Bundesgerichtshof Urteil, 07. März 2013 - VII ZR 134/12
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerin begehrt einen Vorschuss zur Mängelbeseitigung.
- 2
- Die Klägerin beauftragte den Beklagten mit der Lieferung und dem Einbau einer Massivholztreppe aus Birke in ihrem Einfamilienhaus. Der Beklagte baute die Treppe im Oktober 2006 ein und rechnete seine Leistungen mit einem Betrag von 3.485,80 € ab. Nachdem Mängel auftraten, unternahm der Beklagte mehrere Nachbesserungsversuche. Weitere Nachbesserungsverlangen wies er schließlich zurück. Die Klägerin behauptet verschiedene Mängel. Unter anderem biege sich die Treppe durch, verursache beim Begehen ein Knarren und sei für die Belastung insgesamt zu schwach ausgelegt. Eine ordnungsgemäße Mängelbeseitigung sei nur durch den Einbau einer neuen, mangelfreien Treppe möglich.
- 3
- Das Amtsgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt, an die Klägerin einen Vorschuss zur Mängelbeseitigung in Höhe von 3.485,80 € nebst Zinsen sowie vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu zahlen. Die Berufung des Beklagten hatte keinen Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision möchte der Beklagte Klageabweisung erreichen.
Entscheidungsgründe:
- 4
- Die Revision ist unbegründet.
I.
- 5
- Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die Treppe sei mangelhaft, weil sie nicht nach den anerkannten Regeln für die Errichtung von handwerklichen Holztreppen ausgeführt worden sei. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme durch Einholung von zwei Sachverständigengutachten müsse nach den fachlichen Standards, die sich aus dem vor mehr als zehn Jahren veröffentlichten "Regelwerk handwerklicher Holztreppen" ergäben, die Wangenstärke einer Treppe grundsätzlich 50 mm betragen. Sofern die Gleichwertigkeit vom Unternehmer nachgewiesen sei, könne die Dicke der Wangenträger auf bis zu 45 mm reduziert werden. Damit entspreche eine Wangenstärke von nur 40 mm - wie sie hier vorliege - dem Regelwerk nicht. Wie sich aus dem Gutachten des Sachverständigen I. ergebe, sei eine solche Treppe nach den anerkannten Regeln der Technik nur dann fachgerecht, wenn für sie eine bauaufsichtliche Zustimmung vorliege, die den Nachweis der Standsicherheit voraussetze. Diese bauaufsichtliche Zustimmung liege nicht vor. Es sei unerheblich, ob sie noch mit Erfolg beantragt werden könne.
- 6
- Es sei auch nicht entscheidend, ob die Treppe tatsächlich standsicher sei. Schon die Nichteinhaltung anerkannter Regeln der Technik machten einen Fehler im Sinne des § 633 Abs. 1 BGB aus; auf die Einhaltung dieser Regeln stütze sich das Vertrauen in die Zuverlässigkeit und Sicherheit der technischen Leistung. Im Übrigen machten die Sachverständigen die zu geringe Stärke jedenfalls der Wangen für die eintretenden Knarrgeräusche verantwortlich, so dass auf diesen Mangel auch konkrete Beeinträchtigungen zurückgingen.
- 7
- Die Höhe des geforderten Vorschusses sei unbedenklich. Der Einbau einer Treppe mit ausreichender Wangenstärke werde voraussichtlich mindestens ebenso viel wie der in Rechnung gestellte Einbau kosten. Die Sachverständigen hätten festgestellt, dass eine Wiederverwendung der eingebauten Stufen zwar unter Umständen möglich sei, aber jedenfalls nicht billiger als eine komplett neu gefertigte Treppe komme. Auch die eventuell mögliche Einholung einer bauaufsichtlichen Zustimmung würde kaum weniger als 5.000 € kosten; zudem seien die Aussichten ungewiss.
II.
- 8
- Das hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
- 9
- 1. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Leistung eines Unternehmers nach § 633 Abs. 2 Satz 1 BGB nur dann vertragsgerecht ist, wenn sie die vereinbarte Beschaffenheit aufweist. Welche Beschaffenheit des Werks von den Parteien vereinbart ist, ergibt sich aus der Auslegung des Vertrags. Üblicherweise verspricht der Unternehmer stillschweigend bei Vertragsschluss die Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik. Entspricht die Werkleistung diesen nicht, liegt regelmäßig ein Werk- mangel vor (BGH, Urteil vom 21. April 2011 - VII ZR 130/10, NZBau 2011, 415 Rn. 11 m.w.N.).
- 10
- 2. Auf dieser Grundlage kommt das sachverständig beratene Berufungsgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis, dass die vom Beklagten eingebaute Treppe den allgemein anerkannten Regeln der Technik nicht entspricht und damit mangelhaft ist.
- 11
- a) Entgegen der Auffassung der Revision kann ein Mangel des Werkes vorliegen, wenn eine allgemein anerkannte Regel der Technik vorsieht, dass eine bestimmte Ausführungsweise nur dann zulässig ist, wenn die Standsicherheit im Einzelfall geprüft ist und der Standsicherheitsnachweis bei einem derart ausgeführten Werk nicht vorliegt. Zur geschuldeten Beschaffenheit gehört in diesem Fall der Standsicherheitsnachweis. Es widerspricht nicht dem Rechtsgedanken des § 633 Abs. 2 Satz 1 BGB, dass ein Werk nicht nur dann regelkonform und damit - vorbehaltlich weiterer vertraglicher Anforderungen - mangelfrei sein könne, wenn die Wangenstärke mindestens 45 mm erreicht, sondern auch dann, wenn bei einer geringeren Wangenstärke ein Standsicherheitsnachweis für die konkrete Treppe im Einzelfall vorliegt.
- 12
- Zu Unrecht meint die Revision, dies offenbare, dass die im Regelwerk niedergelegten Kriterien nicht tauglich seien, einen Sachmangel im juristischen Sinne festzustellen. Denn entweder sei eine Treppe standsicher oder nicht; eine aus baurechtlicher Sicht gerade nicht erforderliche bauaufsichtliche Prüfung könne hieran nichts ändern. Dabei verkennt die Revision, dass der Mangel des Werkes hier nicht aus einer fehlenden Standsicherheit hergeleitet wird. Vielmehr geht es um die davon zu unterscheidende Frage, ob bei der Herstellung des Werkes bestimmte allgemein anerkannte Regeln der Technik eingehalten worden sind, die den Zweck haben, eine Standsicherheit zu erreichen. Es ist gerade typisch, dass allgemein anerkannte Regeln der Technik dazu dienen, mit der notwendigen Gewissheit sicherzustellen, dass bestimmte Eigenschaften des Werkes erreicht werden. Es kommt für die Frage, ob die Regeln verletzt sind, nicht darauf an, ob die Eigenschaften möglicherweise auf anderem Wege erreicht werden, und deshalb die Nichteinhaltung der Regeln im Einzelfall keine weiteren nachteiligen Folgen hat. Das ändert nichts daran, dass die stillschweigend vereinbarte Beschaffenheit der Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln nicht erfüllt ist. Deshalb kann ein Werk etwa bereits dann mangelhaft sein, wenn die Werkstoffe nicht einen nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik notwendigen Gebrauchstauglichkeitsnachweis haben (vgl. OLG Düsseldorf, NJW-RR 1996, 146).
- 13
- Wegen der Vielzahl der möglichen individuell unterschiedlichen Gestaltungen von handwerklichen Holztreppen ist es nach dem technischen Regelwerk nicht ausgeschlossen, auch bei einer geringeren Wangenstärke die Standsicherheit zu gewährleisten. Es hält derartige abweichende Konstruktionen deshalb nicht für durchweg regelwidrig. Ob eine ausreichende Gewissheit für eine erreichte Standsicherheit spricht, lässt sich in diesen Fällen allerdings nicht ohne weiteres und nicht anhand allgemein zu beschreibender Kriterien feststellen. Aus diesem Grund ist erforderlich, dass der Unternehmer durch den Nachweis der Standsicherheit für den Besteller nachvollziehbar dokumentiert, dass aufgrund der Gesamtkonstruktion die sonst notwendige Wangenstärke von 50 mm bzw. unter bestimmten Voraussetzungen 45 mm nicht erreichen muss, ohne dass die Gefahr einer Standunsicherheit besteht. Nur für diese Fälle erlauben die allgemein anerkannten Regeln der Technik ein Unterschreiten der im Übrigen geforderten Wangenstärke. Ob dieser Standsicherheitsnachweis nur durch eine bauaufsichtliche Zustimmung oder auch anderweitig geführt werden kann, muss nicht entschieden werden, denn die Beklagte hat keinerlei Nachweis erbracht.
- 14
- b) Ohne Erfolg rügt die Revision, das vom Sachverständigen I. bestätigte Vorbringen der Beklagten, es komme in der Praxis häufig vor, dass Holztreppen mit einer Wangenstärke von 40 mm verbaut würden, stehe der Einschätzung des Regelwerks als allgemein anerkannter Regel der Technik entgegen. Das Berufungsgericht hat sich, wie aus dem Protokoll der mündlichen Anhörung des Sachverständigen ersichtlich ist, mit diesem Einwand befasst. Es ist gleichwohl aufgrund der Einschätzung des Sachverständigen zu dem Ergebnis gekommen, das "Regelwerk Handwerkliche Holztreppen" gebe insoweit die allgemein anerkannten Regeln der Technik richtig wieder. Allein der Hinweis darauf, dass diese Einschätzung wegen vielfacher Abweichungen in der Praxis fehlerhaft sei, ist kein in der Revision zu berücksichtigender Angriff gegen diese Beweiswürdigung. Das Revisionsgericht ist grundsätzlich an die Beweiswürdigung des Tatrichters gebunden. Die Nachprüfung der Beweiswürdigung in der Revisionsinstanz beschränkt sich darauf, ob der Tatrichter in verfahrensrechtlich nicht zu beanstandender Weise den Streitstoff umfassend, rechtlich möglich, widerspruchsfrei und ohne Verstoß gegen Denk- oder Erfahrungssätze gewürdigt hat (vgl. BGH, Urteil vom 26. Oktober 2004 - XI ZR 211/03, NJW-RR 2005, 558). Insoweit ist das angefochtene Urteil nicht zu beanstanden. Allein der Umstand, dass vielfach eine Wangenstärke von 4 cm angeboten wird, zwingt nicht zu der Annahme, die allgemein anerkannten Regeln der Technik seien im "Regelwerk Handwerkliche Holztreppen" nicht richtig abgebildet. Die vielfache Praxis sagt z.B. nichts darüber aus, ob sich diese Ausführungsweise auch bewährt hat und allgemein anerkannt ist. Nähere Ausführungen dazu finden sich auch nicht in den Revisionsangriffen.
- 15
- c) Das Berufungsgericht hat danach zutreffend in der Unterschreitung der grundsätzlich vorgesehenen Wangenstärke eine Nichteinhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik gesehen und dieses als Mangel gewertet. Dem steht nicht entgegen, dass, worauf die Revision hinweist, die Parteien im Vertrag eine Wangenstärke von 40 mm vorgesehen haben. Eine solche Vereinbarung kann nicht dahin ausgelegt werden, dass von einem üblicherweise zu erwartenden Mindeststandard abgewichen werden soll, wenn auf eine solche Bedeutung nicht ausdrücklich hingewiesen wird oder der Besteller dies aus anderen Gründen, etwa einer entsprechenden Fachkunde, weiß (vgl. BGH, Urteile vom 20. Dezember 2012 - VII ZR 209/11, juris Rn. 23; vom 4. Juni 2009 - VII ZR 54/07, BGHZ 181, 225, 230).
- 16
- Unerheblich ist, dass die Klägerin sich zunächst nur auf andere Mängelerscheinungen gestützt hat. Sie hat sich jedenfalls im Anschluss an die gutachterlichen Ausführungen auch darauf gestützt, dass die Treppe insgesamt nicht fachgerecht errichtet worden und für die Belastung zu schwach ausgelegt ist.
- 17
- 3. Auf dieser Grundlage ist auch die Höhe des zuerkannten Vorschusses rechtsfehlerfrei festgestellt. Die Revision greift die Verurteilung der Beklagten unter Hinweis auf unverhältnismäßig hohe Kosten der Mängelbeseitigung auch nur unter ihrer Prämisse an, als Mangel käme allenfalls das Knarren dreier Treppenstufen in Betracht. Das ist wie dargelegt nicht der Fall. Es bedarf deshalb keiner Auseinandersetzung, ob die Kosten für die Neuherstellung der Treppe unverhältnismäßig wären, wenn das Knarren der Stufen und weitere geringere Mängel mit geringem Aufwand nachhaltig hätten beseitigt werden können.
III.
- 18
- Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Vorinstanzen:
AG Hildburghausen, Entscheidung vom 21.12.2010 - 21 C 322/09 -
LG Meiningen, Entscheidung vom 26.04.2012 - 4 S 15/11 -
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Annotations
(1) Der Unternehmer hat dem Besteller das Werk frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen.
(2) Das Werk ist frei von Sachmängeln, wenn es die vereinbarte Beschaffenheit hat. Soweit die Beschaffenheit nicht vereinbart ist, ist das Werk frei von Sachmängeln,
- 1.
wenn es sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte, sonst - 2.
für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Werken der gleichen Art üblich ist und die der Besteller nach der Art des Werkes erwarten kann.
(3) Das Werk ist frei von Rechtsmängeln, wenn Dritte in Bezug auf das Werk keine oder nur die im Vertrag übernommenen Rechte gegen den Besteller geltend machen können.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)