Bundesgerichtshof Urteil, 14. Okt. 2008 - VI ZR 36/08

published on 14/10/2008 00:00
Bundesgerichtshof Urteil, 14. Okt. 2008 - VI ZR 36/08
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Previous court decisions
Amtsgericht München, 345 C 34903/05, 23/03/2007
Landgericht München I, 17 S 8188/07, 20/12/2007

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 36/08 Verkündet am:
14. Oktober 2008
Böhringer-Mangold,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Macht ein Unternehmen nach einem Verkehrsunfall keinen nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz
übergegangenen Anspruch seines verletzten Fahrers
auf Ersatz von dessen Verdienstausfallschaden geltend, sondern einen eigenen
Schadensersatzanspruch wegen der ihm für den Einsatz eines Ersatzfahrers
entstandenen Kosten, scheidet eine eigene Rechtsgutverletzung, die
Voraussetzung eines Schadensersatzanspruchs im Sinne des § 823 BGB
sein könnte, grundsätzlich aus. Ein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten
Gewerbebetrieb kommt wegen Fehlens eines betriebsbezogenen Eingriffs
insoweit regelmäßig nicht in Betracht (vgl. Senatsbeschluss vom
10. Dezember 2002 - VI ZR 171/02 - VersR 2003, 466).

b) Eine unrichtige Rechtsansicht des Erstrichters (hier: über die Schlüssigkeit
der Klage) lässt sich nicht auf dem Umweg über eine angebliche Hinweispflicht
gegenüber den Parteien im Sinne des § 139 ZPO in einen Verfahrensmangel
umdeuten (im Anschluss an BGH, Urteil vom 30. Oktober 1990
- XI ZR 173/89 - NJW 1991, 704).
BGH, Urteil vom 14. Oktober 2008 - VI ZR 36/08 - LG München I
AG München
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im schriftlichen Verfahren mit
Schriftsatzfrist bis zum 31. Juli 2008 durch die Vizepräsidentin Dr. Müller und
die Richter Wellner, Pauge, Stöhr und Zoll

für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil der 17. Zivilkammer des Landgerichts München I vom 20. Dezember 2007 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin macht gegen die Beklagten einen Schadensersatzanspruch aus einem Verkehrsunfall vom 17. Juni 2004 geltend, bei dem die Beklagte zu 1 mit ihrem bei der Beklagten zu 2 haftpflichtversicherten PKW in einem Kreuzungsbereich auf ein Fahrzeug der Klägerin aufgefahren ist. Sie begehrt die Kosten für einen Ersatzfahrer mit der Behauptung, dass der Fahrer ihres Fahrzeuges durch den Aufprall verletzt worden und infolge dieser Verletzung in der Zeit vom 18. Juni bis 10. Juli 2004 ausgefallen sei.
2
Das Amtsgericht hat die Klage nach Einholung eines biomechanischen Sachverständigengutachtens abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit der vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

3
Das Berufungsgericht hat ebenso wie die Vorinstanz das von dieser eingeholte unfallanalytische-biomechanische Sachverständigengutachten für ausreichend erachtet, um die Klage abzuweisen. Der Sachverständige sei zu dem Ergebnis gelangt, dass die Differenzgeschwindigkeit zum Kollisionszeitpunkt bei weitem unterhalb einer Toleranzgrenze gelegen habe, bei der die auf den Fahrer wirkende Belastung nicht mit beginnender Wahrscheinlichkeit die behaupteten Beschwerden verursacht haben könne. Die Erhebung weiterer, von der Klägerin angebotener Beweise wie die Vernehmung der behandelnden Ärzte oder die Einholung eines orthopädischen Sachverständigengutachtens hat das Landgericht ebenso wie das Amtsgericht nicht für erforderlich erachtet.

II.

4
Das Berufungsurteil hält in seinem Ergebnis revisionsrechtlicher Nachprüfung stand. Die Revision der Klägerin gegen das angefochtene Urteil ist bereits deshalb zurückzuweisen, weil die Klage unschlüssig ist.
5
1. Die Klägerin macht keinen nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz auf sie übergegangenen Anspruch ihres angeblich verletzten Fahrers auf Ersatz seines Verdienstausfallschadens geltend, sondern einen eigenen Schadensersatzanspruch wegen der ihr für den Einsatz eines Ersatzfahrers entstandenen Kosten.
Insoweit ist jedoch eine eigene Rechtsgutverletzung der Klägerin nicht ersichtlich , die Voraussetzung eines eigenen Schadensersatzanspruchs im Sinne des § 823 BGB sein könnte. Ein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb kommt nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats wegen Fehlens eines betriebsbezogenen Eingriffs nicht in Betracht (vgl. Senatsbeschluss vom 10. Dezember 2002 - VI ZR 171/02 - VersR 2003, 466). Zu einer Änderung dieser Rechtsprechung - wie sie die Revision nahe legt - sieht sich der Senat nicht veranlasst.
6
2. Soweit die Revision meint, die Instanzgerichte hätten durch einen unterlassenen Hinweis auf diese Rechtslage ihre Aufklärungspflicht im Sinne des § 139 ZPO verletzt und dadurch die Klägerin davon abgehalten, ihren Anspruch auch auf einen nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz auf sie übergegangenen Anspruch oder auf vorsorglich an sie abgetretene Ansprüche des verletzten Fahrers zu stützen, kann dem nicht gefolgt werden.
7
Maßgeblich für eine etwaige Verletzung der Aufklärungspflicht ist nämlich der materiell-rechtliche Standpunkt des Gerichts ohne Rücksicht auf seine Richtigkeit. Schon im Ansatz verfehlt ist es, eine unrichtige Rechtsansicht des Erstrichters auf dem Umweg über eine angebliche Hinweispflicht gegenüber den Parteien in einen Verfahrensmangel umzudeuten (vgl. BGH, Urteil vom 30. Oktober 1990 - XI ZR 173/89 - NJW 1991, 704). Die Revision weist insoweit selbst darauf hin, dass eine Haftung der Beklagten in den Tatsacheninstanzen außer Streit war. Die Vorinstanzen haben somit ihre klageabweisenden Urteile gerade nicht auf einen Gesichtspunkt gestützt, den die Klägerin erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, oder auf einen Gesichtspunkt, den die Gerichte anders beurteilt haben als beide Parteien (vgl. § 139 Abs. 2 ZPO). Sie haben lediglich eine HWS-Verletzung des Fahrers durch den Verkehrsunfall nicht als erwiesen erachtet. Da die Vorinstanzen mithin von der Schlüssigkeit des Klagevorbringens ausgegangen sind, bestand für sie keine Verpflichtung, über deren Unschlüssigkeit aufzuklären.

III.

8
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO. Müller Wellner Pauge Stöhr Zoll
Vorinstanzen:
AG München, Entscheidung vom 23.03.2007 - 345 C 34903/05 -
LG München I, Entscheidung vom 20.12.2007 - 17 S 8188/07 -
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(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. (2) Di
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(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

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Annotations

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen. Das Gericht kann durch Maßnahmen der Prozessleitung das Verfahren strukturieren und den Streitstoff abschichten.

(2) Auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, darf das Gericht, soweit nicht nur eine Nebenforderung betroffen ist, seine Entscheidung nur stützen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Dasselbe gilt für einen Gesichtspunkt, den das Gericht anders beurteilt als beide Parteien.

(3) Das Gericht hat auf die Bedenken aufmerksam zu machen, die hinsichtlich der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen.

(4) Hinweise nach dieser Vorschrift sind so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen. Ihre Erteilung kann nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Gegen den Inhalt der Akten ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.

(5) Ist einer Partei eine sofortige Erklärung zu einem gerichtlichen Hinweis nicht möglich, so soll auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen. Das Gericht kann durch Maßnahmen der Prozessleitung das Verfahren strukturieren und den Streitstoff abschichten.

(2) Auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, darf das Gericht, soweit nicht nur eine Nebenforderung betroffen ist, seine Entscheidung nur stützen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Dasselbe gilt für einen Gesichtspunkt, den das Gericht anders beurteilt als beide Parteien.

(3) Das Gericht hat auf die Bedenken aufmerksam zu machen, die hinsichtlich der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen.

(4) Hinweise nach dieser Vorschrift sind so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen. Ihre Erteilung kann nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Gegen den Inhalt der Akten ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.

(5) Ist einer Partei eine sofortige Erklärung zu einem gerichtlichen Hinweis nicht möglich, so soll auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen. Das Gericht kann durch Maßnahmen der Prozessleitung das Verfahren strukturieren und den Streitstoff abschichten.

(2) Auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, darf das Gericht, soweit nicht nur eine Nebenforderung betroffen ist, seine Entscheidung nur stützen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Dasselbe gilt für einen Gesichtspunkt, den das Gericht anders beurteilt als beide Parteien.

(3) Das Gericht hat auf die Bedenken aufmerksam zu machen, die hinsichtlich der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen.

(4) Hinweise nach dieser Vorschrift sind so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen. Ihre Erteilung kann nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Gegen den Inhalt der Akten ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.

(5) Ist einer Partei eine sofortige Erklärung zu einem gerichtlichen Hinweis nicht möglich, so soll auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)