Bundesgerichtshof Urteil, 27. Juli 2012 - V ZR 258/11
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Im Umfang der Aufhebung wird auf die Berufung der Beklagten - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels - das Grundurteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Bochum vom 12. Februar 2011 geändert: Die Klage ist bis zu einem weiteren Betrag von 11.230,45 € dem Grunde nach gerechtfertigt.
Insoweit wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
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- Die Klägerin erwarb von den Beklagten ein Hausgrundstück. In einem zwischen den Parteien geführten Vorprozess bekam sie einen Betrag von 6.144 € als Schadensersatz wegen arglistig verschwiegener Mangelhaftigkeit einer Dachterrasse rechtskräftig zugesprochen. Hierbei handelt es sich um den Nettobetrag, den ein Sachverständiger in einem vorangegangenen selbständigen Beweisverfahren als Kosten der Mängelbeseitigung ermittelt hatte. Während des Vorprozesses ließ die Klägerin die Arbeiten zur Beseitigung der Mängel ausführen und erhielt dafür Rechnungen über 18.541,81 € brutto.
- 2
- In dem vorliegenden Verfahren verlangt die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung weiterer 15.697,81 € nebst Zinsen für Arbeiten zur Beseitigung sowohl des arglistig verschwiegenen als auch eines erstmals geltend gemachten Mangels. Das Landgericht hat die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Das Oberlandesgericht hat die Beklagten - unter Abweisung der weitergehenden Klage - zur Zahlung von 1.467,36 € (Mehrwertsteuer auf den in dem Vorprozess ausgeurteilten Betrag zuzüglich der Kosten noch auszuführender Mängelbeseitigung) nebst Zinsen verurteilt. Mit der von ihm zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin die Klage weiter, soweit die Abweisung die Kosten der damaligen Beseitigung des arglistig verschwiegenen Mangels betrifft (11.230,45 € nebst Zinsen). Die Beklagten beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe:
I.
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- Nach Auffassung des Berufungsgerichts kann die Klägerin die geltend gemachten Kosten für die Beseitigung des arglistig verschwiegenen Mangels wegen der Rechtskraftwirkung des Vorprozesses nicht erstattet verlangen. Sowohl aus der Sicht des dortigen Gerichts als auch aus der Sicht der Beklagten habe die Geltendmachung lediglich des vor der Mängelbeseitigung von dem Sachverständigen in dem selbständigen Beweisverfahren ermittelten Betrags nur so verstanden werden können, dass es sich um die Geltendmachung des Gesamtschadens, zumindest der gesamten zur Zeit der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung abschließend bezifferbaren Aufwendungen, gehandelt habe. Nach diesem objektiven Verständnis des Klagebegehrens müsse sich der Umfang der Rechtskraft richten. Lediglich die auf den in dem Vorprozess zuerkannten Betrag entfallende Mehrwertsteuer und die Kosten für die noch auszuführenden Arbeiten zur Beseitigung des arglistig verschwiegenen Mangels würden von der Rechtskraftwirkung des Vorprozesses nicht erfasst.
II.
- 4
- Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
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- 1. Zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, dass sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Rechtskraft des in einem Vorprozess über denselben Anspruch ergangenen Urteils grundsätzlich nicht auf den nicht eingeklagten Rest eines teilbaren Anspruchs erstreckt, selbst wenn sich der Kläger die Nachforderung nicht vorbehalten hat (siehe nur BGH, Urteil vom 25. September 2007 - X ZR 60/06, BGHZ 173, 374, 382 f. Rn. 15,16; Urteil vom 9. April 1997 - IV ZR 113/96, BGHZ 135, 178, 181 f.). Dies ist die Folge davon, dass die materielle Rechtskraft eines Urteils, die grundsätzlich jede neue Verhandlung und Entscheidung über denselben Anspruch ausschließt , nach § 322 Abs. 1 ZPO nur so weit geht, wie über die Klageanträge entschieden worden ist; wird nur ein Teilanspruch geltend gemacht, erstreckt sich die Rechtskraft nur auf diesen Teil und nicht auf den nicht eingeklagten restlichen Anspruch (BGH, Urteil vom 9. April 1997 - IV ZR 113/96, aaO; Senat, Urteil vom 28. Juni 1985 - V ZR 43/84, NJW 1985, 2825, 2826).
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- 2. Zu Unrecht meint das Berufungsgericht jedoch, das prozessuale Verhalten der Klägerin in dem Vorprozess und der zeitliche Geschehensablauf rechtfertigten eine Abweichung von dieser Rechtsprechung.
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- a) Die vorstehend unter 1. dargestellten Grundsätze gelten unabhängig davon, ob der Kläger für das Gericht und für den Beklagten erkennbar zum Ausdruck bringt, dass sein bezifferter Antrag nur einen Teil des Anspruchs erfasst , so dass Nachforderungen vorbehalten bleiben, oder ob es sich um eine sogenannte verdeckte Teilklage handelt, bei der die klagende Partei nach außen nicht zu erkennen gibt, dass sie keinen endgültigen Betrag geltend macht (BGH, Urteil vom 15. September 2007 - X ZR 60/06, BGHZ 173, 374, 382 Rn. 15; Urteil vom 9. April 1997 - IV ZR 113/96, BGHZ 135, 178, 181, jeweils mwN).
- 8
- b) Nichts anderes gilt dann, wenn - wie hier - bei einer Schadensersatzklage die Schadensentwicklung im Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung bereits abgeschlossen und die für die Schadensbeseitigung angefallenen Kosten dem Kläger in Rechnung gestellt waren. Auf einen solchen Sachverhalt hat der Bundesgerichtshof in dem auch von dem Berufungsgericht herangezogenen Urteil vom 15. Juli 1997 (VI ZR 142/95, NJW 1997, 3019, 3020) generell und nicht - wie das Berufungsgericht meint - nur für den Fall, dass der Kläger sich zur Vermeidung einer Beweisaufnahme ausdrücklich auf die Geltendmachung eines von dem Beklagten eingeräumten Teils des Schadens beschränkt, die vorstehend unter 1. und 2. a) angeführten Grundsätze angewendet.
- 9
- c) Ausnahmsweise kann sich allerdings bei einer verdeckten Teilklage die Rechtskraft auch auf den noch nicht eingeklagten Teil eines einheitlichen Anspruchs erstrecken, wenn nämlich der Kläger sein prozessuales Verhalten dahin gegen sich gelten lassen muss, dass er mit der Klage den gesamten ihm zustehenden Ersatzanspruch verlangt. Diese Fallkonstellation hat das Berufungsgericht offenbar im Blick gehabt. Denn es hat sich darauf gestützt, dass die Klägerin bis zum Schluss des Vorprozesses nicht einmal angedeutet habe, dass ihr tatsächlich weit höhere Kosten als der dort eingeklagte Betrag entstanden seien. Dies allein reicht jedoch - wie oben aufgezeigt - für die Erweiterung der Rechtskraftwirkung auf den nicht eingeklagten Teil des Anspruchs nicht aus. Hinzu kommen muss, dass der Klageantrag - ähnlich wie in dem Fall, dass der Kläger die Höhe des Anspruchs in das Ermessen des Gerichts stellt - so zu verstehen ist, dass nicht nur ein beziffertes Zahlungsverlangen geltend gemacht , sondern die Verurteilung zur Zahlung der ganzen angemessenen, vom Gericht festzusetzenden Entschädigung verlangt wird, so dass dies als Streitgegenstand anzusehen ist (BGH, Urteil vom 9. April 1997 - IV ZR 113/96, BGHZ 135, 178, 182; Senat, Urteil vom 28. Juni 1985 - V ZR 43/84, NJW 1985, 2825, 2826; BGH, Urteil vom 27. Februar 1961 - III ZR 16/60, BGHZ 34, 337, 342). So verhält es sich hier jedoch nicht.
- 10
- d) Im Übrigen fehlt es an einer ausreichenden Grundlage für das von dem Berufungsgericht dem Gericht des Vorprozesses und den Beklagten unterstellte Verständnis, die Klägerin habe den Gesamtschaden, zumindest die gesamten zur Zeit der letzten mündlichen Verhandlung bezifferbaren Aufwendungen geltend gemacht.
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- aa) Es ist weder festgestellt noch ersichtlich, dass das Gericht des Vorprozesses und die Beklagten im Zeitpunkt der dortigen letzten mündlichen Tatsachenverhandlung Kenntnis davon hatten, dass die Mängelbeseitigungsarbeiten bereits ausgeführt und der Klägerin in Rechnung gestellt worden waren.
- 12
- bb) Aufgrund der Parteirolle der Klägerin als Berufungsbeklagte in dem Vorprozess konnte sie nach der Erteilung des gerichtlichen Hinweises, dass es an einer Rechtsgrundlage für den von ihr geltend gemachten Vorschussanspruch fehlen dürfte, den gesamten Schadensbetrag nicht mehr im Wege der Klageerweiterung geltend machen; denn die Frist zur Einlegung einer Anschlussberufung (§ 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO) war längst abgelaufen.
- 13
- cc) Indem die Klägerin nach der Hinweiserteilung in erster Linie den Vorschussanspruch weiterverfolgte, gab sie allen Prozessbeteiligten zu erkennen, dass sie keine endgültige Kostenerstattung verlangte. Denn der Vorschuss (§ 637 Abs. 3 BGB) stellt nichts Endgültiges dar, sondern muss abgerechnet werden; gegebenenfalls kann eine Nachzahlung gefordert werden. Die Vorschussklage ist regelmäßig so zu verstehen, dass gleichzeitig die Nachschusspflicht des Auftragnehmers für den Fall festgestellt werden soll, dass der ausgeurteilte Vorschuss für die Mängelbeseitigung nicht ausreicht (BGH, Urteil vom 25. September 2008 - VII ZR 204/07, NJW 2009, 60, 61). Dass sich die Klägerin die Geltendmachung dieser "Nachschusspflicht" im Rahmen des hilfsweise erhobenen Schadensersatzanspruchs nicht vorbehalten musste, wurde bereits oben gesagt.
III.
- 14
- Nach alledem ist das Berufungsurteil im Kostenpunkt und in dem mit der Revision angefochtenen Umfang, also soweit die Klage in Höhe von 11.230,45 € nebst Zinsen abgewiesen worden ist, aufzuheben (§ 562 Abs. 1 BGB). Wegen der Beschränkung der Revision verbleibt es bei der Abweisung der Klage in Höhe von 3.000 € nebst Zinsen. Insoweit und in der Beschränkung des Grundurteils auf einen weiteren Betrag von 11.230,45 € nebst Zinsen hat die Berufung der Beklagten Erfolg. Über die Höhe der der Klägerin noch zustehenden Forderung muss das Berufungsgericht, welches das Betragsverfahren zu sich heraufgezogen hat, entscheiden. Krüger Lemke Schmidt-Räntsch Stresemann Czub
LG Bochum, Entscheidung vom 12.02.2011 - 2 O 428/10 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 24.10.2011 - I-22 U 50/11 -
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(1) Urteile sind der Rechtskraft nur insoweit fähig, als über den durch die Klage oder durch die Widerklage erhobenen Anspruch entschieden ist.
(2) Hat der Beklagte die Aufrechnung einer Gegenforderung geltend gemacht, so ist die Entscheidung, dass die Gegenforderung nicht besteht, bis zur Höhe des Betrages, für den die Aufrechnung geltend gemacht worden ist, der Rechtskraft fähig.
(1) Der Berufungsbeklagte kann sich der Berufung anschließen. Die Anschließung erfolgt durch Einreichung der Berufungsanschlussschrift bei dem Berufungsgericht.
(2) Die Anschließung ist auch statthaft, wenn der Berufungsbeklagte auf die Berufung verzichtet hat oder die Berufungsfrist verstrichen ist. Sie ist zulässig bis zum Ablauf der dem Berufungsbeklagten gesetzten Frist zur Berufungserwiderung. Diese Frist gilt nicht, wenn die Anschließung eine Verurteilung zu künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen (§ 323) zum Gegenstand hat.
(3) Die Anschlussberufung muss in der Anschlussschrift begründet werden. Die Vorschriften des § 519 Abs. 2, 4 und des § 520 Abs. 3 sowie des § 521 gelten entsprechend.
(4) Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Berufung zurückgenommen, verworfen oder durch Beschluss zurückgewiesen wird.
(1) Der Besteller kann wegen eines Mangels des Werkes nach erfolglosem Ablauf einer von ihm zur Nacherfüllung bestimmten angemessenen Frist den Mangel selbst beseitigen und Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen, wenn nicht der Unternehmer die Nacherfüllung zu Recht verweigert.
(2) § 323 Abs. 2 findet entsprechende Anwendung. Der Bestimmung einer Frist bedarf es auch dann nicht, wenn die Nacherfüllung fehlgeschlagen oder dem Besteller unzumutbar ist.
(3) Der Besteller kann von dem Unternehmer für die zur Beseitigung des Mangels erforderlichen Aufwendungen Vorschuss verlangen.
(1) Der Vermieter hat für seine Forderungen aus dem Mietverhältnis ein Pfandrecht an den eingebrachten Sachen des Mieters. Es erstreckt sich nicht auf die Sachen, die der Pfändung nicht unterliegen.
(2) Für künftige Entschädigungsforderungen und für die Miete für eine spätere Zeit als das laufende und das folgende Mietjahr kann das Pfandrecht nicht geltend gemacht werden.