Bundesgerichtshof Urteil, 28. Juni 2000 - XII ZR 55/98
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger verlangt von der Beklagten aus abgetretenem Recht der Firma J. F. G. Mietzins. Die Beklagte ist Mieterin, die Firma J. F. G. Vermieterin von Gewerberäumen auf einem Grundstück, dessen Erbbauberechtigter der Firmeninhaber J. F. ist. Der Kläger war bis 1996 für die Beklagte und die Firma J. F. G. tätig. Aus dieser Tätigkeit sind Honorarforderungen streitig, die der Kläger - zum Teilals Bruttobeträge - mit 49.012,50 DM (gegenüber der Beklagten) und mit 433.782,19 DM (gegenüber der Firma J. F. G.) beziffert und vor dem Arbeitsgericht verfolgt. Außerdem gewährte der Kläger - zum Teil gemeinsam mit seiner Ehefrau - J . F. und dessen Firma mehrere Darlehen; die Höhe der Rückzahlungsforderungen wird - nach dem Stand vom 4. Februar 1997 - vom Kläger mit 154.648,58 DM und von der Beklagten mit 152.751,53 DM beziffert. Die Firma J. F. G. trat dem Kläger ihre Mietzinsforderungen gegen die Beklagte sowie gegen weitere Mieter zur "Sicherung aller bestehenden und künftigen ... Forderungen ... aus seiner Arbeitsleistung" für J. F. und die Beklagte "sowie aus ... Vorlagen und Krediten sowie Darlehen jeglicher Art" ab. Außerdem wurden dem Kläger von J. F. weitere Sicherheiten eingeräumt. Aufgrund der Abtretung der Mietzinsforderungen hat das Landgericht die Beklagte in einem Vorprozeß am 17. September 1996 verurteilt, an den Kläger Mietzins für die Zeit von Dezember 1995 bis Juli 1996 sowie Zinsen auf den für Januar bis Juli 1996 angefallenen Mietzins zu zahlen. Der Kläger hat aufgrund dieses rechtskräftigen Urteils bis einschließlich Januar 1997 105.459,60 DM nebst 5.696,56 DM Zinsen, insgesamt also 111.156,16 DM erlangt. Außerdem sind an den Kläger von zwei weiteren Mietern aufgrund der Sicherungsabtretung Mietzinszahlungen geleistet worden. Die Höhe der von diesen Mietern für die Zeit bis einschließlich Januar 1997 erbrachten Zahlungen wird vom Kläger mit 82.425,40 DM und von der Beklagten mit 91.638,80 DM beziffert; für die Zeit vom Februar bis Juli 1997 beträgt sie 40.216,50 DM. Im vorliegenden Verfahren macht der Kläger Mietzins für die Zeit von August 1996 bis Januar 1997 sowie Zinsen auf den Mietzins für Dezember 1995 geltend. Die Beklagte ist der Meinung, daß der Kläger aus der Siche-
rungsabtretung nicht vorgehen könne. Hilfsweise hat sie mit einer ihr von der Firma J. F. G. abgetreten Forderung aufgerechnet, die sie wie folgt begründet: In einem Schreiben vom 7. Januar 1997 hatte die Beklagte - zugleich im Namen des J. F. - gegenüber dem Kläger bestimmt, "daß jegliche Zahlung, die aufgrund des vorgenannten Urteils [des Landgerichts vom 17. September 1996] außerhalb der Zwangsvollstreckung oder im Rahmen der Zwangsvollstreckung ... [an den Kläger] erfolgt, auf die Darlehensschulden des Herrn J. F. ... [gegenüber dem Kläger] angerechnet werden". Aufgrund dieser Bestimmung ist nach Auffassung der Beklagten eine Überzahlung auf den Darlehensrückgewähranspruch des Klägers eingetreten, die sie mit 79.148,98 DM beziffert. Diese Überzahlung habe die Firma J. F. G. vom Kläger zurückverlangen können. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Oberlandesgericht.I.
Nach dem Berufungsurteil hat die Klageforderung in der vom Landgericht zugesprochen Höhe bestanden, ist aber durch die von der Beklagten hilfsweise erklärte Aufrechnung erloschen. Da nur der Kläger Revision eingelegt hat, ist dem Senat die erneute Überprüfung der Klageforderung verwehrt;dem Revisionsgericht ist lediglich die Entscheidung über die von der Beklagten erklärte Hilfsaufrechnung angefallen (vgl. BGHZ 109, 179, 188ff.).
II.
Das Oberlandesgericht hält die Forderung, welche die Beklagte gegen die Klageforderung aufgerechnet hat, für berechtigt. Zur Begründung verweist es auf die von der Beklagten vorgenommene Abrechnung der Darlehen und die Tilgungsbestimmung vom 7. Januar 1997; beide würden vom Kläger nur pauschal und ohne schlüssige Gegenrechnung oder Beweisangebote bestritten. Hiergegen wendet sich die Revision im Ergebnis mit Recht: Die Firma J. F. G. konnte nur dann vom Kläger die Erstattung überzahlter Beträge verlangen und diesen Anspruch an die Beklagte abtreten, wenn der Kläger aufgrund der Abtretung der Mietzinsansprüche Mietzinsleistungen erlangt hat, deren Höhe die Summe der durch die Abtretung der Mietzinsansprüche gesicherten Forderungen übersteigt. Das läßt sich den Feststellungen des Oberlandesgerichts nicht entnehmen. 1. Die Abtretung der Mietzinsansprüche der Firma J. F. G. diente ausdrücklich der Sicherung aller Ansprüche, die dem Kläger auf Darlehensrückzahlung sowie gegenüber Julius Fischer und der Beklagten auf Vergütung zustehen. Der Sicherungszweck umfaßt mithin neben den Darlehensrückzahlungsansprüchen des Klägers gegen J. F. und dessen Firma auch etwaige Honorarforderungen , die dem Kläger aus seiner Tätigkeit für die Beklagte und für J. F., mithin auch für dessen Firma J. F. G., erwachsen sind.2. Die Frage, ob und in welcher Höhe dem Kläger solche Honorarforderungen zustehen, ist streitig und Gegenstand vor dem Arbeitsgericht anhängiger Verfahren. Dieser Umstand hinderte den Kläger jedoch nicht, die von ihm vereinnahmten Mietzinsen auch zur Sicherung dieser streitbefangenen Ansprüche einzubehalten; denn eine Beschränkung auf unstreitige Forderungen ist der Sicherungsabrede nicht zu entnehmen. 3. Die vom Kläger vereinnahmten Mietzinsen übersteigen die Summe aus den ihm - im wesentlichen unstreitig - zustehenden Darlehensrückzahlungsansprüchen und den von ihm geltend gemachten - streitigen - Honorarforderungen nicht. Die Beklagte könnte deshalb nur dann Zahlung der vom Kläger vereinnahmten und dessen Ansprüche auf Darlehensrückzahlung übersteigenden Mietzinsen verlangen, wenn wirksam bestimmt worden wäre, daß die an den Kläger erbrachten Mietzinszahlungen nur zur Sicherung der Darlehensrückzahlungsansprüche geleistet würden und vom Kläger folglich nur mit diesen Ansprüchen verrechnet werden dürften. Das ist nicht ersichtlich:
a) Das Schreiben vom 7. Januar 1997, auf welches das Oberlandesgericht maßgebend abhebt ("Tilgungsbestimmung"), betrifft schon seinem Wortlaut nach nur Zahlungen auf den vom Kläger gegen die Beklagte erwirkten Titel vom 17. September 1996. Mit diesen Leistungen, die bis einschließlich Januar 1997 erbracht worden sind und insgesamt 111.156,16 DM betragen, ist die gesicherte Darlehensschuld des J. F. und seiner Firma (in Höhe von 154.648,58 DM oder 152.751,53 DM) aber nur dann "überzahlt", wenn die von den beiden weiteren Mietern auf den Mietzins bis einschließlich Januar erbrachten Leistungen (in Höhe von 82.425,40 DM oder 91.638,80 DM) bereits zuvor mit der gesicherten Darlehensschuld verrechnet worden sind. Das ist nicht festgestellt; es ist nicht einmal vorgetragen, daß die beiden weiteren
Mieter ihre Mietzinsleistungen an den Kläger erbracht haben, bevor auf den Titel gegen die Beklagte Zahlungen erfolgt sind. Nur in diesem Falle ergäbe sich aber durch die auf den Titel erfolgten Leistungen - freilich nur in Ansehung der Darlehensforderung - ein Überschuß. Auch die Höhe dieses Überschusses bliebe allerdings hinter der Klagforderung zurück und könnte schon deshalb deren vollständige Abweisung nicht rechtfertigen.
b) Auch unabhängig vom Wortlaut des Schreibens vom 7. Januar 1997 ist nicht erkennbar, wie J. F. - selbst oder unter seiner Firma J. F. G. - mit Wirkung für den Kläger bestimmt haben könnte, daß die an den Kläger aufgrund der Sicherungsabtretung erbrachten Mietzinszahlungen nur mit dessen Darlehensrückzahlungsansprüchen gegen J. F. und die Firma J. F. G. verrechnet werden. § 366 Abs. 1 BGB gewährt nur dem Schuldner mehrerer gegen ihn gerichteter Forderungen ein Recht zu bestimmen, welche seiner Verpflichtungen er mit seiner Leistung erfüllen will. Der Bundesgerichtshof versteht dieses Recht als eine Vergünstigung, die nur dem freiwillig leistenden Schuldner zugute kommen soll. Er hat es deshalb abgelehnt, dem Schuldner das Recht zuzubilligen , gegenüber dem vollstreckenden Grundschuldgläubiger zu bestimmen , welche von mehreren durch die Grundschuld gesicherten Forderungen des Gläubigers mit dem Erlös aus der Zwangsversteigerung des Grundstücks befriedigt werden sollen (Urteil vom 23. Februar 1999 - XI ZR 49/98 - NJW 1999, 1704). Für die Sicherungsabtretung dürfte grundsätzlich nichts anderes gelten (vgl. Staudinger/Olzen BGB 13. Bearb. 1995, § 366 Rdn. 10). Die Frage kann indes dahinstehen. § 366 Abs. 1 BGB gewährt dem Sicherungsgeber oder dem Schuldner der gesicherten Forderungen jedenfalls nicht das - weitergehende - Recht nachträglich zu bestimmen, daß der Sicherungsneh-
mer sich aus dem Sicherungsgut nur wegen bestimmter einzelner Forderungen befriedigen darf, ihm eine Befriedigung aus dem Sicherungsgut wegen anderer, von der Sicherungsabrede umfaßter Forderungen aber verweht wird; denn mit einer solchen Befugnis würde die Sicherungsabrede unterlaufen. Im vorliegenden Fall kann deshalb J. F. weder selbst noch unter seiner Firma vorschreiben, daß der Kläger die ihm sicherungshalber abgetretenen Mietzinsansprüche nur zur Befriedigung seiner Ansprüche aus den von ihm gewährten Darlehen verwerten , nicht aber - wie vereinbart - auch zur Sicherung ihm zustehender Vergütungsansprüche verwenden darf. Eine solche einseitige Befugnis bedürfte eines besonderen, hier nicht vereinbarten Vorbehalts in der Sicherungsabrede oder einer nachträglichen Vereinbarung; auf § 366 Abs. 1 BGB kann sie sich nicht stützen. Auch der Beklagten gewährt § 366 Abs. 1 BGB kein Recht zu bestimmen , mit welchen Forderungen des Klägers gegenüber J. F., gegenüber dessen Firma oder gegenüber der Beklagten selbst die von ihr erbrachten Leistungen verrechnet werden sollen. Mit den Leistungen der Beklagten auf das gegen sie ergangene Urteil vom 17. September 1996 wurden unmittelbar die gegen sie gerichteten Mietzinsansprüche getilgt, welche die Firma J. F. G. zuvor an den Kläger abgetreten hatte. Welche Wirkung dieser Tilgung im Verhältnis zwischen dem Kläger als Gläubiger und der Firma J. F. G. als Schuldnerin zukommt , unterliegt nicht der Disposition der Beklagten als Drittschuldnerin. Erst recht ist die Verrechnung der Mietzinszahlungen, welche die beiden weiteren Mieter aufgrund der Abtretung der Mietzinsansprüche durch die Firma J. F. G. an den Kläger erbracht haben, für die Beklagte ohne rechtlichen Belang.
III.
Das Berufungsurteil kann danach nicht bestehen bleiben. Der Senat kann den Rechtsstreit nicht abschließend entscheiden. Die von der Beklagten erklärte Aufrechnung mit einer ihr von der Firma J. F. G. abgetretenen Forderung greift im Ergebnis nur durch, wenn festgestellt wird, daß die vom Kläger geltend gemachten und von der Sicherungsabrede umfaßten Vergütungsansprüche nicht oder jedenfalls nur in solchem Umfang bestehen, daß die Summe der vom Kläger empfangenen Mietzinsen die Höhe der gesicherten Darlehensund Vergütungsansprüche übersteigt. Dieser Frage ist - gegebenenfalls nach Aussetzung des vorliegenden Verfahrens bis zur Erledigung des über die Honorarforderungen anhängigen Rechtsstreits (§ 148 ZPO) - nachzugehen. Die Sache war deshalb zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Blumenröhr Krohn Hahne Gerber Wagenitz
moreResultsText
Annotations
(1) Ist der Schuldner dem Gläubiger aus mehreren Schuldverhältnissen zu gleichartigen Leistungen verpflichtet und reicht das von ihm Geleistete nicht zur Tilgung sämtlicher Schulden aus, so wird diejenige Schuld getilgt, welche er bei der Leistung bestimmt.
(2) Trifft der Schuldner keine Bestimmung, so wird zunächst die fällige Schuld, unter mehreren fälligen Schulden diejenige, welche dem Gläubiger geringere Sicherheit bietet, unter mehreren gleich sicheren die dem Schuldner lästigere, unter mehreren gleich lästigen die ältere Schuld und bei gleichem Alter jede Schuld verhältnismäßig getilgt.
(1) Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei.
(2) Das Gericht kann ferner, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von Feststellungszielen abhängt, die den Gegenstand eines anhängigen Musterfeststellungsverfahrens bilden, auf Antrag des Klägers, der nicht Verbraucher ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des Musterfeststellungsverfahrens auszusetzen sei.