Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt Urteil, 05. Dez. 2012 - 3 K 624/07
Gericht
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten über die einkommensteuerliche Berücksichtigung einer Rückstellung für die Betreuung von Lebensversicherungsverträgen.
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Der am 30. Mai 1965 geborene Kläger betreibt ausweislich des vom ihm vorgelegten Vertretungsvertrag mit der X. Versicherungs-AG, Zweigniederlassung B., seit dem 01. Januar 1998 eine sog. X.-Hauptvertretung.
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In diesem Vertrag ist u.a. bestimmt:
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„2.1.1 Der Vertreter ist ständig damit betraut, der vertragsschließenden Gesellschaft und den mit dieser im Rahmen der X.-Gruppe verbundenen Gesellschaften sowie Kooperationspartnern (alle nachfolgend Gesellschaften genannt) Versicherungsgeschäft … nach Maßgabe der vertraglichen Vereinbarungen bzw. der dem Vertreter ausgehändigten Richtlinien und Produktbeschreibungen der Gesellschaft zu vermitteln. Der Vertreter ist dabei verpflichtet, sich mit ganzer Kraft um den regelmäßigen Zugang neuer und für die Erhaltung der bestehenden Versicherungen zu bemühen (Bemühungspflicht).
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Um die bestehenden Versicherungen zu erhalten, pflegt der Vertreter im Rahmen seiner Möglichkeiten laufend Kontakt mit den Versicherungsnehmern, berät sie aus eigener Initiative oder auf deren Wunsch. Ziel ist es dabei immer, das der Kunde umfassend versichert ist und bleibt.
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Der Vertreter nimmt stets die Interessen der Gesellschaften mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns wahr und weist die Gesellschaften auf drohende Gefahren hin (Interessenwahrnehmungspflicht).
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2.1.2 Die Beiträge werden von den Gesellschaften direkt eingezogen. Ausnahmen davon erhält ein Merkblatt über die Annahme und Abrechnung von Beiträgen in der jeweils geltenden Fassung. Der Vertreter wird die Gesellschaften beim Beitragseinzug unterstützen, und zwar insbesondere dann, wenn der Versicherungsnehmer in Beitragsverzug geraten ist.
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2.2 Vollmachten
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2.2.1 Der Vertreter ist als Versicherungsagent i.S.d. VVG, soweit nicht im Vertretungsvertrag oder in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen etwas anderes bestimmt ist, bevollmächtigt …
- Anträge auf Abschluss, Verlängerung oder Änderung eines Versicherungsvertrages sowie den Widerruf solcher Anträge entgegenzunehmen
- Anzeigen beim Abschuss und während der Laufzeit des Versicherungsvertrages sowie sonstige die Versicherung betreffende Erklärungen von dem Versicherungsnehmer entgegenzunehmen
- die von den Gesellschaften ausgefertigten Versicherungsscheine, Nachträge und Beitragsberechnungen nach Einlösung auszuhändigen
- Beiträge nebst Zinsen und Kosten anzunehmen, soweit er von den Gesellschaften ausgefertigte und unterzeichnete Dokumente besitzt.
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…
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2.2.2 … Der Vertreter ist ferner nicht berechtigt, Beitragsklagen im eigenen Namen oder im Namen der Gesellschaften zu erheben …
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6. Provision (Vergütung)
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6.1 Der Vertreter erhält für seine Tätigkeit von den Beiträgen, die aufgrund der von ihm vermittelten oder ihm zur Betreuung übertragenen Versicherungsverträge gezahlt werden, Provisionen und evtl. Pflegegeld, solange diese Verträge sich in dem von ihm verwalteten Bestand befinden und für ihn noch provisionspflichtig sind, gemäß der diesem Vertrag als Vertragsbestandteil beigefügten Allgemeinen Provisionsbestimmungen, Provisionstabellen, Besonderen Provisionsbestimmungen, Zusatzprovisionstabellen und Richtlinien (Anlagen). Eine über die Provision hinausgehende Vergütung erhält der Vertreter für seine Tätigkeit und Aufwendungen grundsätzlich nicht; dies gilt auch dann, wenn der Vertreter bei der Regulierung von Schadensfällen mitwirkt. …
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9.1.1 Der Versicherungsvertrag ist auf unbestimmte Zeit geschlossen. Er endet mit Ablauf des Kalender-Vierteljahres, in dem das 65. Lebensjahr vollendet wird, oder mit dem Tod des Vertreters. …“
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In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger durch die Prozessbevollmächtigte vorgetragen, die im Vertretervertrag genannten die Provision betreffenden Anlagen lägen der Prozessbevollmächtigten vor, sie habe sie jedoch zum Termin nicht mitgebracht.
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Eine Bilanz stellte er erstmals auf den 01. Januar 2002 auf.
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In seiner Bilanz zum 31. Dezember 2003 passivierte der Kläger erstmals eine Rückstellung für die Betreuung von Lebensversicherungsverträgen, und zwar i.H.v. 29.400,- €. In der Gewinn- und Verlustrechnung berücksichtigte er an auf Löhne und Gehälter entfallendem Aufwand 7.695,- € (7.200,- € an Gehältern und 495,- € an Aushilfslöhnen – Lohnkostenzuschuss S. P. 717,85 €) sowie an Sozialabgaben 1.711,34 €.
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Die Bilanz zum 31. Dezember 2003 – der Abschlussvermerk der Prozessbevollmächtigten datiert vom 14. Juni 2006 – legte der Kläger dem Beklagten erstmals im Verlauf einer Außenprüfung vor, ebenso eine Berechnung der streitgegenständlichen Rückstellung auf den 31. Dezember 2002, die er mit 26.066,81 € (31. Dezember 2003 29.384,09 €) angab. Er multiplizierte jeweils 1/6 von 441 Verträgen mit dem jeweiligen Rückstellungsbetrag gestaffelt nach einer Restlaufzeit von jeweils glatt 25, 26, 27, 28, 29 und 30 Jahren, wobei er von einem Aufwand von 4,63 € je Vertrag und Jahr ausging, die sich aus einem Personalaufwand von 13.068,- €, wovon 2.268,- € auf Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung entfielen, bei 705 Arbeitsstunden, einem Stundensatz von 18,54 €, und 0,25 Stunden je Vertrag und Jahr ergaben.
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Unter dem 13. Juli 2006 erließ der Beklagte in Auswertung des Prüfungsberichts für die Jahre 2001 bis einschließlich 2003 einen geänderten Bescheid über Einkommensteuer für 2003, in dem er die vom Kläger gebildete Rückstellung nicht berücksichtigte und von entsprechend höheren Einkünften aus Gewerbebetrieb ausging. Das zu versteuernde Einkommen nahm er mit 26.076,- € an, die Steuerermäßigung für gewerbliche Einkünfte mit 180,- €. Die Steuer setzte er auf 6.771,- € fest. Den Vorbehalt der Nachprüfung hob er auf. Der Bescheid führte zu einem Guthaben an Einkommensteuer sowie Zinsen und Solidaritätszuschlag zu dieser.
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Der gegen den Änderungsbescheid über Einkommensteuer für 2003 gerichtete Einspruch ging beim Beklagten am 24. Juli 2006 ein. Der Kläger trug vor, er erhalte für den Abschluss einer Lebensversicherungspolice einmalig eine Provision, nicht hingegen für die laufende Betreuung.
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Unter dem 19. Februar 2007 erließ der Beklagte erneut einen Änderungsbescheid über Einkommensteuer für 2003, in dem er lediglich Modifikationen hinsichtlich der Vorläufigkeit vornahm.
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Mit Einspruchsentscheidung vom 10. April 2007 wies der Beklagte den Einspruch gegen den Bescheid vom 13. Juli 2006 in Gestalt des Bescheids vom 19. Februar 2007 als unbegründet zurück. Er führte aus, ob eine Verpflichtung wesentlich sei, sei nicht nach dem Aufwand für das einzelne Vertragsverhältnis, sondern nach der Bedeutung der Verpflichtung für das Unternehmen zu beurteilen. Die Nachbetreuung laufender Lebensversicherungsverträge stelle für den Versicherungsvertreter keine wirtschaftlich wesentlich belastende Verpflichtung dar. Nach dem Abschluss der Lebensversicherungsverträge würden die fälligen Beiträge regelmäßig bis zur Auszahlung per Lastschrift eingezogen, so dass weitere Betreuungsleistungen nur in Ausnahmefällen zu erwarten seien.
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Die hiergegen gerichtete Klage ist beim Gericht am 14. Mai 2007, einem Montag, eingegangen.
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Der Kläger legt tabellarische Aufstellungen von Tätigkeiten für die Monate Mai 2007 bis Dezember 2011 vor. Als Rückstellungsfähig behandelt er folgenden Positionen: „Pflege des Kundenstamms, Betreuung alter mehrjähriger Verträge, Verwaltung alter mehrjähriger Beträge, Anfragen von Bestandskunden, Schadenregulierung, jährliche Überprüfung und Rechnungsüberprüfung bei bAV Gruppenverträgen, wenn die Zahlung über den Arbeitgeber erfolgt, Leistungsfälle, Beantragung von Steuerbescheinigung, Adressänderung, Geburtstagsanruf und Überprüfung der Kundenverbindung Zahlung, Stornovermeidung Termin H., Kundenwunsch, Angebot erstellt Nacharbeit, Inkasso, kassieren und einzahlen der Beträge, Selektion Kunden Riesterliste Umstellung Tarif Termin H. mit KFZ“, wobei im Jahr 2007 alle Tätigkeiten von S. erledigt worden sein sollen, soweit nicht der Name H. genannt ist.
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Die in den Aufstellungen aufgeführten Tätigkeiten des Klägers sind nicht näher spezifiziert. Dasselbe gilt hinsichtlich der Tätigkeiten der W. in 2008, wobei hiervon lediglich eine Position betroffen ist.
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Die mit der Position 6000 bezeichnete Tätigkeit der J. ist lediglich in der laufenden Aufstellung für 2011, und zwar gut ein dutzend Mal aufgeführt.
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Die mit der Position 7000 bezeichnete Tätigkeit des L. ist lediglich einmal in der Aufstellung für 2011 aufgeführt.
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Teilweise wird beim angegebenen Zeitaufwand nicht zwischen zwei angegebenen der o.g. Tätigkeiten unterschieden.
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In der Aufstellung für August 2010 finden sich lediglich Zeitangaben, ohne dass Versicherungsnummern, Versicherte, Versicherungsarten oder Tätigkeiten genannt wären.
- 30
Die Position Schadenregulierung erscheint in der Aufstellung dreimal. Die Positionen „jährliche Überprüfung und Rechnungsüberprüfung bei bAV Gruppenverträgen, wenn die Zahlung über den Arbeitgeber erfolgt“ und „Leistungsfälle“ erscheinen in der Aufstellung nicht.
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Der Kläger legt ein Schreiben der X. Beratungs- und Vertriebs-AG, Filialdirektion D. vom 30. August 2007 vor, nach dem für Branche „Leben“ generell keine Bestandssicherungsprovision gezahlt werde.
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Der Kläger trägt vor, die Bearbeitung laufender Versicherungsverträge bilde keine unwesentliche Nebenleistung. Im Falle von Rücklastschriften entstehe ein Mehraufwand, da die Versicherungen aufsichtsrechtlich gehalten seien, nur unter engen Voraussetzungen den Klageweg zur Durchsetzung ihrer Forderungen zu beschreiten.
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Die Betreuung von Lebens- und Rentenversicherungsverträgen umfasse: Vertragsänderungen (Anschriftsänderung, Bankverbindungsänderung, Bezugsrecht, Namenswechsel, Erhöhung und Herabsetzung der Versicherungssummen, Bearbeitung von Beleihungswünschen, Inkasso von Versicherungsprämien (Kassieren, Quittieren, Buchführen, einzahlen auf das eigene Konto und Überweisen an die Versicherung), Beratung bei Zahlungsschwierigkeiten zur Vermeidung der Kündigung, Beratung in Richtung Kündigungsrücknahme, Suche nach unbekannt verzogenen Kunden, regelmäßige Besuche von und Anrufe bei Kunden im Falle dynamischer Anpassung der Verträge zur Klärung von Rückfragen bezüglich Rückkaufsrecht und Versicherungsleistung; Erstellen jährlicher Bescheinigungen für Finanz-, Arbeits- und Sozialamt, Bearbeitung und Betreuung von Versicherungsfällen (Todesfall, Berufsunfähigkeit, Beschleunigung der Auszahlung, Hilfestellung bei Zahlungsaufträgen, Einsammeln der Versicherungspolicen und Versenden per Einschreiben an die Versicherung), Beratung hinsichtlich bestehender Verträge, Zusenden für den Kläger kostenpflichtiger Kundeninformationen (zweimal im Jahr 6seitiges Faltblatt), persönliches Gratulieren zu Geburtstagen und Jubiläen, kleinere Aufmerksamkeiten zu besonderen Anlässen, jährliche Grußkarten zu Weihnachten bzw. Neujahr).
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Er habe Ende des Jahres 2002 388 und Ende des Jahres 2003 von diesen 388 noch 340 Lebensversicherungsverträge zu betreuen gehabt. Im Jahre 2003 seien 47 Lebensversicherungsverträge neu abgeschlossen worden. 54 Lebensversicherungsverträge hätten durch Übertragung von anderen Vertretern und sonstige Zugänge den Bestand erhöht, so dass er Ende des Jahres 2003 441 Lebensversicherungsverträge habe betreuen müssen.
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Der Kläger sei nach dem Vertretungsvertrag zur Betreuung der Kunden verpflichtet. Der Kläger werde „tagaktuell“ zur Betreuung seitens der X. Lebensversicherungs-AG angehalten. (Hierzu legt er eine Anfrage der Versicherung nach der Adresse einer Lebensversicherungsnehmerin vom 15. Oktober 2012 sowie eine Aufforderung vom 11. Juli 2011, einen Kunden zur Rücknahme des Antrags, eine X. RiesterRente Klassik beitragsfrei zu stellen, zu bewegen, andernfalls werde die Versicherung anteilig Provision und Bewertung zurückrechnen, ferner eine Aufforderung vom 05. Juli 2011, einen Kunden i.S. der Rücknahme einer Kündigung zu beraten, vor.)
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Rückstellungen für die Verpflichtung zur Nachbetreuung von Versicherungsverträgen seien „grundsätzlich nur für die Mitarbeiterin“ des Klägers gebildet worden. Für den Aufwand des Klägers sei nie eine Rückstellung gebildet worden. Den Ausgangswert habe stets der „Personalaufwand der Arbeitnehmerin“ dargestellt.
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Für das Erstellen zukünftiger Angebote sei keine Rückstellung gebildet worden.
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Die Abzinsung der Rückstellung sei durch „eine Kapitalisierung unter Ansatz der Anlage 9a des Bewertungsgesetzes vorgenommen“ worden.
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Dass die Summe der per 31. Dezember 2003 bestehenden Verträge sich auf 441 belaufe und somit nicht durch 6 teilbar sei, sei unerheblich. Die Zahl 6 beziffere lediglich den Zeitraum, über den hinweg der Kläger bis zum Bilanzstichtag 31. Dezember 2003 selbständig gewesen sei.
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Die vom Kläger vorgelegte Stundenliste „aus dem Jahr 2007“ sei „beispielhaft auch für vorangegangene Zeiträume zu verstehen“, da es sich um „aus der täglichen Praxis wiederholbare lebensnahe Sachverhalte“ handele. „Eine nachträgliche Führung einer Zeiterfassung für das Jahre 2003 nach den Erläuterungen von Gerichtsurteilen, welche erst Jahre später – im Jahre 2007 – veröffentlicht“ worden seien, „zu erstellen“ sei dem Kläger nicht möglich.
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„Die Vorlage einer solchen Zeiterfassung für das Jahr 2003 nach Bestimmungen, die erst Jahre später veröffentlicht“ worden seien, könne damit nicht gefordert werden. Ebenso könne dem Kläger nach nunmehr 9 Jahren eine Dokumentation von 441 Versicherungsverträgen nicht abverlangt werden. Jene auswerten zu lassen sei auch unter Inanspruchnahme der heutigen Technik nicht ohne weiteres möglich. Nach mehreren Systemwechseln sei eine statistische Auswertung auf den 31. Dezember 2003 „allgemein“ nicht mehr möglich.
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Der Kläger hat seinen Antrag auf Ruhen des Verfahrens bis zum rechtskräftigen Abschluss der beim Bundesfinanzhof anhängigen Revisionsverfahren III R 14/11, IV R 62/11 und X R 25/11 nicht aufrechterhalten.
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Die mündliche Verhandlung ist am 05. Dezember 2012 um 13:50 Uhr geschlossen worden. Der Vorsitzende hat den Beschluss verkündet, dass den Beteiligten eine Entscheidung zugestellt werden wird. Die ehrenamtlichen Richter sind um 17:30 Uhr entlassen worden. Das sog. abgekürzte Urteil i.S.v. § 105 Abs. 4 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist am 13. Dezember 2013 der Senatsgeschäftsstelle übermittelt worden.
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Mit einem am Tag der mündlichen Verhandlung um 17:44 Uhr per Telefax beim Gericht eingegangenen Schriftsatz, trägt der Kläger vor, Rückstellungen für die Verpflichtung zur Nachbetreuung von Versicherungsverträgen hätten auch während der Außenprüfung nicht per 31. Dezember 2002 gebildet werden können und seien nicht gebildet worden, da er eine Arbeitnehmerin erst zum 01. Mai 2003 beschäftigt habe. Den Ausgangswert für die Bildung einer solchen Rückstellung stelle immer der Personalaufwand dar. Die Rückstellungen hätten damit erstmals per 31. Dezember 2003 gebildet werden können.
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Er erhalte von der X. Versicherungs-AG kein Pflegegeld.
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Als Anlage zu o.g. Schriftsatz legt der Kläger den Nachtrag 30 vom 23. Juli 2001 zum Vertretervertrag vom 11. Dezember 1997 vor. Dort wird ausgeführt, der Kläger habe sich anlässlich der Tarifreform 2000 für das neue Provisionsmodell entschieden. Sofern Renten- und Lebensversicherungsverträge nach dem 01. Juli 2000 policiert würden, würden die „Besonderen Provisionsbestimmungen Leben (TR2000)“ mit Stand „7.2000“ gelten. Ein Pflegegeld werde für jenes Geschäft nicht bezahlt. Die zuvor vereinbarte Leistungsprovision bleibe unberührt. Die „Verprovisionierung“ von vor dem 01. Juli 2000 abgeschlossenen Lebens- und Rentenversicherungen richte sich nach den bis zu jenem Nachtrag für den Kläger maßgeblichen Provisions- und Pflegegeldvereinbarungen. Für die Vermittlung von Risikoversicherungen und fondsgebundenen Rentenversicherungen würden hinsichtlich des ab dem 01. Juli 2000 vermittelten Geschäfts die „Besonderen Provisions- und Bewertungsbestimmungen der Deutschen Lebensversicherungs-AG“ gelten.
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Der Kläger beantragt, unter Änderung des Bescheids vom 19. Februar 2007 und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 10. April 2007 die Einkommensteuer 2003 ausgehend von einem Gewinn von 5.522,- € auf 0,- € festzusetzen.
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Der Beklagte hat schriftsätzlich das Ruhen des Verfahrens bis zum rechtskräftigen Abschluss der beim Bundesfinanzhof anhängigen Revisionsverfahren III R 14/11, IV R 62/11 und X R 25/11 beantragt. Diesen Antrag hat er nicht zurückgenommen.
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Der Beklagte beantragt nunmehr, die Klage abzuweisen.
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Er verweist auf die Einspruchsentscheidung.
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Durch die an der mündlichen Verhandlung teilnehmenden Richter (einschließlich der ehrenamtlichen Richter) hat der Senat aufgrund (fern-)mündlicher Beratung vom 12. Dezember 2012 beschlossen, die mündliche Verhandlung wird nicht wieder zu eröffnen.
Entscheidungsgründe
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A. Ein Ruhen des Verfahrens nach § 155 FGO i.V.m. § 251 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) kommt bereits deshalb nicht in Betracht, weil es hierzu auch eines klägerischen Antrags bedürfte, an dem es nunmehr fehlt.
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B. Die mündliche Verhandlung war nicht wieder zu eröffnen.
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I. Es kann dahinstehen, ob im nachgereichten klägerischen Schriftsatz ein Antrag auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung liegt und ein solcher Antrag ggf. als bloße Anregung (vgl. Brandis in Tipke/Kruse, FGO, 128. Lfg. Januar 2012, § 93, Rz 8) zu behandeln wäre. Denn es ist von Amts wegen über die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung zu entscheiden (BFH-Beschluss vom 11. Dezember 2006 IX B 128/06, BFH/NV 2007, 738; Stöcker in Beermann/Gosch, FGO, 62. Erg.-Lfg. Januar 2007, § 93, Rz 85.1 und 89; Gräber in Koch, FGO, 7. Aufl. 2010, § 93, Rz 7; Schallmoser in Hübschmann/Hepp/Spitaler, FGO, 196. Lfg. November 2007, § 93, Rz 49; Brandis in Tipke/Kruse, FGO, 128. Lfg. Januar 2012, § 93, Rz 7 und 8). Dies gilt jedenfalls dann, wenn wie im Streitfall nach Abschluss der Beratung des Urteils, jedoch bevor ein schriftliches (abgekürztes) Urteil abgesetzt oder auch nur der Tenor des Urteils einem der Beteiligten (mündlich) eröffnet worden ist, ein Schriftsatz eingereicht wird, mit dem bislang nicht vorgetragene Tatsachen vorgebracht werden. Daher kann dahinstehen, ob dies auch dann gelten würde, wenn der Schriftsatz ausschließlich Rechtsvortrag enthielte.
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II. Die Entscheidung über die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung ist vom Senat in derjenigen Besetzung zu treffen, in der er bereits mündlich verhandelt hat (Fu in Schwarz, FGO, 36. Lfg. Mai 2011, § 93, Rz 31; vgl. BAG-Urteil vom 25. Januar 2012 4 AZR 185/10, NZA-RR 2013, 41; a.A. BFH-Beschluss vom 28. Februar 1996 II R 61/95, BStBl II 1996, 318, und BFH-Urteil vom 23. Oktober 2003 V R 24/00, BStBl II 2004, 89).
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Dies gilt, obschon nach § 5 Abs. 3 Satz 2 FGO die ehrenamtlichen Richter an Beschlüssen (vgl. § 93 Abs. 2 Satz 3 FGO) außerhalb der mündlichen Verhandlung nicht mitwirken.
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1. Die Beratung der Entscheidung erfolgt nicht außerhalb der mündlichen Verhandlung i.S.d. § 5 Abs. 3 Satz 2 FGO. Das Stadium der Beratung der Entscheidung unter Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter ist noch nicht abgeschlossen. Denn wirksam erlassen ist ein Urteil erst mit seiner Verkündung gemäß § 104 Abs. 1 FGO, bei Zustellung des Urteils wie im Streitfall jedoch frühestens mit einer etwaigen formlosen Bekanntgabe der Urteilsformel an einen Beteiligten (a.A. Stöcker in Beermann/Gosch, FGO, 62. Erg.-Lfg. Januar 2007, § 93, Rz 76, m.w.N.). Solange eine – in diesem Sinn – noch nicht verkündete Entscheidung noch nicht zugestellt ist, stellt sie ein grundsätzlich noch abänderbares „Internum“ des Gerichts dar (BFH-Urteil vom 23.10.2003 V R 24/00, BStBl II 2004, 89; BFH-Beschluss vom 08.03.2011 IV S 14/10, BFH/NV 2011, 1161).
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2. Die Änderung eines solchen „Internums“, das das Ergebnis der Beratung nach der mündlichen Verhandlung bildet, aber kann nur durch den gesamten Spruchkörper in derselben Besetzung wie in der mündlichen Verhandlung erfolgen. Das Wesen des „Internums“ nämlich ist gerade dadurch begründet, dass die konkrete mündliche Verhandlung noch nicht definitiv abgeschlossen ist. Gemäß § 103 FGO aber kann das Urteil nur von den Richtern und ehrenamtlichen Richtern gefällt werden, die an der dem Urteil zugrundeliegenden mündlichen Verhandlung teilgenommen haben.
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3. Dasselbe muss für die Entscheidung über die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gelten, mit der der Spruchkörper regelt, ob das Urteil das Stadium des „Internum“ verlässt, womit das Stadium der mündlichen Verhandlung endgültig abgeschlossen ist, oder aber die Möglichkeit einer Änderung des Urteils durch die Wiedereröffnung derselben mündlichen Verhandlung eröffnet wird.
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4. Müssten an der Entscheidung über die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nicht auch die ehrenamtlichen Richter mitwirken, so käme es zu einem Widerspruch dazu, dass im Falle der Wiedereröffnung dieselben ehrenamtlichen Richter an ihr mitzuwirken haben, weil – anders als im Falle der Vertagung – die bereits durchgeführte mündliche Verhandlung Grundlage der zu treffenden Entscheidung bleibt (BFH-Beschlüsse vom 15. Juli 2005 I B 19/05, BFH/NV 2006, 68; vom 12. Januar 1994 VIII R 44/93, BFH/NV 1994, 495; Koch in Gräber, FGO, 7. Aufl. 2010, § 93, Rz 12a; vgl. Fu in Schwarz, FGO, 36. Lfg. Mai 2011, § 93, Rz 32; a.A. Stöcker in Beermann/Gosch; FGO, 62. Erg.-Lfg. Januar 2007, § 93, RZ 97.2; vgl. aber Stöcker in Beermann/Gosch, 62. Erfg.-Lfg. Januar 2007, § 93, Rz 66; a.A. Brandis in Tipke/Kruse, FGO, 128. Lfg. Januar 2012, § 93, Rz 8 und 12; vgl. auch Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss vom 05. Februar 2008 1 S 1922/07, NVwZ-RR 2008, 429).
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III. Die mündliche Verhandlung ist nicht gemäß § 93 Abs. 3 Satz 2 FGO wieder zu eröffnen.
- 62
1. Der Senat entscheidet nach eigenem Ermessen über die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (BFH-Beschluss vom 29. April 2005 VIII B 128/03, BFH/NV 2005, 18; Schallmoser in Hübschmann/Hepp/Spitaler, FGO, 196. Lfg. November 2007, § 93, Rz 47; Fu in Schwarz, FGO, 36. Lfg. Mai 2011, § 93, Rz 30; Brandis in Tipke/Kruse, FGO, 118. Lfg. Februar 2009, § 93, Rz 8).
- 63
a) Dies ergibt sich bereits aus der eindeutigen Formulierung des Gesetzes, nach der das Gericht die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung beschließen kann.
- 64
b) Der Auffassung, es handele sich um ein gebundene Entscheidung (Stöcker in Beermann/Gosch, FGO, 62. Erg.-Lfg. Januar 2007, § 97, Rz 77.1) kann nicht gefolgt werden.
- 65
c) Ein Fall der Reduktion des Ermessens auf Null (vgl. hierzu Schallmoser in Hübschmann/Hepp/Spitaler, FGO, 196. Lfg. November 2007, § 93, Rz 47;.BFH.Beschluss vom 08. April 1998 VIII R 32/95, BStBl II 1998, 676) liegt nicht vor.
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2. Im Rahmen seiner Entscheidung hat das Gericht bei der Abwägung von Für und Wider zu beachten, dass § 93 Abs. 2 Satz 3 FGO u.a. auch dazu dient, den Beteiligten die sachgerechte Wahrnehmung ihrer Rechte, insbesondere durch mündlichen Vortrag zu dem aufgrund der mündlichen Verhandlung gewonnenen Gesamtergebnis des Verfahrens zu ermöglichen, und somit in enger Beziehung zum Anspruch auf rechtliches Gehör steht (Schallmoser in Hübschmann/Hepp/Spitaler, FGO, 196. Lfg. November 2007, § 93, Rz 47).
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3. Auch angesichts des klägerischen Interesses daran, dass sein Vortrag nach der mündlichen Verhandlung wie auch die von ihm nach ihr eingereichten Unterlagen Eingang in die Entscheidung durch Urteil finden, ist eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung im Streitfall nicht geboten:
- 68
a) Der Kläger hätte den nachträglichen Vortrag bereits in der mündlichen Verhandlung bringen können, in der er auch die in Kopie nachgereichte Urkunde hätte vorlegen können.
- 69
b) Die geschlossene mündliche Verhandlung hat zu einer ausreichenden Aufklärung des zu beurteilenden Sachverhalts geführt, soweit der Kläger seinen Mitwirkungspflichten genügt hat.
- 70
c) Dem Anspruch der Beteiligten auf rechtliches Gehör ist Genüge getan. Insbesondere hat das Gericht bereits mit am 22. August 2012 an die Beteiligten gesandten Schreiben des Berichterstatters darauf hingewiesen, dass die vom Kläger geltend gemachte Rückstellung womöglich bereits per 31. Dezember 2002 zu bilden gewesen sein könne. Ebenso hat es darauf hingewiesen, dass eine Verpflichtung des Klägers zur Nachbetreuung von Lebensversicherungen womöglich nicht zu erkennen sei. Ferner hat das Gericht ebenfalls durch den Berichterstatter bereits mit Schreiben vom 11. Januar 2012 den Kläger aufgefordert, die einzelnen Betreuungstätigkeiten genau zu beschreiben und den bei der jeweiligen Tätigkeit anfallenden Zeitaufwand, seine Häufigkeit über die Gesamtlaufzeit des jeweiligen Vertrags und die entstehenden Personalkosten anzugeben. Zuvor hatte der Berichterstatter den Kläger im Erörterungstermin vom 30. August 2007 auf die Möglichkeit einer Nichtberücksichtigung des geltend gemachten Aufwands unter Durchbrechung des Bilanzzusammenhangs hingewiesen.
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4. Die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung ist auch nicht etwa zur Vermeidung einer Überraschungsentscheidung (vgl. hierzu Brandis in Tipke/Kruse, FGO, 118. Lfg. Februar 2009, § 93, Rz 3 und 9) geboten. Denn die Entscheidung des Senats kommt für den Kläger nach den Hinweisen und Aufforderungen durch den Berichterstatter vor der mündlichen Verhandlung nicht überraschend.
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C. Der nachgereichte klägerische Schriftsatz ist ebenso wie die diesem beigefügten Unterlagen bei der Urteilsfindung nicht zu berücksichtigen.
- 73
I. Gemäß § 155 FGO i.V.m. § 296a Satz 1 ZPO ist ein Vorbringen nach Schluss der mündlichen Verhandlung, wie es im Streitfall im nachgereichten Schriftsatz wie auch der Anlage zu diesem liegt, nicht mehr zu berücksichtigen (BFH-Beschluss vom 29. April 2005 VIII B 128/03, BFH/NV 2005, 1823; vgl. Stöcker in Beermann/Gosch, FGO, 62. Erg.-Lfg. Januar 2007, § 93, Rz 63, 64 und 74; vgl. Koch in Gräber FGO, 7. Aufl. 2010, § 93, Rz 7; vgl. Schallmoser in Hübschmann/Hepp/Spitaler, FGO, 196. Lfg. November 2007, § 93, Rz 41; vgl. Fu in Schwarz, FGO, 36. Lfg. Mai 2011, § 93, Rz 23, Brandis in Tipke/Kruse, FGO, 118. Lfg. Februar 2009, § 93, Rz 6).
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II. Es handelt sich nicht etwa um bloße Ergänzungen oder Erläuterungen bisherigen Vortrags wie sie womöglich ohne Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung berücksichtigt werden könnten (vgl. BFH-Beschluss vom 01. Oktober 2002 XI B 187/01, BFH/NV 2003, 77), sondern um neuen Sachvortrag gepaart mit der erstmaligen Vorlage von Unterlagen.
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III. Mit dem nachgereichten Schriftsatz trägt der Kläger ausschließlich Tatsachen und Rechtsauffassungen vor, die er bereits in der mündlichen Verhandlung hätte vortragen können.
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IV. Auch die dem nachgereichten Schriftsatz beigefügten Unterlagen hätte der Kläger bereits in der mündlichen Verhandlung vorlegen können. Dass diese Unterlagen für die Entscheidung im vorliegenden Rechtsstreit erheblich sein könnten, war für ihn bereits vor der mündlichen Verhandlung aufgrund o.g. Schreiben des Berichterstatters erkennbar.
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D. Die zulässige Klage ist unbegründet.
- 78
I. Sollte den Kläger eine Verpflichtung zur Nachbetreuung von Lebensversicherungen treffen, ohne dass er einen Anspruch auf zusätzliche Vergütung dieser Tätigkeit hätte, so könnten die von ihm per 31. Dezember 2003 geltend gemachten Rückstellungen dennoch nicht gewinnmindernd berücksichtigt werden.
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1. Den Kläger trifft die Feststellungslast (objektive Beweislast) für die von ihnen behaupteten Aufwendungen für Betreuungsleistungen.
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Da es sich um Angaben aus der Sphäre der Steuerpflichtigen handelt, die von der Finanzverwaltung regelmäßig nur eingeschränkt nachgeprüft werden können und die zudem der Herbeiführung einer Steuerminderung dienen, tragen die Steuerpflichtigen die volle Feststellungslast für ihre entsprechenden Tatsachenbehauptungen (BFH-Urteil vom 19. Juli 2011 X R 26/10, BFH/NV 2011, 2147; vgl. BFH-Urteil vom 28. November 2007 X R 11/07, BFHE 220, 3, BStBl II 2008, 335).
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2. Die Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen müssen so konkret und spezifiziert sein, dass eine angemessene Schätzung der Höhe der zu erwartenden Betreuungsaufwendungen möglich ist. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang, dass eine Rückstellung ein Passivposten ist, der eine dem Grund und/oder der Höhe nach noch ungewisse (also nur wahrscheinliche) künftige Verbindlichkeit zum Ausdruck bringt. Die Nachbetreuungsverpflichtung ist eine Sachleistungsverpflichtung i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. b des Einkommensteuergesetzes (EStG); sie ist mit den Einzelkosten und den Gemeinkosten zu bewerten.
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3. Der Kläger hat die zwingend erforderlichen Angaben hinsichtlich des voraussichtlichen auf die die einzelne Versicherung betreffenden einzelnen Tätigkeiten entfallenden (Zeit)Aufwands allenfalls teilweise gemacht.
- 83
a) Bei der Bildung des Rückstellungspostens wird Aufwand geschätzt, der auf u.U. sehr langfristigen Verpflichtungen beruht. Dieser Natur des Bilanzpostens entsprechend kann ggf. auch auf spätere Aufzeichnungen zurückgegriffen werden, sofern sie geeignet sind, die voraussichtlich anfallenden Kosten zu belegen (BFH-Urteil vom 19. Juli 2011 X R 26/10, BFH/NV 2011, 2147). Im Streitfall kann dahinstehen, ob Aufzeichnungen für Mai 2007 und spätere Zeiträume im Streitfall als Grundlage einer solchen Schätzung geeignet sind, obwohl der seit dem 01. Januar 2002 bilanzierende Kläger solche Aufzeichnungen zum Einen in den seit diesem bis zum Bilanzstichtag verstrichenen 2 Jahren und zum Anderen auch bereits seit dem 01. Januar 1998 hätte führen können. Ebenso kann dahinstehen, inwieweit die fehlenden Angaben für August 2010 den vorgelegten Aufzeichnungen die etwaige Eignung als Schätzungsgrundlagen im obigen Sinne nehmen.
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b) Denn die laufenden Aufzeichnungen sind "vertragsbezogen" zu führen; der Steuerpflichtige hat zu belegen, welche einzelnen Tätigkeiten (z.B. Fälle von Namens- und Adressenänderungen, Beitragsfreistellungen, Baufinanzierungen, Abtretungen, Änderungskündigungen) in welcher Häufigkeit mit welchem Zeitaufwand über die Gesamtlaufzeit des einzelnen Vertrags (typischerweise) anfallen werden. Diese Prüfung muss nicht für alle Verträge einzeln vorgenommen werden; im Einzelfall können fundierte Stichproben (z.B. anhand eines bestimmten Prozentsatzes der Verträge oder nach bestimmten Anfangsbuchstaben der Kundennamen) ausreichen, um eine hinreichende Rückstellungswahrscheinlichkeit zu begründen.
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c) Auf die klägerischen Angaben lässt sich die Bildung einer Rückstellung bei Anwendung dieser Grundsätze nicht stützen:
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aa) Es fehlt an einer genauen Beschreibung der einzelnen Betreuungstätigkeiten, die es erlauben würde, anhand der rechtlichen Anforderungen zu prüfen, ob der Aufwand für die jeweilige Tätigkeit zur Bildung einer Rückstellung berechtigt.
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(1) Die Bezeichnung „Pflege des Kundenstamms“ lässt keine konkrete Tätigkeit erkennen.
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(2) Dasselbe gilt für die Bezeichnungen „Betreuung“ und „Verwaltung alter mehrjähriger Verträge“.
- 89
(3) Es lässt sich nicht erkennen, welchen Inhalt die Anfragen von Bestandskunden hatten.
- 90
(4) Ferner lässt sich nicht erkennen, worin die „Schadenregulierung“ bestanden haben soll. Eine Auszahlung von Leistungen aus Kapitallebensversicherungen dürfte im Zeitraum Mai 2007 bis Dezember 2011 angesichts der vom Kläger per 31. Dezember 2003 angegebenen Restlaufzeiten noch nicht erfolgt sein. Ohnehin erscheint die Position in der klägerischen Aufstellung lediglich einige wenige Male.
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(5) Die Position „Kundenwunsch“ lässt den Inhalt des jeweiligen Wunschs des Kunden nicht erkennen.
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(6) Die Position „Angebot erstellt Nacharbeit“ lässt nicht erkennen, ob und inwieweit es sich um Beitragsfreistellungen oder –reduzierungen oder auch die Vermeidung bzw. Rücknahme von Kündigungen von Lebensversicherungsverträgen handelte. Aufwendungen für die erweiternde Änderung solcher Verträge sind der Rückstellung nicht zugänglich, da insoweit kein Erfüllungsrückstand vorliegen kann.
- 93
(7) Der Inhalt der Position „Selektion Kunden Riesterliste Umstellung Tarif Termin H. mit KFZ“ ist unklar.
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bb) Soweit bei einer einheitlichen Angabe zum Zeitverbrauch zwei Positionen auftauchen, ist die erforderliche quantitative Zuordnung zur konkreten Tätigkeit nicht möglich.
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cc) Die Positionen „Beantragung einer Steuerbescheinigung“. „Adressänderung“, „Geburtstagsanruf und Überprüfung der Kundenverbindung Zahlung“, „Stornovermeidung Termin H.“ lassen eine Rückstellungsdotierung nicht zu. Denn Differenzierungen nach Risiko-, kombinierten und Kapitallebensversicherungen, dynamischen und nicht dynamischen Versicherungen lassen die klägerischen Aufstellungen ohnehin nicht erkennen, so dass es an einer ausreichend differenzierten repräsentativen Basis für eine Schätzung der Höhe der jeweiligen Rückstellung fehlt.
- 96
d) Es fehlt an der Angabe der Restlaufzeiten der einzubeziehenden Verträge. Auch hat der Kläger nicht berücksichtigt, dass seine etwaigen Betreuungsverpflichtungen mit Ablauf des 30. Juni 2030 enden, weshalb die maximale Restlaufzeit seiner Verpflichtung Ende 2003 lediglich 26 ½ Jahre betragen haben kann.
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e) Der Kläger hat auch den Erfahrungssatz, dass ein Teil der Verträge vorzeitig gekündigt wird, unberücksichtigt gelassen, obwohl er bis zum Bilanzstichtag 31. Dezember 2003 und darüber hinaus bis zur Aufstellung der Bilanz mehr als acht Jahre lang diesbezügliche Erfahrungen im eigenen Betrieb hat sammeln können.
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f) Einbezogen werden dürfen nur Leistungen für die Betreuung bereits abgeschlossener Verträge. Die vom Kläger vorgelegten Ausdrucke von an Computer erstellten Tabellen lassen nicht erkennen, welche der Lebensversicherungen, hinsichtlich deren dem Kläger Betreuungsaufwand entstanden sein soll, schon am Bilanzstichtag 31.12.2003 bestanden.
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g) Die hier für eine Rückstellungsbildung geforderte Dokumentation der Beratungsleistungen erlegt dem Steuerpflichtigen keine unangemessenen und unverhältnismäßigen Belastungen auf. Es ist zu berücksichtigen, dass der zu führende Belegnachweis sich auf Vorgänge bezieht, die sich allein in der Sphäre des Steuerpflichtigen zugetragen haben und die zu einem späteren Zeitpunkt nur in eingeschränktem Umfang und nur mit erheblichem Ermittlungsaufwand auf ihre zutreffende Erfassung hin überprüft werden können (BFH-Urteil vom 19. Juli 2010 X R 26/10, BFH/NV 2011, 2147; vgl. hierzu BFH-Urteil vom 09. November 2005 VI R 27/05, BFHE 211, 508, BStBl II 2006, 408, unter II.1.c, zu den Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch).
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II. Ohnehin hat der Kläger nicht dargelegt, woraus die rechtliche Verpflichtung, für deren am Ende des Streitjahres unvollständige Erfüllung bei bereits entstandenem Provisionsanspruch er eine Rückstellung gebildet hat, erwachsen sein soll.
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1. Die Formulierung „Um die bestehenden Versicherungen zu erhalten, pflegt der Vertreter im Rahmen seiner Möglichkeiten laufend Kontakt mit den Versicherungsnehmern, berät sie aus eigener Initiative oder auf deren Wunsch. Ziel ist es dabei immer, dass der Kunde umfassend versichert ist und bleibt." deutet eher darauf hin, dass die laufende Kontaktaufnahme dem Abschluss weiterer Verträge dienen soll (BFH-Urteil vom 19. Juli 2011 X R 26/10, BFH/NV 2011, 2147).
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2. Die einzelnen rechtliche Verpflichtung ist aber Voraussetzung der Rückstellung (BFH-Urteil vom 19. Juli 2011 X R 26/10, BFH/NV 2011, 2147).
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D. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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E. Gründe für eine etwaige Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
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(1) Das Urteil ergeht im Namen des Volkes. Es ist schriftlich abzufassen und von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterzeichnen. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies mit dem Hinderungsgrund vom Vorsitzenden oder, wenn er verhindert ist, vom dienstältesten beisitzenden Richter unter dem Urteil vermerkt. Der Unterschrift der ehrenamtlichen Richter bedarf es nicht.
(2) Das Urteil enthält
- 1.
die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten nach Namen, Beruf, Wohnort und ihrer Stellung im Verfahren, - 2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Mitglieder, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, - 3.
die Urteilsformel, - 4.
den Tatbestand, - 5.
die Entscheidungsgründe, - 6.
die Rechtsmittelbelehrung.
(3) Im Tatbestand ist der Sach- und Streitstand unter Hervorhebung der gestellten Anträge seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt darzustellen. Wegen der Einzelheiten soll auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen verwiesen werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand ausreichend ergibt.
(4) Ein Urteil, das bei der Verkündung noch nicht vollständig abgefasst war, ist vor Ablauf von zwei Wochen, vom Tag der Verkündung an gerechnet, vollständig abgefasst der Geschäftsstelle zu übermitteln. Kann dies ausnahmsweise nicht geschehen, so ist innerhalb dieser zwei Wochen das von den Richtern unterschriebene Urteil ohne Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung der Geschäftsstelle zu übermitteln. Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung sind alsbald nachträglich niederzulegen, von den Richtern besonders zu unterschreiben und der Geschäftsstelle zu übermitteln.
(5) Das Gericht kann von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Verwaltungsakts oder der Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.
(6) Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat auf dem Urteil den Tag der Zustellung und im Fall des § 104 Abs. 1 Satz 1 den Tag der Verkündung zu vermerken und diesen Vermerk zu unterschreiben. Werden die Akten elektronisch geführt, hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle den Vermerk in einem gesonderten Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.
Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und, soweit die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten es nicht ausschließen, die Zivilprozessordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a sinngemäß anzuwenden; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts und des Bundesgerichtshofs der Bundesfinanzhof und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Finanzgerichtsordnung tritt; die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug sind entsprechend anzuwenden.
Das Gericht hat das Ruhen des Verfahrens anzuordnen, wenn beide Parteien dies beantragen und anzunehmen ist, dass wegen Schwebens von Vergleichsverhandlungen oder aus sonstigen wichtigen Gründen diese Anordnung zweckmäßig ist. Die Anordnung hat auf den Lauf der im § 233 bezeichneten Fristen keinen Einfluss.
(1) Das Finanzgericht besteht aus dem Präsidenten, den Vorsitzenden Richtern und weiteren Richtern in erforderlicher Anzahl. Von der Ernennung eines Vorsitzenden Richters kann abgesehen werden, wenn bei einem Gericht nur ein Senat besteht.
(2) Bei den Finanzgerichten werden Senate gebildet. Zoll-, Verbrauchsteuer- und Finanzmonopolsachen sind in besonderen Senaten zusammenzufassen.
(3) Die Senate entscheiden in der Besetzung mit drei Richtern und zwei ehrenamtlichen Richtern, soweit nicht ein Einzelrichter entscheidet. Bei Beschlüssen außerhalb der mündlichen Verhandlung und bei Gerichtsbescheiden (§ 90a) wirken die ehrenamtlichen Richter nicht mit.
(4) Die Länder können durch Gesetz die Mitwirkung von zwei ehrenamtlichen Richtern an den Entscheidungen des Einzelrichters vorsehen. Absatz 3 Satz 2 bleibt unberührt.
(1) Der Vorsitzende hat die Streitsache mit den Beteiligten tatsächlich und rechtlich zu erörtern.
(2) Der Vorsitzende hat jedem Mitglied des Gerichts auf Verlangen zu gestatten, Fragen zu stellen. Wird eine Frage beanstandet, so entscheidet das Gericht.
(3) Nach Erörterung der Streitsache erklärt der Vorsitzende die mündliche Verhandlung für geschlossen. Das Gericht kann die Wiedereröffnung beschließen.
(1) Das Finanzgericht besteht aus dem Präsidenten, den Vorsitzenden Richtern und weiteren Richtern in erforderlicher Anzahl. Von der Ernennung eines Vorsitzenden Richters kann abgesehen werden, wenn bei einem Gericht nur ein Senat besteht.
(2) Bei den Finanzgerichten werden Senate gebildet. Zoll-, Verbrauchsteuer- und Finanzmonopolsachen sind in besonderen Senaten zusammenzufassen.
(3) Die Senate entscheiden in der Besetzung mit drei Richtern und zwei ehrenamtlichen Richtern, soweit nicht ein Einzelrichter entscheidet. Bei Beschlüssen außerhalb der mündlichen Verhandlung und bei Gerichtsbescheiden (§ 90a) wirken die ehrenamtlichen Richter nicht mit.
(4) Die Länder können durch Gesetz die Mitwirkung von zwei ehrenamtlichen Richtern an den Entscheidungen des Einzelrichters vorsehen. Absatz 3 Satz 2 bleibt unberührt.
(1) Das Urteil wird, wenn eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, in der Regel in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen wird, verkündet, in besonderen Fällen in einem sofort anzuberaumenden Termin, der nicht über zwei Wochen hinaus angesetzt werden soll. Das Urteil wird durch Verlesung der Formel verkündet; es ist den Beteiligten zuzustellen.
(2) Statt der Verkündung ist die Zustellung des Urteils zulässig; dann ist das Urteil binnen zwei Wochen nach der mündlichen Verhandlung der Geschäftsstelle zu übermitteln.
(3) Entscheidet das Gericht ohne mündliche Verhandlung, so wird die Verkündung durch Zustellung an die Beteiligten ersetzt.
Das Urteil kann nur von den Richtern und ehrenamtlichen Richtern gefällt werden, die an der dem Urteil zugrunde liegenden Verhandlung teilgenommen haben.
(1) Der Vorsitzende hat die Streitsache mit den Beteiligten tatsächlich und rechtlich zu erörtern.
(2) Der Vorsitzende hat jedem Mitglied des Gerichts auf Verlangen zu gestatten, Fragen zu stellen. Wird eine Frage beanstandet, so entscheidet das Gericht.
(3) Nach Erörterung der Streitsache erklärt der Vorsitzende die mündliche Verhandlung für geschlossen. Das Gericht kann die Wiedereröffnung beschließen.
Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und, soweit die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten es nicht ausschließen, die Zivilprozessordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a sinngemäß anzuwenden; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts und des Bundesgerichtshofs der Bundesfinanzhof und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Finanzgerichtsordnung tritt; die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug sind entsprechend anzuwenden.
Nach Schluss der mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, können Angriffs- und Verteidigungsmittel nicht mehr vorgebracht werden. § 139 Abs. 5, §§ 156, 283 bleiben unberührt.
(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.