Bundesgerichtshof Urteil, 22. Sept. 2005 - VII ZR 63/04
published on 22/09/2005 00:00
Bundesgerichtshof Urteil, 22. Sept. 2005 - VII ZR 63/04
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Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VII ZR 63/04 Verkündet am:
22. September 2005
Seelinger-Schardt,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
VOB/B § 8 Nr. 1 Abs. 2
a) Ein vereinbartes Skonto kann nach einer freien Kündigung des Auftraggebers
nicht von der für nicht erbrachte Leistungen geschuldeten Vergütung als ersparte
Aufwendung des Auftragnehmers abgezogen werden.
b) Der Auftragnehmer muss nach freier Kündigung des Auftraggebers seine Vergütung
für nicht erbrachte Leistungen auf der Grundlage des dafür vereinbarten
Preises abzüglich anderweitigen Erwerbs und der Kosten berechnen, die bei Fortführung
des Bauvertrages tatsächlich entstanden wären. Entsprechen diese Kosten
seiner Kalkulation, kann er diese vortragen.
BGH, Urteil vom 22. September 2005 - VII ZR 63/04 - OLG Hamm
LG Münster
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 22. September 2005 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Dressler und die
Richter Dr. Haß, Hausmann, Dr. Kuffer und Bauner
für Recht erkannt:
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 24. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 20. November 2003 wird zurückgewiesen. Die Kosten des Revisionsverfahrens trägt die Beklagte.
Von Rechts wegen
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Vergütung für nicht erbrachte Bauleistungen in Anspruch. Die Beklagte beauftragte den Kläger Ende 1994 mit der Durchführung von Stahlbauarbeiten; die Auftragssumme betrug 543.720,80 DM, auf die der Kläger einen Nachlass von 3 % sowie Skonto von 2 % bei Zahlung innerhalb von zehn Arbeitstagen einräumte. Die VOB/B war vereinbart. Die auf den Auftragsteil "Müllbunker" entfallende Auftragssumme belief sich auf 95.423,60 DM netto. Nach der Behauptung der Beklagten hat der Kläger für diesen Teil 900 Arbeitsstunden kalkuliert. Nachdem der Auftraggeber der Beklagten dieser mitgeteilt hatte, das Bauteil "Müllbunker" solle nicht ausgeführt werden, kündigtedie Beklagte dem Kläger Ende November 1996 den Bauvertrag hinsichtlich dieses Bauteils. Im Juli 1997 erteilte der Kläger der Beklagten seine Schlussrechnung , in der eine "Entschädigung" für den entzogenen Auftragsteil "Müllbunker" enthalten ist. Der Kläger hat Zahlung von 58.489,93 DM begehrt. Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme die Beklagte zur Zahlung von 47.459,54 DM verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Von der für das Bauteil "Müllbunker" vereinbarten Vergütung seien 3 % Nachlass sowie ersparte Aufwendungen abzuziehen. Die ersparten Personalkosten seien nicht auf der Basis von 900 Arbeitsstunden , sondern auf der Basis des sachverständig festgestellten tatsächlichen Aufwands von 535 Stunden zu berechnen. Die Berufung der Beklagten hat zur Abänderung des erstinstanzlichen Urteils dahin geführt, dass die Beklagte zur Zahlung von 20.119,94 € (= 39.351,18 DM) verurteilt worden ist. Als Basis für die ersparten Aufwendungen ist das Berufungsgericht ebenfalls von dem tatsächlichen Aufwand von 535 Stunden ausgegangen. Die Revision hat es mit der Begründung zugelassen, es sei klärungsbedürftig, ob diejenigen Kosten eines Auftragnehmers erspart seien, die bei Fortführung des Vertrages für ihn tatsächlich entstanden wären. Die Beklagte begehrt mit ihrer Revision Klageabweisung.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat keinen Erfolg.Auf das Schuldverhältnis der Parteien sind die Gesetze in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung anzuwenden (Art. 229 Abs. 5 Satz 1 EGBGB).
I.
1. Das Berufungsgericht geht zur Ermittlung der Vergütung, die dem Kläger für nicht erbrachte Leistungen gemäß § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B zusteht, von dem für das Bauteil "Müllbunker" vereinbarten Preis abzüglich 3 % Nachlass aus. Ein weiterer Abzug von 2 % wegen des vereinbarten Skontos sei nicht vorzunehmen , da die Beklagte nur im Falle der Bezahlung der Rechnungssumme innerhalb von zehn Arbeitstagen zum Skontoabzug berechtigt gewesen und es hierzu nicht gekommen sei. 2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung stand. Zu Recht hat das Berufungsgericht einen Skontoabzug von 2 % nicht vorgenommen. Skonto bedeutet einen prozentualen Abzug vom Rechnungsbetrag, der bei sofortiger oder kurzfristiger Zahlung gewährt wird. Das Verständnis des Berufungsgerichts , die Vereinbarung über den Skontoabzug gelte auch für den in der Schlussrechnung des Klägers enthaltenen Teil der Vergütung der nicht erbrachten Leistung, liegt nahe und ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Da eine Zahlung jedoch nicht innerhalb von zehn Tagen erfolgte, kann die Beklagte den Skontoabzug nicht verlangen. Unzutreffend ist die von der Revision vertretene Auffassung, der Skontoabzug sei deshalb vorzunehmen, weil der Kläger insoweit Aufwendungen erspart habe. Diese Erwägung geht fehl. Der vereinbarte Skontoabzug unter bestimmten vom Auftraggeber zu erfüllenden Bedingungen ist schon begrifflich keine ersparte Aufwendung des Auftragnehmers.II.
1. Das Berufungsgericht führt aus, zur Feststellung der ersparten Aufwendungen seien zunächst diejenigen maßgebend, die sich nach den Vertragsunterlagen unter Berücksichtigung der Kalkulation des Auftragnehmers ergäben. Damit werde der Auftraggeber in die Lage versetzt zu überprüfen, ob der Auftragnehmer ersparte Kosten auf der Grundlage der konkreten, dem Vertrag zugrunde liegenden Kalkulation zutreffend berechnet habe. Allerdings sei eine Darlegung der ersparten Kosten zulässig, die sich bei Durchführung des Auftrags tatsächlich ergeben hätten, da der Auftragnehmer aus der Kündigung des Vertrages weder Vor- noch Nachteile haben solle. Diese Auffassung sei in der höchstrichterlichen Rechtsprechung noch nicht mit hinreichender Deutlichkeit bestätigt. Der Kläger habe auf der Grundlage des schriftlichen und mündlich erläuterten Gutachtens des Sachverständigen F. den Beweis geführt, er hätte den Auftragsteil "Müllbunker" in 535 Arbeitsstunden ausführen können. Grundlage für die Abrechnung der ersparten Aufwendungen sei dieser Aufwand , selbst wenn der Kläger zunächst einen höheren Aufwand behauptet oder kalkuliert habe. 2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung stand. Die Auffassung des Berufungsgerichtes entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und dem überwiegenden Teils des Schrifttums.a) Der Anspruch aus § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B ist ein Vergütungsanspruch, der unter Abzug der ersparten Aufwendungen und des anderweitigen Erwerbs entsteht. Der Auftragnehmer hat zur Darlegung dieses Anspruches die vereinbarte Vergütung und ferner vorzutragen, welche Kosten er erspart hat und gegebenenfalls welchen anderweitigen Erwerb er sich anrechnen zu lassen hat. Erspart sind die Aufwendungen, die der Unternehmer bei der Ausführung des
Vertrages hätte machen müssen und die er wegen der Kündigung nicht mehr machen muss. Dabei ist auf die Aufwendungen abzustellen, die durch die Nichtausführung des konkreten Vertrages entfallen sind (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 14. Januar 1999 - VII ZR 277/97, BGHZ 140, 263, 265; Urteil vom 28. Oktober 1999 - VII ZR 326/98, BGHZ 143, 79, 82).
b) Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht seiner Entscheidung zutreffend zugrunde gelegt. Der Bundesgerichtshof hat klargestellt, dass für die Berechnung der ersparten Aufwendungen nach Kündigung des Auftraggebers die Ersparnis maßgeblich ist, die der Auftragnehmer tatsächlich hat. Das ergibt sich aus § 649 Satz 2 BGB und aus der dem Gesetz nachgebildeten Regelung des § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B. Diese Regelung sieht keine Möglichkeit vor, auf die kalkulatorisch ersparten Aufwendungen abzustellen. Auf diese Weise ist das Prinzip der Vor- und Nachteilswahrung gewährleistet (vgl. dazu BGH, Urteil vom 24. Juni 1999 - VII ZR 342/98, BauR 1999, 1292 = ZfBR 1999, 339). Der Auftragnehmer muss deshalb die konkrete Entwicklung der Kosten vortragen, die bei Durchführung des Auftrages tatsächlich entstanden wären und die er erspart hat. Solange sich keine Anhaltspunkte für eine andere Kostenentwicklung ergeben, reicht es aus, wenn der Auftragnehmer die Ersparnis auf der Grundlage seiner ursprünglichen Kalkulation berechnet (BGH, Urteile vom 24. Juni 1999 - VII ZR 342/98, BauR 1999, 1292 = ZfBR 1999, 339 und vom 8. Juli 1999 - VII ZR 237/98, BauR 1999, 1294 = ZfBR 2000, 30). Dieser Auffassung ist das Schrifttum überwiegend gefolgt (Ingenstau/Korbion/Vygen, VOB, 15. Aufl., B § 8 Nr. 1 Rdn. 45; Heiermann/ Riedl/Rusam, VOB, 10. Aufl., B § 8 Rdn. 8; Franke, Kemper, Zanner, Grünhagen, VOB, 2. Aufl., § 8 Rdn. 23; Kniffka, Jahrbuch des Baurechts 2000, 1, 9 f.; Markus, NZBau 2005, 417, 419; a. A. Leinemann, VOB/B, § 8 Rdn. 50 und grundsätzlich auch: Kapellmann/MesserschmidtLederer , VOB/B, § 8 Rdn. 30 ff. sowie Kapellmann/Schiffers, Bd. II, 3. Aufl., Rdn. 1363, die allerdings der Auffassung sind, dass der Auftragnehmer nach
tatsächlich ersparten Kosten abrechnen darf, wenn diese feststehen und diese Abrechnungsart für ihn günstig ist).
c) Zu Unrecht greift die Revision die Feststellung des Berufungsgerichtes an, dass sich die Kosten des Klägers anders entwickelt hätten als nach seiner ursprünglichen Kalkulation. Ihre Rüge, die mündlichen Erläuterungen des Sachverständigen F. seien widersprüchlich, hat der Senat geprüft und nicht für durchgreifend erachtet; von einer Begründung wird abgesehen (§ 564 ZPO).
d) Die weitere Rüge, das Berufungsgericht sei dem Vortrag der Beklagten nicht nachgegangen, die ursprüngliche Kalkulation der Arbeitsstunden des Klägers könne auf betrieblichen Besonderheiten beruhen, greift nicht durch. Das Berufungsgericht hat in seiner revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Beweiswürdigung das schriftliche Gutachten und die mündlichen Erläuterungen des Sachverständigen F. umfassend gewürdigt. Der Sachverständige und ihm folgend das Berufungsgericht haben dem Wechsel in den Angaben des Klägers zur benötigten Stundenzahl für das nicht ausgeführte Bauteil "Müllbunker" hinreichend Rechnung getragen. Die Beklagte hat ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 20. November 2003 den Kläger auch nicht nach etwa bestehenden
betrieblichen Besonderheiten für die Ausführung der Arbeiten gefragt, die zu einer Abweichung der vom Sachverständigen F. errechneten Stundenzahl hätten führen können. Dressler Haß Hausmann Kuffer Bauner
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Die Entscheidung braucht nicht begründet zu werden, soweit das Revisionsgericht Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Dies gilt nicht für Rügen nach § 547.
(1) Ist dem Vertrag ein Kostenanschlag zugrunde gelegt worden, ohne dass der Unternehmer die Gewähr für die Richtigkeit des Anschlags übernommen hat, und ergibt sich, dass das Werk nicht ohne eine wesentliche Überschreitung des Anschlags ausführbar i
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Die Entscheidung braucht nicht begründet zu werden, soweit das Revisionsgericht Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Dies gilt nicht für Rügen nach § 547.
(1) Ist dem Vertrag ein Kostenanschlag zugrunde gelegt worden, ohne dass der Unternehmer die Gewähr für die Richtigkeit des Anschlags übernommen hat, und ergibt sich, dass das Werk nicht ohne eine wesentliche Überschreitung des Anschlags ausführbar i
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published on 08/01/2015 00:00
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VII ZR 6/14 Verkündet am: 8. Januar 2015 Seelinger-Schardt, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein
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(1) Ist dem Vertrag ein Kostenanschlag zugrunde gelegt worden, ohne dass der Unternehmer die Gewähr für die Richtigkeit des Anschlags übernommen hat, und ergibt sich, dass das Werk nicht ohne eine wesentliche Überschreitung des Anschlags ausführbar ist, so steht dem Unternehmer, wenn der Besteller den Vertrag aus diesem Grund kündigt, nur der im § 645 Abs. 1 bestimmte Anspruch zu.
(2) Ist eine solche Überschreitung des Anschlags zu erwarten, so hat der Unternehmer dem Besteller unverzüglich Anzeige zu machen.
Die Entscheidung braucht nicht begründet zu werden, soweit das Revisionsgericht Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Dies gilt nicht für Rügen nach § 547.