Bundesgerichtshof Urteil, 08. Dez. 2010 - VIII ZR 93/10

published on 08/12/2010 00:00
Bundesgerichtshof Urteil, 08. Dez. 2010 - VIII ZR 93/10
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Previous court decisions
Amtsgericht München, 453 C 29573/08, 21/07/2009
Landgericht München I, 15 S 18914/09, 24/03/2010

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 93/10 Verkündet am:
8. Dezember 2010
Ermel,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 8. Dezember 2010 durch den Vorsitzenden Richter Ball, den Richter
Dr. Frellesen, die Richterin Dr. Hessel sowie die Richter Dr. Achilles und
Dr. Schneider

für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts München I vom 24. März 2010 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Beklagte mietete ab 1. September 1986 von der Rechtsvorgängerin der Klägerin ein Zimmer im ersten Stock des Anwesens A. straße in M. . Nach § 1 Nr. 1 des Mietvertrages vom 17. September 1986 wurde das Zimmer "zur Benutzung als Wohnung" vermietet. Mit einem am 28. Dezember 1988 unterzeichneten "Anhang zum Mietvertrag" übernahm der Beklagte ab 1. Januar 1989 ein weiteres angrenzendes Zimmer. Aufgrund "Wohnungs-Mietvertrags" vom 21. März 2000 wurde dem Beklagten schließlich noch ein Zimmer im ersten Stock überlassen; im Gegenzug hierzu gab der Beklagte zwei weitere, von ihm im vierten Obergeschoss des Anwesens angemietete Räume an die Klägerin zurück.
2
Seit September 2000 wohnt der Beklagte mit seiner Tochter in einer im Melderegister der Stadt M. als Erstwohnsitz eingetragenen Wohnung in der B. straße . In den streitgegenständlichen Räumen, die im Melderegister der Stadt M. als "Nebenwohnung" geführt werden, stehen umfangreicher eigener - teilweise ererbter - Hausrat sowie Gegenstände der verstorbenen Großmutter der Tochter des Beklagten. Der Beklagte bietet in der Wohnung befindliche Gegenstände in der Zeitschrift "kurz und fündig" zum Verkauf an und empfängt in der Wohnung Kaufinteressenten.
3
Die Klägerin hat unter anderem behauptet, der Beklagte nutze die von ihr angemieteten Räume entgegen dem Vertragszweck nicht mehr als Wohnung, sondern als Lager und betreibe aus den Räumen heraus einen gewerblichen Handel mit den dort befindlichen Gegenständen. Der Beklagte hat dies bestritten ; die Verkaufstätigkeiten erschöpften sich in dem gelegentlichen Verkauf von in der Wohnung befindlichen Hausratsgegenständen.
4
Die Klägerin hat den Beklagten wegen der von ihr als vertragswidrig angesehenen Nutzung der angemieteten Räume erfolglos mit Schreiben vom 30. April 2008 und 1. Juli 2008 abgemahnt. Mit der Klage hat die Klägerin den Beklagten auf Unterlassung der Nutzung der angemieteten Räume "zu gewerblichen Zwecken, insbesondere als Lager und Verkaufsräume" in Anspruch genommen. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Im Zuge der von ihr gegen das erstinstanzliche Urteil eingelegten Berufung hat die Klägerin zusätzlich den Hilfsantrag gestellt, den Beklagten zu verpflichten, es zu unterlassen, die angemieteten Räume "zu anderen als Wohnzwecken" zu nutzen. Die Berufung der Klägerin ist auch im Hilfsantrag erfolglos geblieben. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Unterlassungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

5
Die Revision hat keinen Erfolg.

I.

6
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt :
7
Der Klägerin stehe gegen den Beklagten kein Anspruch auf Unterlassung aus § 541 BGB zu.
8
Zwar seien die Räume unstreitig zu Wohnzwecken vermietet worden. Aus dem Gesetz lasse sich jedoch keine Pflicht ableiten, in den zu Wohnzwecken angemieteten Räumen auch tatsächlich zu wohnen; eine Gebrauchspflicht kenne das Gesetz nicht.
9
Soweit die Klägerin dem Beklagten vorwerfe, er verwende die vermieteten Räume zum Betrieb eines Gewerbes, sei der Sachvortrag der insoweit darlegungs - und beweisbelasteten Klägerin nicht ausreichend, um einen vertragswidrigen Gebrauch annehmen zu können. Die Klägerin habe nicht konkret behauptet , dass die Tätigkeit des Beklagten nach außen in Erscheinung trete, etwa durch Anbringung eines Schildes am Hauseingang oder das tägliche Erscheinen einer größeren Anzahl von Kunden. Auch sei nicht vorgetragen, dass der Beklagte für seine Verkaufsaktivitäten Mitarbeiter beschäftige.
10
Die Klage bleibe auch im zulässigen Hilfsantrag erfolglos. Der Vortrag der Klägerin sei nicht geeignet, eine Nutzung der angemieteten Räume zu anderen als Wohnzwecken darzulegen. Dass sich in einer Wohnung Einrichtungsgegenstände befänden, sei für eine Wohnnutzung gerade typisch; anders wäre es, wenn der Beklagte die Wohnung zur Lagerung ölverschmierter Auto- teile nutzen würde. Im Übrigen seien ein Nachteil der Klägerin oder eine Belästigung anderer Mitmieter durch die Nutzung des Beklagten weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

II.

11
Diese Beurteilung des Berufungsgerichts hält rechtlicher Nachprüfung stand. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts steht der Klägerin gegen den Beklagten kein Unterlassungsanspruch gemäß § 541 BGB zu.
12
1. Die Klägerin hat von dem Beklagten Unterlassung begehrt, die angemieteten Räume "zu gewerblichen Zwecken, insbesondere als Lager- und Verkaufsräume" hilfsweise "zu anderen als Wohnzwecken" zu nutzen. Angesichts ihrer sehr weiten, insbesondere im Hilfsantrag einen konkreten Verletzungstatbestand nicht einmal ansatzweise beschreibenden Fassung ist fraglich, ob die gestellten Prozessanträge im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO noch hinreichend bestimmt sind, um eine zulässige Klageerhebung annehmen zu können. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf ein Verbotsantrag nicht derart undeutlich gefasst sein, dass Gegenstand und Umfang der Entscheidungsbefugnis des Gerichts (§ 308 Abs. 1 ZPO) nicht erkennbar abgegrenzt sind, sich der Beklagte deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und letztlich die Entscheidung darüber, was ihm verboten ist, dem Vollstreckungsverfahren überlassen bliebe (st. Rspr; vgl. nur BGH, Urteil vom 17. Juli 2003 - I ZR 259/00, BGHZ 156, 1, 8 f. - "Paperboy"; zuletzt: BGH, Urteil vom 29. April 2010 - I ZR 202/07, GRUR 2010, 749 Rn. 21 - "Erinnerungswerbung im Internet" ). Dies kann jedoch dahin stehen, denn der Klägerin steht auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen jedenfalls materiellrechtlich kein Unterlassungsanspruch zu.
13
2. Nach § 541 BGB kann der Vermieter auf Unterlassung klagen, wenn der Mieter einen vertragswidrigen Gebrauch der Mietsache trotz Abmahnung fortsetzt. Die Parteien haben im Streitfall eine Nutzung zu Wohnzwecken vereinbart. Die tatsächliche Nutzung der angemieteten Räume durch den Beklagten hält sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts innerhalb dieses vereinbarten Zwecks.
14
Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass den Mieter keine Gebrauchspflicht trifft (vgl. Senatsurteile vom 4. April 1979 - VIII ZR 118/78, NJW 1979, 2351 unter 2 b; vom 7. März 1983 - VIII ZR 333/81, WM 1983, 531 unter I 2 c bb); wo der Mieter seinen Lebensmittelpunkt begründet und im herkömmlichen Sinne "wohnt" (schlafen, essen, regelmäßiger Aufenthalt etc.) ist den persönlichen Vorstellungen und der freien Entscheidung des Mieters überlassen. Dass der Beklagte seinen Lebensmittelpunkt seit dem Jahr 2000 nicht mehr in den von der Klägerin angemieteten Räumen, sondern in der Wohnung in der B. straße sieht und in den angemieteten Räumen nur noch umfangreicher Hausrat steht, vermag daher entgegen der Auffassung der Revision die grundsätzlich nach wie vor gegebene Nutzung zu Wohnzwecken nicht zu verändern.
15
Auch ist dem Berufungsgericht zuzustimmen, wenn es die Existenz von Hausratsgegenständen in einer Wohnung als geradezu typisch für eine Wohnnutzung ansieht. Die Anzahl der Hausratsgegenstände ist dabei ebenso ohne Belang wie ihre Anordnung in der Wohnung. Auch ist es einem Mieter unbenommen , eigene oder in seiner Verfügungsbefugnis stehende Hausratsgegenstände von Familienangehörigen zu veräußern; darin liegt grundsätzlich auch dann keine von einer Vereinbarung mit dem Vermieter abhängige geschäftliche Tätigkeit des Mieters, wenn sie nach außen in Erscheinung tritt. Zwar mag sich im Einzelfall auch aus derartigen Tätigkeiten ein Unterlassungsanspruch des Vermieters nach § 541 BGB wegen vertragswidrigen Gebrauchs ergeben können , etwa wenn die zum Verkauf angebotenen Gegenstände nicht zur persönlichen Nutzung, sondern zu Zwecken des alsbaldigen Weiterverkaufs erworben worden sind oder der Mieter durch die Verkaufstätigkeiten Schutz- und Obhutspflichten in Bezug auf die Mietsache verletzt oder den vertragsgemäßen Gebrauch anderer Mieter stört. Für all das fehlt es jedoch im Streitfall an tatrichterlichen Feststellungen; übergangenen Sachvortrag der Klägerin zeigt die Revision insoweit nicht auf. Ball Dr. Frellesen Dr. Hessel Dr. Achilles Dr. Schneider
Vorinstanzen:
AG München, Entscheidung vom 21.07.2009 - 453 C 29573/08 -
LG München I, Entscheidung vom 24.03.2010 - 15 S 18914/09 -
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(1) Die Erhebung der Klage erfolgt durch Zustellung eines Schriftsatzes (Klageschrift). (2) Die Klageschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung der Parteien und des Gerichts;2.die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Ansp

(1) Das Gericht ist nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Dies gilt insbesondere von Früchten, Zinsen und anderen Nebenforderungen. (2) Über die Verpflichtung, die Prozesskosten zu tragen, hat das Gericht auch oh

Setzt der Mieter einen vertragswidrigen Gebrauch der Mietsache trotz einer Abmahnung des Vermieters fort, so kann dieser auf Unterlassung klagen.
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(1) Die Erhebung der Klage erfolgt durch Zustellung eines Schriftsatzes (Klageschrift). (2) Die Klageschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung der Parteien und des Gerichts;2.die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Ansp

(1) Das Gericht ist nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Dies gilt insbesondere von Früchten, Zinsen und anderen Nebenforderungen. (2) Über die Verpflichtung, die Prozesskosten zu tragen, hat das Gericht auch oh

Setzt der Mieter einen vertragswidrigen Gebrauch der Mietsache trotz einer Abmahnung des Vermieters fort, so kann dieser auf Unterlassung klagen.
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Setzt der Mieter einen vertragswidrigen Gebrauch der Mietsache trotz einer Abmahnung des Vermieters fort, so kann dieser auf Unterlassung klagen.

(1) Die Erhebung der Klage erfolgt durch Zustellung eines Schriftsatzes (Klageschrift).

(2) Die Klageschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung der Parteien und des Gerichts;
2.
die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs, sowie einen bestimmten Antrag.

(3) Die Klageschrift soll ferner enthalten:

1.
die Angabe, ob der Klageerhebung der Versuch einer Mediation oder eines anderen Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vorausgegangen ist, sowie eine Äußerung dazu, ob einem solchen Verfahren Gründe entgegenstehen;
2.
die Angabe des Wertes des Streitgegenstandes, wenn hiervon die Zuständigkeit des Gerichts abhängt und der Streitgegenstand nicht in einer bestimmten Geldsumme besteht;
3.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(4) Außerdem sind die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze auch auf die Klageschrift anzuwenden.

(5) Die Klageschrift sowie sonstige Anträge und Erklärungen einer Partei, die zugestellt werden sollen, sind bei dem Gericht schriftlich unter Beifügung der für ihre Zustellung oder Mitteilung erforderlichen Zahl von Abschriften einzureichen. Einer Beifügung von Abschriften bedarf es nicht, soweit die Klageschrift elektronisch eingereicht wird.

(1) Das Gericht ist nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Dies gilt insbesondere von Früchten, Zinsen und anderen Nebenforderungen.

(2) Über die Verpflichtung, die Prozesskosten zu tragen, hat das Gericht auch ohne Antrag zu erkennen.

Setzt der Mieter einen vertragswidrigen Gebrauch der Mietsache trotz einer Abmahnung des Vermieters fort, so kann dieser auf Unterlassung klagen.