Bundesgerichtshof Urteil, 12. Dez. 2012 - VIII ZR 89/12
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger kaufte von der Beklagten mit Vertrag vom 4. Dezember 2007 einen zehn Jahre alten Fiat 146L zum Preis von 1.700 € unter Ausschluss der Sachmängelhaftung. Beide Parteien sind Verbraucher. Der Ehemann der Beklagten , der einen Kraftfahrzeughandel betreibt, hatte die Beklagte zur Unterzeichnung des Kaufvertrages veranlasst, um Sachmängelansprüche ausschließen zu können. Der Kaufvertrag enthält unter anderem die Eintragung, dass das Fahrzeug zwei Vorbesitzer gehabt habe und die nächste Hauptuntersuchung im November 2009 anstehe.
- 2
- Kurz nach der Übergabe des Fahrzeugs stellte sich heraus, dass die übergebenen Bescheinigungen vom 22. November 2007 über die durchgeführte Hauptuntersuchung und die Abgasuntersuchung gefälscht waren. Der Kläger erklärte aus diesem Grund mit Anwaltsschreiben vom 10. Dezember 2008 die Anfechtung des Vertrages wegen arglistiger Täuschung und mit Schreiben vom 7. April 2010 den Rücktritt vom Vertrag.
- 3
- Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Rückzahlung des Kaufpreises nebst Zinsen und außergerichtlichen Anwaltskosten. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
- 4
- Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
- 5
- Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
- 6
- Der Kläger habe keinen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises. Der Rücktritt vom Kaufvertrag sei nicht wirksam, weil Sachmängelansprüche des Klägers wegen der von der Beklagten erhobenen Verjährungseinrede nicht durchsetzbar seien. Der Kläger könne von der Beklagten auch nicht nach § 812 Abs. 1 BGB Rückzahlung des Kaufpreises verlangen. Denn der Vertrag sei wirksam und auch nicht später wieder entfallen.
- 7
- Der Umstand, dass die Beklagte mit dem von ihr an den Kläger verkauften Pkw nichts zu tun gehabt habe, sondern lediglich als Verkäuferin vorgeschoben worden sei, habe nicht zur Folge, dass der Kaufvertrag als unwirksam anzusehen sei. Im Fall eines Umgehungsgeschäfts durch Einsetzen eines Strohmanns auf Verkäuferseite sei der zwischen dem Strohmann und dem Verbraucher abgeschlossene Kaufvertrag als wirksam anzusehen. Ein Scheingeschäft im Sinne des § 117 BGB liege nicht vor, da die mit dem Kaufvertrag verbundenen Rechtsfolgen von beiden Kaufvertragsparteien, insbesondere auch von dem Käufer, gewollt seien.
- 8
- Der zwischen den Parteien abgeschlossene Kaufvertrag sei auch nicht nachträglich durch die vom Kläger erklärte Anfechtung wegen arglistiger Täuschung entfallen. Dem Kläger stehe kein Anfechtungsrecht nach § 123 BGB zu. Er könne sich nicht darauf berufen, von der Beklagten durch ein arglistiges Verhalten zum Kaufvertragsabschluss veranlasst worden zu sein. Denn er habe nicht den ihm obliegenden Nachweis führen können, dass die Beklagte Kenntnis davon gehabt habe, dass die Fahrzeugpapiere gefälscht gewesen seien. In Bezug auf die Anzahl der Voreigentümer und den Umstand, dass ein Voreigentümer nicht in den Fahrzeugpapieren eingetragen gewesen sei, sei eine etwaige hiermit verbundene Täuschung seitens der Beklagten beziehungsweise der hinter ihr stehenden Betreiber der Kfz-Werkstatt jedenfalls nicht ursächlich für die Kaufentscheidung des Klägers gewesen.
II.
- 9
- Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand; die Revision ist daher zurückzuweisen. Dem Kläger steht gegenüber der Beklagten kein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises zu.
- 10
- 1. Das Berufungsgericht hat einen vertraglichen Rückabwicklungsanspruch rechtsfehlerfrei mit der Begründung verneint, dass der vom Kläger erklärte Rücktritt vom Vertrag unwirksam ist, weil etwaige Sachmängelansprüche des Klägers gemäß § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB verjährt sind und die Vorausset- zungen für eine Verlängerung der Verjährungsfrist gemäß § 438 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht vorliegen.
- 11
- Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Tatsachenfeststellung des Berufungsgerichts, dass der Kläger nicht durch ein arglistiges Verhalten der Beklagten oder der hinter ihr stehenden Betreiber der Kraftfahrzeugwerkstatt zum Abschluss des Kaufvertrags veranlasst worden ist. Die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts, dass eine etwaige Täuschung über die Anzahl der Vorbesitzer für den Kaufentschluss des Klägers jedenfalls nicht ursächlich war, weil es dem Kläger unter Berücksichtigung des Alters und des geringen Preises des Fahrzeugs nicht darauf angekommen sei, ob dieses einen Voreigentümer mehr hatte als im Kaufvertrag angegeben und aus den Fahrzeugpapieren ersichtlich war, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Die Rüge der Revision, die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts sei nicht überprüfbar, weil die Aussagen der Zeugen H. und R. nicht protokolliert worden seien, greift nicht durch. Denn das Berufungsgericht hat die Aussagen dieser Zeugen nicht verwertet, sondern stützt seine Sachverhaltswürdigung auf die eigenen Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung, die im Berufungsurteil wiedergegeben sind.
- 12
- 2. Ein Schadensersatzanspruch gemäß § 280 Abs. 1, § 311 Abs. 2, 3, § 241 Abs. 2 BGB wegen vorsätzlich unterlassener Aufklärung über die Anzahl der Vorbesitzer (vgl. dazu Senatsurteil vom 16. Dezember 2009 - VIII ZR 38/09, NJW 2010, 858) besteht ebenfalls nicht. Das Berufungsgericht hat auch insoweit rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die Anzahl der Vorbesitzer im vorliegenden Fall keine maßgebliche Bedeutung für die Kaufentscheidung des Klägers hatte und deshalb ein etwaiges bewusstes Verschweigen des Umstandes, dass ein Voreigentümer nicht in den Fahrzeugpapieren eingetragen war, jedenfalls nicht ursächlich für den Kaufvertragsabschluss war.
- 13
- 3. Entgegen der Auffassung der Revision steht dem Kläger auch kein bereicherungsrechtlicher Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB zu. Denn der zwischen den Parteien geschlossene Kaufvertrag ist wirksam zustande gekommen. Der Rechtsgrund für die Zahlung des Kaufpreises ist auch nicht nachträglich entfallen (§ 812 Abs. 1 Satz 2 BGB).
- 14
- a) Der zwischen dem Kläger und der Beklagten zustande gekommene Kaufvertrag ist kein Scheingeschäft im Sinne des § 117 Abs. 1 BGB. Nach dieser Bestimmung ist eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben ist, nichtig, wenn sie mit dessen Einverständnis nur zum Schein abgegeben wird. Diese Voraussetzungen hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Es hat vielmehr rechtsfehlerfrei die Feststellung getroffen, dass die mit dem Kaufvertrag verbundenen Rechtsfolgen von beiden Parteien, insbesondere auch vom Kläger, gewollt waren. Damit scheidet ein Scheingeschäft aus.
- 15
- Daran ändert auch nichts, dass die Beklagte von ihrem Ehemann dazu veranlasst worden war, den Kaufvertrag abzuschließen, damit kein Verbrauchsgüterkauf vorliegt und die Sachmängelhaftung ausgeschlossen werden konnte. Das Vorschieben eines Strohmanns erfolgt im rechtsgeschäftlichen Verkehr nicht zum Schein. Vielmehr ist das Strohmann-Geschäft ernstlich gewollt , weil sonst der damit erstrebte wirtschaftliche Zweck nicht oder nicht in rechtsbeständiger Weise erreicht würde. Daher ist ein solches Geschäft nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für den Strohmann rechtlich bindend (Senatsurteil vom 13. März 2002 - VIII ZR 292/00, NJW 2002, 2030 unter II 1 mwN).
- 16
- Etwas anderes käme nach § 117 Abs. 1 BGB nur dann in Betracht, wenn der Kläger Kenntnis davon gehabt hätte und damit einverstanden gewesen wäre , dass die Beklagte lediglich als "Strohmann" für ihren Ehemann aufgetreten ist. Dafür fehlt es jedoch, wie ausgeführt, an Feststellungen des Berufungsgerichts. Übergangenen Sachvortrag hierzu zeigt die Revision nicht auf.
- 17
- Aus dem Senatsurteil vom 22. November 2006 (VIII ZR 72/06, BGHZ 170, 67) ergibt sich nichts anderes. In dieser Entscheidung (aaO Rn. 16) hat der Senat die Frage, wie die ausschließliche Haftung des Händlers für Sachmängelansprüche bei einem Umgehungsgeschäft dogmatisch zu begründen ist, offen gelassen, weil es darauf nicht ankam. Dort hat der Senat lediglich Literaturmeinungen zur Begründung der ausschließlichen Haftung des Händlers wiedergegeben , unter anderem die Auffassung von Müller (NJW 2003, 1975, 1980), wonach der vorgeschobene Kaufvertrag zwischen den Verbrauchern als Scheingeschäft unwirksam sein soll. Diese Auffassung entspricht aber nicht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und ist vom Senat auch nicht gebilligt worden. Da es auch im vorliegenden Fall nicht um die Haftung des Händlers geht, bedarf auch hier keiner Entscheidung, wie dessen ausschließliche Haftung bei einem Umgehungsgeschäft zu begründen ist.
- 18
- b) Der Rechtsgrund für die Zahlung des Kaufpreises ist entgegen der Auffassung der Revision auch nicht durch die vom Kläger erklärte Anfechtung des Kaufvertrages wegen arglistiger Täuschung entfallen. Das Berufungsgericht hat, wie ausgeführt, rechtsfehlerfrei festgestellt, dass eine etwaige Täuschung über die Anzahl der Vorbesitzer für den Kaufentschluss des Klägers jedenfalls nicht ursächlich war. Ball Dr. Frellesen Dr. Milger Dr. Achilles Dr. Bünger
AG Meldorf, Entscheidung vom 16.09.2010 - 80 C 461/10 -
LG Itzehoe, Entscheidung vom 21.02.2012 - 1 S 208/10 -
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(1) Verbrauchsgüterkäufe sind Verträge, durch die ein Verbraucher von einem Unternehmer eine Ware (§ 241a Absatz 1) kauft. Um einen Verbrauchsgüterkauf handelt es sich auch bei einem Vertrag, der neben dem Verkauf einer Ware die Erbringung einer Dienstleistung durch den Unternehmer zum Gegenstand hat.
(2) Für den Verbrauchsgüterkauf gelten ergänzend die folgenden Vorschriften dieses Untertitels. Für gebrauchte Waren, die in einer öffentlich zugänglichen Versteigerung (§ 312g Absatz 2 Nummer 10) verkauft werden, gilt dies nicht, wenn dem Verbraucher klare und umfassende Informationen darüber, dass die Vorschriften dieses Untertitels nicht gelten, leicht verfügbar gemacht wurden.
(1) Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn der rechtliche Grund später wegfällt oder der mit einer Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt.
(2) Als Leistung gilt auch die durch Vertrag erfolgte Anerkennung des Bestehens oder des Nichtbestehens eines Schuldverhältnisses.
(1) Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, kann die Erklärung anfechten.
(2) Hat ein Dritter die Täuschung verübt, so ist eine Erklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben war, nur dann anfechtbar, wenn dieser die Täuschung kannte oder kennen musste. Soweit ein anderer als derjenige, welchem gegenüber die Erklärung abzugeben war, aus der Erklärung unmittelbar ein Recht erworben hat, ist die Erklärung ihm gegenüber anfechtbar, wenn er die Täuschung kannte oder kennen musste.
(1) Die in § 437 Nr. 1 und 3 bezeichneten Ansprüche verjähren
- 1.
in 30 Jahren, wenn der Mangel - a)
in einem dinglichen Recht eines Dritten, auf Grund dessen Herausgabe der Kaufsache verlangt werden kann, oder - b)
in einem sonstigen Recht, das im Grundbuch eingetragen ist,
besteht, - 2.
in fünf Jahren - a)
bei einem Bauwerk und - b)
bei einer Sache, die entsprechend ihrer üblichen Verwendungsweise für ein Bauwerk verwendet worden ist und dessen Mangelhaftigkeit verursacht hat, und
- 3.
im Übrigen in zwei Jahren.
(2) Die Verjährung beginnt bei Grundstücken mit der Übergabe, im Übrigen mit der Ablieferung der Sache.
(3) Abweichend von Absatz 1 Nr. 2 und 3 und Absatz 2 verjähren die Ansprüche in der regelmäßigen Verjährungsfrist, wenn der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen hat. Im Falle des Absatzes 1 Nr. 2 tritt die Verjährung jedoch nicht vor Ablauf der dort bestimmten Frist ein.
(4) Für das in § 437 bezeichnete Rücktrittsrecht gilt § 218. Der Käufer kann trotz einer Unwirksamkeit des Rücktritts nach § 218 Abs. 1 die Zahlung des Kaufpreises insoweit verweigern, als er auf Grund des Rücktritts dazu berechtigt sein würde. Macht er von diesem Recht Gebrauch, kann der Verkäufer vom Vertrag zurücktreten.
(5) Auf das in § 437 bezeichnete Minderungsrecht finden § 218 und Absatz 4 Satz 2 entsprechende Anwendung.
(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.
(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.
(1) Zur Begründung eines Schuldverhältnisses durch Rechtsgeschäft sowie zur Änderung des Inhalts eines Schuldverhältnisses ist ein Vertrag zwischen den Beteiligten erforderlich, soweit nicht das Gesetz ein anderes vorschreibt.
(2) Ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 entsteht auch durch
- 1.
die Aufnahme von Vertragsverhandlungen, - 2.
die Anbahnung eines Vertrags, bei welcher der eine Teil im Hinblick auf eine etwaige rechtsgeschäftliche Beziehung dem anderen Teil die Möglichkeit zur Einwirkung auf seine Rechte, Rechtsgüter und Interessen gewährt oder ihm diese anvertraut, oder - 3.
ähnliche geschäftliche Kontakte.
(3) Ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 kann auch zu Personen entstehen, die nicht selbst Vertragspartei werden sollen. Ein solches Schuldverhältnis entsteht insbesondere, wenn der Dritte in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch nimmt und dadurch die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsschluss erheblich beeinflusst.
(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen.
(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.
(1) Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn der rechtliche Grund später wegfällt oder der mit einer Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt.
(2) Als Leistung gilt auch die durch Vertrag erfolgte Anerkennung des Bestehens oder des Nichtbestehens eines Schuldverhältnisses.