Bundesgerichtshof Urteil, 16. Jan. 2004 - V ZR 449/02
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Tatbestand:
Die Parteien streiten um Grundstücke aus der Bodenreform.
Die Grundstücke waren zunächst dem Vater der Beklagten, E. T. , aus dem Bodenfonds zugewiesen worden. E. T. und die Mutter der Beklagten, C. T. (Erblasserin), wurden Mitglieder der örtlichen LPG. Nach dem Tod von E. T. wurden die Grundstücke auf die Erblasserin übertragen. 1983 wurde sie in das Grundbuch eingetragen. Als Grundlage der Eintragung wurde der Erwerb durch Nachtragsprotokoll vermerkt.
Die Erblasserin verstarb am 24. Februar 1990. In ihrem am 6. März 1990 eröffneten Testament hatte sie die Beklagte zu ihrer alleinigen Erbin bestimmt. Eine Berichtigung des Grundbuchs erfolgte bis zum Ablauf des 15. März 1990 nicht.
Die Beklagte war von 1969 bis 1975 für eine andere LPG und fortan für eine KAP arbeitstätig. Aufgrund Kündigung der KAP endete ihr Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 30. Juni 1985. Sie erkrankte im Dezember 1985 und ist seitdem nicht mehr arbeitsfähig. Bis zum Beginn ihres Rentenbezugs im November 1990 lebte sie von dem Einkommen ihres Ehemannes, der als LPG-Mitglied in der Landwirtschaft tätig war. Auch ein Sohn der Beklagten war 1990 in der Landwirtschaft tätig.
Das klagende Land (Kläger) verlangt die Auflassung der Grundstücke. Die Beklagte hat ihre Zuteilungsfähigkeit eingewandt und geltend gemacht, sie habe mehrfach ihre Aufnahme in die LPG beantragt. Ihre Anträge seien abge-
lehnt worden, weil sie im Hinblick auf die Einbringung der Grundstücke in die LPG durch ihren Vater bzw. ihre Mutter über kein Land verfügt habe. Zusammen mit ihrem Mann und ihrem Sohn habe sie nach dem Tod der Erblasserin als Wiedereinrichterin einen landwirtschaftlichen Betrieb führen wollen.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht bejaht einen Auflassungsanspruch des Klägers. Es meint, die Beklagte sei nicht zuteilungsfähig. Beim Tod ihrer Mutter sei sie nicht mehr in der Landwirtschaft tätig gewesen. Daß sie bis zur Beendigung ihrer Berufstätigkeit mehr als zehn Jahre in der Landwirtschaft gearbeitet habe und danach keinen anderen Tätigkeiten mehr nachgegangen sei, führe nicht zur Zuteilungsfähigkeit der Beklagten. Zuteilungsfähig im Sinne von Art. 233 § 12 Abs. 3 2. Alt. EGBGB sei nämlich nur, wer wegen Alters oder Krankheit nach mehr als zehnjähriger Tätigkeit in der Landwirtschaft aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sei. So verhalte es sich bei der Beklagten nicht. Ihr sei vielmehr im Zuge der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses zu der KAP ein Arbeitsplatz außerhalb der Landwirtschaft angeboten worden. Daß sie die Aufnahme dieser Tätigkeit abgelehnt habe, könne nicht zu einem rechtlichen Vor-
teil führen. Daß sie zusammen mit ihrem Mann und ihrem Sohn einen eigenen landwirtschaftlichen Betrieb habe führen wollen, sei rechtlich ohne Bedeutung.
Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung im wesentlichen nicht stand.
II.
1. Die Klage ist nicht begründet, soweit der Kläger von der Beklagten die Auflassung der der Erblasserin übertragenen landwirtschaftlichen Nutzflächen verlangt. Insoweit fehlt es an einer besseren Berechtigung des Klägers im Sinne von Art. 233 § 12 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c EGBGB.
Art. 233 §§ 11, 12 EGBGB zeichnen die Zuteilungs- und Übertragungsgrundsätze der BesitzwechselVO nach (st. Rechtspr., vgl. Senat, BGHZ 132, 71, 77; 146, 223, 234; Urt. v. 7. Februar 1997, V ZR 107/96, WM 1997, 785, 786 und v. 17. Juli 1998, V ZR 117/97, WM 1998, 2205, 2206). Soweit ein Grundstück hiernach in den Bodenfonds zurückzuführen war und die Rückführung unterlassen worden ist, hat seine Übertragung auf den Fiskus zu erfolgen. Im Auflassungsanspruch des Fiskus setzt sich die unterlassene Rückführung in den Bodenfonds fort (Senat, BGHZ 132, 71, 78; 136, 283, 289; Urt. v. 21. November 1997, V ZR 137/96, WM 1998, 405, 407; und v. 17. Juli 1998, V ZR 117/97, aaO). War ein Grundstück bei der Aufhebung der Besitzwechselverordnung mit Ablauf des 15. März 1990 nicht in den Bodenfonds zurückzuführen , ist für einen Auflassungsanspruch des Fiskus kein Raum (Senatsurt. v. 7. Februar 1997, V ZR 107/96, aaO; v. 4. Mai 2001, V ZR 21/00, WM 2001, 1902; v. 3. Mai 2002, V ZR 217/01, NJW 2002, 2241 und v. 13. Dezember
2002, V ZR 358/01, ZfIR 2003, 340). So verhält es sich mit den von der Be- klagten geerbten landwirtschaftlichen Nutzflächen.
Der Übertragung der Grundstücke auf die Beklagte gem. § 4 Abs. 1 BesitzwechselVO stand nach dem Tod der Erblasserin allerdings entgegen, daß die Beklagte zu ihrer Bewirtschaftung nicht mehr in der Lage war. Auch eine mittelbare Bewirtschaftung der Grundstücke durch die Beklagte als Mitglied einer LPG (vgl. Senatsurt. v. 11. April 2003, V ZR 366/02, VIZ 2003, 441, 442) schied aus, weil mit dem Tod der Erblasserin zwar die Landlosigkeit der Beklagten als Hindernis für ihre Aufnahme in die LPG entfallen war, ihre Aufnahme jedoch wegen ihrer Erkrankung nicht in Betracht kam. Trotzdem waren die landwirtschaftlichen Nutzflächen nicht aus dem Nachlaß in den Bodenfonds zurückzuführen, weil die Beklagte als Erbin von C. T. gem. § 4 Abs. 1, 3 BesitzwechselVO die Übertragung der Grundstücke auf einen Verwandten der Erblasserin verlangen konnte, der die Voraussetzungen der zweckentsprechenden Nutzung der Grundstücke erfüllte. Ob der Ehemann der Beklagten als Verwandter der Erblasserin im Sinne von § 4 Abs. 1 BesitzwechselVO anzusehen ist, kann dahingestellt bleiben. Der Sohn der Beklagten ist es ohne weiteres. Daß er seine Tätigkeit in der Landwirtschaft auch am 15. März 1990 ausübte, hat der Kläger nicht in Abrede gestellt. Daß er bis zum Ablauf des 15. März 1990 keinen Antrag auf Aufnahme in die LPG gestellt hat, ist ohne Bedeutung. Einen solchen Antrag hätte er frühestens nach der Eröffnung des Testaments der Erblasserin am 6. März 1990 stellen können. An diesem Tag hatte die Volkskammer das Landwirtschaftsanpassungsgesetz beschlossen und damit die Beendigung der kollektiven Landwirtschaft in der DDR eingeleitet. Seit diesem Zeitpunkt kann ein Antrag auf Aufnahme in eine LPG als Voraussetzung der Übertragung landwirtschaftlicher Nutzflächen gem. § 3
Abs. 1 BesitzwechselVO nicht mehr verlangt werden (vgl. Senatsurt. v. 4. Mai 2001, V ZR 21/00, WM 2001, 1902, 1903).
2. Anders verhält es sich hinsichtlich des Flurstücks 36/2 der Flur 1. Bei diesem Grundstück handelt es sich nicht um ein landwirtschaftlich genutztes Grundstück, sondern um eine Straßenverkehrsfläche. Nach Art. 233 § 11 Abs. 3 Satz 1, § 12 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c EGBGB schuldet die Beklagte dem Kläger die Auflassung dieses Grundstücks und die Bewilligung zu seiner Eintragung in das Grundbuch. Art. 233 § 12 Nr. 2 Buchst. c EGBGB bildet einen Auffangtatbestand, nach dem alle Grundstücke an den Fiskus des Landes aufzulassen sind, in dem sie belegen sind, die nicht zu landwirtschaftlichen oder zu Wohnzwecken genutzt worden sind (Senat, BGHZ 132, 71, 78).
Das 294 qm große Flurstück 36/2 ist nach den vorgelegten Grundbuchauszügen aus dem früher als Flurstück 8/20 bezeichneten Waldgrundstück durch Teilung hervorgegangen. Das kann der Senat selbst feststellen, weil weiteres Vorbringen der Parteien hierzu nicht zu erwarten ist. Das Grundstück hätte vor seiner Inanspruchnahme für die Fernstraße 188 in den Bodenfonds zurückgeführt und aus diesem in Volkseigentum im allgemeinen Sinne überführt werden müssen. Das ist unterlassen worden. Die unterlassene Rückführung führt zu einem Auflassungsanspruch des Klägers.
Die von der Beklagten gegen die Verfassungsmäßigkeit von Art. 233 §§ 11 ff. EGBGB und ihre Vereinbarkeit mit der Europäischen Menschenrechtskonvention erhobenen Bedenken greifen insoweit schon deshalb nicht durch, weil es sich bei dem Grundstück nicht um ein Grundstück handelt, das durch die Aufhebung der Beschränkungen, die für die Grundstücke aus der
Bodenreform bis zum Inkrafttreten des Gesetzes über die Rechtsstellung der Eigentümer an Grundstücken aus der Bodenreform vom 6. März 1990 galten, in freies Eigentum überführt werden sollte. Zweck dieses Gesetzes war es, die einer freien landwirtschaftlichen Nutzung entgegenstehenden Beschränkungen der Bodenreformverordnungen zu beseitigen. Damit hat die Nachzeichnung der wegen seiner Inanspruchnahme als Straßenverkehrsfläche gebotenen Rückführung eines Grundstücks in den Bodenfonds durch den geltend gemachten Auflassungsanspruch nichts zu tun (vgl. Senatsurt. v. 22. März 2002, V ZR 192/01, VIZ 2002, 483).
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 2 ZPO. Das Unterliegen der Beklagten ist verhältnismäßig geringfügig und veranlaßte keine besonderen Kosten.
Wenzel Klein Lemke Schmidt-Räntsch Stresemann
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(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.