Bundesgerichtshof Urteil, 11. Juli 2003 - V ZR 56/02

published on 11/07/2003 00:00
Bundesgerichtshof Urteil, 11. Juli 2003 - V ZR 56/02
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 56/02 Verkündet am:
11. Juli 2003
Kanik
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
ErbbauVO § 2 Nr. 4
Die Verwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs zur Beschreibung der Voraussetzungen
, bei deren Eintritt der Heimfall des Rechts verlangt werden kann, ist wirksam.
BGH, Urt. v. 11. Juli 2003 - V ZR 56/02 - OLG München
LG Deggendorf
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 11. Juli 2003 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes
Dr. Wenzel und die Richter Tropf, Dr. Klein, Dr. Lemke und Dr. SchmidtRäntsch

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 13. Dezember 2001 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Kläger betrieben eine Brauerei. Sie schlossen am 26. März 1980 mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten einen "Betriebsüberlassungs- und Pachtvertrag" , aufgrund dessen die Brauerei und die zugehörigen Gaststätten der Rechtsvorgängerin der Beklagten bis zum 31. Dezember 1999 überlassen wurden. Nicht einbezogen waren zwei in der Innenstadt von S. gelegene zum Betrieb von Gastwirtschaften genutzte Grundstücke. An diesen Grundstücken bestellten die Kläger durch Notarvertrag vom selben Tag der Rechts-
vorgängerin der Beklagten auf die Dauer von 50 Jahren jeweils ein Erbbaurecht.
In dem Erbbaurechtsvertrag heißt es u.a.:
"8.
a) Der Grundstückseigentümer ist berechtigt die Übertragung des Erbbaurechts an sich als Gesamtheit oder an einen von ihnen bezeichneten Dritten zu verlangen (Heimfallanspruch), ... 5. wenn der Betriebsüberlassungs- und Pachtvertrag vom 26. März 1980 über die Brauerei J. P. D. aus Gründen , die der Erbbauberechtigte zu vertreten hat, vorzeitig erlischt.
b) Der Grundstückseigentümer kann das vorbezeichnete Heimfallrecht nach dem 31. Dezember 1999 oder nach Beendigung des vorstehend unter Ziff. 5. genannten Betriebsüberlassungs- und Pachtvertrages vom 26. März 1980 auch dann geltend machen, wenn das Grundstück dadurch für ihn günstiger genutzt oder verwertet werden kann."
Ziff. 9 a des Erbbaurechtsvertrags regelt die Entschädigung des Erbbauberechtigten für den Fall des Erlöschens des Erbbaurechts durch Zeitablauf oder Heimfall, Ziff. 9 b begründet einen weitergehenden Anspruch des Erbbauberechtigten für den Fall der Ausübung des Heimfallrechts gemäß Ziff. 8 b des Vertrages.
Mit Schreiben vom 3. Januar 2000 verlangten die Kläger die Übertragung des Erbbaurechts auf sich. Sie behaupteten, die Mieter und Pächter der
Erbbaugrundstücke zahlten für die Nutzung der Gebäude jährlich 600.000 DM, während sie nur 73.400 DM Erbbauzins erhielten. Die Übertragung der Erbbaurechte auf sie führe daher zu einer wirtschaftlich weitaus günstigeren Nutzung.
Mit der Klage haben sie von der Beklagten die Übertragung der Erbbaurechte an den Grundstücken und die Bewilligung ihrer Eintragung als Erbbauberechtigte verlangt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Kläger ist ohne Erfolg geblieben. Mit der Revision verfolgen sie ihre Ansprüche weiter.

Entscheidungsgründe:

I.


Das Berufungsgericht verneint einen Anspruch der Kläger auf Übertragung der Erbbaurechte. Es meint, die für den Heimfall in Ziff. 8 b des Erbbaurechtsvertrages vereinbarte Regelung sei unwirksam. Die Klausel entbehre der notwendigen Bestimmtheit. Es sei unklar, was unter einer "günstigeren" Nutzung der Grundstücke zu verstehen sei. Der Klausel sei nicht zu entnehmen, ob diese Voraussetzung in der Vergangenheit, der Gegenwart oder der Zukunft vorliegen müsse. Auch könne die bloße Behauptung derartiger Umstände nicht hinreichen, den Anspruch zu begründen. Zudem laufe es dem Ziel der Bestellung der Erbbaurechte zuwider, daß eine Steigerung der Einnahmen aus der Vermietung und Verpachtung der Gebäude aufgrund Investitionen des Erbbauberechtigten den Übertragungsanspruch auslösen könne. § 4 ErbbauVO zeige, daß die Rechtsstellung des Erbbauberechtigten beständig sein solle und er
nicht immer aufs Neue der Behauptung der Möglichkeit einer günstigeren Nutzung seitens des Eigentümers ausgesetzt werden dürfe.
Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

II.


Das in Ziff. 8 b des Vertrages vom 26. März 1980 vereinbarte Heimfallrecht ist wirksam. Führt die Übertragung der Erbbaurechte auf die Kläger zu einer wirtschaftlich günstigeren Nutzung der Grundstücke für die Kläger, können sie von der Beklagten die Übertragung der Rechte verlangen.
Die in dem Vertrag vom 26. März 1980 zum Heimfall des Rechts vereinbarten Regelungen sind Bestandteil des dinglichen von der Eintragungsbewilligung gedeckten Inhalts der an den Grundstücken bestellten Rechte. Ihre Auslegung unterliegt der uneingeschränkten Nachprüfung durch den Senat (Senat, BGHZ 59, 205, 208 f; Urt. v. 24. Februar 1984, V ZR 187/82, WM 1984, 668). Bei der Auslegung ist auf den Wortlaut der die Einigung und die Eintragungsbewilligung enthaltenden Urkunde und den Sinn abzustellen, wie er sich aus unbefangener Sicht als nächstliegende Bedeutung ergibt (Senatsurt. v. 28. Februar 1984, V ZR 185/83, WM 1984, 1514, 1515). Dem wird das Berufungsurteil nicht gerecht.
1. Nach § 2 Nr. 4 ErbbauVO kann als Inhalt des Erbbaurechts vereinbart werden, daß der Eigentümer bei Eintritt "bestimmter Voraussetzungen" die Übertragung des Rechts auf sich oder an einen Dritten verlangen kann. Damit kann grundsätzlich jedes Ereignis als den Heimfallanspruch auslösend verein-
bart werden (Staudinger/Rapp, BGB [2002], § 2 ErbbauVO Rdn. 21; Ingenstau/ Hustedt, Kommentar zum Erbbaurecht, 8. Aufl., § 2 Rdn. 44; von Oefele/ Winkler, Handbuch des Erbbaurechts, 3. Aufl., Rdn. 4.78 f). Der Bestimmtheitsgrundsatz des Grundbuchrechts, nach welchem das Grundstück, der Berechtigte und der Inhalt des an einem Grundstück eingetragenen Rechts feststehen müssen (vgl. Schöner/Stöber, Grundbuchtrecht, 12. Aufl., Rdn. 18), steht der Verwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs zur Umschreibung der Voraussetzungen des Heimfalls nicht entgegen. Andernfalls würde das Rechtsinstitut des Heimfalls entwertet. Die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe als Voraussetzung des Heimfalls ist daher in Rechtsprechung und Literatur anerkannt (vgl. Senatsurt. v. 28. Februar 1984, V ZR 135/83, WM 1984, 1514, 1516, Nutzung des Erbbaugrundstücks in "aus gesundheitlichen oder sittlichen Gründen zu beanstandender Weise"; LG Oldenburg, Rpfleger 1979, 383, 384, Heimfall, sofern "die Fortsetzung des Erbbaurechtsverhältnisses aus einem in der Person des Erbbauberechtigten liegenden Grund eine unbillige Härte bedeuten würde"; LG Düsseldorf, MittRhNotK 1989, 218, 219, Heimfall, sofern ein "wichtiger Grund gegeben ist, der in der Person des Erbbauberechtigten liegt, der die Fortsetzung des Erbbaurechts für den Grundstückseigentümer unzumutbar macht"; ferner Bamberger/Roth/Maaß, BGB, § 2 ErbbauVO Rdn. 16; RGRK/Räfle, BGB, 12. Aufl., § 2 ErbbauVO Rdn. 24; Ingenstau /Hustedt, aaO, § 2 Rdn. 44 f., von Oefele/Winkler, aaO, Rdn. 4.79; zweifelnd MünchKomm-BGB/von Oefele, 3. Aufl., § 2 ErbbauVO Rdn. 27). Dem entspricht die in dem Vertrag vom 26. März 1980 vereinbarte Klausel.

a) Aus unbefangener Sicht kommt als "günstigere" Nutzung im Sinne der vereinbarten Klausel allein eine wirtschaftlich günstigere Nutzung in Betracht. Das wird dadurch bestätigt, daß die Kläger als Mehrheit von Eigentümern die
Erbbaurechte bestellt haben. Die Klausel muß mithin einem einheitlichen Interesse der Kläger Rechnung zu tragen. Damit ist ein anderes Verständnis einer "günstigeren" Nutzung als eine im wirtschaftlichen Sinne günstigere Nutzung kaum zu vereinbaren.
Daß nur eine in diesem Sinne günstigere Nutzung den Heimfallanspruch begründet, folgt schließlich aus dem Zusammenhang mit dem im Erbbaurechtsvertrag in Bezug genommenen "Betriebsüberlassungs- und Pachtvertrag". Ein solcher Vertrag wird nicht aus ideellen Gründen geschlossen. Der zur Überlassung und Verpachtung der Brauerei und der zu dieser gehörigen Gastwirtschaften geschlossene Vertrag war bis zum 31. Dezember 1999 befristet. Die Vereinbarung eines Heimfallanspruchs bei Beendigung dieses Vertrages diente offensichtlich dem Ziel, die wirtschaftliche Verbindung zwischen dem Brauereiunternehmen und den auf den Erbbaugrundstücken betriebenen Gaststätten nach einer Beendigung des "Betriebsüberlassungs- und Pachtvertrages" erhalten zu können.

b) Dieser Zusammenhang hat von vornherein den Inhalt der Erbbaurechte mitbestimmt. Bei der Frage, ob zur Erzielung einer höheren Rendite in die Grundstücke investiert werden sollte, hatten die Beklagte und ihre Rechtsvorgängerin daher die Dauer der sicheren Erwartung des Bestehens der Erbbaurechte in Rechnung zu stellen, soweit der in Ziff. 9 des Erbbaurechtsvertrags vereinbarte Ausgleich nicht zu einer vollständigen Entschädigung für den Verlust des Eigentums an den Gebäuden führt. Für die Auslegung des vereinbarten Heimfallrechts läßt sich hieraus jedoch nichts herleiten.

c) Die unbefangene Sicht führt dazu, daß eine wirtschaftlich günstigere Nutzung der Grundstücke für die Kläger dann vorliegt, wenn sie bei einer Übertragung der Erbbaurechte auf sich für die restliche Dauer des Bestehens der Rechte eine höhere Rendite erwarten können, als sie sie aufgrund der Belastung der Grundstücke mit den der Beklagten bestellten Rechte erzielen. Bei dem nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen vorzunehmenden Vergleich sind dabei zu Lasten der Kläger der Ausgleichsanspruch der Beklagten gemäß Ziff. 9 b des Erbbaurechtsvertrags ebenso in die Berechnung einzubeziehen, wie die Nachteile, die sich für die Kläger daraus ergeben, daß sie nach der Übertragung der Rechte die mit dem Eigentum an den Gebäuden verbundenen Lasten zu tragen haben. Daß die Beklagte oder ihre Rechtsvorgängerin Investitionen in die Gebäude vorgenommen haben und erst hierdurch die von den Klägern behauptete hohe Rendite erzielt werden kann, ist ohne Bedeutung. Die Möglichkeit einer günstigeren Verwertung ist z.B. dann gegeben, wenn die Kläger bei einem Verkauf der Grundstücke nach Löschung der Erbbaurechte trotz Erhöhung der Heimfallentschädigung gemäß Ziff. 9 b des Vertrages einen höheren Gewinn erwaten können als mit fortbestehenden Rechten.

d) Als Zeitpunkt, zu welchem die Möglichkeit einer "günstigeren" Nutzung oder Verwertung vorliegen muß, kommt allein der Zeitpunkt der Geltendmachung des Heimfallrechts in Betracht.
2. Etwas anderes folgt auch nicht aus § 4 ErbbauVO. Die für die Ausübung des Heimfallrechts bestimmte kurze Verjährungsfrist schafft insoweit Sicherheit für den Erbbauberechtigten, als der Heimfallsanspruch innerhalb von sechs Monaten seit Vorliegen der für den Heimfall vereinbarten Voraussetzungen von dem Grundstückseigentümer geltend gemacht werden muß. Für
die Auslegung des in dem Vertrag vom 26. März 1980 vereinbarten Rechts er- gibt sich hieraus nichts.

III.


Zu einer abschließenden Entscheidung des Rechtsstreits ist der Senat nicht in der Lage. Hierzu bedarf es der Feststellung, ob die Übertragung des Erbbaurechts in dem dargestellten Sinn für die Kläger günstiger ist. Das Vorbringen der Beklagten hierzu gibt Anlaß zu dem Hinweis, daß der Verlagerung von Miet- und Pachteinnahmen auf ein der Beklagten konzernverbundenes Unternehmen im Sinne des Erbbaurechtsvertrags keine Bedeutung zukommt und daß es zur Beachtlichkeit des Bestreitens der von den Klägern behaupteten Miet- und Pachteinnahmen erforderlich ist, daß die Beklagte ihr Bestreiten substantiiert.
Wenzel Tropf Klein
Lemke Schmidt-Räntsch
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