Bundesgerichtshof Urteil, 10. Nov. 2004 - XII ZR 71/01

published on 10/11/2004 00:00
Bundesgerichtshof Urteil, 10. Nov. 2004 - XII ZR 71/01
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 71/01 Verkündet am:
10. November 2004
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB §§ 535 Abs. 1 Satz 2 (= § 536 a.F.), 536 Abs. 1 (= § 537 Abs. 1 a.F.), 538
(= § 548 a.F.), 543 Abs. 1, 2 (= § 542 a.F.)
Der Mieter ist nicht nach § 543 BGB542 BGB a.F.) zur außerordentlichen fristlosen
Kündigung berechtigt, wenn er die Störung des vertragsgemäßen Gebrauchs
(hier durch einen Wasserschaden) selbst zu vertreten hat. Ist die Schadensursache
zwischen den Vertragsparteien streitig, trägt der Vermieter die Beweislast dafür, daß
sie dem Obhutsbereich des Mieters entstammt. Sind sämtliche Ursachen, die in den
Obhuts- und Verantwortungsbereich des Vermieters fallen, ausgeräumt, trägt der
Mieter die Beweislast dafür, daß er den Schadenseintritt nicht zu vertreten hat.
BGH, Urteil vom 10. November 2004 - XII ZR 71/01 - OLG Naumburg
LG Dessau
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 10. November 2004 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richter
Fuchs und Dr. Ahlt, die Richterin Dr. Vézina und denRichter Dose

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 6. Februar 2001 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Parteien streiten um rückständigen Mietzins für die Zeit von Juni bis Juli 1997 sowie von November 1997 bis Dezember 1999 und um die Feststellung , daß ihr Mietverhältnis nicht durch eine fristlose Kündigung der Beklagten vorzeitig beendet wurde. Mit Vertrag vom 6. November 1993 mietete die Beklagte von den Klägern Gewerberäume zum Betrieb einer Arztpraxis für die Dauer von zehn Jahren. Nachdem schon im Jahre 1995 ein Wasserschaden aufgetreten war, kam es am 6. Juli 1997 zu einem erneuten Wasserschaden in den Mieträumen der Beklagten und anderen Räumen des Gewerbeobjekts. Dadurch entstanden in den
Mieträumen erhebliche optische Beeinträchtigungen sowie Schimmelbildungen mit unangenehmem Geruch. Die Parteien streiten um die Ursache des Wasserschadens. Während die Beklagte behauptet, das Wasser sei von außen in ihre Mieträume eingedrungen , behaupten die Kläger, als Schadensursache komme nur ein Wasseraustritt in den Mieträumen der Beklagten in Betracht. Die Beklagte hat die Miete für die Zeit ab dem Schadensereignis gemindert und das Mietverhältnis nach erfolgloser Fristsetzung zur Mangelbeseitigung fristlos zum 31. Oktober 1997 gekündigt sowie die Mietsache geräumt. Das Landgericht hat die auf rückständigen Mietzins und Feststellung des Fortbestehens des Mietverhältnisses gerichtete Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung der Kläger blieb erfolglos.

Entscheidungsgründe:

Die Revision der Kläger führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Das Oberlandesgericht meint, den Klägern stehe kein Anspruch auf rückständigen Mietzins für die Zeit von Juni bis Juli 1997 sowie ab November 1997 zu. Auch ihr Antrag auf Feststellung des weiter fortbestehenden Mietverhältnisses sei wegen der wirksamen fristlosen Kündigung der Beklagten zum 31. Oktober 1997 unbegründet. Nach dem Inhalt des eingeholten Sachverständigengutachtens lasse sich nicht feststellen, daß die Schadensursache im Be-
reich der von der Beklagten gemieteten Räumlichkeiten gelegen habe. Vielmehr habe der Sachverständige ausgeführt, daß die Ursache der Durchfeuchtungen nicht mehr nachvollziehbar sei. Zwar habe der Sachverständige einen Wasseraustritt am Rohrleitungsschacht nicht bestätigen können. Allerdings seien weitere Schadensursachen außerhalb der Mieträume der Beklagten denkbar, insbesondere Schäden an den am Schadenstag nicht untersuchten Leitungen sowie Wasserüberläufe in den Räumen anderer Mieter. Einer weiteren Beweiserhebung bedürfe es nicht, weil sich die Beweisaufnahme des Landgerichts durch Einholung eines Sachverständigengutachtens auf jegliche Ursachen des Wasserschadens bezogen habe.

II.

Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hätte ergänzend den von den Klägern angebotenen weiteren Beweis zu den Behauptungen erheben müssen, die Schadensursache könne nur dem Verantwortungsbereich der Mieterin entstammen. 1. Allerdings trägt der Mieter gegenüber dem Anspruch auf Zahlung des Mietzinses nur dann die Darlegungs- und Beweislast dafür, daß er die Zerstörung der Mietsache nicht zu vertreten hat, wenn die vermieteten Räume unstreitig infolge des Mietgebrauchs zerstört worden sind (BGHZ 66, 349, 351 f.). Ist hingegen streitig, ob vermietete Räume infolge des Mietgebrauchs beschädigt worden sind, trägt der Vermieter die Beweislast dafür, daß die Schadensursache dem Obhutsbereich des Mieters entstammt; eine in seinen eigenen Verantwortungsbereich fallende Schadensursache muß der Vermieter ausräumen (BGHZ 126, 124, 127 f.). Ist also - wie hier - streitig, ob Feuchtigkeitsschäden ihre Ursache im Verantwortungsbereich des Vermieters oder des Mieters ha-
ben, muß der Vermieter zunächst sämtliche Ursachen ausräumen, die aus seinem Gefahrenbereich herrühren können. Erst dann, wenn ihm dieser Beweis gelungen ist, muß der Mieter beweisen, daß die Feuchtigkeitsschäden nicht aus seinem Verantwortungsbereich stammen (vgl. Senatsurteile vom 26. November 1997 - XII ZR 28/96 - NJW 1998, 595; vom 18. Mai 1994 - XII ZR 188/92 - NJW 1994, 2019, 2020 = BGHZ 126, 124, 127 f. und vom 27. April 1994 - XII ZR 16/93 - NJW 1994, 1880, 1881). 2. Im Ansatz zutreffend ist das Berufungsgericht zunächst davon ausgegangen , daß die Kläger als Vermieter zunächst sämtliche Schadensursachen aus ihrem Gefahrenbereich ausschließen müssen. Zu Recht hat es insoweit auch das Ergebnis des gerichtlichen Sachverständigengutachtens für unergiebig beurteilt, weil die Ursache der Durchfeuchtungen im Zeitpunkt der Besichtigung durch den Sachverständigen nicht mehr nachvollziehbar war. Das Berufungsgericht hat es aber versäumt, die von den Klägern für den Ausschluß einer Schadensursache aus ihrem Gefahrenbereich angebotenen weiteren Beweise zu erheben. Insbesondere haben die Kläger vorgetragen, daß noch am Schadenstag selbst alle Leitungen im Haus durch die fachkundigen Zeugen S., K. und O. untersucht worden seien, wobei keine Schadensursache festgestellt wurde. Wäre dieser Vortrag bewiesen, stünde jedenfalls fest, daß der Wasserschaden nicht auf einen Wasserrohrbruch zurückzuführen war. Zusätzlich haben die Kläger auch eine weitere in ihrem Verantwortungsbereich liegende Schadensursache, nämlich Wasseraustritte bei anderen Mietern im Haus, ebenfalls unter Beweisantritt geleugnet. Dem steht nicht der unstreitige Sachverhalt des angefochtenen Urteils entgegen, wonach es auch in anderen Räumen des Gewerbeobjekts zu Wasserschäden gekommen ist. Denn nach dem Vortrag der Kläger ist das Wasser aus den Mieträumen der Beklagten ausgetreten und hat dadurch die anderen Räume in Mitleidenschaft gezogen.
Weiter hatten die Kläger ihre Behauptung, zwischen dem Schadensereignis und der späteren Untersuchung am 30. September 1997 seien keinerlei Installationen oder Reparaturen durchgeführt worden, in das Zeugnis des Hausverwalters gestellt. Auch dieses könnte einer Schadensursache aus dem Verantwortungsbereich des Vermieters entgegenstehen. Letztlich haben die Kläger ebenfalls unter Beweisantritt behauptet, daß alle Abwasserstränge, die mit der Praxis der Beklagten in Berührung kommen, am 30. September 1997 eingehend überprüft wurden und weder daran, noch an der Trockenbauwand, in der sich die Klappe des Revisionsschachts befinde, Wasseraustrittsspuren feststellbar gewesen seien. Diese Behauptung ist gerade deswegen von besonderer Bedeutung, weil die Beklagte ebenfalls unter Beweisantritt behauptet hatte, das Wasser sei über die Klappe des Revisionsschachts in ihre Mieträume eingedrungen. Nach den von den Klägern unter Beweis gestellten Behauptungen wäre jede denkbare Schadensursache aus dem Verantwortungsbereich der Vermieter ausgeschlossen. Wären diese Beweise erbracht, stünde fest, dass die Schadensursache dem Obhutsbereich der Beklagten als Mieterin entstammt. Dann würde nach der Rechtsprechung des Senats ihr der Beweis obliegen, daß die Feuchtigkeitsschäden nicht aus ihrem Verantwortungsbereich stammen. Nach dem Inhalt des angefochtenen Urteils ist dieser Beweis bislang ebenfalls noch nicht erbracht. Insbesondere folgt dies auch nicht aus dem Inhalt des vorliegenden Sachverständigengutachtens, weil der gerichtliche Sachverständige wegen des erheblichen Zeitablaufs keine konkrete Schadensursache mehr feststellen konnte.
Deswegen ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen. Das Berufungsgericht wird auf der Grundlage der gefestigten Rechtsprechung zur Darlegungs- und Beweislast die weiteren angebotenen Beweise erheben müssen.
Hahne Fuchs Ahlt Vézina Dose
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(1) Durch den Mietvertrag wird der Vermieter verpflichtet, dem Mieter den Gebrauch der Mietsache während der Mietzeit zu gewähren. Der Vermieter hat die Mietsache dem Mieter in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und s

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(1) Hat die Mietsache zur Zeit der Überlassung an den Mieter einen Mangel, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt, oder entsteht während der Mietzeit ein solcher Mangel, so ist der Mieter für die Zeit, in der die Tauglichkeit aufg
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(1) Durch den Mietvertrag wird der Vermieter verpflichtet, dem Mieter den Gebrauch der Mietsache während der Mietzeit zu gewähren. Der Vermieter hat die Mietsache dem Mieter in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und s

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(1) Durch den Mietvertrag wird der Vermieter verpflichtet, dem Mieter den Gebrauch der Mietsache während der Mietzeit zu gewähren. Der Vermieter hat die Mietsache dem Mieter in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und sie während der Mietzeit in diesem Zustand zu erhalten. Er hat die auf der Mietsache ruhenden Lasten zu tragen.

(2) Der Mieter ist verpflichtet, dem Vermieter die vereinbarte Miete zu entrichten.

(1) Hat die Mietsache zur Zeit der Überlassung an den Mieter einen Mangel, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt, oder entsteht während der Mietzeit ein solcher Mangel, so ist der Mieter für die Zeit, in der die Tauglichkeit aufgehoben ist, von der Entrichtung der Miete befreit. Für die Zeit, während der die Tauglichkeit gemindert ist, hat er nur eine angemessen herabgesetzte Miete zu entrichten. Eine unerhebliche Minderung der Tauglichkeit bleibt außer Betracht.

(1a) Für die Dauer von drei Monaten bleibt eine Minderung der Tauglichkeit außer Betracht, soweit diese auf Grund einer Maßnahme eintritt, die einer energetischen Modernisierung nach § 555b Nummer 1 dient.

(2) Absatz 1 Satz 1 und 2 gilt auch, wenn eine zugesicherte Eigenschaft fehlt oder später wegfällt.

(3) Wird dem Mieter der vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache durch das Recht eines Dritten ganz oder zum Teil entzogen, so gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend.

(4) Bei einem Mietverhältnis über Wohnraum ist eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung unwirksam.

(1) Jede Vertragspartei kann das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn

1.
dem Mieter der vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache ganz oder zum Teil nicht rechtzeitig gewährt oder wieder entzogen wird,
2.
der Mieter die Rechte des Vermieters dadurch in erheblichem Maße verletzt, dass er die Mietsache durch Vernachlässigung der ihm obliegenden Sorgfalt erheblich gefährdet oder sie unbefugt einem Dritten überlässt oder
3.
der Mieter
a)
für zwei aufeinander folgende Termine mit der Entrichtung der Miete oder eines nicht unerheblichen Teils der Miete in Verzug ist oder
b)
in einem Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckt, mit der Entrichtung der Miete in Höhe eines Betrages in Verzug ist, der die Miete für zwei Monate erreicht.
Im Falle des Satzes 1 Nr. 3 ist die Kündigung ausgeschlossen, wenn der Vermieter vorher befriedigt wird. Sie wird unwirksam, wenn sich der Mieter von seiner Schuld durch Aufrechnung befreien konnte und unverzüglich nach der Kündigung die Aufrechnung erklärt.

(3) Besteht der wichtige Grund in der Verletzung einer Pflicht aus dem Mietvertrag, so ist die Kündigung erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten angemessenen Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig. Dies gilt nicht, wenn

1.
eine Frist oder Abmahnung offensichtlich keinen Erfolg verspricht,
2.
die sofortige Kündigung aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen gerechtfertigt ist oder
3.
der Mieter mit der Entrichtung der Miete im Sinne des Absatzes 2 Nr. 3 in Verzug ist.

(4) Auf das dem Mieter nach Absatz 2 Nr. 1 zustehende Kündigungsrecht sind die §§ 536b und 536d entsprechend anzuwenden. Ist streitig, ob der Vermieter den Gebrauch der Mietsache rechtzeitig gewährt oder die Abhilfe vor Ablauf der hierzu bestimmten Frist bewirkt hat, so trifft ihn die Beweislast.

(1) Ist die Mietzeit nicht bestimmt, so kann jede Vertragspartei das Mietverhältnis nach den gesetzlichen Vorschriften kündigen.

(2) Ein Mietverhältnis, das auf bestimmte Zeit eingegangen ist, endet mit dem Ablauf dieser Zeit, sofern es nicht

1.
in den gesetzlich zugelassenen Fällen außerordentlich gekündigt oder
2.
verlängert wird.