Bundesgerichtshof Urteil, 29. Mai 2009 - V ZR 15/08
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
In diesem Umfang wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Kläger zu 1, 6 und 7 (nachfolgend: Kläger) und die Beklagte zu 1, deren Geschäftsführer der Beklagte zu 2 ist, sind Eigentümer benachbarter Grundstücke. Die Beklagte zu 1 errichtet auf ihrem bislang unbebauten Grundstück zwei Wohnhäuser nebst Tiefgarage.
- 2
- Mit der Behauptung, infolge der Bauarbeiten drohe der Boden ihrer Grundstücke die erforderliche Stütze zu verlieren, nehmen die Kläger die Beklagten auf Unterlassung einer unzulässigen Vertiefung in Anspruch. Ihr Klageantrag lautet: Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, es zu unterlassen, das Grundstück der Beklagten Nr. 1… so zu vertiefen, dass die Nachbargrundstücke der Klägerin Nr. 1… und der Kläger Nr. 6 und 7…. die erforderliche Stütze verlieren, sofern zur Abwendung der Gefahr keine genügende anderweitige Befestigung vorgenommen wird.
- 3
- Das Landgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Die Berufung der Kläger ist erfolglos geblieben. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision , deren Zurückweisung die Beklagten beantragen, verfolgen die Kläger ihren Unterlassungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
- 4
- Das Berufungsgericht meint, der Unterlassungsantrag genüge den Anforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht und sei daher unzulässig. Die Kläger müssten die frühere Festigkeit des Bodens ihrer Grundstücke genau angeben. Andernfalls stünde nicht fest, welchen Erfolg die Beklagten durch die von ihnen zu ergreifenden Befestigungs- oder Sicherungsmaßnahmen schuldeten.
II.
- 5
- Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Der Unterlassungsantrag der Kläger ist ausreichend bestimmt.
- 6
- 1. Allerdings hat der Senat für einen auf Beseitigung der Folgen einer unzulässigen Vertiefung (§§ 1004 Abs. 1, 909 BGB) gerichteten Antrag entschieden , dass der Kläger die frühere Festigkeit seines Grundstücks genau angeben muss. Der durch eine Vertiefung im Sinne des § 909 BGB in seinem Eigentum beeinträchtigte Kläger kann verlangen, dass der Boden seines Grundstücks durch eine genügende anderweitige Befestigung wieder so belastbar wird, wie es vor der Störung der Fall war. Durch welche Maßnahmen dies erreicht wird, ist dem Beklagten überlassen. Maßgeblich ist, dass er die frühere Festigkeit des beeinträchtigten Grundstücks wiederherstellt; sie muss daher genau bezeichnet werden (vgl. Senat, Urt. v. 24. Februar 1978, V ZR 95/75, NJW 1978, 1584 sowie Urt. v. 27. November 1981, V ZR 42/79, WM 1982, 68).
- 7
- 2. a) Das gilt indessen nicht, wenn von dem Beklagten verlangt wird, eine unzulässige Vertiefung zu unterlassen. Die Klage ist dann nicht auf die Herbeiführung eines bestimmten - und daher genau zu bezeichnenden - Erfolgs gerichtet , sondern auf die Vermeidung einer drohenden Beeinträchtigung. Sie ist ausreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, wenn die zu unterlassende Beeinträchtigung so deutlich bezeichnet ist, dass der Streitgegenstand klar umrissen ist, sich der Beklagte erschöpfend verteidigen kann und nicht dem Vollstreckungsgericht die Entscheidung überlassen bleibt, was dem Beklagten verboten ist (vgl. BGHZ 156, 1, 8 f. m.w.N.). Bei einer (erstmals) drohenden Vertiefung genügt hierzu grundsätzlich die Wiedergabe des in § 909 BGB enthaltenen Verbots, ein Grundstück in der Weise zu vertiefen, dass der Boden eines benachbarten Grundstücks die erforderliche Stütze verliert, wenn nicht für eine genügende anderweitige Befestigung gesorgt ist (zutreffend: PWW/Lemke, BGB, 4. Aufl., § 909 Rdn. 39; wohl auch MünchKommBGB /Säcker, 4. Aufl., § 909 Rdn. 18 f.).
- 8
- Die Angabe der Festigkeit des bedrohten Grundstücks ist dagegen nicht erforderlich (a.A. Palandt/Bassenge, BGB, 68. Aufl., § 909 Rdn. 7; Staudinger /Roth, BGB [2002], § 909 Rdn. 38; Erman/Lorenz, 12. Aufl., § 909 Rdn. 4; Bamberger/Roth/Fritzsche, BGB, 2. Aufl., § 909 Rdn. 31; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 253 Rdn. 35). Die beklagte Partei und das Vollstreckungsgericht vermögen auch ohne sie zu erkennen, was verboten worden ist, nämlich dem Boden des klägerischen Grundstücks die erforderliche Stütze zu entziehen. Welche Stütze im Sinne von § 909 BGB erforderlich ist, beurteilt sich danach , welche Befestigung das Grundstück nach seiner tatsächlichen Beschaffenheit benötigt (Senat, BGHZ 101, 290, 293). Auch für die Feststellung, ob gegen das Verbot verstoßen wurde, ist die Angabe der ursprünglichen Festigkeit des klägerischen Grundstücks im Urteil nicht erforderlich. Nicht selten, beispielsweise bei Bodenabrissen oder einem Gebäudeeinsturz, wird der Verstoß ohnehin offenkundig sein. Ist er es nicht, genügt die - wenn auch regelmäßig mit sachverständiger Hilfe zu treffende - Feststellung, dass der Boden in der Senkrechten den Halt verliert oder die Festigkeit der unteren Bodenschichten in ihrem waagerechten Verlauf beeinträchtigt worden ist (vgl. Senat, BGHZ 85, 375, 378).
- 9
- b) Etwas anderes folgt nicht aus der Erwägung des Berufungsgerichts, das von den Klägern verfolgte Unterlassungsbegehren decke sich mit einem Beseitigungsanspruch (und erfordere deshalb einen gleichlautenden Antrag), weil die Nichtbeseitigung einer Störung mit einer Fortsetzung der Beeinträchtigungshandlung gleichzusetzen sei. Letzteres ist nur anzunehmen, wenn ein bestehender Störungszustand durch weitere Verletzungshandlungen fortlaufend „erneuert“ wird (vgl. BGH, Urt. v. 31. Mai 1957, I ZR 163/55, LM § 1004 Nr. 32 für die Beibehaltung eines unrichtigen Firmennamens). Das trifft auf Beeinträch- tigungen infolge unzulässiger Vertiefung nicht zu. Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch haben hier grundsätzlich unterschiedliche Inhalte. Mit einer (vorbeugenden) Unterlassungsklage kann sich der betroffene Eigentümer gegen einen drohenden, aber noch nicht eingetretenen Stützverlust wenden. Bei einem bereits eingetretenen Stützverlust ist der Beseitigungsanspruch geltend zu machen, und zwar auch dann, wenn die Beeinträchtigung infolge der Untätigkeit des Vertiefenden über einen längeren Zeitraum andauert (vgl. Senat, Urt. v. 15. Februar 2008, V ZR 17/07, NJW-RR 2008, 969, 970 Rdn. 17). Die Nichtbeseitigung des Stützverlusts stellt keine fortgesetzte Erneuerung der Störung dar; ihr kann deshalb nicht mit einem Unterlassungsantrag begegnet werden.
III.
- 10
- Die Abweisung des auf Unterlassung einer unzulässigen Vertiefung gerichteten Klageantrag als unzulässig kann daher keinen Bestand haben; das angefochtene Urteil ist insoweit aufzuheben (§§ 562 Abs. 1, 563 Abs. 1 ZPO).
- 11
- Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif, weil das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus konsequent - nicht geprüft hat, ob der geltend gemachte Unterlassungsanspruch begründet ist (vgl. hierzu MünchKommBGB /Säcker, 4. Aufl., § 909 Rdn. 18). Insbesondere fehlen Feststellungen, ob den Grundstücken der Kläger infolge der von der Beklagten zu 1 geplanten bzw. ausgeführten Vertiefung ihres Grundstücks ein Stützverlust droht. Die Klägerin zu 1 hat hierzu unter Beweisantritt vorgetragen, es lasse sich bereits aus den Bauplänen ersehen, dass die Stützmauer ihres Grundstücks einstürzen werde. Die Kläger zu 6 und 7 haben unter Bezugnahme auf ein von ihnen eingeholtes Sachverständigengutachten behauptet, im Zusammenhang mit dem Bau der Tiefgarage bzw. der Rampenanlage werde ihr Grundstück unterschnitten mit der Folge, dass der Einsturz von Carport und Schuppen mit an Sicher- heit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten sei. Hiermit hat sich das Berufungsgericht bislang nicht befasst. Dies wird nachzuholen sein, sofern es im Zeitpunkt der neuen Berufungsverhandlung noch darauf ankommt.
- 12
- Im Hinblick auf den Jägerzaun, der bereits einen Stützverlust erlitten haben könnte, muss erforderlichenfalls geklärt werden, ob die Kläger insoweit die Beseitigung einer bereits eingetretenen Störung verlangen, oder ob ihr diesbezüglicher Vortrag, was näher liegt, lediglich die drohende Gefahr verdeutlichen soll, die sie mit der vorbeugenden Unterlassungsklage abwenden wollen. Sollte das Klageziel auch die Beseitigung eines bereits eingetretenen Stützverlusts umfassen, ist auf eine sachdienliche Antragstellung hinzuwirken (§ 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Das betrifft allerdings nicht die ausreichende Bestimmtheit des Klageantrags - der vorbeugende Unterlassungsantrag ist hinreichend bestimmt -, sondern ggf. die Formulierung eines dem Klageziel entsprechenden (weiteren) Antrags (vgl. zum möglichen Nebeneinander von Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch: Bamberger/Roth/Fritzsche, BGB, 2. Aufl., § 909 Rdn. 24).
Vorinstanzen:
LG Konstanz, Entscheidung vom 09.09.2005 - 3 O 175/03 B -
OLG Karlsruhe in Freiburg, Entscheidung vom 19.12.2007 - 9 U 163/05 -
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Ein Grundstück darf nicht in der Weise vertieft werden, dass der Boden des Nachbargrundstücks die erforderliche Stütze verliert, es sei denn, dass für eine genügende anderweitige Befestigung gesorgt ist.
(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.
(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.
(1) Die Erhebung der Klage erfolgt durch Zustellung eines Schriftsatzes (Klageschrift).
(2) Die Klageschrift muss enthalten:
- 1.
die Bezeichnung der Parteien und des Gerichts; - 2.
die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs, sowie einen bestimmten Antrag.
(3) Die Klageschrift soll ferner enthalten:
- 1.
die Angabe, ob der Klageerhebung der Versuch einer Mediation oder eines anderen Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vorausgegangen ist, sowie eine Äußerung dazu, ob einem solchen Verfahren Gründe entgegenstehen; - 2.
die Angabe des Wertes des Streitgegenstandes, wenn hiervon die Zuständigkeit des Gerichts abhängt und der Streitgegenstand nicht in einer bestimmten Geldsumme besteht; - 3.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.
(4) Außerdem sind die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze auch auf die Klageschrift anzuwenden.
(5) Die Klageschrift sowie sonstige Anträge und Erklärungen einer Partei, die zugestellt werden sollen, sind bei dem Gericht schriftlich unter Beifügung der für ihre Zustellung oder Mitteilung erforderlichen Zahl von Abschriften einzureichen. Einer Beifügung von Abschriften bedarf es nicht, soweit die Klageschrift elektronisch eingereicht wird.
(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.
(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.
Ein Grundstück darf nicht in der Weise vertieft werden, dass der Boden des Nachbargrundstücks die erforderliche Stütze verliert, es sei denn, dass für eine genügende anderweitige Befestigung gesorgt ist.
(1) Die Erhebung der Klage erfolgt durch Zustellung eines Schriftsatzes (Klageschrift).
(2) Die Klageschrift muss enthalten:
- 1.
die Bezeichnung der Parteien und des Gerichts; - 2.
die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs, sowie einen bestimmten Antrag.
(3) Die Klageschrift soll ferner enthalten:
- 1.
die Angabe, ob der Klageerhebung der Versuch einer Mediation oder eines anderen Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vorausgegangen ist, sowie eine Äußerung dazu, ob einem solchen Verfahren Gründe entgegenstehen; - 2.
die Angabe des Wertes des Streitgegenstandes, wenn hiervon die Zuständigkeit des Gerichts abhängt und der Streitgegenstand nicht in einer bestimmten Geldsumme besteht; - 3.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.
(4) Außerdem sind die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze auch auf die Klageschrift anzuwenden.
(5) Die Klageschrift sowie sonstige Anträge und Erklärungen einer Partei, die zugestellt werden sollen, sind bei dem Gericht schriftlich unter Beifügung der für ihre Zustellung oder Mitteilung erforderlichen Zahl von Abschriften einzureichen. Einer Beifügung von Abschriften bedarf es nicht, soweit die Klageschrift elektronisch eingereicht wird.
Ein Grundstück darf nicht in der Weise vertieft werden, dass der Boden des Nachbargrundstücks die erforderliche Stütze verliert, es sei denn, dass für eine genügende anderweitige Befestigung gesorgt ist.
(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen. Das Gericht kann durch Maßnahmen der Prozessleitung das Verfahren strukturieren und den Streitstoff abschichten.
(2) Auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, darf das Gericht, soweit nicht nur eine Nebenforderung betroffen ist, seine Entscheidung nur stützen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Dasselbe gilt für einen Gesichtspunkt, den das Gericht anders beurteilt als beide Parteien.
(3) Das Gericht hat auf die Bedenken aufmerksam zu machen, die hinsichtlich der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen.
(4) Hinweise nach dieser Vorschrift sind so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen. Ihre Erteilung kann nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Gegen den Inhalt der Akten ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.
(5) Ist einer Partei eine sofortige Erklärung zu einem gerichtlichen Hinweis nicht möglich, so soll auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann.