Bundesgerichtshof Urteil, 27. Apr. 2012 - V ZR 177/11
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Parteien sind die Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Kläger hatten die Dachgeschosswohnung, die ursprünglich mit der daneben liegenden Wohnung zu einer Einheit verbunden war, im Jahr 2005 erworben. Aufgrund der Trennung der Wohnungen verfügt die Wohnung der Kläger nicht mehr über einen zweiten Rettungsweg. Nachdem das Bauaufsichtsamt dies im April 2008 beanstandet und auf Antrag der Kläger den Bau einer Außenspindeltreppe genehmigt hatte, beauftragten sie einen Architekten mit deren Planung. In der Eigentümerversammlung vom 23. März 2009 lehnte die Eigentümergemeinschaft den Antrag der Kläger ab, die von dem Architekten geplante Feuertreppe zu errichten. Diesen Beschluss haben die Kläger angefochten und beantragt, die Beklagten zur Zustimmung zu verurteilen. Da die Beklagten die Auffassung vertreten, die genaue Ausgestaltung eines Rettungsweges sei Sache der Eigentümergemeinschaft, haben die Kläger im Laufe des Verfahrens hilfsweise beantragt, die Beklagten zu verurteilen, dem Antrag zuzustimmen, dass die Eigentümergemeinschaft einen fachgerechten Rettungsweg anbringt.
- 2
- Das Amtsgericht hat dem Hilfsantrag stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung einer Wohnungseigentümerin, der Beklagten zu 1, die die Einrede der Verjährung erhoben hat, hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Kläger beantragen, verfolgt sie den Antrag auf Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
- 3
- Nach Auffassung des Berufungsgerichts können die Kläger gemäß § 21 Abs. 4 WEG die Schaffung eines zweiten Rettungsweges verlangen. Es habe ihnen nicht obgelegen, vor Anrufung des Gerichts eine Beschlussfassung auch über den Hilfsantrag herbeizuführen. Denn die übrigen Wohnungseigentümer hätten zum Ausdruck gebracht, dass sie es generell ablehnten, für einen zweiten Fluchtweg zu sorgen. Der Anspruch auf ordnungsmäßige Verwaltung, der der dreijährigen Verjährungsfrist unterliege, sei nicht verjährt. Die Beanstan- dung durch das Bauaufsichtsamt stelle eine Vertiefung der Störung dar und habe deshalb einen neuen Anspruch auf ordnungsmäßige Verwaltung entstehen lassen.
II.
- 4
- Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
- 5
- 1. Die Revision ist unbeschränkt zulässig. Aus der Begründung der Zulassungsentscheidung des Berufungsgerichts, es stelle sich die grundsätzliche Frage, ob der Anspruch auf ordnungsmäßige Verwaltung der Verjährung unterliegt , ergibt sich keine Beschränkung der Zulassung, zumal eine Beschränkung auf bestimmte Rechtsfragen unwirksam wäre (BGH, Urteil vom 17. November 2009 - XI ZR 36/09, BGHZ 183, 169, 172; Urteil vom 21. September 2006 - I ZR 2/04, NJW-RR 2007, 182, 183).
- 6
- 2. Die Revision ist begründet. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht die Zulässigkeit des Hilfsantrags der Kläger bejaht.
- 7
- a) Mit dem Hilfsantrag wollen die Kläger eine Regelung erreichen, die bisher nicht zur Abstimmung stand. Geht es - wie hier - um die Mitwirkung der übrigen Wohnungseigentümer an einer ordnungsmäßigen Verwaltung (§ 21 Abs. 4 WEG), ist die vorherige Befassung der Eigentümerversammlung mit dem Antrag, den der Wohnungseigentümer gerichtlich durchsetzen will, aber Voraussetzung für die Zulässigkeit dieser Leistungsklage. Denn primär zuständig für die Beschlussfassung ist die Versammlung der Wohnungseigentümer (§ 21 Abs. 1 und 3, § 23 Abs. 1 WEG). Vor Anrufung des Gerichts muss sich der Wohnungseigentümer daher um die Beschlussfassung der Versammlung bemühen, weil seiner Klage sonst das Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Dieses fehlt ausnahmsweise nur dann nicht, wenn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, dass der Antrag in der Eigentümerversammlung nicht die erforderliche Mehrheit finden wird, so dass die Befassung der Versammlung eine unnötige Förmelei wäre (Senat, Urteil vom 15. Januar 2010 - V ZR 114/09, BGHZ 184, 88 Rn. 14 f.).
- 8
- b) Die Feststellungen des Berufungsgerichts tragen dessen Annahme nicht, dass mit einer entsprechenden Beschlussfassung nicht zu rechnen sei. Die Revision beanstandet zu Recht, dass das Berufungsgericht den Wohnungseigentümern eine generelle Ablehnung eines zweiten Rettungswegs unterstelle. Die Beklagte zu 1 und die übrigen Wohnungseigentümer haben sich durch unterschiedliche Prozessbevollmächtigte vertreten lassen und in unterschiedlicher Weise zu dem Begehren der Kläger geäußert. Der Umstand, dass die Beklagte zu 1 den Standpunkt vertritt, die Schaffung eines Rettungsweges sei Sache der Kläger und ein etwaiger Anspruch gegen die Gemeinschaft sei verjährt, rechtfertigt nicht die Annahme, dass auch die übrigen Eigentümer der insgesamt 14 Wohneinheiten eine entsprechende Beschlussfassung ablehnen. Das Berufungsgericht hat nicht dargelegt, aus welchen konkreten Umständen oder Äußerungen es eine solche Haltung der übrigen Wohnungseigentümer herleitet.
- 9
- 3. Danach kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben. Die Sache ist aufzuheben und zur neuen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
- 10
- Für den Fall, dass das Berufungsgericht zu dem Ergebnis kommen sollte , dass hier ausnahmsweise eine Vorbefassung der Eigentümerversammlung mit dem Hilfsantrag der Kläger nicht erforderlich war, weist der Senat auf Folgendes hin: Die Einhaltung der Brandschutzvorschriften entspricht - wovon das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei ausgeht - ordnungsmäßiger Verwaltung (§ 21 Abs. 4 WEG). Der Anspruch des Wohnungseigentümers auf ordnungsmäßige Verwaltung ist grundsätzlich unverjährbar. Ist eine Maßnahme im Interesse einer ordnungsmäßigen Verwaltung notwendig, erfordert diese ständig ihre Durchführung. So wird der Abschluss notwendiger Versicherungen (§ 21 Abs. 5 Nr. 3 WEG) nicht etwa dadurch entbehrlich, dass solche Versicherungen bisher nicht abgeschlossen worden sind. Das Gemeinschaftseigentum muss instandgesetzt werden (§ 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG), auch wenn die Instandsetzungsbedürftigkeit schon länger als drei Jahre andauert. Eine solche gleichsam ständig neu entstehende Dauerverpflichtung kann nicht verjähren (Schmid, WuM 2010, 655, 657; ders., DWE 2009, 2, 3). Dies folgt auch aus Sinn und Zweck der Verjährungsvorschriften. Die Verjährung soll den Schuldner davor schützen, wegen länger zurückliegender Vorgänge in Anspruch genommen zu werden, die er nicht mehr aufklären kann, weil ihm Beweismittel für etwa begründete Einwendungen abhandengekommen oder Zeugen nicht mehr auffindbar sind (BGH, Urteil vom 17. Februar 2010 - VIII ZR 104/09, BGHZ 184, 253 Rn. 18; Urteil vom 20. April 1993 - X ZR 67/92, BGHZ 122, 241, 244). Diese Erwägungen treffen - ebenso wenig wie auf den unverjährbaren Mängelbeseitigungsanspruch des Mieters (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 17. Februar 2010 - VIII ZR 104/09, BGHZ 184, 253) - auf den Anspruch des Wohnungseigentümers auf ordnungsmäßige Verwaltung nicht zu. Eine Beweisnot der in Anspruch genommenen Wohnungseigentümer ist auszuschließen. Denn der einzelne Wohnungseigentümer will mit der Durchsetzung des Anspruchs nach § 21 Abs. 4 WEG eine ordnungsgemäße Verwaltung für die Zukunft sicherstellen (Merle in Bärmann, WEG, 11. Aufl., § 21 Rn. 48).
Brückner Weinland
Vorinstanzen:
AG Köln, Entscheidung vom 29.06.2010 - 202 C 102/09 -
LG Köln, Entscheidung vom 30.06.2011 - 29 S 159/10 -
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(1) Die Kosten einer baulichen Veränderung, die einem Wohnungseigentümer gestattet oder die auf sein Verlangen nach § 20 Absatz 2 durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer durchgeführt wurde, hat dieser Wohnungseigentümer zu tragen. Nur ihm gebühren die Nutzungen.
(2) Vorbehaltlich des Absatzes 1 haben alle Wohnungseigentümer die Kosten einer baulichen Veränderung nach dem Verhältnis ihrer Anteile (§ 16 Absatz 1 Satz 2) zu tragen,
- 1.
die mit mehr als zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen und der Hälfte aller Miteigentumsanteile beschlossen wurde, es sei denn, die bauliche Veränderung ist mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden, oder - 2.
deren Kosten sich innerhalb eines angemessenen Zeitraums amortisieren.
(3) Die Kosten anderer als der in den Absätzen 1 und 2 bezeichneten baulichen Veränderungen haben die Wohnungseigentümer, die sie beschlossen haben, nach dem Verhältnis ihrer Anteile (§ 16 Absatz 1 Satz 2) zu tragen. Ihnen gebühren die Nutzungen entsprechend § 16 Absatz 1.
(4) Ein Wohnungseigentümer, der nicht berechtigt ist, Nutzungen zu ziehen, kann verlangen, dass ihm dies nach billigem Ermessen gegen angemessenen Ausgleich gestattet wird. Für seine Beteiligung an den Nutzungen und Kosten gilt Absatz 3 entsprechend.
(5) Die Wohnungseigentümer können eine abweichende Verteilung der Kosten und Nutzungen beschließen. Durch einen solchen Beschluss dürfen einem Wohnungseigentümer, der nach den vorstehenden Absätzen Kosten nicht zu tragen hat, keine Kosten auferlegt werden.
(1) Das Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen (Anspruch), unterliegt der Verjährung.
(2) Der Verjährung unterliegen nicht
- 1.
Ansprüche, die aus einem nicht verjährbaren Verbrechen erwachsen sind, - 2.
Ansprüche aus einem familienrechtlichen Verhältnis, soweit sie auf die Herstellung des dem Verhältnis entsprechenden Zustands für die Zukunft oder auf die Einwilligung in die genetische Untersuchung zur Klärung der leiblichen Abstammung gerichtet sind.
(1) Die Kosten einer baulichen Veränderung, die einem Wohnungseigentümer gestattet oder die auf sein Verlangen nach § 20 Absatz 2 durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer durchgeführt wurde, hat dieser Wohnungseigentümer zu tragen. Nur ihm gebühren die Nutzungen.
(2) Vorbehaltlich des Absatzes 1 haben alle Wohnungseigentümer die Kosten einer baulichen Veränderung nach dem Verhältnis ihrer Anteile (§ 16 Absatz 1 Satz 2) zu tragen,
- 1.
die mit mehr als zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen und der Hälfte aller Miteigentumsanteile beschlossen wurde, es sei denn, die bauliche Veränderung ist mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden, oder - 2.
deren Kosten sich innerhalb eines angemessenen Zeitraums amortisieren.
(3) Die Kosten anderer als der in den Absätzen 1 und 2 bezeichneten baulichen Veränderungen haben die Wohnungseigentümer, die sie beschlossen haben, nach dem Verhältnis ihrer Anteile (§ 16 Absatz 1 Satz 2) zu tragen. Ihnen gebühren die Nutzungen entsprechend § 16 Absatz 1.
(4) Ein Wohnungseigentümer, der nicht berechtigt ist, Nutzungen zu ziehen, kann verlangen, dass ihm dies nach billigem Ermessen gegen angemessenen Ausgleich gestattet wird. Für seine Beteiligung an den Nutzungen und Kosten gilt Absatz 3 entsprechend.
(5) Die Wohnungseigentümer können eine abweichende Verteilung der Kosten und Nutzungen beschließen. Durch einen solchen Beschluss dürfen einem Wohnungseigentümer, der nach den vorstehenden Absätzen Kosten nicht zu tragen hat, keine Kosten auferlegt werden.
(1) Angelegenheiten, über die nach diesem Gesetz oder nach einer Vereinbarung der Wohnungseigentümer die Wohnungseigentümer durch Beschluss entscheiden können, werden durch Beschlussfassung in einer Versammlung der Wohnungseigentümer geordnet. Die Wohnungseigentümer können beschließen, dass Wohnungseigentümer an der Versammlung auch ohne Anwesenheit an deren Ort teilnehmen und sämtliche oder einzelne ihrer Rechte ganz oder teilweise im Wege elektronischer Kommunikation ausüben können.
(2) Zur Gültigkeit eines Beschlusses ist erforderlich, dass der Gegenstand bei der Einberufung bezeichnet ist.
(3) Auch ohne Versammlung ist ein Beschluss gültig, wenn alle Wohnungseigentümer ihre Zustimmung zu diesem Beschluss in Textform erklären. Die Wohnungseigentümer können beschließen, dass für einen einzelnen Gegenstand die Mehrheit der abgegebenen Stimmen genügt.
(4) Ein Beschluss, der gegen eine Rechtsvorschrift verstößt, auf deren Einhaltung rechtswirksam nicht verzichtet werden kann, ist nichtig. Im Übrigen ist ein Beschluss gültig, solange er nicht durch rechtskräftiges Urteil für ungültig erklärt ist.
(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.
(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.
(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.
(1) Die Kosten einer baulichen Veränderung, die einem Wohnungseigentümer gestattet oder die auf sein Verlangen nach § 20 Absatz 2 durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer durchgeführt wurde, hat dieser Wohnungseigentümer zu tragen. Nur ihm gebühren die Nutzungen.
(2) Vorbehaltlich des Absatzes 1 haben alle Wohnungseigentümer die Kosten einer baulichen Veränderung nach dem Verhältnis ihrer Anteile (§ 16 Absatz 1 Satz 2) zu tragen,
- 1.
die mit mehr als zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen und der Hälfte aller Miteigentumsanteile beschlossen wurde, es sei denn, die bauliche Veränderung ist mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden, oder - 2.
deren Kosten sich innerhalb eines angemessenen Zeitraums amortisieren.
(3) Die Kosten anderer als der in den Absätzen 1 und 2 bezeichneten baulichen Veränderungen haben die Wohnungseigentümer, die sie beschlossen haben, nach dem Verhältnis ihrer Anteile (§ 16 Absatz 1 Satz 2) zu tragen. Ihnen gebühren die Nutzungen entsprechend § 16 Absatz 1.
(4) Ein Wohnungseigentümer, der nicht berechtigt ist, Nutzungen zu ziehen, kann verlangen, dass ihm dies nach billigem Ermessen gegen angemessenen Ausgleich gestattet wird. Für seine Beteiligung an den Nutzungen und Kosten gilt Absatz 3 entsprechend.
(5) Die Wohnungseigentümer können eine abweichende Verteilung der Kosten und Nutzungen beschließen. Durch einen solchen Beschluss dürfen einem Wohnungseigentümer, der nach den vorstehenden Absätzen Kosten nicht zu tragen hat, keine Kosten auferlegt werden.