführungswerten, sondern auf Grundlage von Liquidationwerten erstellt hätte werden müssen. Die Kammer könne auch nicht erkennen, dass der Beklagte durch die Verletzung einer etwaigen im Zuge der Erstellung des Jahresabschlusses 2017 bestehenden Pflicht, auf die Gefahr einer Überschuldung im insolvenzrechtlichen Sinne hinzuweisen, den geltend gemachten Schaden verursacht hätte. Entgegen der Auffassung des Klägers setze ein solcher Schaden zudem voraus, dass im Zeitpunkt der behaupteten Pflichtverletzung des Beklagten bei der Schuldnerin ein Insolvenzeröffnungsgrund vorgelegen hätte.
-
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Begründung des Landgerichts wird auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
-
Gegen das ihm am 21. April 2021 zugestellte Urteil hat der Kläger am 18. Mai 2021 Berufung eingelegt und diese nach am 10. Juni 2021 beantragter und bis zum 21. Juli 2021 gewährte Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist am 21. Juli 2021 begründet.
-
Der Kläger trägt zur Begründung seiner Berufung vor, entgegen der Ansicht des Landgerichts sei der Jahresabschluss 2017 mangelhaft, gewesen weil er von Fortführungswerten ausgegangen sei, obwohl eine Bilanzierung nach Fortführungswerten gemäß § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB nicht zulässig gewesen sei. Nach § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB sei bei der Bewertung von der Fortführung der Unternehmenstätigkeit auszugehen, sofern dem nicht tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten entgegenstünden. Entgegen der Auffassung des Landgerichts sei das Vorliegen eines Insolvenzgrundes insoweit nicht der ausschließliche Grund für den Ausschluss einer Fortführungsführungsfähigkeit. Tatsächliche Gegebenheiten, die die Unternehmensfortführung verhindern können, seien nach Auffassung des BGH hauptsächlich wirtschaftliche Schwierigkeiten. Die von dem BGH genannten tatsächlichen Gegebenheiten wie erhebliche Verluste, zu geringe Eigenkapitalausstattung, Liquiditätsschwierigkeiten sowie bilanzielle Überschuldung (die sog. Sonnenscheinkriterien) hätten bei der Schuldnerin sämtlich unstreitig vorgelegen, was das hat das Landgericht in seinem Urteil zu Unrecht ignoriert habe. Darüber hinaus habe der Beklagte bei der Jahresabschlusserstellung unstreitig die Geschäftsentwicklung im ersten Halbjahr 2018 ignoriert, die im Rahmen des § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB aber gerade auch diese zu berücksichtigen sei, da eine ex ante-Prognose zu erstellen sei. Der Kläger habe zudem Beweis dafür angetreten, dass die Schuldnerin bereits zum Ende des Geschäftsjahrs 2017, spätestens aber im ersten Halbjahr 2018 insolvent gewesen sei.
-
Wenn dem Steuerberater - wie hier - Unterlagen vorliegen und ihm Umstände bekannt seien, die einer Bilanzierung nach Fortführungswerten entgegenstehen könnten, sei er verpflichtet, durch den Mandanten abklären zu lassen, ob gleichwohl noch Fortführungswerte zugrunde gelegt werden könnten. Soweit sich der Beklagte auf das Vorhandensein stiller Reserven berufe, müsse er das Vorhandensein stiller Reserven beweisen. Der Beklagte habe allerdings im Rahmen der Jahresabschlusserstellung zu keinem Zeitpunkt die von ihm angeführten angeblichen stillen Reserven validiert oder dokumentiert. Es nicht ersichtlich, auf welcher Grundlage er zu der Annahme gelangen habe können, die stillen Reserven würden die bilanziellen Überschuldung heilen. Tatsächlich hätten die angeblichen stillen Reserven, die das Landgericht in dem Wert des Betriebsgrundstücks vermute, nicht vorgelegen.
-
Das Landgericht meine zu Unrecht, der Beklagte habe seine Hinweispflichten nicht verletzt. Wenn ein Steuerberater bei der Erstellung des Jahresabschlusses Zweifel an der Fortführungsfähigkeit des Auftraggebers habe, müsse er die Geschäftsführung zum einen darauf hinweisen mit dem Ziel, dass diese eine explizite Fortführungsprognose erstellt. Zum anderen bestehe selbst bei einer inhaltlich richtigen Bilanz eine unabhängige Hinweispflicht, soweit die Gefahren dem Steuerberater bekannt oder für ihn offenkundig sind oder sich ihm bei ordnungsgemäßer Bearbeitung aufdrängen und wenn er Grund zu der Annahme hat, dass sein Auftraggeber sich der Gefahr nicht bewusst ist. Zu Unrecht sei das Landgericht ist weiter der Auffassung, eine Pflichtverletzung liege deshalb nicht vor, weil der Schuldnerin das Problem der bilanziellen Überschuldung bekannt gewesen sei. Das sei offensichtlich und von dem Kläger auch nie anders behauptet worden. Die Frage, ob die Schuldnerin Kenntnis von einer bilanziellen Überschuldung hatte, sei für den Verstoß des Beklagten gegen § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB ohne Relevanz. Die Kenntnis von der bilanziellen Überschuldung habe eine Handlungspflicht zur Folge und beseitigte nicht - wie offenbar das Landgericht meine - die Pflichtverletzung. Denn Ziel der aufgrund der bilanziellen Überschuldung erstellten expliziten Fortführungsprognose sei es gerade festzustellen, ob auch eine insolvenzrechtliche Überschuldung vorliege. Genau dies habe der Beklagte nicht veranlasst, obwohl dies seine Pflicht gewesen wäre. Das Landgericht sei außerdem der Meinung, der Beklagte habe deswegen seine Pflichten nicht verletzt, weil die Schuldnerin über ihre eigene wirtschaftliche Lage ausreichend informiert gewesen sei. Dies könne schon deswegen nicht richtig sein, weil der Beklagte mangels Kontaktaufnahme mit der Geschäftsführung gar nicht habe wissen können, wie diese die wirtschaftliche Lage eingeschätzt habe.
-
Es sei unzutreffend, dass im Zusammengang mit der Vollständigkeitserklärung die Fortführungsfähigkeit der Schuldnerin eingehend besprochen worden sei. Gerade die Aussage in der - von dem Beklagten erstellten - Vollständigkeitserklärung, wonach keine Hinweise vorliegen würden, dass von einer Fortführung der Schuldnerin nicht ausgegangen werden könne, zeige, wie eklatant der Beklagte seine Pflichten verletzt habe. Dem Beklagten seien die vorliegenden Indizien gegen eine Fortführung offensichtlich bewusst gewesen. Denn sonst hätte er die gewählte Formulierung in die Vollständigkeitserklärung nicht aufgenommen, da sie völlig unüblich sei.
-
Nicht nachvollziehbar sei schließlich die Meinung des Landgerichts, der Schaden sei nicht hinreichend dargelegt worden. Der Kläger sei bei der Berechnung des Schadens den Vorgaben der Rechtsprechung gefolgt, wonach sich der Schaden anhand der Differenz zwischen der Vermögenslage der Schuldnerin im Zeitpunkt rechtzeitiger Antragstellung im Vergleich zu ihrer Vermögenslage im Zeitpunkt des tatsächlich gestellten Antrags bemesse..
-
Der Kläger beantragt,
-
unter Abänderung des am 20. April 2021 verkündeten Urteils des Landgerichts Berlin (Az. 3 O 242/20, Urteil, 20.04.2021, Schadensersatzanspruch gegen Steuerberater wegen Verletzung eines Steuerberatermandats, Langtext vorhanden" href="https://gesetze.berlin.de/bsbe/document/NJRE001534524/format/xsl?oi=fWaKGqnwSa&sourceP=%7B%22source%22%3A%22Link%22%7D" data-juris-tooltip="{"tooltip":{"item":["LG Berlin 3. Zivilkammer","3 O 242/20","Urteil","20.04.2021","Schadensersatzanspruch gegen Steuerberater wegen Verletzung eines Steuerberatermandats","Langtext vorhanden"],"part":"Kurztext","price":0.0,"icon":{"path":"/img/common/icontldok/juris_logo_q1.gif","tooltipText":"Inhaltliche Erschließung durch die Dokumentationsstelle des Bundesgerichtshofes."}}}" data-juris-link="{"linkMeta":{"docId":"NJRE001534524","part":"K","price":0.0}}" data-juris-gui="link">3 O 242/20) den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger EUR 409.813,85 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem Eintritt der Rechtshängigkeit der Klage zu zahlen.
-
Der Beklagte beantragt,
-
die Berufung zurückzuweisen.
-
Der Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung.
-
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
-
II.
-
Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.
-
Der Kläger ist als Insolvenzverwalter nicht befugt, den geltend gemachten Insolvenzverschleppungsschaden aufgrund vermeintlicher Pflichtverletzungen des Beklagten aus dem steuerberaterlichen Vertragsverhältnisses mit der Schuldnerin nach §§ 280, 634 Nr. 4, 675 BGB geltend zu machen (1.). Abgesehen davon hat der Kläger einen entsprechenden Schaden nicht hinreichend dargetan (2.)
-
1.
-
Der Kläger ist als Insolvenzverwalter nicht befugt, einen Schadenersatzanspruch gegen den Beklagten als Steuerberater der Schuldnerin wegen der Verursachung eines Insolvenzverschleppungsschadens gelten zu machen.
-
1.1
-
Insoweit hat das OLG Stuttgart in seinem Urteil vom 27.10.2020 - 12 U 82/20 - den Streitstand zu dieser Frage zutreffend wie folgt zusammengefasst:
-
„Ob der Insolvenzverwalter überhaupt befugt ist, einen Schadensersatzanspruch gegen einen Steuerberater wegen der Verursachung eines Insolvenzvertiefungsschadens geltend zu machen und damit ggf. die Schadensersatzbeträge zur Masse zu ziehen, ist streitig.
-
Der für die Steuerberaterhaftung zuständige IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs geht davon aus, dass in einem solchen Fall der Insolvenzverwalter den „Insolvenzverschleppungsschaden“, der der Insolvenzschuldnerin durch die auf der Unternehmensfortführung beruhende Vergrößerung der Verbindlichkeiten erwachse, geltend machen könne (BGH, Urt. v. 06.06.2013, IX ZR 204/12, juris Rz. 28). Der Schaden der Schuldnerin bemesse sich nach der Differenz zwischen ihrer Vermögenslage im Zeitpunkt rechtzeitiger Antragstellung im Vergleich zu ihrer Vermögenslage im Zeitpunkt des tatsächlich gestellten Antrags (BGH, Urt. v. 06.06.2013, IX ZR 204/12, juris Rz. 28).
-
Gegen diese Auffassung sind jüngst in der Literatur (Brügge, VersR 2018, 705 ff.; Meixner, DStR 2018, 966 ff. und 1025 ff.) grundlegende insolvenzrechtliche Bedenken geltend gemacht worden, die sich u.a. darauf stützen, dass die Befugnis des Insolvenzverwalters zur Geltendmachung eines solchen Schadens von der Rechtsprechung des II. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs zur Haftung eines Geschäftsführers im Falle der Insolvenzverschleppung grundlegend abweiche.
-
Bei der Haftung des Geschäftsführers nimmt der II. Zivilsenat (BGH, Urt. v. 30.03.1998, II ZR 146/96, zit. nach juris) an, dass der Insolvenzverwalter gerade nicht befugt sei, einen Insolvenzvertiefungsschaden als Schaden der Gesellschaft geltend zu machen. Vielmehr seien allein die Neugläubiger befugt, ihren Vertrauensschaden vom Geschäftsführer geltend zu machen. Hintergrund ist, dass es eine ungerechtfertigte Bevorteilung der Altgläubiger gegenüber den - eigentlich primär durch die verspätete Antragstellung geschädigten - Neugläubigern darstellen würde, wenn man es dem Insolvenzverwalter gestattete, den Vertiefungsschaden geltend zu machen und zur Masse zu ziehen. Denn dadurch würde sich die Altgläubigerquote erheblich erhöhen, während die eigentlich primär geschädigten Neugläubiger u.U. kaum profitieren würden, weil zu befürchten sei, dass sie wegen ihres Rest-Vertrauensschadens leer ausgingen (BGH, Urt. v. 30.03.1998, II ZR 146/96, juris Rz. 12; Meixner, DStR 2018, 1025, 1026 f.; Brügge, VersR 2018, 705, 706).
-
In der Literatur wird mit beachtlichen Gründen argumentiert, dass für die Haftung des Steuerberaters nichts anderes gelten könne (Meixner, DStR 2018, 1025, 1030; Brügge, VersR 2018, 705, 710). Darin sei keine ungerechtfertigte Bevorteilung des Steuerberaters zu sehen: Zwar könne der Steuerberater anders als der Geschäftsführer mangels vertraglicher Beziehungen nicht unmittelbar von den Gläubigern der Schuldnerin auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden; es komme aber eine mittelbare Inanspruchnahme über den regresspflichtigen Geschäftsführer in Betracht (Brügge, VersR 208, 705, 709 f.)“.
-
(OLG Stuttgart Endurteil v. 27.10.2020 - 12 U 82/20, BeckRS 2020, 37344 Rn. 69-73, beck-online)
-
1.2
-
Der Senat schließt sich der Ansicht an, nach der der Insolvenzverwalter einen sog. Insolvenzverschleppungsschaden nicht geltend machen kann. Die gegenteilige Ansicht würde nämlich dazu führen, dass der Insolvenzverwalter vom Steuerberater der Schuldnerin - grundsätzlich - Zahlungsausgleich in voller Höhe der zur Tabelle festgestellten Neugläubigerforderungen (positives Interesse) verlangen und den Betrag zur Masse ziehen könnte mit der Folge, dass dieser allen Insolvenzgläubigern unter Einschluss der für ihren Quotenschaden auf anderer Grundlage abzufindenden Altgläubiger zugute käme und der einzelne Neugläubiger wegen des verbleibenden Restes seines Vertrauensschadens womöglich leer ausginge (BGH, Urteil vom 30. März 1998 - II ZR 146/96 -, BGHZ 138, 211-224, Rn. 8-12). Darin ist eine nicht zu rechtfertigende Bevorzugung der Altgläubiger gegenüber den Neugläubigern zu sehen. Insoweit hat zuletzt auch der IX. Senat des Bundesgerichtshofs ausgeführt, dass in dem Kontrahierungsschaden des Neugläubigers, mit welchem der Geschäftsführer einer juristischen Person nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder nach Feststellung ihrer Überschuldung in ihrem Namen einen Vertrag schließt (§ 15a InsO), ein Einzelschaden gesehen wird, welcher nicht vom Insolvenzverwalter, sondern vom Neugläubiger geltend zu machen ist. Denn der Schaden bestehe nicht in einer Verminderung des zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögens; er sei deshalb nicht durch Auffüllen der Masse zu ersetzen, sondern er liege darin, dass der Neugläubiger mit der insolventen Gesellschaft überhaupt einen Vertrag geschlossen hat (BGH, Urteil vom 13. Dezember 2018 - IX ZR 66/18 -, Rn. 12, juris). Eine Aktivlegitimation des Insolvenzverwalters für die Geltendmachung dieses Schadens des Neugläubigers kann danach nicht festgestellt werden.
-
2.
-
Abgesehen davon hat der Kläger bereits einen Schaden nicht hinreichend dargetan.
-
2.1
-
Nach der Rechtsprechung des BGH bestimmt sich der Schaden nach einem Vergleich zwischen der Vermögenslage der Gesellschaft in dem Zeitpunkt, in dem ein Insolvenzantrag hätte gestellt werden müssen, und in dem Zeitpunkt, indem der Antrag tatsächlich gestellt worden ist (BGH, Urteil vom 6.Juni 2013 -IX ZR 204/12.
-
2.2
-
Eine solche Schadensberechnung nimmt der Kläger aber nicht vor. Vielmehr vergleicht er nur die Entwicklung der Verbindlichkeiten zwischen den Zeitpunkten der Erstellung des Jahresabschlusses am 29. Juni 2018 und der Verbindlichkeiten am 27. Dezember 2018. Für den zu fordernden Vergleich der Vermögenslage hätte er Kläger aber auch eine entsprechende Entwicklung der Aktiva darstellen müssen (vgl. OLG Stuttgart a.a.O.). Soweit ausweislich der Anlage K 12 die Veränderung der Verbindlichkeitspositionen aus „Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen“ resultiert, liegt es nahe, dass sich auch das Aktivvermögen verändert hat, wenn insoweit weitere Waren und Dienstleistungen bezogen worden sind. Für einen Vergleich der Vermögenslage hätte der Kläger somit auch die Aktivpositionen des Vermögens der Schuldnerin einbeziehen müssen. Darauf hat - ebenso wie der Beklagte (zuletzt in der Berufungserwiderung vom 29. November 2021 unter Rn. 104 ff. [Bd. II Bl. 71 ff. d. A.]) - auch bereits das Landgericht auf Seite 13 seines Urteils unter Ziffer 3 a) hingewiesen, wo es zutreffend und ausdrücklich ausgeführt hat, dass für die Darlegung des Schadens der Vermögensstand der Gesellschaft, also das Verhältnis von Aktiva und Passiva zu den jeweils relevanten Zeitpunkten erforderlich gewesen wäre. Eines weiteren Hinweises des Senats nach § 139 ZPO mit Gelegenheit zur weiteren Stellungnahme bedurfte es danach nicht mehr. Zudem hat das Landgericht zu Recht darauf hingewiesen, dass sich ein relevanter Schaden nur in der Zeit zwischen dem erstmaligen Vorliegen der Insolvenzreife und der verspäteten Antragstellung entwickeln kann. Wann aber eine Insolvenzreife anzunehmen war und inwieweit sich das Vermögen ab diesem Zeitpunkt entwickelt hat, ergibt sich aus dem Vortrag des Klägers nicht.
-
3.
-
Auf die Frage, ob dem Beklagten überhaupt eine Pflichtverletzung vorzuwerfen ist und sich diese kausal ausgewirkt hat, kommt es danach nicht an.
-
4.
-
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1. 708 Nr. 10, 711 ZPO.
-
Die Revision war nicht nach § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen. Zwar vertritt der Senat hinsichtlich der Aktivlegitimation des Klägers eine möglicherweise vom IX. Senat des Bundesgerichtshofs abweichende Auffassung. Dies ist aber letztlich nicht entscheidend, da dem Anspruch des Klägers bereits wegen der nicht hinreichenden Darlegung eines Schadens nicht stattzugeben war.