Bundesverfassungsgericht Einstweilige Anordnung, 16. Juni 2011 - 2 BvR 1857/10
Gericht
Tenor
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Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 4. Februar 2010 - III-2 STs 1/09 - wird bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde - längstens für die Dauer von sechs Monaten (§ 32 Abs. 6 Satz 1 BVerfGG) - ausgesetzt.
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Gründe
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I.
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Das Oberlandesgericht Düsseldorf verurteilte den Beschwerdeführer am 5. Dezember 2007 wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit versuchtem bandenmäßigen Betrug in 28 tateinheitlich begangenen Fällen zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren.
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Der Bundesgerichtshof änderte durch Urteil vom 14. August 2009 auf die Revisionen des Beschwerdeführers den Schuldspruch ab. Danach ist der Beschwerdeführer der Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit Betrug in neun sowie mit versuchtem Betrug in neunzehn tateinheitlichen Fällen schuldig. Unter Aufrechterhaltung der Feststellungen wurde der Strafausspruch aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht Düsseldorf zurückverwiesen.
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Am 4. Februar 2010 verurteilte das Oberlandesgericht Düsseldorf den Beschwerdeführer zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten.
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Die Revision des Beschwerdeführers verwarf der Bundesgerichtshof durch Beschluss vom 20. Juli 2010.
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Der Beschwerdeführer befand sich vom 24. Januar 2005 bis zum 18. Juni 2009 in Untersuchungshaft.
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II.
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Der Beschwerdeführer beantragt den Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit der die Vollziehung der restlichen Freiheitsstrafe ausgesetzt wird.
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III.
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1. Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung liegen vor. Der zulässige Antrag ist begründet.
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Nach § 32 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Dabei haben die Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit des angegriffenen Hoheitsaktes vorgetragen werden, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben, es sei denn, die Verfassungsbeschwerde wäre von vornherein unzulässig oder offensichtlich unbegründet (vgl. BVerfGE 103, 41 <42>; stRspr). Bei offenem Ausgang muss das Bundesverfassungsgericht die Folgen, die einträten, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, die Verfassungsbeschwerde aber Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen abwägen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Verfassungsbeschwerde aber der Erfolg zu versagen wäre (vgl. BVerfGE 99, 57 <66>; stRspr).
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Die Verfassungsbeschwerde ist weder von vornherein unzulässig noch in Gänze offensichtlich unbegründet. Im Rahmen der somit erforderlichen Abwägung überwiegen die Gründe für den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Erginge die einstweilige Anordnung nicht, erwiese sich die Verfassungsbeschwerde später aber als begründet, könnte die Freiheitsstrafe in der Zwischenzeit vollstreckt werden. Dies wäre ein erheblicher, irreparabler Eingriff in das besonders gewichtige Recht auf die Freiheit der Person (vgl. BVerfGE 22, 178 <180>; 84, 341 <344>). Erginge dagegen die einstweilige Anordnung, erwiese sich die Verfassungsbeschwerde später jedoch als unbegründet, wögen die damit verbundenen Nachteile deutlich weniger schwer. Zwar könnte dann die zur Vollstreckung ausstehende Freiheitsstrafe vorübergehend nicht vollstreckt werden. Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass durch das Zurücktreten des öffentlichen Interesses an einer nachdrücklichen und beschleunigten Vollstreckung rechtskräftig verhängter Freiheitsstrafen ein erheblicher Nachteil für das Wohl der Allgemeinheit zu besorgen wäre.
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2. Die Anordnung der Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 3 BVerfGG.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Annotations
(1) Das Bundesverfassungsgericht kann im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist.
(2) Die einstweilige Anordnung kann ohne mündliche Verhandlung ergehen. Bei besonderer Dringlichkeit kann das Bundesverfassungsgericht davon absehen, den am Verfahren zur Hauptsache Beteiligten, zum Beitritt Berechtigten oder Äußerungsberechtigten Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.
(3) Wird die einstweilige Anordnung durch Beschluß erlassen oder abgelehnt, so kann Widerspruch erhoben werden. Das gilt nicht für den Beschwerdeführer im Verfahren der Verfassungsbeschwerde. Über den Widerspruch entscheidet das Bundesverfassungsgericht nach mündlicher Verhandlung. Diese muß binnen zwei Wochen nach dem Eingang der Begründung des Widerspruchs stattfinden.
(4) Der Widerspruch gegen die einstweilige Anordnung hat keine aufschiebende Wirkung. Das Bundesverfassungsgericht kann die Vollziehung der einstweiligen Anordnung aussetzen.
(5) Das Bundesverfassungsgericht kann die Entscheidung über die einstweilige Anordnung oder über den Widerspruch ohne Begründung bekanntgeben. In diesem Fall ist die Begründung den Beteiligten gesondert zu übermitteln.
(6) Die einstweilige Anordnung tritt nach sechs Monaten außer Kraft. Sie kann mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der Stimmen wiederholt werden.
(7) Ist ein Senat nicht beschlußfähig, so kann die einstweilige Anordnung bei besonderer Dringlichkeit erlassen werden, wenn mindestens drei Richter anwesend sind und der Beschluß einstimmig gefaßt wird. Sie tritt nach einem Monat außer Kraft. Wird sie durch den Senat bestätigt, so tritt sie sechs Monate nach ihrem Erlaß außer Kraft.
(1) Erweist sich der Antrag auf Verwirkung der Grundrechte (§ 13 Nr. 1), die Anklage gegen den Bundespräsidenten (§ 13 Nr. 4) oder einen Richter (§ 13 Nr. 9) als unbegründet, so sind dem Antragsgegner oder dem Angeklagten die notwendigen Auslagen einschließlich der Kosten der Verteidigung zu ersetzen.
(2) Erweist sich eine Verfassungsbeschwerde als begründet, so sind dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen ganz oder teilweise zu erstatten.
(3) In den übrigen Fällen kann das Bundesverfassungsgericht volle oder teilweise Erstattung der Auslagen anordnen.