Bundesgerichtshof Urteil, 07. Feb. 2017 - XI ZR 379/14
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 7. Februar 2017 durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Ellenberger, die Richter Maihold und Dr. Matthias sowie die Richterinnen Dr. Derstadt und Dr. Dauber
für Recht erkannt:
Tatbestand:
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- Die Klägerin nimmt die beklagte Bank wegen fehlerhafter Beratung im Zusammenhang mit dem Abschluss eines Swap-Geschäfts in Anspruch.
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- Die Klägerin, ein mittelständisches metallverarbeitendes Unternehmen, schloss mit der Beklagten am 25. August 2004 einen Rahmenvertrag für Fi- nanztermingeschäfte (nachfolgend: Rahmenvertrag) und am 22. Oktober 2008 den streitgegenständlichen Cross-Currency-Swap-Vertrag (nachfolgend: CCSVertrag ) mit einer Laufzeit vom 24. Oktober 2008 bis zum 24. Oktober 2013. In diesem Vertrag verpflichtete sich die Klägerin, an die Beklagte zum Enddatum 1.504.300 CHF und zuvor halbjährlich Zinsen in Höhe des 6-Monats-CHFLIBOR -BBA zuzüglich 0,6% p.a. auf diesen Bezugsbetrag zu zahlen, während die Beklagte an die Klägerin zum Enddatum 1.000.000 € und zuvor halbjährlich Zinsen in Höhe des 6-Monats-EUR-EURIBOR-Reuters auf diesen Betrag zu zahlen hatte. In der Folgezeit tauschten die Parteien regelmäßig die Differenzen aus den Zinsverpflichtungen aus.
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- Mit ihrer nach erfolglos betriebenem Güteverfahren erhobenen Klage hat die Klägerin zunächst die Feststellung begehrt, dass der Beklagten keine Ansprüche aus dem streitgegenständlichen Swap-Vertrag zustehen und diese der Klägerin zum Ersatz der künftig noch entstehenden Schäden verpflichtet ist. Nach Ende der Vertragslaufzeit begehrt die Klägerin nunmehr die Zahlung von 207.661,44 € nebst Zinsen. Des Weiteren verlangt sie die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten.
- 4
- Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Der Senat hat die Revision der Klägerin gegen das Berufungsurteil nur zugelassen, soweit es um den Vorwurf der unterbliebenen Aufklärung über den anfänglichen negativen Marktwert des Swap-Vertrags geht. In diesem Umfang verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
- 5
- Die Revision ist begründet. Sie führt in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
- 6
- Das Berufungsgericht (OLG München, BeckRS 2014, 14736) hat zur Begründung seiner Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung - im Wesentlichen ausgeführt:
- 7
- Das Landgericht habe zu Recht eine pflichtwidrige Beratung der Klägerin durch Mitarbeiter der Beklagten verneint. Zwar folge jedenfalls aus dem Rahmenvertrag die Pflicht zur korrekten Beratung der Klägerin. Die Beklagte sei aber nicht verpflichtet gewesen, die Klägerin über einen anfänglichen negativen Marktwert des streitgegenständlichen Swap-Vertrags aufzuklären, da insoweit der Sachverhalt anders liege als in dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 22. März 2011 (XI ZR 33/10, BGHZ 189, 13). Entspreche der anfängliche negative Marktwert dem Gewinn der Bank, sei darüber nicht aufzuklären, da sich die Gewinnerzielungsabsicht der Bank für den Kunden von selbst verstehe. Aufklärungspflichtig werde ein anfänglicher negativer Marktwert nur dann, wenn er durch entsprechende Gestaltung der Berechnungsformel bewusst einstrukturiert worden sei. Vorliegend sei die Berechnungsformel des CCS-Vertrags denkbar einfach. Sie bestehe nur aus drei Parametern, auf deren Entwicklung die Beklagte keinen Einfluss gehabt habe, so dass es ihr nicht möglich gewesen sei, Nachteile für die Klägerin in die Berechnungsformel bewusst einzustrukturieren. Auch wenn die Beklagte über bessere Erkenntnismöglichkeiten hinsichtlich der voraussichtlichen Entwicklung der Berechnungsparameter verfüge als die Klägerin, blieben auch komplex ermittelte Prognosen pure Erwartungen , die sich erfüllen könnten oder auch nicht.
II.
- 8
- Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand.
- 9
- Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht angenommen, im Fall eines CCS-Vertrags, der wie der streitgegenständliche konzipiert sei, bestehe keine Beratungspflicht zur Aufklärung über einen anfänglichen negativen Marktwert, der aus der eingepreisten Gewinnmarge der Bank resultiere.
- 10
- 1. Auch wenn das Einpreisen einer Bruttomarge in ein Swap-Geschäft kein Umstand ist, über den die beratende Bank im Rahmen der objektgerechten Beratung informieren müsste (Senatsurteile vom 20. Januar 2015 - XI ZR 316/13, WM 2015, 575 Rn. 33 ff., vom 28. April 2015 - XI ZR 378/13, BGHZ 205, 117 Rn. 31 f. und vom 22. März 2016 - XI ZR 425/14, WM 2016, 821 Rn. 23), hat sie unter dem Gesichtspunkt eines schwerwiegenden Interessenkonflikts bei Swap-Verträgen im Zweipersonenverhältnis - und damit unabhängig von deren konkreten Bedingungen - die Pflicht, über die Einpreisung eines anfänglichen negativen Marktwerts, d.h. der den Nettogewinn und die Kosten der Bank umfassenden Bruttomarge, sowie über dessen Höhe aufzuklären, es sei denn, der Swap-Vertrag dient nur dazu, die Konditionen eines konnexen Kreditverhältnisses abzuändern (vgl. Senatsurteile vom 28. April 2015, aaO Rn. 39 ff. und vom 22. März 2016, aaO Rn. 24, 27; Senatsbeschluss vom 15. März 2016 - XI ZR 208/15, juris Rn. 10).
- 11
- 2. Hier war die Verpflichtung der Beklagten zur Aufklärung über das Einpreisen eines anfänglichen negativen Marktwerts nicht wegen des Bestehens eines konnexen Gegengeschäfts entfallen. Aus den Feststellungen des Berufungsgerichts ergibt sich nicht, dass die Beklagte der Klägerin ein Darlehen gewährt hatte, mit dem der CCS-Vertrag gemäß den Grundsätzen, die der Senat nach Erlass des Berufungsurteils mit Urteilen vom 22. März 2016 (XI ZR 425/14, WM 2016, 821 Rn. 26 ff.) und vom 12. Juli 2016 (XI ZR 150/15, juris Rn. 25) aufgestellt hat, konnex verknüpft war.
III.
- 13
- 1. Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts kann ein Schadensersatzanspruch der Klägerin wegen einer unzureichenden Information über den anfänglichen negativen Marktwert des CCS-Vertrags zwar nicht aus einer Verletzung von Pflichten aus dem Rahmenvertrag resultieren (vgl. Senatsurteil vom 28. April 2015 - XI ZR 378/13, BGHZ 205, 117 Rn. 25 ff.). Allerdings ist nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht ausgeschlossen, dass zwischen den Parteien ein Einzelberatungsvertrag zustande gekommen ist. Denn in Fällen, in denen der Kunde an die Bank oder die Bank an den Kunden herantritt, um über den Abschluss von Swap-Verträgen beraten zu werden bzw. zu beraten, wird das darin liegende Angebot zum Abschluss eines Beratungsvertrags stillschweigend durch die Aufnahme des Beratungsgesprächs angenommen (st. Rspr., vgl. Senatsurteile vom 6. Juli 1993 - XI ZR 12/93, BGHZ 123, 126, 128, vom 28. April 2015, aaO Rn. 23 und vom 22. März 2016 - XI ZR 425/14, WM 2016, 821 Rn. 21).
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- 2. Aus den Feststellungen des Berufungsgerichts ergibt sich ebenfalls nicht, dass keine Verletzung der Pflicht der Beklagten zur Aufklärung über einen anfänglichen negativen Marktwert des CCS-Vertrags vorliegt.
- 15
- Nach diesen Feststellungen hat die Klägerin behauptet, nicht auf den anfänglichen negativen Marktwert des Swap-Vertrags hingewiesen worden zu sein. Damit hat die Klägerin die geltend gemachte Pflichtverletzung hinreichend dargelegt. Denn schlüssiger Vortrag zur unzureichenden Aufklärung über den anfänglichen negativen Marktwert eines Swap-Vertrags setzt nur voraus, dass der Kunde die Einpreisung eines anfänglichen negativen Marktwerts als solches und das Verschweigen dieser Tatsache vorträgt. Dagegen muss der Kunde den Umfang des anfänglichen negativen Marktwerts nicht beziffern, auch nicht im Sinne der Angabe einer Größenordnung (Senatsbeschlüsse vom 20. Oktober 2015 - XI ZR 532/14, WM 2015, 2279 Rn. 16 f. und vom 15. März 2016 - XI ZR 208/15, juris Rn. 16 f. sowie Senatsurteil vom 22. März 2016 - XI ZR 93/15, WM 2016, 827 Rn. 17).
- 16
- Zudem hat die Beklagte nach den Feststellungen der Vorinstanzen eingeräumt , ihre Gewinnmarge in den streitgegenständlichen Swap-Vertrag eingepreist zu haben.
- 17
- Schließlich hat das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - zu der Behauptung der Beklagten, ihre Mitarbeiter hätten der Klägerin die eingepreiste Gewinnmarge mitgeteilt, keine Feststellungen getroffen.
- 18
- 3. Ein das Verschulden der Beklagten ausschließender unvermeidbarer Rechtsirrtum kommt nicht in Betracht (Senatsurteile vom 22. März 2011 - XI ZR 33/10, BGHZ 189, 13 Rn. 39, vom 28. April 2015 - XI ZR 378/13, BGHZ 205, 117 Rn. 73 und vom 12. Juli 2016 - XI ZR 150/15, juris Rn. 19).
IV.
- 19
- Das Berufungsurteil ist deshalb in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dabei hat der Senat von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht.
- 20
- Für das weitere Verfahren weist der Senat auf die Ausführungen in seinen Urteilen vom 28. April 2015 (XI ZR 378/13, BGHZ 205, 117 Rn. 44, 79 ff.), vom 22. März 2016 (XI ZR 425/14, WM 2016, 821 Rn. 34 f., 54) und vom 12. Juli 2016 (XI ZR 150/15, juris Rn. 15 f.) hin.
LG München I, Entscheidung vom 24.07.2013 - 16 HKO 9568/12 -
OLG München, Entscheidung vom 16.07.2014 - 7 U 3548/13 -
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Annotations
Ergibt die Begründung des Berufungsurteils zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.
(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.
(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.
(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.