Landgericht München II Beschluss, 23. Nov. 2015 - 2 T 3117/12

published on 23/11/2015 00:00
Landgericht München II Beschluss, 23. Nov. 2015 - 2 T 3117/12
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Amtsgericht Fürstenfeldbruck, 1 UR II 122/05, 07/05/2012

Gericht

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Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Fürstenfeldbruck vom 07.05.2012, Az. 1 UR II 122/05, abgeändert:

Die Antragsgegener werden verurteilt, gemäß der Auflage in der Baugenehmigung vom 21.03.1996, dort III.16., acht Fahrradstellplätze entsprechend der Fahrradstellplatzsatzung herzustellen.

Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.

2. Von den Gerichtskosten tragen die Antragstellerin 3/4 und die Antragsgegner samtverbindlich 1/4. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

3. Der Streitwert wird auf 60.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Beteiligten sind Mitglieder der WEG ... Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin macht gegen die Beschwerdegegner Ansprüche auf (ordnungsgemäße) Erstherstellung geltend.

Die streitgegenständliche Anlage wurde in den Jahren 1996 bis 1998 errichtet und an die Miteigentümer veräußert. Die Beschwerdeführerin hat seit dem Jahr 2002 Kenntnis von der von ihr behaupteten fehlerhaften Verlegung der Kanal-, Zentralwasser- und Gasleitungen, vom Fehlen des Kinderspielplatzes und der Fahrradstellplätze sowie von der Umzäunung und der Gartenhütte der Beschwerdegegner zu 1).

Mit Antrag vom 29.12.2005 leitete sie das streitgegenständliche Verfahren vor dem Amtsgericht ein. In einer am 27.06.2006 durchgeführten Wohnungseigentümerversammlung wurden die streitgegenständlichen Verpflichtungsanträge mehrheitlich abgelehnt. Hiergegen erhob die Beschwerdeführerin Anfechtungsklage, welche vor dem Amtsgericht Fürstenfeldbruck unter dem Az.: 1 URII 54/06 verhandelt und unangefochten in dem Sinn entschieden wurde, dass die Beschlüsse aufgehoben wurden.

Im vorliegenden Verfahren wurde mit Beschluss vom 25.01.2007 (Bl. 154 d. A.) das Ruhen des Verfahrens angeordnet.

Am 31.05.2011 fand eine außerordentliche Wohnungseigentümerversammlung statt, in der die streitgegenständlichen Anträge der Beschwerdeführerin mehrheitlich angenommen worden sind. Die Beschwerdegegner haben hiergegen Anfechtungsklage erhoben. Das stattgebende Urteil des Amtsgerichts Fürstenfeldbruck wurde von der hiesigen Beschwerdeführerin mit der Berufung angegriffen. Das Landgericht München I hat mit Endurteil vom 03.02.2014 die Berufung zurückgewiesen.

Die hiesige Verpflichtungsklage wurde vom Amtsgericht Fürstenfeldbruck mit Beschluss vom 07.05.2012 in dem hier noch interessierenden Teil wegen Verjährung der Ansprüche zurückgewiesen, wogegen sich die Beschwerdeführerin mit ihrer Beschwerde vom 11.05.2012 wendet und beantragt,

I. Der Beschluss des Amtsgerichts Fürstenfeldbruck vom 07.05.2012, Az.: 1 URII 122/05, wird soweit die Anträge 1 bis 4 zurückgewiesen wurden, aufgehoben.

II. Die Antragsgegner werden verurteilt

1. Gemäß dem ursprüngliche Antrag Ziffer I die zu den Doppelhaushälften Obere Lagerstraße 40a und 40b verlaufenden Kanal-, Zentralwasser- und Gasleitungen entsprechend den genehmigten Bau- und Entwässerungsplänen zu verlegen.

2. Den gemäß Baugenehmigung vom 21.03.1996 unter Ziffer III 4 auferlegten Kinderspielplatz anzulegen.

3. Gemäß der Auflage in der Baugenehmigung vom 21.03.1996 und dort Ziffer III 16 acht Fahrradstellplätze entsprechend der Fahrradstellplatzsatzung herzustellen.

III. Die Antragsgegner zu 1. werden verurteilt, den nach dem genehmigten Eingabeplan für die Errichtung des Kinderspielplatzes vorgesehene Fläche zu räumen und die dort angebrachte Umzäunung sowie die dort aufgestellte Hütte zu entfernen.

Die Beschwerdegegner beantragen

kostenpflichtige Beschwerdezurückweisung.

Sie erheben die Einrede der Verjährung.

Die Kammer hat am 19.03.2013 mündlich verhandelt und gemeinsam mit den Beteiligten die beigezogenen Grundakten des Amtsgerichts Fürstenfeldbruck Band 292, Blatt 10519, eingesehen.

Mit Beschluss vom 26.03.2013 hat die Kammer die sofortige Beschwerde verworfen.

Das Oberlandesgericht München hat auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin den Beschluss der Kammer vom 26.03.2013 mit Beschluss vom 13.05.2014 aufgehoben und das Verfahren an das Landgericht zur erneuten Behandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss des Oberlandesgerichts Bezug genommen.

Die Kammer hat am 24.02.2015 eine mündliche Verhandlung durchgeführt.

II.

Die sofortige Beschwerde ist nur hinsichtlich des Antrags auf Errichtung des Fahrradstellplatzes begründet. Im Übrigen war die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Im Einzelnen:

Antrag auf Verlegung der Kanal-, Zentralwasser- und Gasleitungen entsprechend den genehmigten Bau- und Entwässerungsplänen:

Der geltend gemachte Anspruch ist entgegen der bisher geäußerten Meinung der Kammer nicht verjährt. Darauf hat die Kammer in der mündlichen Verhandlung am 24.02.2015 hingewiesen. Die erstmalige Herstellung eines ordnungsgemäßen Zustandes des Gemeinschaftseigentums stellt einen Anspruch des Wohnungseigentümers auf ordnungsgemäße Verwaltung dar. Dieser Anspruch ist unverjährbar (BGH V ZR 177/11). Ist eine Maßnahme im Interesse einer ordnungsmäßigen Verwaltung notwendig, erfordert diese ständig ihre Durchführung (BGH a.a.O.). Das Gemeinschaftseigentum muss instandgesetzt werden (§ 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG), auch wenn die Instandsetzungsbedürftigkeit schon länger als drei Jahre andauert (BGH a.a.O.). Eine solche gleichsam ständig neu entstehende Dauerverpflichtung kann nicht verjähren (BGH a.a.O.). Dies folgt auch aus Sinn und Zweck der Verjährungsvorschriften. Die Verjährung soll den Schuldner davor schützen, wegen länger zurückliegender Vorgänge in Anspruch genommen zu werden, die er nicht mehr aufklären kann, weil ihm Beweismittel für etwa begründete Einwendungen abhandengekommen oder Zeugen nicht mehr auffindbar sind (BGH a.a.O.) Diese Erwägungen treffen auf den Anspruch des Wohnungseigentümers auf ordnungsmäßige Verwaltung nicht zu (BGH a.a.O.). Eine Beweisnot der in Anspruch genommenen Wohnungseigentümer ist auszuschließen. Denn der einzelne Wohnungseigentümer will mit der Durchsetzung des Anspruchs nach § 21 Abs. 4 WEG eine ordnungsgemäße Verwaltung für die Zukunft sicherstellen (BGH a.a.O.).

Aufgrund des Endurteils des Landgerichts München I, Az: 1 S 20165/12 WEG, dessen Ausführungen sich die Kammer umfänglich anschließt, steht zwischen den Parteien rechtskräftig fest, dass die derzeitige Verlegung der streitgegenständlichen Leitungen den gesetzlichen Vorschriften, den anerkannten Regeln der Technik sowie den zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarungen, insbesondere der Teilungserklärung entspricht und die von der Antragstellerin begehrte Leitungsverlegung keine Maßnahme der ordnungsgemäßen Instandsetzung bzw erstmaligen Herstellung eines ordnungsgemäßen Zustands des Gemeinschaftseigentums darstellt. Der von der Antragstellerin im vorliegenden Verfahren erneut geltend gemachte Anspruch besteht daher nicht.

Antrag auf Errichtung eines Kinderspielplatzes sowie Räumung der für die Errichtung vorgesehenen Fläche und Entfernung der angebrachten Zäune sowie der dort aufgestellten Hütte:

Verjährung ist nicht eingetreten. Auf die obigen Ausführungen wird verwiesen. Aufgrund des Endurteils des Landgerichts München I, Az: 1 S 20165/12 WEG, dessen Ausführungen sich die Kammer wiederum vollinhaltlich anschließt,steht rechtskräftig fest, dass die Errichtung eines Kinderspielplatzes hier nicht im Rahmen einer ordnungsgemäßen Verwaltung beansprucht werden kann. Besagte Errichtung würde eine nachträgliche Einschränkung, wenn nicht gar einen teilweisen Entzug des Sondernutzungsrechts der Einheit Nr. 1 bedeuten. Eine solche Einschränkung bzw ein solcher Entzug können grundsätzlich nicht im Beschlusswege erfolgen, sondern nur aufgrund einer allseitigen Vereinbarung der Eigentümer oder bei Verzicht des begünstigten Eigentümers (s. Hinweisbeschluss des LG München I im Verfahren 1 S 210165/12 vom 26.08.2013, S. 11). Auf den Abschluss einer derartigen Vereinbarung könnte bzw müsste daher gegebenenfalls geklagt werden. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist aber nicht der Abschluss einer solchen Vereinbarung.

Der von der Antragstellerin im vorliegenden Verfahren erneut geltend gemachte Anspruch auf Herstellung eines Kinderspielplatzes besteht daher nicht. Deswegen besteht auch kein Anspruch auf Räumung der für die Errichtung vorgesehenen Fläche und Entfernung der angebrachten Zäune sowie der dort aufgestellten Hütte.

Antrag auf Herstellung von acht Fahrradstellplätzen gemäß der Baugenehmigung vom 21.03.1996 (III., 16.) und entsprechend der Fahrradstellplatzsatzung:

Der Anspruch ist nicht verjährt. Auf die obigen Ausführungen kann Bezug genommen werden.

Der Antrag ist begründet. Er stellt eine Maßnahme ordnungsgemäßer Verwaltung dar. Zur ordnungsgemäßen Verwaltung gehört die ordnungsgemäße Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums (§ 21 V Nr. 2 WEG). Zur ordnungsgemäßen Instandhaltung/-setzung gehört auch die Herstellung eines dem Aufteilungsplan entsprechenden Zustandes (Palandt/Bassenge, 74. A., WEG § 22 Rz 24) sowie die Anpassung des vorhandenen Zustands an rechtliche Anforderungen des öffentlichen Baurechts (Palandt/Bassenge, WEG § 22 Rz. 27).

Im Aufteilungsplan befindet sich in der grün umrandeten Fläche die Beschriftung „Überdachung Fahrräder“. Dies hat das Amtsgericht im Termin vom 08.11.2010 (s. Protokoll vom 08.11.2010, S. 4; Bl. 240 d. A.) festgestellt. Die Baugenehmigung sieht unter III. 16. vor, dass auf dem Baugrundstück Fl.-Nr. 1540/6 acht Fahrradstellplätze entsprechend der Fahrradstellplatz-Satzung herzustellen sind und dauerhaft zur Verfügung stehen müssen.

Unstreitig genügt der vorhandene Fahrradabstellplatz ohne Überdachung diesen Anforderungen nicht. Es ist daher der von der Antragstellerin beantragte Fahrradabstellplatz herzustellen. Insoweit ist die sofortige Beschwerde deshalb erfolgreich.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG a.F.. Entsprechend dem Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen waren die Gerichtskosten nach billigem Ermessen der Antragstellerin zu 3/4 und den Antragsgegnern zu 1/4 aufzuerlegen. Die außergerichtlichen Kosten trägt jeder Beteiligte selbst. Besondere Gründe, die ein Abweichen von diesem Grundsatz (BGH WM 1984, 1254) gebieten würden, liegen nicht vor. Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten nach § 47 S. 2 WEG a.F. war daher nicht auszusprechen.

Die Streitwertfestsetzung erfolgte entsprechend dem Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 13.05.2014 gemäß § 48 III S. 1 WEG a.F..

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(1) Die Kosten einer baulichen Veränderung, die einem Wohnungseigentümer gestattet oder die auf sein Verlangen nach § 20 Absatz 2 durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer durchgeführt wurde, hat dieser Wohnungseigentümer zu tragen. Nur ihm gebüh

Ist das Gebäude zu mehr als der Hälfte seines Wertes zerstört und ist der Schaden nicht durch eine Versicherung oder in anderer Weise gedeckt, so kann der Wiederaufbau nicht beschlossen oder verlangt werden.

Vereinbarungen, die vor dem 1. Dezember 2020 getroffen wurden und die von solchen Vorschriften dieses Gesetzes abweichen, die durch das Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz vom 16. Oktober 2020 (BGBl. I S. 2187) geändert wurden, stehen der Anwendun
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(1) Die Kosten einer baulichen Veränderung, die einem Wohnungseigentümer gestattet oder die auf sein Verlangen nach § 20 Absatz 2 durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer durchgeführt wurde, hat dieser Wohnungseigentümer zu tragen. Nur ihm gebüh

Ist das Gebäude zu mehr als der Hälfte seines Wertes zerstört und ist der Schaden nicht durch eine Versicherung oder in anderer Weise gedeckt, so kann der Wiederaufbau nicht beschlossen oder verlangt werden.

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(1) Die Kosten einer baulichen Veränderung, die einem Wohnungseigentümer gestattet oder die auf sein Verlangen nach § 20 Absatz 2 durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer durchgeführt wurde, hat dieser Wohnungseigentümer zu tragen. Nur ihm gebühren die Nutzungen.

(2) Vorbehaltlich des Absatzes 1 haben alle Wohnungseigentümer die Kosten einer baulichen Veränderung nach dem Verhältnis ihrer Anteile (§ 16 Absatz 1 Satz 2) zu tragen,

1.
die mit mehr als zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen und der Hälfte aller Miteigentumsanteile beschlossen wurde, es sei denn, die bauliche Veränderung ist mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden, oder
2.
deren Kosten sich innerhalb eines angemessenen Zeitraums amortisieren.
Für die Nutzungen gilt § 16 Absatz 1.

(3) Die Kosten anderer als der in den Absätzen 1 und 2 bezeichneten baulichen Veränderungen haben die Wohnungseigentümer, die sie beschlossen haben, nach dem Verhältnis ihrer Anteile (§ 16 Absatz 1 Satz 2) zu tragen. Ihnen gebühren die Nutzungen entsprechend § 16 Absatz 1.

(4) Ein Wohnungseigentümer, der nicht berechtigt ist, Nutzungen zu ziehen, kann verlangen, dass ihm dies nach billigem Ermessen gegen angemessenen Ausgleich gestattet wird. Für seine Beteiligung an den Nutzungen und Kosten gilt Absatz 3 entsprechend.

(5) Die Wohnungseigentümer können eine abweichende Verteilung der Kosten und Nutzungen beschließen. Durch einen solchen Beschluss dürfen einem Wohnungseigentümer, der nach den vorstehenden Absätzen Kosten nicht zu tragen hat, keine Kosten auferlegt werden.

Ist das Gebäude zu mehr als der Hälfte seines Wertes zerstört und ist der Schaden nicht durch eine Versicherung oder in anderer Weise gedeckt, so kann der Wiederaufbau nicht beschlossen oder verlangt werden.

Vereinbarungen, die vor dem 1. Dezember 2020 getroffen wurden und die von solchen Vorschriften dieses Gesetzes abweichen, die durch das Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz vom 16. Oktober 2020 (BGBl. I S. 2187) geändert wurden, stehen der Anwendung dieser Vorschriften in der vom 1. Dezember 2020 an geltenden Fassung nicht entgegen, soweit sich aus der Vereinbarung nicht ein anderer Wille ergibt. Ein solcher Wille ist in der Regel nicht anzunehmen.