Bundesgerichtshof Urteil, 08. Feb. 2011 - VI ZR 79/10
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger begehrt restlichen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall vom 26. August 2007, bei dem sein Motorrad beschädigt wurde. Die Haftung der Beklagten als Haftpflichtversicherer des Unfallverursachers steht dem Grunde nach außer Streit. Der Kläger beauftragte einen Sachverständigen mit der Erstellung eines Gutachtens zum Schadensumfang. Dieser schätzte die voraussichtlichen Reparaturkosten bei einer Reparatur durch die Firma m. auf 10.028,49 € brutto und den Wiederbeschaffungswert auf 6.900 €. Die Beklagte regulierte den Schaden auf der Grundlage des Wiederbeschaffungsaufwands. Sie brachte von dem vom Sachverständigen geschätzten Wiederbeschaffungswert einen von ihr selbst ermittelten Restwert in Höhe von 2.710 € in Abzug und zahlte an den Kläger 4.190 €.
- 2
- Der Kläger ließ das Motorrad bei der Firma m. den Vorgaben des Sachverständigen entsprechend reparieren und nutzte es weiter. Die Firma m. erteilte ihm am 12. August 2008 eine Reparaturkostenrechnung über 8.925,35 € brutto, wobei sie dem Kläger auf den Nettorechnungsbetrag von 8.427,30 € einen Rabatt von 11 % (927 €) gewährte. Mit seiner Klage hat der Kläger zuletzt den Ersatz weiterer Reparaturkosten von 4.735,35 € sowie die Zahlung vorgerichtlicher Anwaltskosten von 489,45 € verlangt.
- 3
- Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
- 4
- Das Berufungsgericht ist der Auffassung, der Kläger könne nur den Wiederbeschaffungsaufwand ersetzt verlangen, denn eine Reparatur seines Motorrades sei objektiv unwirtschaftlich gewesen. Die Reparaturkostenrechnung der Firma m. weise als Zwischensumme exakt den Betrag aus, den der Sachverständige geschätzt habe und der den Wiederbeschaffungswert um mehr als 30 % übersteige. Dieser Betrag repräsentiere nach objektiven Kriterien die erforderlichen Kosten einer fachgerechten Reparatur. Unerheblich sei, dass die Reparaturwerkstatt dem Kläger einen - nicht näher spezifizierten bzw. begründeten Rabatt - gewährt habe.
II.
- 5
- Die Revision hat keinen Erfolg. Die Klage ist unbegründet.
- 6
- 1. Die Instandsetzung eines beschädigten Fahrzeugs ist in aller Regel wirtschaftlich unvernünftig, wenn die (voraussichtlichen) Kosten der Reparatur - wie hier - mehr als 30 % über dem Wiederbeschaffungswert liegen. In einem solchen Fall, in dem das Kraftfahrzeug nicht mehr reparaturwürdig ist, kann der Geschädigte vom Schädiger grundsätzlich nur die Wiederbeschaffungskosten verlangen. Lässt der Geschädigte sein Fahrzeug dennoch reparieren, so können die Kosten nicht in einen vom Schädiger auszugleichenden wirtschaftlich vernünftigen Teil (bis zu 130 % des Wiederbeschaffungswerts) und einen vom Geschädigten selbst zu tragenden wirtschaftlich unvernünftigen Teil aufgespalten werden (vgl. Senatsurteile vom 15. Oktober 1991 - VI ZR 67/91, BGHZ 115, 375, 378 ff. und vom 10. Juli 2007 - VI ZR 258/06, VersR 2007, 1244 Rn. 6).
- 7
- 2. Ob der Geschädigte, wenn es ihm tatsächlich gelingt, entgegen der Einschätzung des Sachverständigen die von diesem für erforderlich gehaltene Reparatur innerhalb der 130 %-Grenze fachgerecht und in einem Umfang durchzuführen, wie ihn der Sachverständige zur Grundlage seiner Kostenschätzung gemacht hat, gleichwohl Ersatz von Reparaturkosten verlangen kann, hat der erkennende Senat in seinem Urteil vom 10. Juli 2007 noch offen gelassen (vgl. Senatsurteil vom 10. Juli 2007 - VI ZR 258/06, aaO Rn. 7; Eggert, Verkehrsrecht aktuell 2009, 149, 150 ff.). Für den Fall, dass zwar die vom Sachverständigen geschätzten Reparaturkosten über der 130 %-Grenze liegen, es dem Geschädigten aber - auch durch Verwendung von Gebrauchtteilen - gelungen ist, eine fachgerechte und den Vorgaben des Gutachtens entsprechende Reparatur durchzuführen, deren Kosten den Wiederbeschaffungswert nicht übersteigen, hat der erkennende Senat inzwischen entschieden, dass aus dem Gesichtspunkt des Wirtschaftlichkeitsgebots dem Geschädigten eine Abrechnung der konkret angefallenen Reparaturkosten nicht verwehrt werden kann (Senatsurteil vom 14. Dezember 2010 - VI ZR 231/09, z.V.b.).
- 8
- 3. Der Geschädigte, der sein beschädigtes Kraftfahrzeug instand gesetzt hat, obwohl ein Sachverständiger die voraussichtlichen Kosten der Reparatur auf einen den Wiederbeschaffungswert um mehr als 30 % übersteigenden Betrag geschätzt hat, kann den Ersatz von Reparaturkosten aber nur dann verlangen , wenn er nachweist, dass die tatsächlich durchgeführte Reparatur, sofern diese fachgerecht und den Vorgaben des Gutachtens entsprechend ausgeführt worden ist, wirtschaftlich nicht unvernünftig war. Ob dies der Fall ist, unterliegt der tatrichterlichen Beurteilung (§ 287 ZPO).
- 9
- Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass der Kläger diesen Nachweis nicht geführt habe, hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand. Die vom Kläger vorgelegte Reparaturkostenrechnung bestätigt die Höhe der vom Sachverständigen objektiv für erforderlich gehaltenen Reparaturkosten. Da diese die 130 %- Grenze weit überschreiten, war die Instandsetzung des Fahrzeugs wirtschaftlich unvernünftig. Eine andere Beurteilung ist nicht schon deshalb geboten, weil die Firma m. dem Kläger einen erheblichen Rabatt gewährt hat, demzufolge der Rechnungsendbetrag knapp unter der 130 %-Grenze liegt. Das Berufungsgericht hat mit Recht näheren Vortrag des Klägers dazu vermisst, worauf die Gewährung dieses Nachlasses zurückzuführen ist. Ohne Kenntnis dieses Umstandes lässt sich die Frage der Wirtschaftlichkeit nicht beurteilen. Da der Kläger die Umstände der Rabattgewährung nicht näher erläutert hat, ist die tatrichterliche Beurteilung des Berufungsgerichts, die Wirtschaftlichkeit der erfolgten Instandsetzung des Motorrades sei nicht nachgewiesen, aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden.
- 10
- 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Stöhr von Pentz
Vorinstanzen:
AG Velbert, Entscheidung vom 17.12.2008 - 11 C 58/08 -
LG Wuppertal, Entscheidung vom 11.03.2010 - 9 S 26/09 -
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Annotations
(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.
(2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.
(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.
(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)