Bundesgerichtshof Urteil, 15. Nov. 2006 - XII ZR 63/04
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger macht gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche geltend , die ihm von seinem Sohn abgetreten worden sind.
- 2
- Der Sohn des Klägers, der Zeuge K., mietete am 18. Oktober 2001 von der Beklagten einen Radlader. Hierbei handelte es sich um eine selbst fahrende Arbeitsmaschine, der nach § 18 Abs. 2 Nr. 1 a Straßenverkehrs-ZulassungsOrdnung kein amtliches Kennzeichen zugeteilt war. Außerdem war das Gerät nicht haftpflichtversichert und auch nicht haftpflichtversicherungspflichtig, da seine Höchstgeschwindigkeit 20 km/h nicht überstieg (§ 2 Nr. 6 b Pflichtversicherungsgesetz ). Mit dem Mietvertrag wurde eine Kaskoversicherung für die Maschine abgeschlossen. Der Sohn des Klägers verursachte, als er mit dem Radlader auf öffentlichen Straßen zu einer Baustelle fuhr, allein schuldhaft einen Verkehrsunfall. Er hat deswegen Schadensersatz an seinen Unfallgegner und die Kosten eines Vorprozesses in Höhe von insgesamt 4.314,36 € zahlen müssen. Diesen Betrag macht der Kläger aus abgetretenem Recht gegen die Beklagte geltend. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers blieb erfolglos. Mit der vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
- 3
- Die Revision des Klägers führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
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- 1. Das Landgericht meint eine Pflichtverletzung der Beklagten, auf die der Kläger seinen Anspruch stützen könnte, liege nicht vor:
- 5
- a) Der Kläger habe nämlich seine Behauptung nicht bewiesen, der Zeuge V., der für die Beklagte tätig gewesen sei, habe auf die Nachfrage des Zeugen K. wahrheitswidrig erklärt, der Radlader sei haftpflichtversichert. Die dementsprechende Beweiswürdigung des Amtsgerichts sei nicht zu beanstanden.
- 6
- b) Darüber hinaus habe das Amtsgericht zu Recht eine Verpflichtung der Beklagten verneint, ohne konkrete Nachfrage des Sohns des Klägers darauf hinzuweisen, dass der Radlader bei Benutzung im öffentlichen Straßenverkehr nicht haftpflichtversichert sei. Vielmehr habe der Sohn des Klägers als Inhaber einer gültigen Fahrerlaubnis selbst wissen müssen, dass er solche Schäden zunächst selbst zu ersetzen habe, die er Dritten - und sei es auch mit dem Radlader - schuldhaft zufüge, und zwar ganz unabhängig davon, ob dies im öffentlichen Straßenverkehr oder z.B. auf einer Baustelle geschehe. Die Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, von sich aus auf das Fehlen einer Haftpflichtversicherung hinzuweisen. Etwas anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass der Sohn des Klägers nachgefragt habe, weshalb der Radlader kein Nummernschild aufweise. Vielmehr habe sich der Sohn des Klägers mit der Erklärung zufrieden gegeben, dass ein solches bei Fahrzeugen mit einer Maximalgeschwindigkeit von 20 km/h nicht erforderlich sei. Hätte der Sohn des Klägers wegen des Bestehens einer Haftpflichtversicherung weiteren Aufklärungsbedarf gehabt, wäre es seine Sache gewesen, den Mitarbeiter der Beklagten entsprechend zu befragen. Der Beklagten habe es somit nach Treu und Glauben nicht oblegen, umfassend über den Umfang des Versicherungsschutzes zu informieren. Deshalb könne ihr auch eine Vertragsverletzung wegen Unterlassung einer solchen Aufklärung nicht vorgeworfen werden.
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- 2. Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
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- Die Revision macht mit Erfolg geltend, das Berufungsurteil beruhe auf der Verkennung der Informations- und Aufklärungspflichten, die die Beklagte als Vermieterin fahrbarer Baumaschinen gegenüber ihren Kunden treffe.
- 9
- Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Senatsurteil vom 28. Juni 2006 - XII ZR 50/04 - NJW 2006, 2618, 2619 m.N.) trifft den Vermieter grundsätzlich eine Aufklärungspflicht gegenüber dem Mieter hinsichtlich derjenigen Umstände und Rechtsverhältnisse mit Bezug auf die Mietsache, die - für den Vermieter erkennbar - von besonderer Bedeutung für den Entschluss des Mieters zur Eingehung des Vertrages sind und deren Mitteilung nach Treu und Glauben erwartet werden kann. Das Bestehen der Aufklärungspflicht richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Person des Mieters und dessen für den Vermieter erkennbare Geschäftserfahrenheit oder -unerfahrenheit. Allerdings ist der Vermieter nicht gehalten, dem Mieter das Vertragsrisiko abzunehmen und dessen Interessen wahrzunehmen. Der Mieter muss selbst prüfen und entscheiden, ob der beabsichtigte Vertrag für ihn von Vorteil ist oder nicht. Es ist seine Sache, sich umfassend zu informieren und zu klärungsbedürftigen Punkten in den Vertragsverhandlungen Fragen zu stellen.
- 10
- Nach Maßgabe dieser Grundsätze musste die Beklagte den Sohn des Klägers im vorliegenden Fall nach Treu und Glauben darüber aufklären, dass der gemietete Radlader nicht haftpflichtversichert war.
- 11
- Zwar wird der durchschnittliche Mieter von selbst fahrenden Baumaschinen diese öfters anmieten und aufgrund seiner Erfahrung mit den Gegebenheiten am Bau auch wissen, dass solche Maschinen auch im öffentlichen Straßenverkehr nicht pflichtversichert sind. Für den Zeugen V., der für die Beklagte handelte, war jedoch erkennbar, dass der Sohn des Klägers insoweit unerfahren war. Denn unstreitig fragte dieser beim Zeugen nach, weshalb die Maschine , obwohl er sie im Straßenverkehr führen wollte, kein amtliches Kennzeichen aufweise. Aus dieser Frage musste der Zeuge weiter schließen, dass dem Sohn des Klägers die versicherungsrechtliche Situation nicht bekannt und somit nicht bewusst war, welchen haftungsrechtlichen Risiken er sich aussetzte, wenn er mit dem Radlader am öffentlichen Straßenverkehr teilnehme. In einem solchen Fall aber gebieten es Treu und Glauben, dass der (wissende) Vermieter den (unwissenden) Mieter über die versicherungsrechtliche Situation aufklärt.
- 12
- Dem Kläger steht daher aus abgetretenem Recht ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte aus Verschulden bei Vertragsschluss (§ 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2, § 249 BGB) zu. Dabei ist davon auszugehen, dass sich der Sohn des Klägers, wenn er aufgeklärt worden wäre, "aufklärungsrichtig" verhalten (vgl. Senatsurteil vom 28. Juni 2006 aaO 2621) und somit den Radlader nicht ohne Haftpflichtversicherung im öffentlichen Straßenverkehr geführt hätte.
- 13
- Der Senat kann jedoch in der Sache nicht selbst entscheiden. Denn vom Schadensersatzanspruch des Klägers sind gegebenenfalls die Kosten abzuziehen , die bei Abschluss einer Haftpflichtversicherung entstanden wären. Die Höhe dieser Kosten ist jedoch nicht dargelegt. Das Landgericht wird außerdem zu prüfen haben, ob der Kläger auch die Kosten des Vorprozesses ersetzt verlangen kann.
Vorinstanzen:
AG Mönchengladbach, Entscheidung vom 29.04.2003 - 3 C 608/02 -
LG Mönchengladbach, Entscheidung vom 19.03.2004 - 2 S 100/03 -
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(1) Durch den Mietvertrag wird der Vermieter verpflichtet, dem Mieter den Gebrauch der Mietsache während der Mietzeit zu gewähren. Der Vermieter hat die Mietsache dem Mieter in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und sie während der Mietzeit in diesem Zustand zu erhalten. Er hat die auf der Mietsache ruhenden Lasten zu tragen.
(2) Der Mieter ist verpflichtet, dem Vermieter die vereinbarte Miete zu entrichten.
(1) Die Parteien verhandeln über den Rechtsstreit vor dem erkennenden Gericht mündlich.
(2) Mit Zustimmung der Parteien, die nur bei einer wesentlichen Änderung der Prozesslage widerruflich ist, kann das Gericht eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung treffen. Es bestimmt alsbald den Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können, und den Termin zur Verkündung der Entscheidung. Eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ist unzulässig, wenn seit der Zustimmung der Parteien mehr als drei Monate verstrichen sind.
(3) Ist nur noch über die Kosten oder Nebenforderungen zu entscheiden, kann die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ergehen.
(4) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.
(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen.
(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.
(1) Zur Begründung eines Schuldverhältnisses durch Rechtsgeschäft sowie zur Änderung des Inhalts eines Schuldverhältnisses ist ein Vertrag zwischen den Beteiligten erforderlich, soweit nicht das Gesetz ein anderes vorschreibt.
(2) Ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 entsteht auch durch
- 1.
die Aufnahme von Vertragsverhandlungen, - 2.
die Anbahnung eines Vertrags, bei welcher der eine Teil im Hinblick auf eine etwaige rechtsgeschäftliche Beziehung dem anderen Teil die Möglichkeit zur Einwirkung auf seine Rechte, Rechtsgüter und Interessen gewährt oder ihm diese anvertraut, oder - 3.
ähnliche geschäftliche Kontakte.
(3) Ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 kann auch zu Personen entstehen, die nicht selbst Vertragspartei werden sollen. Ein solches Schuldverhältnis entsteht insbesondere, wenn der Dritte in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch nimmt und dadurch die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsschluss erheblich beeinflusst.
(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.
(2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.