Bundesgerichtshof Urteil, 14. März 2018 - XII ZR 31/17
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 14. März 2018 durch den Vorsitzenden Richter Dose, die Richter Dr. Günter, Dr. Nedden-Boeger und Guhling und die Richterin Dr. Krüger
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der klauselmäßigen Verlängerung eines Werbevertrags.
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- Die Klägerin erwirbt Fahrzeuge, um sie sozialen Organisationen wie Kindergärten , Schulen und Lebenshilfeeinrichtungen kostenlos zur Verfügung zu stellen. Finanziert werden die Fahrzeuge durch Werbeverträge, die die Klägerin mit Sponsoren schließt. Entsprechend schloss sie am 3. September 2010 mit dem Beklagten einen Vertrag über eine Werbefläche auf einem Anhänger, der einer Schule überlassen wurde. Vereinbart war eine Basislaufzeit von fünf Jahren zu einem Nettogesamtpreis von 1.000 € zuzüglich Mehrwertsteuer.
- 3
- In dem Formularvertrag ist unter "Auftragsbedingungen" geregelt: "… Die Werbelaufzeit beginnt mit der Auslieferung des Fahrzeuges an den Vertragspartner. Der Vertrag verlängert sich automatisch ohne Neubeantragung um weitere 5 Jahre, wenn nicht 3 Monate vor Ablauf des Vertrages schriftlich gekün- digt wird. …"
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- Die Klägerin lud den Beklagten auf den 14. Januar 2011 zur Fahrzeugübergabe an die Schule ein.
- 5
- Mit Schreiben vom 15. August 2015 bedankte sich die Klägerin beim Beklagten , dass er sich dafür entschieden habe, auch jetzt wieder die Schule zu unterstützen. Zugleich stellte sie den Gesamtpreis für die nächsten fünf Jahre in Rechnung und kündigte an, diesen Betrag bei Fälligkeit der Rechnung am 23. August 2015 vom Konto des Beklagten einzuziehen. Die Rechnung wurde in der Folgezeit nicht gezahlt.
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- Mit der Klage verlangt die Klägerin die Vergütung von 1.190 € nebst Zinsen für die verlängerte Vertragslaufzeit. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landgericht die angefochtene Entscheidung aufgehoben und die Klage abgewiesen. Mit der vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin die begehrte Vergütung weiter.
Entscheidungsgründe:
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- Die Revision ist nicht begründet.
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- 1. Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, der Klägerin stehe keine Vergütung zu. Die Wirksamkeit der Verlängerungsklausel scheitere an § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, weil sie unklar und missver- ständlich sei und gegen das Transparenzgebot verstoße. Der Zeitpunkt des "Ablaufs des Vertrages" sei unklar, weil für den Vertragsbeginn drei unterschiedliche Möglichkeiten in Betracht kämen: das Datum des Vertragsschlusses , dasjenige der Auslieferung des Anhängers an die Schule oder der Beginn der vertraglichen Zahlungspflicht. Darüber hinaus handele es sich um eine Überraschungsklausel, da der Inhalt der Verlängerungsklausel durch die drucktechnische Anordnung so verschleiert werde, dass mit ihr nicht gerechnet werden müsse. Dagegen könne sich der Beklagte nicht auf § 309 b BGB berufen, weil er als Rechtsanwalt Unternehmer im Sinne dieser Vorschrift sei, die zudem auf typengemischte Verträge mit vorwiegend mietvertraglichen Elementen keine Anwendung finde.
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- 2. Diese Ausführungen halten im Ergebnis rechtlicher Nachprüfung stand.
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- Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Klausel zur automatischen Verlängerung des Vertrags gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BGB wegen fehlender Transparenz unwirksam ist.
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- a) Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Treu und Glauben verpflichten den Verwender von Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dazu gehört auch, dass Allgemeine Geschäftsbedingungen wirtschaftliche Nachteile und Belastungen so deutlich erkennen lassen, wie dies nach den Umständen möglich und zumutbar ist. Verstöße gegen das Transparenzgebot entsprechen nicht den Gebräuchen und Gepflogenheiten des Handelsverkehrs (vgl. § 310 Abs. 1 Satz 2 BGB) und führen daher auch gegenüber einem Unternehmer zur Unwirksamkeit formularmäßiger Geschäftsbedingungen (Senatsurteil vom 25. Oktober 2017 - XII ZR 1/17 - NZM 2018, 125 Rn. 13 mwN).
- 12
- Unwirksam ist daher, wie der Senat nach Erlass der angefochtenen Entscheidung bereits entschieden hat (Senatsurteil vom 25. Oktober 2017 - XII ZR 1/17 - NZM 2018, 125), eine Klausel zur automatischen Verlängerung eines Werbevertrags, wenn bei Vertragsbeginn nicht eindeutig feststeht, bis wann die Kündigung zur Abwendung der Verlängerung spätestens ausgesprochen werden muss.
- 13
- b) Nach dem Wortlaut der hier streitigen Klausel verlängert sich der Vertrag um weitere fünf Jahre, wenn nicht drei Monate vor Ablauf des Vertrags schriftlich gekündigt wird. Da die anfängliche Vertragslaufzeit auf fünf Jahre festgelegt ist, liegt der Vertragsablauf fünf Jahre nach Vertragsbeginn, so dass die Kündigungsfrist drei Monate davor endet.
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- Nicht eindeutig ist hier allerdings der Vertragsbeginn. Nach dem Inhalt des Formularvertrags beginnt die Werbelaufzeit mit der Auslieferung des Fahrzeugs "an den Vertragspartner". Vertragspartner des hier maßgeblichen Vertrags sind die Parteien des Rechtsstreits. An die Klägerin wird das Fahrzeug vom Hersteller ausgeliefert, um es zunächst mit den Werbetexten zu versehen und für die Übergabe an die Institution / den Verein vorzubereiten. Die Schule ist nicht "Vertragspartner" des Vertrags und auch nicht als solcher bezeichnet, sondern als "Institution/Verein". Ob die Auslieferung an die Klägerin oder die Übergabe an die Schule für den Vertragsbeginn maßgeblich ist, bleibt nach dem Vertragsinhalt letztlich unklar. Für die Maßgeblichkeit der Auslieferung an die Klägerin als Vertragspartnerin spricht einerseits der Wortlaut der Klausel, andererseits die Tatsache, dass die Klägerin ab dem Zeitpunkt eigene Aufwen- dungen für das Fahrzeug zu erbringen und deshalb ein wirtschaftliches Interesse an gleichzeitig beginnenden Einnahmen hat. Für die Maßgeblichkeit der Übergabe an die Schule spricht hingegen, dass erst ab diesem Zeitpunkt das Sponsoring seine Wirkung entfaltet und der Werbeeffekt durch Gebrauch des Fahrzeugs im öffentlichen Verkehrsraum einsetzt (vgl. Senatsurteil vom 25. Oktober 2017 - XII ZR 1/17 - NZM 2018, 125 Rn. 15).
- 15
- Die Unsicherheit über den Vertragsbeginn und den Ablauf der Kündigungsfrist lässt sich anhand des Vertragsinhalts und seiner Umstände nicht auflösen. So vertritt auch die Klägerin einerseits mit ihrer Revision den Standpunkt, dass für den Beginn der Werbelaufzeit auf den Termin der Übergabe des Fahrzeugs an die Schule abzustellen sei, der dem Beklagten durch die Einladung auch bekannt war. Andererseits muss sie in ihrem Schreiben vom 15. August 2015 offensichtlich davon ausgegangen sein, dass weder der Vertragsabschluss noch die spätere Übergabe des Fahrzeugs an die Schule für den Beginn der Vertragslaufzeit maßgeblich sein sollte. Denn sie hat die Bezahlung der verlängerten Laufzeit bereits mit Fälligkeit zum 23. August 2015 in Rechnung gestellt, während der Vertragsschluss erst am 3. September 2010 und die Übergabe an die Schule erst am 14. Januar 2011 stattgefunden hatten und damit eine Fälligkeit für die Verlängerung bereits im August 2015 nicht hätten auslösen können (vgl. Senatsurteil vom 25. Oktober 2017 - XII ZR 1/17 - NZM 2018, 125 Rn. 16).
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- 3. Danach hält die Klausel einer Inhaltskontrolle am Maßstab von § 307 Abs. 1 BGB nicht stand. Die Intransparenz des letzten möglichen Kündigungszeitpunkts führt dazu, dass das Kündigungsrecht vom Werbekunden nicht effektiv ausgeübt werden kann. Da die automatische Vertragsverlängerung jedoch eine vorherige effektive Kündigungsmöglichkeit voraussetzt, hat beides gemeinsam keinen Bestand. Eine geltungserhaltende Reduktion der Vertragsver- längerungsklausel auf ein inhaltlich noch zulässiges Maß kommt nicht in Betracht (Senatsurteil vom 25. Oktober 2017 - XII ZR 1/17 - NZM 2018, 125 Rn. 17 mwN).
Vorinstanzen:
AG Mainz, Entscheidung vom 28.07.2016 - 83 C 117/16 -
LG Mainz, Entscheidung vom 22.03.2017 - 3 S 124/16 -
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(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
- 1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder - 2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.
(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.
(1) § 305 Absatz 2 und 3, § 308 Nummer 1, 2 bis 9 und § 309 finden keine Anwendung auf Allgemeine Geschäftsbedingungen, die gegenüber einem Unternehmer, einer juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einem öffentlich-rechtlichen Sondervermögen verwendet werden. § 307 Abs. 1 und 2 findet in den Fällen des Satzes 1 auch insoweit Anwendung, als dies zur Unwirksamkeit von in § 308 Nummer 1, 2 bis 9 und § 309 genannten Vertragsbestimmungen führt; auf die im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche ist angemessen Rücksicht zu nehmen. In den Fällen des Satzes 1 finden § 307 Absatz 1 und 2 sowie § 308 Nummer 1a und 1b auf Verträge, in die die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil B (VOB/B) in der jeweils zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Fassung ohne inhaltliche Abweichungen insgesamt einbezogen ist, in Bezug auf eine Inhaltskontrolle einzelner Bestimmungen keine Anwendung.
(2) Die §§ 308 und 309 finden keine Anwendung auf Verträge der Elektrizitäts-, Gas-, Fernwärme- und Wasserversorgungsunternehmen über die Versorgung von Sonderabnehmern mit elektrischer Energie, Gas, Fernwärme und Wasser aus dem Versorgungsnetz, soweit die Versorgungsbedingungen nicht zum Nachteil der Abnehmer von Verordnungen über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung von Tarifkunden mit elektrischer Energie, Gas, Fernwärme und Wasser abweichen. Satz 1 gilt entsprechend für Verträge über die Entsorgung von Abwasser.
(3) Bei Verträgen zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher (Verbraucherverträge) finden die Vorschriften dieses Abschnitts mit folgenden Maßgaben Anwendung:
- 1.
Allgemeine Geschäftsbedingungen gelten als vom Unternehmer gestellt, es sei denn, dass sie durch den Verbraucher in den Vertrag eingeführt wurden; - 2.
§ 305c Abs. 2 und die §§ 306 und 307 bis 309 dieses Gesetzes sowie Artikel 46b des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche finden auf vorformulierte Vertragsbedingungen auch dann Anwendung, wenn diese nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind und soweit der Verbraucher auf Grund der Vorformulierung auf ihren Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte; - 3.
bei der Beurteilung der unangemessenen Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 und 2 sind auch die den Vertragsschluss begleitenden Umstände zu berücksichtigen.
(4) Dieser Abschnitt findet keine Anwendung bei Verträgen auf dem Gebiet des Erb-, Familien- und Gesellschaftsrechts sowie auf Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen. Bei der Anwendung auf Arbeitsverträge sind die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen; § 305 Abs. 2 und 3 ist nicht anzuwenden. Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen stehen Rechtsvorschriften im Sinne von § 307 Abs. 3 gleich.
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
- 1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder - 2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.
(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.