Bundesgerichtshof Urteil, 04. Mai 2001 - V ZR 21/00
published on 04/05/2001 00:00
Bundesgerichtshof Urteil, 04. Mai 2001 - V ZR 21/00
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Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 21/00 Verkündet am:
4. Mai 2001
K a n i k ,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
-----------------------------------
EGBGB 1986 Art. 233 § 12 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b, Abs. 3
Bei einem im Herbst 1989 oder später eingetretenen Erbfall reicht es für die Feststellung
der Zuteilungsfähigkeit des Erben hin, daß er seinen Lebensunterhalt in
erheblichem Umfang durch eine landwirtschaftliche Tätigkeit verdient und vor Ablauf
des 15. März 1990 seinen Willen zu einem Eintritt in eine landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft
bekundet hat.
BGH, Urt. v. 4. Mai 2001 - V ZR 21/00 - OLG Brandenburg
LG Potsdam
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 4. Mai 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Wenzel und die Richter
Schneider, Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein und Dr. Gaier
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 25. November 1999 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Parteien streiten um Zahlungs- und Übertragungspflichten wegen eines Grundstücks aus der Bodenreform.
Bei Ablauf des 15. März 1990 war K. H. als Eigentümer des im Grundbuch von G. Blatt Nr. v erzeichneten aus mehreren Flurstücken bestehenden Grundstücks im Grundbuch eingetragen. Das Grundstück war ihm aus dem Bodenfonds zugewiesen worden. K. H. hatte es in eine LPG eingebracht. Er verstarb am 10. Dezember 1989. Er wurde von seiner
Tochter, der Beklagten, beerbt. Sie war als Verkäuferin teilzeitbeschäftigt. Daneben zog sie Schweine auf und baute Obst und Gemüse an. Am 21. Juni 1990 erteilte ihr das Staatliche Notariat P. einen Erbschein, der ihre alleinige Rechtsnachfolge nach dem Verstorbenen ausweist.
Durch Vertrag vom 3. März 1992 verkaufte sie eines der ererbten Flurstücke für 525.825 DM an das klagende Land (im folgenden: Kläger). Der Kaufpreis wurde bezahlt; der Kläger wurde als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen. Mit der Klage verlangt er von der Beklagten Rückzahlung des Kaufpreises und Auflassung des in ihrem Eigentum verbliebenen restlichen Grundstücks. Die Beklagte hat ihre bessere Berechtigung behauptet und geltend gemacht, der im Grundbuch eingetragene Bodenreformvermerk habe sich nicht auf das an den Kläger verkaufte Flurstück bezogen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat ihr das Oberlandesgericht stattgegeben. Mit der Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht stellt fest, der in das Grundbuch eingetragene Bodenreformvermerk habe das an den Kläger veräußerte Flurstück umfaßt. Es meint, die Beklagte habe den für das verkaufte Flurstück bezahlten Kaufpreis nach Art. 233 § 16 Abs. 2 Satz 2 EGBGB dem Kläger zu erstatten und ihm gemäß Art. 233 § 11 Abs. 3 Satz 1 EGBGB das restliche Grundstück aufzulassen.Der Kläger sei im Sinne von Art. 233 § 12 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB besser berechtigt als die Beklagte. Diese sei nicht zuteilungsfähig, weil sie vor Ablauf des 15. März 1990 weder einen Antrag auf Zuteilung des Bodenreformgrundstücks beim Rat des Kreises gestellt habe, noch Mitglied einer Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft gewesen sei oder einen schriftlichen Antrag auf Aufnahme in eine solche Genossenschaft gestellt habe. Daher könne dahingestellt bleiben, ob die von ihr neben ihrer Teilzeitbeschäftigung als Verkäuferin ausgeübte Tätigkeit als Tätigkeit in der Landwirtschaft im Sinne von Art. 233 § 12 Abs. 3 EGBGB zu bewerten sei.
Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
II.
1. Die Revision wendet sich nicht gegen die Feststellung des Berufungsgerichts , der in das Grundbuch eingetragene Bodenreformvermerk habe das dem Kläger verkaufte Flurstück umfaßt. Rechtsfehler sind insoweit auch nicht ersichtlich.
2. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht jedoch die Zuteilungsfähigkeit der Beklagten im Sinne von Art. 233 § 12 Abs. 3 1. Altern. EGBGB verneint. Bei einem im Herbst 1989 oder später eingetretenen Erbfall reicht es für die Feststellung der Zuteilungsfähigkeit hin, daß der Erbe seinen Lebensunterhalt in erheblichem Umfang durch eine landwirtschaftliche Tätigkeit verdient hat und vor Ablauf des 15. März 1990 seinen Willen zu einem Eintritt in eine Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft bekundet hat.
Ziel der durch das Zweite Vermögensrechtsänderungsgesetz in das Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch eingefügten Vorschriften über die Abwicklung der Bodenreform ist es, im Wege pauschalierter Nachzeichnung der Zuteilungsgrundsätze der Besitzwechselverordnung die Grundstücke aus der Bodenreform demjenigen zukommen zu lassen, dem sie bei ordnungsgemäßen Handeln der Behörden der DDR zu übertragen waren. Fehlte es nach den Grundsätzen der Besitzwechselverordnung an einem Berechtigten , waren die Grundstücke in den Bodenfonds zurückzuführen. Ist die Rückführung zu Unrecht unterblieben, sind die Grundstücke nach Art. 233 § 12 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c EGBGB dem Fiskus des Landes aufzulassen, in dem sie belegen sind. Im Übertragungsanspruch des Fiskus setzt sich die unterlassene Rückführung fort (st. Rechtspr., vgl. Senat, BGHZ 132, 71, 78; 136, 283, 289). Waren die Voraussetzungen der Besitzwechselverordnung für die Rückführung eines Grundstücks in den Bodenfonds nicht gegeben, scheidet ein Anspruch des Fiskus auf Auflassung aus. So verhält es sich im vorliegenden Falle auf der Grundlage des Vortrags der Beklagten.
a) Ohne Bedeutung für die Entscheidung des Rechtsstreits ist, daß die Beklagte bis zum Ablauf des 15. März 1990 keinen Antrag auf Übertragung des Grundstücks an den Rat des Kreises gestellt hatte. Bei der Nachzeichnung der Zuteilungsgrundsätze der Besitzwechselverordnung stellt Art. 233 § 12 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB hinsichtlich der land- oder forstwirtschaftlichen Nutzflächen allein darauf ab, ob diese Flächen nach der Besitzwechselverordnung einem Erben des verstorbenen Begünstigten zugewiesen oder übergeben waren, der Erbe zuteilungsfähig war, oder ob sie in den Bodenfonds zurückzuführen waren. Der Frage, ob der Erbe vor Ablauf des 15. März 1990 einen Übertragungsantrag an
den Rat des Kreises gestellt hatte, kommt bei der Nachzeichnung der Zuteilungsgrundsätze der Besitzwechselverordnung und damit der Feststellung der Berechtigung eines Erben nach Art. 233 § 12 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a, Buchst. b, Abs. 3 EGBGB keine Bedeutung zu.
b) Die Zuteilungsfähigkeit der Beklagten kann auch nicht deshalb verneint werden, weil sie vor dem 16. März 1990 keinen schriftlichen Antrag auf Aufnahme in eine Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft gestellt hatte.
Die Übertragung des Rechts zur Bewirtschaftung eines landwirtschaftlich nutzbaren Grundstücks aus der Bodenreform auf einen Erben des Begünstigten setzte nach § 4 Abs. 1 BesitzwechselVO voraus, daß der Erbe das Grundstück "zweckentsprechend" nutzen würde. Diese Voraussetzung war, wie der Gegenschluß aus § 3 Abs. 1 Satz 1 BesitzwechselVO ergibt, nur gegeben, wenn der Erbe Mitglied einer landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft war. Das hat den Senat veranlaßt, als Voraussetzung für die Zuteilungsfähigkeit eines Erben im Sinne von Art. 233 § 12 Abs. 3 EGBGB die Mitgliedschaft in einer landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft zu verlangen. Für die Übertragung einer Bodenreformwirtschaft genügte allerdings nach einhelliger Auffassung der Rechtslehre der DDR, daß der Erbe die LPG-Mitgliedschaft erst nach dem Erbfall erwarb (Schietsch, NJ 1965, 564, 565; Arlt/Rohde, Bodenrecht , 1967, 355; Hähnert/Richter/Rohde u.a., LPG-Recht, 1984, S. 46 ff). Dem hat der Senat dadurch Rechnung getragen, daß er als zuteilungsfähig auch denjenigen angesehen hat, der bei Ablauf des 15. März 1990 zwar nicht Mitglied einer Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft war, aber einen Antrag auf Aufnahme gestellt hatte, aus dem sich seine Bereitschaft zum Ein-
tritt in eine solche ergab (Senat, BGHZ 136, 283, 292). Noch nicht entschieden hat der Senat dagegen die Frage, ob es ausreicht, daß der Erbe seine Bereitschaftet in eine LPG einzutreten, auch auf andere Weise bekundet hat. Dies ist für einen Erbfall, der in der Zeit der Wende in der DDR eingetreten ist, zu bejahen.
Die Mitgliedschaft des Erben in einer landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft oder ein Antrag auf Aufnahme in eine solche dürfen in einem solchen Fall nicht als Voraussetzung der Zuteilungsfähigkeit verlangt werden. Eine andere Auffassung würde die tatsächliche Situation in der DDR in dieser Zeit nicht berücksichtigen, dem Erben keine Zeit lassen, einen Entschluß zu bilden, und zur Übertragung von Grundstücken an den Fiskus führen, bei denen nicht davon ausgegangen werden kann, daß sie in den Bodenfonds zurückgeführt worden wären. Daß der Erbe eines Begünstigten, der im Herbst 1989 oder im Winter 1989/1990 verstorben ist, bei Ablauf des 15. März 1990 keinen Antrag auf Aufnahme in eine landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft gestellt hatte, braucht nicht auf Desinteresse an der Nachfolge in die Bodenreformwirtschaft zu beruhen, sondern kann der üblichen Behandlung der Nachfolge in die Bodenreformgrundstücke entsprechen. Nicht selten ist dem Erben, wie die Beklagte behauptet, auch geraten worden, mit einem Antrag auf Aufnahme in eine landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft zuzuwarten. Schließlich kann die Antragstellung im Hinblick auf den politischen und wirtschaftlichen Umbruch in der DDR unterblieben sein. Dies darf nicht dazu führen , einem Erben Grundstücke zu nehmen, die ihm ohne die Aufhebung der Besitzwechselverordnung und ohne die Ä nderung der Verhältnisse in der DDR zugeteilt worden wären.
Ist der Erbfall im Herbst 1989 oder später eingetreten, muß es zur Nachzeichnung der Zuteilungsgrundsätze der Besitzwechselverordnung daher als hinreichend angesehen werden, daß der Erbe seinen Lebensunterhalt zu einem erheblichen Teil durch eine Tätigkeit in der Landwirtschaft verdient und seinen Entschluß zu erkennen gegeben hat, in eine LPG einzutreten. Hiervon ist auf der Grundlage des Vorbringens der Beklagten auszugehen. Sie hat behauptet , im Januar 1990 den ökonomischen Leiter der landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft, in der ihr Vater Mitglied war, wegen des von ihr beabsichtigten Eintritts in die Genossenschaft und der Übertragung des Grundstücks angesprochen zu haben. Der Angesprochene habe ihr geraten, zunächst einen Erbschein zu erwirken und erst dann einen Antrag auf Aufnahme in die Genossenschaft zu stellen.
c) Ohne Bedeutung ist auch, daß die Beklagte bei Ablauf des 15. März 1990 neben ihrer Tätigkeit in der Landwirtschaft auch als Verkäuferin tätig war. Art. 233 § 12 Abs. 3 EGBGB hat zum Ziel, in pauschalierter Form die von der Besitzwechselverordnung für eine Nachfolge in die Bodenreformwirtschaft verlangte Eignung des Erben zur Bewirtschaftung der Grundstücke nachzuzeichnen. Als Voraussetzung dieser Eignung bedurfte es nach der Besitzwechselverordnung keiner ausschließlichen Tätigkeit des Erben in der Land- oder Forstwirtschaft. Dem ist im Rahmen der Nachzeichnung der Zuteilungsgrundsätze Rechnung zu tragen. Eine ausschließliche Tätigkeit in diesen Wirtschaftszweigen kann nicht verlangt werden. Zuteilungsfähig ist vielmehr auch, wer seinen Lebensunterhalt zu einem erheblichen Teil durch eine solche Tätigkeit verdient hat. Hierzu hat die Beklagte geltend gemacht, sie habe schon zu Lebzeiten ihres Vaters ihren Lebensunterhalt zum größeren Teil durch die Mast von Jungschweinen und die Erzeugung von Obst und Gemüse verdient.
3. Zu einer abschließenden Entscheidung des Rechtsstreits ist der Senat nicht in der Lage, weil das Berufungsgericht, von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig, zu den maßgeblichen Gesichtspunkten keine Feststellungen getroffen hat. Rein vorsorglich weist der Senat in diesem Zusammenhang darauf hin, daß die Berechtigung des Klägers aus Art. 233 § 12 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c EGBGB der von der Beklagten aus Art. 233 § 12 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b EGBGB in Anspruch genommenen Berechtigung nachgeht. Zur Abwehr der vom Kläger geltend gemachten Ansprüche obliegt es daher nicht der Beklagten, ihre bessere Berechtigung beweisen, sondern es obliegt dem Kläger , den Beweis der Unrichtigkeit des Vorbringens der Beklagten zu führen.
Wenzel Schneider Krüger Klein Gaier
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