Bundesgerichtshof Urteil, 10. März 2015 - VI ZR 215/14
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger verlangt von den Beklagten Schadensersatz aufgrund eines Verkehrsunfalls am 21. November 2009. Bei dem Unfall kollidierte der im Eigentum des Klägers stehende Pkw mit einem von dem Beklagten zu 2 gesteuerten, von der Beklagten zu 3 gehaltenen und bei der Beklagten zu 1 pflichtversicherten Pkw. Nach Behauptung des Klägers ist der Pkw der Beklagten zu 3 beim Überholen des klägerischen Fahrzeugs zu knapp vor diesem wieder eingeschert. Der Kläger macht Schadensersatz in Höhe von 2.171,93 € geltend (Wiederbeschaffungsaufwand: 1.650 €, Schadensfeststellungskosten: 496,93 €, Kleinkosten zur Schadensverfolgung: 25 €).
- 2
- Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, weil etwaige Ansprüche verjährt seien. Das Landgericht hat die Berufung des Klägers verworfen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Schadensersatzansprüche weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
- 3
- Nach Auffassung des Berufungsgerichts genügt die Berufungsbegründung nicht den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO, weil sie nicht erkennen lasse, dass und inwiefern der gerügte Fehler in der Rechtsanwendung für die angefochtene Entscheidung erheblich sei. Der Kläger berufe sich auf eine Verletzung des materiellen Rechts durch das Amtsgericht, da dieses zu Unrecht von einer Verjährung der Schadensersatzansprüche ausgegangen sei. Er habe - zugeschnitten auf den Streitfall und aus sich heraus verständlich - diejenigen Punkte rechtlicher Art darzulegen, die er als unzutreffend beurteilt ansehe, und die Gründe anzugeben, aus denen sich die Fehlerhaftigkeit jener Punkte und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung herleite. Aus der Berufungsbegründung ergebe sich nicht, dass und weshalb die angeführte Rechtsverletzung für die angefochtene Entscheidung im Ergebnis auch erheblich sei. Der Kläger habe weder dargelegt, wie der Rechtsstreit bei Berücksichtigung seiner Rechtsansicht zu entscheiden wäre, noch habe er in konkreter oder allgemeiner Weise auf sein erstinstanzliches Vorbringen Bezug genommen und dieses so zum Gegenstand der Berufungsbegründung gemacht. Aus dieser ergebe sich lediglich, dass ein "Schadensersatzanspruch" nicht wegen Verjährung gehemmt wäre. Dass und in welcher Höhe ihm ein solcher Anspruch zustehe, habe der Kläger weder ausdrücklich noch durch eine Bezug- nahme dargelegt. Bei der Prüfung, ob die für die zulässige Berufung notwendige Berufungsbegründung den Anforderungen des § 520 ZPO genüge, könne nicht auf den gesamten Prozessstoff abgestellt werden. Es stellte einen Zirkelschluss dar, wenn bereits bei der Prüfung der Zulässigkeit der Berufung, deren Folge eine Anlandung des gesamten Prozessstoffes in der zweiten Instanz sei, der gesamte Prozessstoff zu prüfen und zu berücksichtigen wäre.
II.
- 4
- Diese Erwägungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Verwerfung der Berufung als unzulässig verletzt den Kläger in seinem Verfahrensgrundrecht auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip).
- 5
- a) Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung ist die Berufung nicht schon deshalb unzulässig, weil nicht erkennbar ist, dass die Berufungsbegründung von dem durch den Briefbogen als Ersteller ausgewiesenen Rechtsanwalt unterschrieben wurde. Es ist zwar anders als in anderen Schriftsätzen in der Berufungsbegründung nicht angegeben, dass die Unterschrift von dem Prozessbevollmächtigten zweiter Instanz des Klägers stammt. Zudem unterscheidet sich die Unterschrift von den Unterschriften unter den anderen Schriftsätzen. Der Kläger hat jedoch durch Vorlage von Kopien des Ausweises der Rechtsanwaltskammer, des Führerscheins sowie des Personalausweises seines zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten und dessen anwaltliche Versicherung glaubhaft gemacht, dass dieser die Berufungsbegründung unterschrieben hat. Der erkennende Senat hat aufgrund dessen Begründung, er unterzeichne nach geäußerten Bedenken des Vorsitzenden einer Berufungskammer gegen seine übliche Unterschrift Berufungsschriftsätze anders als andere Schriftsätze mit seiner "bürgerlichen Unterschrift", keine Zweifel daran, dass die Berufungsbegründung von ihm unterschrieben wurde.
- 6
- b) Das Berufungsgericht hat die in § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO beschriebenen Anforderungen an den Inhalt der Berufungsbegründung überspannt und hierdurch dem Kläger den Zugang zur Berufungsinstanz in unzulässiger Weise versagt.
- 7
- aa) Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich nach Ansicht des Berufungsklägers die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergeben. Dazu gehört eine aus sich heraus verständliche Angabe, welche bestimmten Punkte des angefochtenen Urteils der Berufungskläger bekämpft und welche tatsächlichen oder rechtlichen Gründe er ihnen im Einzelnen entgegensetzt. Besondere formale Anforderungen bestehen zwar nicht; auch ist es für die Zulässigkeit der Berufung ohne Bedeutung, ob die Ausführungen in sich schlüssig oder rechtlich haltbar sind. Die Berufungsbegründung muss aber auf den konkreten Streitfall zugeschnitten sein. Es reicht nicht aus, die Auffassung des Erstgerichts mit formularmäßigen Sätzen oder allgemeinen Redewendungen zu rügen oder lediglich auf das Vorbringen erster Instanz zu verweisen (st. Rspr., vgl. Senat, Beschlüsse vom 11. März 2014 - VI ZB 22/13, VersR 2014, 895 Rn. 8; vom 27. Januar 2015 - VI ZB 40/14, juris Rn. 7; vom 10. Februar 2015 - VI ZB 26/14, z.V.b.; BGH, Beschlüsse vom 13. September 2012 - III ZB 24/12, NJW 2012, 3581 Rn. 8; vom 23. Oktober 2012 - XI ZB 25/11, NJW 2013, 174 Rn. 10; vom 22. Mai 2014 - IX ZB 46/12, juris Rn. 7; jeweils mwN).
- 8
- bb) Nach diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht zu strenge Anforderungen an den Inhalt der Berufungsbegründung gestellt (§ 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO).
- 9
- Der Kläger hat - wie gefordert zugeschnitten auf den Streitfall und aus sich heraus verständlich - den vom Amtsgericht für die Klageabweisung maßgeblichen Gesichtspunkt angegriffen, dass die Schadensersatzansprüche des Klägers aus dem Unfallereignis vom 21. November 2009 verjährt seien. Er hat dies näher ausgeführt und die Umstände mitgeteilt, die aus seiner Sicht das Urteil in Frage stellen. Für die Zulässigkeit der Berufung ist ohne Bedeutung, ob die Ausführungen in sich schlüssig oder rechtlich haltbar sind.
- 10
- Aus der Berufungsbegründung ergibt sich auch noch ausreichend, dass der Kläger Schadensersatzansprüche aus einem Unfallereignis vom 21. November 2009 geltend macht und der Auffassung ist, dass ihm solche Ansprüche zustehen. Nachdem das Amtsgericht die Klage allein aus dem Gesichtspunkt der Verjährung abgewiesen und dementsprechend etwaige Ansprüche aus §§ 7 ff. StVG und § 823 BGB nicht geprüft hat, war es nicht geboten, ausdrücklich noch einmal das gesamte erstinstanzliche Vorbringen zu den Voraussetzungen des verfolgten Klageanspruchs zu wiederholen und auf diese Weise die Entscheidungserheblichkeit des Berufungsangriffs darzutun. Diese ergibt sich im Streitfall bereits daraus, dass eine inhaltliche Prüfung der geltend gemachten Schadensersatzansprüche nicht erfolgt und die Klage allein wegen Verjährung abgewiesen worden ist. Im Übrigen ergeben sich nähere Umstände des Sachverhalts und des Vorbringens des Klägers aus dem Tatbestand des amtsgerichtlichen Urteils, auf den das landgerichtliche Urteil Bezug genommen hat.
III.
- 11
- Nach alledem durfte das Berufungsgericht die Berufung nicht als unzulässig verwerfen, so dass das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen ist, damit es über die Begründetheit der Berufung befindet (§ 563 Abs. 1 ZPO). Galke Pauge Stöhr Offenloch Oehler
AG Wuppertal, Entscheidung vom 26.09.2013 - 33 C 170/13 -
LG Wuppertal, Entscheidung vom 23.04.2014 - 8 S 56/13 -
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(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.
(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.
(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:
- 1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge); - 2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt; - 3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.
(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:
- 1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt; - 2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.
(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.
(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.
(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:
- 1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge); - 2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt; - 3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.
(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:
- 1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt; - 2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.
(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.
(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.
(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.
(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.
(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.