Bundesgerichtshof Urteil, 07. März 2012 - XII ZR 13/10
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger mietete gewerbliche Räume. Er zahlte eine vereinbarte Mietsicherheit von 813,14 € an den Vermieter, die dieser nicht getrennt von seinem sonstigen Vermögen anlegte. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Vermieters erstand die Beklagte die durch den Insolvenzverwalter versteigerte Immobilie. Der Kläger verlangt von der Beklagten unter anderem die Auszahlung der inzwischen rückzahlungsreifen Mietsicherheit.
- 2
- Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht die Klage insoweit abgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Landgericht zugelassene Revision des Klägers.
Entscheidungsgründe:
- 3
- Die zulässige Revision hat Erfolg und führt zur Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.
I.
- 4
- Das Landgericht hat zur Begründung seiner in ZMR 2010, 361 veröffentlichten Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt: Der Anspruch auf Rückzahlung der Mietsicherheit bestehe nicht oder sei wenigstens nicht fällig. Zwar sei die Beklagte gemäß § 566 a Satz 1 BGB in die Verpflichtung des Voreigentümers eingetreten; die Vorschrift gelte nach § 57 ZVG auch im Falle des Erwerbs im Wege der Zwangsversteigerung. Dieser Grundsatz erfahre aber eine Ausnahme , wenn die Mietsicherheit vom vorherigen Vermieter nicht insolvenzfest angelegt worden und der Rückzahlungsanspruch daher zu einer Insolvenzforderung geworden sei. Denn es sei grundsätzlich Sache des Mieters, auf eine vom sonstigen Vermögen des Vermieters getrennte, insolvenzfest angelegte Mietsicherheit zu achten. Demgegenüber habe der Erwerber keine Möglichkeit, die Mietsicherheit vom insolventen Voreigentümer heraus zu verlangen. Dem Mieter stehe gegenüber dem Erwerber zumindest insoweit und so lange kein Rückzahlungsanspruch zu, wie der Erwerber seinerseits an der Durchsetzung seines Anspruchs gegenüber dem Veräußerer auf Auskehrung der Mietsicherheit insolvenzrechtlich gehindert sei.
II.
- 5
- Diese Ausführungen halten einer revisionsgerichtlichen Nachprüfung nicht stand.
- 6
- Nach § 44 Abs. 1 ZVG wird bei der Versteigerung nur ein solches Gebot zugelassen, durch welches die dem Anspruch des Gläubigers vorgehenden Rechte sowie die aus dem Versteigerungserlös zu entnehmenden Kosten des Verfahrens gedeckt werden (geringstes Gebot). Darüber hinaus stellen die Versteigerungsbedingungen fest, in welche weiteren Pflichten der Ersteher eintritt. Zu diesen Pflichten gehört gemäß § 57 ZVG die Verpflichtung zur Rückzahlung einer vom Mieter gewährten Sicherheit (§§ 566 a, 578 Abs. 1, 2 BGB). Das im Versteigerungstermin abzugebende Bargebot setzt die Erfüllung sämtlicher nach den Versteigerungsbedingungen zu übernehmenden Pflichten voraus.
- 7
- Mit dem Zuschlag geht die Pflicht für die Rückzahlung der Mietsicherheit kraft Gesetzes auf den Ersteher über. Dieser hat die Verpflichtung bei eintretender Rückzahlungsreife zu erfüllen. Ob und unter welchen Voraussetzungen der Ersteher seinerseits anschließend bei dem Voreigentümer Rückgriff nehmen kann (vgl. etwa BGH Urteil vom 9. Juni 2010 - VIII ZR 189/09 - NJW-RR 2010, 1237 Rn. 21), mag dahinstehen. Die Pflicht zur Erfüllung der in die Versteigerungsbedingungen fallenden Mieterrechte hängt davon nicht ab. Deswegen erübrigen sich die weiteren Erwägungen des Landgerichts.
- 8
- Die mieterschützende Vorschrift des § 566 a BGB enthält die nach früherem Recht (§ 572 BGB aF) gegebene Tatbestandsvoraussetzung, dass die Sicherheit dem Erwerber ausgehändigt wird oder dieser dem früheren Vermieter gegenüber die Verpflichtung zur Rückgewähr übernimmt, nicht mehr. Durch die geänderte Vorschrift wird der Erwerber dem Mieter gegenüber zur Rückzahlung der Sicherheit ohne Rücksicht darauf verpflichtet, ob er die Mietsicherheit vom früheren Vermieter ausgehändigt bekommen hat oder noch erhalten kann. Nach der gesetzlichen Wertung des § 566 a BGB übernimmt er damit auch das Insolvenzrisiko des früheren Vermieters, wenn dieser die Mietsicherheit weder insolvenzfest angelegt hat noch an den Erwerber aushändigt. Die ungeschmälerte Rückzahlungspflicht des Erwerbers besteht in einem solchen Fall fort (Schmidt-Futterer/Blank Mietrecht 9. Aufl. § 551 BGB Rn. 111; MünchKommBGB/Häublein 5. Aufl. § 566 a Rn. 13; Schmidt-Futterer/Gather Mietrecht 9. Aufl. § 566 a Rn. 24; Zipperer ZfIR 2007, 388, 392; Blank/ Börstinghaus Miete 3. Aufl. § 566 a Rn. 30; Löhnig/Gietel ZVG § 57 Rn. 27; Stöber ZVG 19. Aufl. § 57 Rn. 4.6; Böttcher ZVG 5. Aufl. § 57 Rn. 3; Hintzen/ Engels/Rellermeyer ZVG 13. Aufl. § 57 Rn. 14; Derleder WuM 2002, 239, 244), ebenso wie ein Erwerber, an den das Grundstück vom Insolvenzverwalter veräußert wird, für die Rückzahlung haftet (vgl. Staudinger/Emmerich BGB [2011] § 566 a Rn. 7; MünchKommInsO/Eckert 2. Aufl. § 111 Rn. 11; Franken/Dahl Mietverhältnisse in der Insolvenz 2. Aufl. Rn. 254; Derleder NZM 2004, 568, 578; aA Noltin NZI 2007, 149). Der Gesetzgeber hat damit der Sache nach eine Belastung des vermieteten Grundstücks geschaffen (MünchKommBGB/ Häublein 5. Aufl. § 566 a Rn. 13).
Vorinstanzen:
AG Braunschweig, Entscheidung vom 14.01.2009 - 115 C 465/08 -
LG Braunschweig, Entscheidung vom 22.12.2009 - 6 S 60/09 (015) -
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(1) Wird der vermietete Wohnraum nach der Überlassung an den Mieter von dem Vermieter an einen Dritten veräußert, so tritt der Erwerber anstelle des Vermieters in die sich während der Dauer seines Eigentums aus dem Mietverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten ein.
(2) Erfüllt der Erwerber die Pflichten nicht, so haftet der Vermieter für den von dem Erwerber zu ersetzenden Schaden wie ein Bürge, der auf die Einrede der Vorausklage verzichtet hat. Erlangt der Mieter von dem Übergang des Eigentums durch Mitteilung des Vermieters Kenntnis, so wird der Vermieter von der Haftung befreit, wenn nicht der Mieter das Mietverhältnis zum ersten Termin kündigt, zu dem die Kündigung zulässig ist.
Ist das Grundstück einem Mieter oder Pächter überlassen, so finden die Vorschriften der §§ 566, 566a, 566b Abs. 1, §§ 566c und 566d des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Maßgabe der §§ 57a und 57b entsprechende Anwendung.
(1) Bei der Versteigerung wird nur ein solches Gebot zugelassen, durch welches die dem Anspruch des Gläubigers vorgehenden Rechte sowie die aus dem Versteigerungserlös zu entnehmenden Kosten des Verfahrens gedeckt werden (geringstes Gebot).
(2) Wird das Verfahren wegen mehrerer Ansprüche von verschiedenem Rang betrieben, so darf der vorgehende Anspruch der Feststellung des geringsten Gebots nur dann zugrunde gelegt werden, wenn der wegen dieses Anspruchs ergangene Beschluß dem Schuldner vier Wochen vor dem Versteigerungstermin zugestellt ist.
Ist das Grundstück einem Mieter oder Pächter überlassen, so finden die Vorschriften der §§ 566, 566a, 566b Abs. 1, §§ 566c und 566d des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Maßgabe der §§ 57a und 57b entsprechende Anwendung.
(1) Auf eine Vereinbarung, nach der der Vermieter berechtigt sein soll, nach Überlassung des Wohnraums an den Mieter vom Vertrag zurückzutreten, kann der Vermieter sich nicht berufen.
(2) Ferner kann der Vermieter sich nicht auf eine Vereinbarung berufen, nach der das Mietverhältnis zum Nachteil des Mieters auflösend bedingt ist.
Ist das Grundstück einem Mieter oder Pächter überlassen, so finden die Vorschriften der §§ 566, 566a, 566b Abs. 1, §§ 566c und 566d des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Maßgabe der §§ 57a und 57b entsprechende Anwendung.