Finanzgericht Hamburg Beschluss, 17. Nov. 2015 - 4 V 121/15

published on 17/11/2015 00:00
Finanzgericht Hamburg Beschluss, 17. Nov. 2015 - 4 V 121/15
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Tatbestand

1

I. Der Antragsteller begehrt die Aussetzung der Vollziehung eines Einfuhrabgabenbescheids, mit dem Antidumpingzölle nacherhoben wurden.

2

In der Zeit vom 14.-20.01.2015 meldete der Antragsteller, vertreten durch die A Internationale Speditionsgesellschaft mbH, in 39 Fällen Fahrräder zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr mit Befreiung von der Einfuhrumsatzsteuer bei innergemeinschaftlicher Weiterleitung unter Verwendung der TARIC-Warennummer 76120030 10 0 und dem Zusatzcode XXYY an. Dieser Code steht für das nach der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 501/2013 von einem Antidumpingzoll ausgenommene Unternehmen B ... (im Folgenden: B) aus Sri Lanka. Für die Aufstellung der einzelnen Einfuhrvorgänge wird auf Bl. 850 der Sachakte verwiesen.

3

Den Einfuhren lagen vier Handelsrechnungen vom 21. bzw. 29.12.2014 des Herstellers B vom 21.12.2014 zugrunde (Bl. 854 bis 857 der Sachakte), die bei der Einfuhrabfertigung vorlagen. Sie enthalten den folgenden Zusatz:
I, the undersigned, [3654, 3596, 3368 bzw. 2954] Sets of bicycles, sold for export to the European Union covered by this invoice was manufactured by B, No. ..., X-Straße, C, D (Tariff Code 8712003010) in Sri Lanka.
I declare that the information provided in this invoice is complete and correct.
Die Rechnungen sind unterschrieben, enthalten aber außer dem im Rechnungskopf angegebenen Datum keine weitere Datumsangabe.

4

Mit einer Ausnahme wurde in allen Fällen lediglich der anwendbare Drittlandszollsatz festgesetzt. Bei Prüfung der Einfuhranmeldung Nr. AT/C/42/...-1 vom 19.01.2015 stellte das Zollamt E jedoch fest, dass die vorgelegte Handelsrechnung nicht den Vorgaben von Art. 1 Abs. 2 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 501/2013 entsprach, weil sie nicht den TARIC-Zusatzcode XXYY enthielt und bei der Unterschrift das Datum fehlte. Da somit nach Auffassung des Antragsgegners die Voraussetzungen für die Befreiung vom Antidumpingzoll nicht gegeben seien, setzte er mit Einfuhrabgabenbescheid Nr. AT/C/42/...-1 vom 19.01.2015 neben Drittlandszoll Antidumpingzoll in Höhe von 48,5 %, mithin 7.688,99 Euro, fest. Hinsichtlich dieser Einfuhrabgaben stellte der Antragsteller mit Schreiben vom 20.01.2015 einen Erstattungsantrag. Bei dessen Prüfung bemerkte der Antragsgegner, dass bei den weiteren 38 Einfuhren des Antragstellers von Fahrrädern desselben Herstellers die eingereichten Handelsrechnungen dieselben Fehler aufwiesen.

5

Daher lehnte der Antragsgegner nicht nur mit Bescheid Nr. AT/S/00/...-2 vom 26.01.2015 (Bl. 858 der Sachakte) die Erstattung des mit Bescheid vom 19.01.2015 erhobenen Antidumpingzolls ab, sondern erhob mit Bescheid Nr. AT/S/00/...-3 vom 17.02.2015 für die weiteren 38 Einfuhren Antidumpingzoll in Höhe von 48,5 %, mithin insgesamt € 300.306,48, nach. Da die Voraussetzungen für die Befreiung vom Antidumpingzoll nicht vorlägen, sei der für alle übrigen Unternehmen geltende Antidumpingzollsatz anzuwenden. Die Erstattung der Einfuhrabgaben nach Art. 236 ZK sei nicht vorgesehen, da die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Begünstigung bereits im Zeitpunkt der Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr vorliegen müssten.

6

Mit Schreiben vom 20.02.2015 legte der Antragsteller Einspruch gegen den Einfuhrabgabenbescheid vom 17.02.2015 ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Er beruft sich auf das Drohen eines unersetzbaren Schadens gem. Artikel 244 Unterabs. 2, 2. Alt. ZK. Wenn den Zollbeamten gleich bei der ersten Einfuhr aufgefallen wäre, dass die Handelsrechnung nicht korrekt ausgestellt worden sei, hätte er entsprechend reagieren können. Durch die Nacherhebung sei seine geschäftliche und private Existenz bedroht.

7

Mit Schreiben vom 22.03.2015 legte der Antragsteller seine wirtschaftlichen Umstände dar. Gegenwärtig beziehe er Arbeitslosengeld II und erwarte ab dem 01.12.2015 eine Altersrente in Höhe von ca. 820 €. Seine privaten Schulden bei zehn Inkassounternehmen beliefen sich auf ca. 380.000 €. Mit seiner freiberuflichen Tätigkeit habe er im Jahr 2013 noch Verluste erwirtschaftet. Im Folgejahr habe er einen Überschuss vor Steuern in Höhe von ca. 15.500 € erzielt.

8

Mit Bescheid vom 21.04.2015 (...) lehnte der Antragsgegner den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Einfuhrabgabenbescheides Nr. AT/S/00/...-3 vom 17.02.2015 ab. Es lägen keine begründeten Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids vor. Der Antragsteller habe auch nicht dargelegt, dass ein unersetzbarer Schaden drohe, wenn der Bescheid vollzogen werde. Vorliegend sei Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 501/2013 anwendbar, mit dem der endgültige Antidumpingzoll "für alle übrigen Unternehmen" gem. Art. 1 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 990/2011 auf Einfuhren von Fahrrädern insbesondere aus Sri Lanka ausgedehnt worden sei. Dieser Antidumpingzoll sei anzuwenden, weil die Ausnahme gem. Art. 1 Abs. 2 Verordnung (EU) Nr. 501/2013 nicht erfüllt sei. Die Handelsrechnungen, die der Antragsteller vorgelegt habe, erfüllten nämlich nicht die unter Ziff. 2 des Anhangs dieser Verordnung genannte Anforderung, dass der TARIC-Zusatzcode für den Hersteller B (XXYY) angegeben werden müsse. Die Angabe dieses Zusatzcodes in der elektronischen Einfuhranmeldung sei nicht ausreichend. Außerdem fehle das in Ziff. 3 des Anhangs genannte Datum. Nach ständiger Rechtsprechung müssten diese Anforderungen bei Annahme der Zollanmeldung vorliegen. Art. 220 ZK stehe der Nacherhebung nicht entgegen. Die Voraussetzungen von Art. 220 Abs. 2 Buchstabe b, Unterabs. 1 ZK lägen nicht vor. Selbst wenn der Antragsgegner einem aktiven Irrtum unterlegen wäre, hätte dies dem Antragsteller vernünftigerweise auffallen müssen. Im Anhang der Verordnung (EU) Nr. 501/2013 sei nämlich klar geregelt, wie eine Handelsrechnung ausgestaltet sein müsse. Dem Antragsteller drohe auch kein unersetzbarer Schaden, der gerade durch die angefochtene Entscheidung verursacht würde. An einer solchen Kausalität zwischen sofortiger Vollziehung und dem Schaden fehle es, wenn die Insolvenz des Abgabenschuldners ohnehin eintrete oder sicher zu erwarten sei. Die dargelegten wirtschaftlichen Verhältnisse ließen nicht erkennen, dass der Antragsteller seine Schulden in absehbarer und vertretbarer Zeit werde tilgen können. Es liege ohnehin eine hohe Verschuldung vor, die zu einer eventuellen Insolvenz führe.

9

Mit Schreiben vom 28.04.2015 legte der Antragsteller Einspruch gegen die Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung ein. Er sei gutgläubig und ihn treffe kein Verschulden an der möglicherweise ursprünglich fehlerhaften Festsetzung der Einfuhrabgaben. Die Voraussetzungen für eine Änderung nach Art. 8 ZK lägen nicht vor. Wegen seiner finanziellen Lage könne der geltend gemachte Anspruch nicht realisiert werden. Alle Bemühungen zum Aufbau einer wirtschaftlichen Existenz würden bei Vollstreckung des Bescheids endgültig zerschlagen werden.

10

Mit Einspruchsentscheidung vom 19.08.2015 wies der Antragsgegner den Einspruch als unbegründet zurück. Er vertieft die Begründung des angefochtenen Bescheids. Im Rahmen der Prüfung des Vertrauensschutzes nach Art. 220 Abs. 2 Buchstabe b ZK habe jeder Wirtschaftsteilnehmer, auch der rechtlich unerfahrene, die Pflicht, sich über das geltende Recht zu informieren. Im Übrigen sei die rechtliche Grundlage nicht kompliziert. Aus der Verordnung (EU) Nr. 501/2013 gehe eindeutig hervor, was mit dem firmenspezifischen Zusatzcode gemeint sei.

11

Mit dem am 22.08.2015 gestellten gerichtlichen Eilantrag verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter. Es gebe keine Rechtsgrundlage für die Änderung der bereits bestandskräftig festgesetzten 38 Einfuhrabgabenbescheide. Der Antragsgegner habe durch die beanstandungslose Abfertigung von 38 nämlichen Einfuhren einen Vertrauenstatbestand geschaffen. Auf § 89 Abs. 1 AO werde hingewiesen. Den Antragsgegner treffe ein überwiegendes Mitverschulden und es stelle sich die Frage der Amtshaftung. Es sei zynisch zu behaupten, die Rechtslage sei einfach gewesen, obwohl 38 Einfuhren zunächst beanstandungslos abgefertigt worden seien.

12

Der Antragsteller beantragt,
die Vollziehung des Einfuhrabgabenbescheids Nr. AT/S/00/...-3 vom 17.02.2015 auszusetzen.

13

Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.

14

Er verweist auf die Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend vor: Lediglich in vier von 39 Fällen seien die Voraussetzungen für die Befreiung des Antidumpingzolls geprüft worden (Zollanmeldungen Nr. AT/C/42/...-4, ...-1, ...-5 und ...-6). In einem dieser Fälle sei schließlich aufgefallen, dass die Handelsrechnung nicht ordnungsgemäß ausgestellt gewesen sei. In den übrigen Fällen seien die Unterlagen lediglich hinsichtlich der einfuhrumsatzsteuerfreien Lieferung geprüft worden. Die Angabe des Zusatzcodes auf der Handelsrechnung sei keine bloße Formalie. Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) habe darauf hingewiesen, dass Befreiungen von Antidumpingzöllen als Ausnahmevorschriften eng auszulegen seien. Eine Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz sei bei dem Antragsteller, der Einzelkaufmann sei, schon deshalb nicht möglich, weil er sich auf die Pfändungsschutzvorschriften der Abgabenordnung berufen könne.

15

Bei der Entscheidung hat die Rechtsbehelfsakte vorgelegen.

Entscheidungsgründe

16

II. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Nacherhebungsbescheids vom 17.02.2015 bleibt ohne Erfolg.

17

In der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist geklärt, dass im Geltungsbereich des Zollkodex auch im finanzgerichtlichen Aussetzungsverfahren nach § 69 Abs. 3 FGO die Vorschriften des Art. 244 Unterabs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12.10.1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. EG L 302/1; Zollkodex - ZK) über die Aussetzung der Vollziehung im Verwaltungsverfahren anzuwenden sind (vgl. BFH, Beschluss vom 11.07.2000, VII B 41/00). Art. 244 Unterabs. 2 Zollkodex bestimmt, dass die Zollbehörden die Vollziehung der Entscheidung ganz oder teilweise aussetzen, wenn sie begründete Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung haben oder wenn dem Beteiligten ein unersetzbarer Schaden entstehen könnte. Begründete Zweifel in diesem Sinne bestehen, wenn bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung der angefochtenen Entscheidung neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen auch gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zu Tage treten, die eine Unentschiedenheit in der Beurteilung der Rechtslage oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (vgl. BFH, Beschluss vom 22.11.1994, VII B 140/94).

18

Nach dem vorstehend aufgezeigten Prüfungsmaßstab vermag der Senat nicht festzustellen, dass begründete Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Abgabenbescheides bestehen (dazu 1.). Der Antragsteller hat auch nicht glaubhaft gemacht, dass ihm durch die sofortige Vollziehung ein unersetzbarer Schaden droht (dazu 2.).

19

1. Die Nacherhebung der mit Einfuhrabgabenbescheid vom 17.02.2015 geltend gemachten Antidumpingzölle dürfte zu Recht erfolgt sein. Der entstandene Antidumpingzoll wurde bisher nicht erhoben (dazu 1.1). Der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, dass er sich auf Vertrauensschutz berufen kann (dazu 1.2).

20

1.1 Der nacherhobene Antidumpingzoll dürfte entstanden sein. Ermächtigungsgrundlage für die Nacherhebung von Antidumpingzoll ist Art. 220 Abs. 1 S. 1 ZK. Danach hat die buchmäßige Erfassung einer Zollschuld zu erfolgen, die nicht buchmäßig erfasst worden ist. Diese Vorschrift ist lex specialis zu dem vom Antragsteller genannten Art. 8 ZK, der die Rücknahme begünstigender Entscheidungen nur unter bestimmten Umständen zulässt. Als unmittelbar anwendbares Unionsrechts geht Art. 220 ZK dem nationalen Abgabenrecht vor (Alexander, in: Witte, Zollkodex, 6. Aufl. 2013, vor Art. 220, Rn. 11), so dass der Antragsteller auch aus § 89 AO Nichts für sich ableiten kann.

21

Nicht erhoben wurde Antidumpingzoll in Höhe von 48,5 % gemäß Art. 1 Abs. 1 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 501/2013 vom 29.05.2013 zur Ausweitung des mit der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 990/2011 eingeführten endgültigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren von Fahrrädern mit Ursprung in der Volksrepublik China auf aus Indonesien, Malaysia, Sri Lanka und Tunesien versandte Einfuhren von Fahrrädern, ob als Ursprungserzeugnisse Indonesiens, Malaysias, Sri Lankas oder Tunesiens angemeldet oder nicht (ABl. EU L 153/1 vom 05.06.2013; im Folgenden: Verordnung Nr. 501/2013) in Verbindung mit der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 990/2011 vom 03.10.2011 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren von Fahrrädern mit Ursprung in der Volksrepublik China im Anschluss an eine Auslaufüberprüfung nach Artikel 11 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1225/2009 (ABl. EU L 261/2 vom 06.10.2011; im Folgenden: Verordnung Nr. 990/2011).

22

Nach Art. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 990/2011 wird ein endgültiger Antidumpingzoll eingeführt auf die Einfuhren von Zweirädern, ohne Motor, mit Ursprung in der VR China, die derzeit insbesondere in die Unterposition 8712 0030 KN eingereiht werden. Nach Art. 1 Abs. 2 dieser Verordnung beträgt der endgültige Antidumpingzollsatz auf den Nettopreis frei Grenze unverzollt 48,5 %. Durch Art. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 501/2013 wird dieser endgültige Antidumpingzoll grundsätzlich ausgeweitet "für alle übrigen Unternehmen", die derartige Waren insbesondere aus Sri Lanka in die Union versenden. Eine Ausnahme gilt für diejenigen Zweiräder, die von den im Einzelnen aufgeführten Unternehmen hergestellt werden (Art. 1 Abs. 1 a. E. der Verordnung Nr. 501/2013). Nach Art. 1 Abs. 2 S. 1 der Verordnung Nr. 501/2013 setzt die Befreiung vom Antidumpingzoll für die im einzelnen aufgeführten Hersteller voraus, dass den Zollbehörden der Mitgliedstaaten eine gültige Handelsrechnung vorgelegt wird, die den im Anhang der Verordnung festgelegten Anforderungen entspricht. Danach muss die gültige Handelsrechnung die folgenden Angaben enthalten:
1. Name und Funktion der im Unternehmen für die Ausstellung von Handelsrechnungen zuständigen Person.
2. Folgende Erklärung: "Der/Die Unterzeichnete versichert, dass die auf dieser Rechnung aufgeführten und zur Ausfuhr in die Europäische Union verkauften [Mengenangabe] [betroffene Ware] von [Name und Anschrift des Unternehmens] [TARIC-Zusatzcode] in [betroffenes Land] hergestellt wurden und dass die Angaben auf dieser Rechnung vollständig und richtig sind".
3. Datum und Unterschrift.
Die englische Fassung von Nr. 2 des Anhangs lautet:
The following declaration: 'I, the undersigned, certify that the (volume) of (product concerned) sold for export to the European Union covered by this invoice was manufactured by (company name and address) (TARIC additional code) in (country concerned). I declare that the information provided in this invoice is complete and correct';
Wird eine Handelsrechnung, die diesen Anforderungen nicht genügt, vorgelegt, ist der gemäß Art. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 501/2013 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 990/2011 geltende Antidumpingzoll zu erheben (Art. 1 Abs. 2 S. 2 der Verordnung Nr. 501/2013).

23

Die Voraussetzungen von Art. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 501/2013 liegen vor. Der maßgebliche Zeitpunkt hierfür ist die Annahme der Zollanmeldung (Art. 67 ZK i. V. m. Art. 1 Abs. 4 Verordnung Nr. 501/2013; siehe auch FG Hamburg, Urteil vom 20.06.2006 - 4 K 193/03 -, Rn. 26, juris). Die hier erfolgte Anmeldung zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr umfasst auch die Anwendung der handelspolitischen Maßnahmen (Art. 79 Unterabs. 2 ZK), zu denen Antidumpingzollmaßnahmen gehören (Art. 20 Abs. 3 Buchst. g) ZK).

24

1.1.1 Die Verordnung Nr. 501/2013 ist zeitlich ab dem 06.06.2013 anwendbar (Art. 4 der Verordnung). Die hier in Rede stehenden Einfuhren fanden vom 14.-20.01.2015 statt.

25

1.1.2 Im vorliegenden Fall wurden Fahrräder der TARIC-Warennummer 78712 0030 10 0 eingeführt, die vom sachlichen Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 990/2011 erfasst sind (siehe Art. 1 Abs. 1 der Verordnung). Diese Waren wurden aus Sri Lanka versandt, so dass der Ausdehnungstatbestand gemäß Art. 1 Abs. 1 Verordnung Nr. 501/2013, der für derartige Fahrräder gilt, erfüllt ist.

26

1.1.3 Die Voraussetzungen für eine unternehmensspezifische Befreiung von dem danach grundsätzlich zu erhebenden Antidumpingzoll sind im Hinblick auf die hier in Rede stehenden Einfuhren nicht gegeben. Der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, dass die Voraussetzungen von Art. 1 Abs. 2 S. 1 Verordnung Nr. 501/2013 erfüllt sind. Die vorgelegten Handelsrechnungen des Herstellers B (Bl. 854 ff. der Sachakte) erfüllen nämlich nicht die formalen Voraussetzungen, die im Anhang der Verordnung Nr. 501/2013 genannt sind. Zwar ist fraglich, ob es im Hinblick auf das Erfordernis, dass ein Datum angegeben werden muss (Nr. 3 des Anhangs), ausreichend ist, dass die Rechnung selbst - wie hier - ein Datum trägt. Dies kann jedoch dahinstehen, weil die Handelsrechnung nicht den von Nr. 2 des Anhangs geforderten TARIC-Zusatzcode (in der englischen Fassung: "TARIC additional code") enthält, der für das Unternehmen B nach der Liste in Art. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 501/2013 "XXYY" lautet. Auf den Handelsrechnungen ist vielmehr lediglich "Tariff Code: 8712003010" vermerkt. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um den unternehmensspezifischen Zusatzcode, sondern die zehnstellige Tarifnummer des Integrierten Tarifs der Europäischen Gemeinschaften (TARIC) gemäß Art. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87. In Anbetracht des eindeutigen Wortlauts der Verordnung ist es nicht ausreichend, dass der Zusatzcode in der elektronischen Einfuhranmeldung angegeben wurde. Anders als der Antragsteller meint, handelt es sich bei der Verpflichtung zur Angabe dieses Zusatzcodes in der Handelsrechnung nicht um eine bloße Förmelei (vgl. zu einem ähnlich gelagerten Fall: FG Hamburg, Urteil vom 20.06.2006 - 4 K 193/03 -, Rn. 30, juris). Die Befreiung von dem Antidumpingzoll stellt eine Ausnahmeregelung dar, die nach der Rechtsprechung des EuGH eng auszulegen ist (EuGH, Urteil vom 17.09.2014, Rs. C-3/13, Rn. 24 m. w. N.). Eine Handelsrechnung muss also den im Anhang zur Verordnung Nr. 501/2013 genannten Voraussetzungen genau entsprechen (vergleiche zu einer Verpflichtungserklärung mit ähnlichem Inhalt: EuGH, Urteil vom 17.09.2014, Rs. C-3/13, Rn. 27). Im Übrigen ordnet Art. 1 Abs. 2 S. 2 der Verordnung Nr. 501/2013 ausdrücklich an, was geschieht, wenn eine Handelsrechnung vorgelegt wird, die nicht den Anforderungen des Anhangs der Verordnung entspricht. In diesem Fall soll nämlich der mit Art. 1 Abs. 1 der Verordnung ausgedehnte Antidumpingzoll gemäß Art. 1 Abs. 2 der Verordnung Nr. 990/2011 zur Anwendung kommen.

27

Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob die Auslassung der Wörter "certify that" in den Handelsrechnungen eine weitere beachtliche Abweichung von dem Erklärungstext nach Nr. 2 des Anhangs der Verordnung Nr. 501/2013 darstellt.

28

1.2 Der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, dass er Vertrauensschutz beanspruchen kann. Nach Art. 220 Abs. 2 Buchst. b) Unterabs. 1 ZK erfolgt keine nachträgliche buchmäßige Erfassung, wenn der gesetzlich geschuldete Abgabenbetrag aufgrund eines Irrtums der Zollbehörden nicht buchmäßig erfasst worden ist, sofern dieser Irrtum vernünftigerweise vom Zollschuldner nicht erkannt werden konnte und dieser gutgläubig gehandelt und alle geltenden Bestimmungen über die Zollerklärung eingehalten hat.

29

1.2.1 Bei einem Irrtum im Sinne von Art. 220 Abs. 2 ZK bedarf es eines so genannten "aktiven Irrtums", also eines Irrtums, der auf ein Handeln der zuständigen Behörde zurückzuführen ist. Nicht ausreichend ist ein Irrtum, dem die Zollbehörde im Zeitpunkt der Abgabenerhebung wegen unzutreffender oder unvollständiger Angaben des Abgabenschuldners unterlag (BFH, Urteil vom 07.06.2011 - VII R 36/10 -, BFHE 234, 77, Rn. 9; FG Hamburg, Urteil vom 18.02.2014 - 4 K 6/13 -, Rn. 26, juris). Ein solcher aktiver Irrtum lag allenfalls in den drei Fällen vor, in denen der Antragsgegner geprüft hat, ob die vorgelegten Einfuhrunterlagen die Befreiung von dem Antidumpingzoll rechtfertigen. Anders als in den übrigen Fällen, in denen keine Unterlagenprüfung durchgeführt wurde, ist die buchmäßige Erfassung der Antidumpingzölle in diesen Fällen unterblieben, weil der Antragsgegner den fehlenden unternehmensspezifischen TARIC-Zusatzcode auf der Handelsrechnung nicht entdeckt hat.

30

1.2.2 Ob ein aktiver Irrtum vorliegt, kann jedoch dahinstehen, da das irrtümliche Unterlassen der buchmäßigen Erfassung vernünftigerweise vom Antragsteller als Zollschuldner hätte erkannt werden können.

31

Für die Beantwortung der Frage, ob ein Irrtum vom Zollschuldner hätte erkannt werden können, kommt es auf eine konkrete Beurteilung aller Umstände des Einzelfalls an, wobei namentlich (nicht nur) die Art des Irrtums, die Erfahrung und die Sorgfalt des Wirtschaftsteilnehmers zu berücksichtigen sind. Allein der Umstand, dass die Zollbehörden sich geirrt haben, bedeutet nicht, dass der Irrtum für den Wirtschaftsbeteiligten nicht erkennbar war. Der Beteiligte muss sich über die in Betracht kommenden Rechtsvorschriften informieren (BFH, Beschluss vom 23.03.2000 - VII B 299/99 -, Rn. 13, juris, m. w. N.). Bedient sich der Einführer - wie hier - bei der Abfertigung eines Vertreters, so kommt es für die Erkennbarkeit des Irrtums auf dessen Verhalten und Kenntnisse an (Alexander, in: Witte, Zollkodex, 6. Aufl. 2013, Art. 220, Rn. 26; Gellert, in: Dorsch, Zollrecht, 135. EL, März 2012, Art. 220 ZK, Rn. 62 m. w. N. aus der Rspr.; siehe auch BFH, Urteil vom 02.04.1987 - VII R 60/84 -, BFHE 150, 93, Rn. 9).

32

Gemessen an diesen Maßstäben, war es jedenfalls für die vom Antragsteller als Vertreterin eingeschaltete Spedition, die im F ... e. V. organisiert ist (...), erkennbar, dass die bei der Abfertigung vorgelegten Handelsrechnungen nicht den Vorgaben der Verordnung Nr. 501/2013 entsprachen. Sämtliche Anforderungen an die Handelsrechnung und die Rechtsfolge, die eintritt, wenn diese Anforderungen nicht erfüllt sind, ergeben sich aus dieser Verordnung. So bestimmt Art. 1 Abs. 2 S. 1 Verordnung Nr. 501/2013 unmissverständlich, dass eine Befreiung vom Antidumpingzoll nur möglich ist, wenn eine Handelsrechnung vorgelegt wird, die den im Anhang festgelegten Anforderungen entspricht. In diesem Anhang ist im Einzelnen aufgelistet, welche formalen Anforderungen zu erfüllen sind. Es ist auch leicht möglich festzustellen, dass die vorgelegten Handelsrechnungen diese Anforderung nicht erfüllen. Der dort angegebene, zehnstellige numerische "Tariff code" ist nicht der vierstellige alphanumerische TARIC-Zusatzcode "XXYY" für das Unternehmen B. Die Spedition muss sich den Anforderungen, die die Verordnung Nr. 501/2013 stellt, auch bewusst gewesen sein. Sie hat nämlich bei der Zollanmeldung den Zusatzcode XXYY eingegeben, hierbei jedoch übersehen, dass dieser Code auch auf der Handelsrechnung genannt sein muss. Der Antragsteller kann sich nicht dadurch exkulpieren, dass der Antragsgegner in drei von vier geprüften Fällen die fehlende Übereinstimmung der Handelsrechnung mit den Anforderungen des Anhangs der Verordnung Nr. 501/2013 nicht moniert hat. Allein daraus, dass Zollbeamte im Rahmen der Massenabfertigung eine ungenaue Prüfung vornehmen, kann der Wirtschaftsbeteiligter nicht folgern, dass ein solche Irrtum, der bei einem schlichten Abgleich des Inhalts der Handelsrechnung mit den Vorgaben des Anhangs der Verordnung Nr. 501/2013 möglich gewesen wäre, vernünftigerweise von ihm nicht hätte erkannt werden können.

33

2. Der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, dass ihm durch die sofortige Vollziehung des Einfuhrabgabenbescheids vom 17.02.2015 ein unersetzbarer Schaden droht. Bei der Auslegung des Begriffs "unersetzbarer Schaden" ist an den Begriff "nicht wiedergutzumachender Schaden" anzuknüpfen, der zu den Voraussetzungen für die in Art. 278 AEUV vorgesehene Aussetzung der Durchführung einer Handlung gehört. Ein durch die Vollziehung der Entscheidung der Zollbehörde drohender finanzieller Schaden ist nur dann als unersetzbarer Schaden i. S. d. Art. 244 Unterabs. 2 ZK anzusehen, wenn er im Fall des Obsiegens des Antragstellers im Hauptsacheverfahren nicht vollständig ersetzt werden könnte, so etwa im Fall der Insolvenz des Abgabenschuldners. Ein unersetzbarer Schaden in diesem Sinne liegt nach der Rechtsprung des EuGH nur dann vor, wenn dieser schwer und nicht wiedergutzumachen ist. Letzteres soll nur dann der Fall sein, wenn der Schaden im Falle des Obsiegens im Hauptsacheverfahren nicht vollständig ersetzt werden könnte, weil etwa die Existenzgefährdung des Unternehmens droht (FG Hamburg, Beschluss vom 28.05.2014 - 4 V 63/14 -, Rn. 21, juris, m. w. N.).

34

Dass ihm ein solcher Schaden droht, hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht. In Anbetracht seiner privaten Verbindlichkeiten in Höhe von ca. 380.000 €, der geringen Altersrente, die durch seine selbständigen Tätigkeit bisher nur geringfügig aufgestockt wird, sowie seines bereits fortgeschrittenen Lebensalters ist nicht zu erwarten, dass er die mit dem Einfuhrabgabenbescheid vom 17.02.2015 geltend gemachte Forderung wird erfüllen können. Da der Antragsteller auch nicht das Bestehen weiterer Vermögenswerte vorgetragen hat, ist unter Berücksichtigung von Schuldnerschutzvorschriften (insbesondere § 295 S. 1 AO i. V. m. §§ 811-812, 813 Abs. 1-3 ZPO, § 319 AO i. V. m. §§ 850-852 ZPO) nicht zu erwarten, dass Vollstreckungsversuche Erfolg haben werden. Da die Vollziehung des Bescheids vermutlich weitgehend ins Leere laufen wird, kann sie nicht zu einem Schaden führen, der - bei unterstellter Rechtswidrigkeit des Bescheids - nicht wieder gutgemacht werden könnte.

35

Ferner hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht, dass die sofortige Vollziehung kausal für einen unersetzbaren Schaden wäre (zu diesem Erfordernis: Alexander, in: Witte, Zollkodex, 6. Aufl. 2013, Art. 244, Rn. 26). Die Vollziehung ist dann nicht auszusetzen, wenn die Vollziehung als solche und nicht gerade die sofortige Vollziehung den Schaden herbeiführte (Dorsch/Rüsken, 144. EL, November 2013, Art. 244 ZK, Rn. 52). Die bereits dargelegte finanzielle Situation des Antragstellers lässt diese Kausalität entfallen. Da nicht ersichtlich ist, dass der Antragsteller seine übrigen Verbindlichkeiten erfüllen kann, führte eine Vollstreckung wegen der Antidumpingzölle nicht zu einer weiteren Verschlechterung seiner finanziellen Situation.

36

3. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 135 Abs. 1, 128 Abs. 3 i. V. m. 115 Abs. 2 FGO.

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Annotations

(1) Die Finanzbehörde soll die Abgabe von Erklärungen, die Stellung von Anträgen oder die Berichtigung von Erklärungen oder Anträgen anregen, wenn diese offensichtlich nur versehentlich oder aus Unkenntnis unterblieben oder unrichtig abgegeben oder gestellt worden sind. Sie erteilt, soweit erforderlich, Auskunft über die den Beteiligten im Verwaltungsverfahren zustehenden Rechte und die ihnen obliegenden Pflichten.

(2) Die Finanzämter und das Bundeszentralamt für Steuern können auf Antrag verbindliche Auskünfte über die steuerliche Beurteilung von genau bestimmten, noch nicht verwirklichten Sachverhalten erteilen, wenn daran im Hinblick auf die erheblichen steuerlichen Auswirkungen ein besonderes Interesse besteht. Zuständig für die Erteilung einer verbindlichen Auskunft ist die Finanzbehörde, die bei Verwirklichung des dem Antrag zugrunde liegenden Sachverhalts örtlich zuständig sein würde. Bei Antragstellern, für die im Zeitpunkt der Antragstellung nach den §§ 18 bis 21 keine Finanzbehörde zuständig ist, ist auf dem Gebiet der Steuern, die von den Landesfinanzbehörden im Auftrag des Bundes verwaltet werden, abweichend von Satz 2 das Bundeszentralamt für Steuern zuständig; in diesem Fall bindet die verbindliche Auskunft auch die Finanzbehörde, die bei der Verwirklichung des der Auskunft zugrunde liegenden Sachverhalts zuständig ist. Über den Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft soll innerhalb von sechs Monaten ab Eingang des Antrags bei der zuständigen Finanzbehörde entschieden werden; kann die Finanzbehörde nicht innerhalb dieser Frist über den Antrag entscheiden, ist dies dem Antragsteller unter Angabe der Gründe mitzuteilen. Das Bundesministerium der Finanzen wird ermächtigt, mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung nähere Bestimmungen zu Form, Inhalt und Voraussetzungen des Antrages auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft und zur Reichweite der Bindungswirkung zu treffen. In der Rechtsverordnung kann auch bestimmt werden, unter welchen Voraussetzungen eine verbindliche Auskunft gegenüber mehreren Beteiligten einheitlich zu erteilen ist und welche Finanzbehörde in diesem Fall für die Erteilung der verbindlichen Auskunft zuständig ist. Die Rechtsverordnung bedarf nicht der Zustimmung des Bundesrates, soweit sie die Versicherungsteuer betrifft.

(3) Für die Bearbeitung eines Antrags auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft nach Absatz 2 wird eine Gebühr erhoben. Wird eine verbindliche Auskunft gegenüber mehreren Antragstellern einheitlich erteilt, ist nur eine Gebühr zu erheben; in diesem Fall sind alle Antragsteller Gesamtschuldner der Gebühr. Die Gebühr ist vom Antragsteller innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe ihrer Festsetzung zu entrichten. Die Finanzbehörde kann die Entscheidung über den Antrag bis zur Entrichtung der Gebühr zurückstellen.

(4) Die Gebühr wird nach dem Wert berechnet, den die verbindliche Auskunft für den Antragsteller hat (Gegenstandswert). Der Antragsteller soll den Gegenstandswert und die für seine Bestimmung erheblichen Umstände in seinem Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft darlegen. Die Finanzbehörde soll der Gebührenfestsetzung den vom Antragsteller erklärten Gegenstandswert zugrunde legen, soweit dies nicht zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führt.

(5) Die Gebühr wird in entsprechender Anwendung des § 34 des Gerichtskostengesetzes mit einem Gebührensatz von 1,0 erhoben. § 39 Absatz 2 des Gerichtskostengesetzes ist entsprechend anzuwenden. Beträgt der Gegenstandswert weniger als 10 000 Euro, wird keine Gebühr erhoben.

(6) Ist ein Gegenstandswert nicht bestimmbar und kann er auch nicht durch Schätzung bestimmt werden, ist eine Zeitgebühr zu berechnen; sie beträgt 50 Euro je angefangene halbe Stunde Bearbeitungszeit. Beträgt die Bearbeitungszeit weniger als zwei Stunden, wird keine Gebühr erhoben.

(7) Auf die Gebühr kann ganz oder teilweise verzichtet werden, wenn ihre Erhebung nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre. Die Gebühr kann insbesondere ermäßigt werden, wenn ein Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft vor Bekanntgabe der Entscheidung der Finanzbehörde zurückgenommen wird.

(1) Durch Erhebung der Klage wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts vorbehaltlich des Absatzes 5 nicht gehemmt, insbesondere die Erhebung einer Abgabe nicht aufgehalten. Entsprechendes gilt bei Anfechtung von Grundlagenbescheiden für die darauf beruhenden Folgebescheide.

(2) Die zuständige Finanzbehörde kann die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen. Auf Antrag soll die Aussetzung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Die Aussetzung kann von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden. Soweit die Vollziehung eines Grundlagenbescheides ausgesetzt wird, ist auch die Vollziehung eines Folgebescheides auszusetzen. Der Erlass eines Folgebescheides bleibt zulässig. Über eine Sicherheitsleistung ist bei der Aussetzung eines Folgebescheides zu entscheiden, es sei denn, dass bei der Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheides die Sicherheitsleistung ausdrücklich ausgeschlossen worden ist. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, tritt an die Stelle der Aussetzung der Vollziehung die Aufhebung der Vollziehung. Bei Steuerbescheiden sind die Aussetzung und die Aufhebung der Vollziehung auf die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die festgesetzten Vorauszahlungen, beschränkt; dies gilt nicht, wenn die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

(3) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen; Absatz 2 Satz 2 bis 6 und § 100 Abs. 2 Satz 2 gelten sinngemäß. Der Antrag kann schon vor Erhebung der Klage gestellt werden. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, kann das Gericht ganz oder teilweise die Aufhebung der Vollziehung, auch gegen Sicherheit, anordnen. Absatz 2 Satz 8 gilt entsprechend. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(4) Der Antrag nach Absatz 3 ist nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Finanzbehörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(5) Durch Erhebung der Klage gegen die Untersagung des Gewerbebetriebes oder der Berufsausübung wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts gehemmt. Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, kann die hemmende Wirkung durch besondere Anordnung ganz oder zum Teil beseitigen, wenn sie es im öffentlichen Interesse für geboten hält; sie hat das öffentliche Interesse schriftlich zu begründen. Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die hemmende Wirkung wiederherstellen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(6) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(7) Lehnt die Behörde die Aussetzung der Vollziehung ab, kann das Gericht nur nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 angerufen werden.

(1) Die Finanzbehörde soll die Abgabe von Erklärungen, die Stellung von Anträgen oder die Berichtigung von Erklärungen oder Anträgen anregen, wenn diese offensichtlich nur versehentlich oder aus Unkenntnis unterblieben oder unrichtig abgegeben oder gestellt worden sind. Sie erteilt, soweit erforderlich, Auskunft über die den Beteiligten im Verwaltungsverfahren zustehenden Rechte und die ihnen obliegenden Pflichten.

(2) Die Finanzämter und das Bundeszentralamt für Steuern können auf Antrag verbindliche Auskünfte über die steuerliche Beurteilung von genau bestimmten, noch nicht verwirklichten Sachverhalten erteilen, wenn daran im Hinblick auf die erheblichen steuerlichen Auswirkungen ein besonderes Interesse besteht. Zuständig für die Erteilung einer verbindlichen Auskunft ist die Finanzbehörde, die bei Verwirklichung des dem Antrag zugrunde liegenden Sachverhalts örtlich zuständig sein würde. Bei Antragstellern, für die im Zeitpunkt der Antragstellung nach den §§ 18 bis 21 keine Finanzbehörde zuständig ist, ist auf dem Gebiet der Steuern, die von den Landesfinanzbehörden im Auftrag des Bundes verwaltet werden, abweichend von Satz 2 das Bundeszentralamt für Steuern zuständig; in diesem Fall bindet die verbindliche Auskunft auch die Finanzbehörde, die bei der Verwirklichung des der Auskunft zugrunde liegenden Sachverhalts zuständig ist. Über den Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft soll innerhalb von sechs Monaten ab Eingang des Antrags bei der zuständigen Finanzbehörde entschieden werden; kann die Finanzbehörde nicht innerhalb dieser Frist über den Antrag entscheiden, ist dies dem Antragsteller unter Angabe der Gründe mitzuteilen. Das Bundesministerium der Finanzen wird ermächtigt, mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung nähere Bestimmungen zu Form, Inhalt und Voraussetzungen des Antrages auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft und zur Reichweite der Bindungswirkung zu treffen. In der Rechtsverordnung kann auch bestimmt werden, unter welchen Voraussetzungen eine verbindliche Auskunft gegenüber mehreren Beteiligten einheitlich zu erteilen ist und welche Finanzbehörde in diesem Fall für die Erteilung der verbindlichen Auskunft zuständig ist. Die Rechtsverordnung bedarf nicht der Zustimmung des Bundesrates, soweit sie die Versicherungsteuer betrifft.

(3) Für die Bearbeitung eines Antrags auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft nach Absatz 2 wird eine Gebühr erhoben. Wird eine verbindliche Auskunft gegenüber mehreren Antragstellern einheitlich erteilt, ist nur eine Gebühr zu erheben; in diesem Fall sind alle Antragsteller Gesamtschuldner der Gebühr. Die Gebühr ist vom Antragsteller innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe ihrer Festsetzung zu entrichten. Die Finanzbehörde kann die Entscheidung über den Antrag bis zur Entrichtung der Gebühr zurückstellen.

(4) Die Gebühr wird nach dem Wert berechnet, den die verbindliche Auskunft für den Antragsteller hat (Gegenstandswert). Der Antragsteller soll den Gegenstandswert und die für seine Bestimmung erheblichen Umstände in seinem Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft darlegen. Die Finanzbehörde soll der Gebührenfestsetzung den vom Antragsteller erklärten Gegenstandswert zugrunde legen, soweit dies nicht zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führt.

(5) Die Gebühr wird in entsprechender Anwendung des § 34 des Gerichtskostengesetzes mit einem Gebührensatz von 1,0 erhoben. § 39 Absatz 2 des Gerichtskostengesetzes ist entsprechend anzuwenden. Beträgt der Gegenstandswert weniger als 10 000 Euro, wird keine Gebühr erhoben.

(6) Ist ein Gegenstandswert nicht bestimmbar und kann er auch nicht durch Schätzung bestimmt werden, ist eine Zeitgebühr zu berechnen; sie beträgt 50 Euro je angefangene halbe Stunde Bearbeitungszeit. Beträgt die Bearbeitungszeit weniger als zwei Stunden, wird keine Gebühr erhoben.

(7) Auf die Gebühr kann ganz oder teilweise verzichtet werden, wenn ihre Erhebung nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre. Die Gebühr kann insbesondere ermäßigt werden, wenn ein Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft vor Bekanntgabe der Entscheidung der Finanzbehörde zurückgenommen wird.

Die §§ 811 bis 811c, 813 Absatz 1 bis 3 und § 882a Absatz 4 der Zivilprozessordnung sowie die Beschränkungen und Verbote, die nach anderen gesetzlichen Vorschriften für die Pfändung von Sachen bestehen, gelten entsprechend. An die Stelle des Vollstreckungsgerichts tritt die Vollstreckungsbehörde.

(1) Die gepfändeten Sachen sollen bei der Pfändung auf ihren gewöhnlichen Verkaufswert geschätzt werden. Die Schätzung des Wertes von Kostbarkeiten soll einem Sachverständigen übertragen werden. In anderen Fällen kann das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Gläubigers oder des Schuldners die Schätzung durch einen Sachverständigen anordnen.

(2) Ist die Schätzung des Wertes bei der Pfändung nicht möglich, so soll sie unverzüglich nachgeholt und ihr Ergebnis nachträglich in dem Pfändungsprotokoll vermerkt werden. Werden die Akten des Gerichtsvollziehers elektronisch geführt, so ist das Ergebnis der Schätzung in einem gesonderten elektronischen Dokument zu vermerken. Das Dokument ist mit dem Pfändungsprotokoll untrennbar zu verbinden.

(3) Sollen bei Personen, die Landwirtschaft betreiben,

1.
Früchte, die vom Boden noch nicht getrennt sind,
2.
Sachen nach § 811 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b,
3.
Tiere nach § 811 Absatz 1 Nummer 8 Buchstabe b oder
4.
landwirtschaftliche Erzeugnisse
gepfändet werden, so soll ein landwirtschaftlicher Sachverständiger herangezogen werden, sofern anzunehmen ist, dass der Wert dieser Sachen und Tiere insgesamt den Betrag von 2 000 Euro übersteigt.

(4) Die Landesjustizverwaltung kann bestimmen, dass auch in anderen Fällen ein Sachverständiger zugezogen werden soll.

Beschränkungen und Verbote, die nach den §§ 850 bis 852 und 899 bis 907 der Zivilprozessordnung und anderen gesetzlichen Bestimmungen für die Pfändung von Forderungen und Ansprüchen bestehen, gelten sinngemäß.