Bundesgerichtshof Urteil, 27. Jan. 2017 - V ZR 130/15
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 11. November 2016 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richterinnen Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und Weinland und die Richter Dr. Kazele und Dr. Göbel
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- In den 1950er Jahren sollte in der Freien und Hansestadt Hamburg (im Folgenden: Stadt) das Gebiet N. zu Wohnzwecken bebaut werden. Die dortigen Eigentümer, zu denen auch der 1989 verstorbene und u.a. von den Beklagten beerbte Landwirt G. S. (im Folgenden: Erblasser) gehörte, waren zu einem Verkauf ihrer Grundstücke nicht bereit. Sie übertrugen deshalb ihre Flä- chen zunächst an die N. T. gesellschaft mbH (im Folgenden: Treuhand), die als Organ der staatlichen Wohnungspolitik auftrat. Die Treuhand sollte neue Grundstücke bilden, an etlichen von ihnen jeweils einzelnen Wohnungsbauunternehmen Erbbaurechte bestellen und sodann die derart belasteten - neuen - Grundstücke den ursprünglichen Eigentümern übereignen. Die dafür erforderlichen Vertragstexte wurden von der Treuhand erstellt und jeweils inhaltsgleich gegenüber allen beteiligten Grundstückseigentümern und Wohnungsbauunternehmen eingesetzt.
- 2
- Im Rahmen dieses Projekts übertrug der Erblasser sein Grundstück mit notariellem Vertrag vom 6. Mai 1959 auf die Treuhand. Darin waren die Bedingungen des auf die Dauer von 99 Jahren abzuschließenden Erbbaurechtsvertrages vorgegeben; auch wurde die Treuhand zur Rückübertragung eines gleichwertigen Grundstücks verpflichtet. In § 4 des abzuschließenden Erbbaurechtsvertrages heißt es u.a.: „Der Erbbauberechtigte macht hierdurch mit Wirkung für sich undseine Rechtsnachfolger für die Dauer der Zeitspanne, die zwischen der Eintragung des Erbbaurechts und dessen vertragsmäßigem Ende liegt, dem jeweiligen Eigentümer das Angebot, die Grundstücke zu den in § 5 niedergelegten Bedingungen zu kaufen. Die Vertragsschließenden sind sich darüber einig, dass der Kaufvertrag dadurch zustande kommt, dass während der obigen Zeitspanne der Ei- gentümer den Kaufantrag in notariell beurkundeter Form annimmt.“
- 3
- Am 14. August 1964 schloss die Treuhand bezogen auf eines der neu gebildeten Grundstücke einen entsprechenden Erbbaurechtsvertrag mit der Rechtsvorgängerin der Klägerin, der G. Wohnungsbaugenossenschaft H. , als Erbbauberechtigte. Anfang 1965 ließ die Treuhand das mit diesem Erbbaurecht belastete Grundstück an den Erblasser auf, der im März 1965 als Eigentümer des Erbbaugrundstücks eingetragen wurde.
- 4
- Mit notarieller Erklärung vom 16. Dezember 2008 nahmen die Beklagten, auch in Vertretung der anderen Erben, das in § 4 des Erbbaurechtsvertrages enthaltene Kaufangebot an. Die Klägerin verlangte von den Beklagten die Erklärung , keine Rechte aus der Vertragsannahmeerklärung herzuleiten. Dies verweigerten die Beklagten und forderten die Zahlung eines Kaufpreises von 2.554.400 €.
- 5
- Die Klägerin beantragt mit der Klage - soweit hier noch von Interesse - die Feststellung, dass durch die Annahmeerklärung der Beklagten kein Kaufvertrag zustande gekommen ist, hilfsweise, dass das Kaufangebot bei Beurkundung der Annahmeerklärung nicht mehr wirksam war. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Diese Entscheidung hat der Senat mit Urteil vom 1. März 2013 (V ZR 31/12, NJW-RR 2013, 1028) aufgehoben und den Rechtsstreit an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Nach Durchführung einer Beweisaufnahme hat es die Berufung erneut zurückgewiesen. Hiergegen wenden sich die Beklagten mit der von dem Senat zugelassenen Revision; die Klägerin beantragt deren Zurückweisung.
Entscheidungsgründe:
I.
- 6
- Das Berufungsgericht meint, zwischen den Parteien sei kein Kaufvertrag zustande gekommen. Es geht in Übereinstimmung mit dem ersten Revisionsurteil davon aus, dass die in dem Erbbaurechtsvertrag enthaltene Angebotsklausel - als Allgemeine Geschäftsbedingung - einer AGB-rechtlichen Kontrolle nicht standhält und sieht sie aus diesem Grund als unwirksam an. Die Beklagten hät- ten den ihnen obliegenden Beweis, dass die Treuhand gegenüber der Rechtsvorgängerin der Klägerin nicht Verwenderin der Angebotsklausel gewesen sei und deshalb eine AGB-Kontrolle ausscheide, nicht geführt. Dass die Rechtsvorgängerin der Klägerin selbst die Einbeziehung der Klausel veranlasst habe bzw. die Einbeziehung Folge eines Aushandelns unter gleichberechtigter Beteiligung der Rechtsvorgängerin der Klägerin gewesen sei, stehe nicht fest. Es könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Klausel von der Treuhand als bloßer Vermittlerin wie von einem neutralen Drittbeteiligten herrühre. Dies ergebe sich weder aus den Bekundungen der vernommenen Zeugen noch aus den sonstigen Umständen, insbesondere aus den zum Gegenstand des Rechtsstreits gemachten Urkunden. Die Treuhand sei als echte Vertragsbeteiligte anzusehen, weil die Beklagten nicht nachgewiesen hätten oder sonst ersichtlich sei, dass bereits 1959 festgestanden habe, welche Wohnungsbauunternehmen an dem Projekt hätten beteiligt werden sollen. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin sei erst später aus einer unbestimmten Zahl potentieller Erwerber ausgewählt worden. Dass die Treuhand in dem Grundstückskaufvertrag aus dem Jahr 1959 als „Organ der staatlichen Wohnungspolitik“ bezeichnet worden sei, lasse nicht den Rückschluss zu, dass die Treuhand mit dem Abschluss der Grundstückskaufverträge gerade für die Rechtsvorgängerin der Klägerin als spätere Erbbaurechtsinhaberin tätig gewesen sei und von dieser vorab den Auftrag zur Landbeschaffung erhalten habe.
- 7
- Eine andere Bewertung des Sachverhalts sei auch nicht unter dem Gesichtspunkt des städtebaulichen Vertrages geboten. Zwar unterlägen solche Verträge nicht der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle. § 11 BauGB und die dieser Vorschrift zugrundeliegenden Rechtsgedanken bezögen sich aber nur auf Verträge unter unmittelbarer Beteiligung einer Gebietskörperschaft. Hieran fehle es. Die Stadt sei in keinem der Verträge Vertragspartnerin geworden, auch nicht vertreten durch die Treuhand. Soweit die Beklagten in einem ihnen nicht nachgelassenen Schriftsatz erstmals vortrügen, aus den Äußerungen der beiden vernommenen Zeugen ergebe sich, dass die Treuhand im Auftrag oder in Vertretung der Stadt gehandelt habe, folge hieraus nichts anderes.
II.
- 8
- Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
- 9
- 1. Zutreffend ist allerdings der rechtliche Ausgangspunkt des Berufungsgerichts. Handelte es sich bei der Angebotsklausel um eine von der Treuhand gestellte Allgemeine Geschäftsbedingung, wäre die Klausel unwirksam. Wie der Senat in dem ersten Revisionsurteil vom 1. März 2013 (V ZR 31/12, NJW-RR 2013, 1028 Rn. 47 bis 55) im Einzelnen dargelegt hat, ist die Klausel nur als Individualvereinbarung wirksam; einer AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle hielte sie dagegen nicht stand.
- 10
- 2. Von Rechtsfehlern beeinflusst ist jedoch die Auffassung des Berufungsgerichts , die Treuhand sei Verwenderin der Angebotsklausel.
- 11
- a) Als Verwender ist derjenige anzusehen, auf dessen Veranlassung die Einbeziehung der Formularklausel in den Vertrag zurückgeht. Sind Formularklauseln von einem Dritten formuliert, ist entscheidend, ob eine der Vertragsparteien sie sich zurechnen lassen muss. Eine solche Zurechnung kann zu Lasten derjenigen Vertragspartei erfolgen, die den Dritten vorab mit der Formulierung der Vertragsklausel beauftragt hatte, auf dessen Veranlassung die Klausel später in die Verträge aufgenommen wurde. Bei Bedingungen, die von einem neutralen Dritten formuliert worden sind, kann eine Zurechnung zu Lasten einer der Vertragsparteien ganz entfallen (Senat, Urteil vom 1. März 2013 - V ZR 31/12, NJW-RR 2013, 1028 Rn. 17; Urteil vom 12. Juni 1992 - V ZR 106/91, NJW 1992, 2817).
- 12
- b) Dass die Vertragstexte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts von bzw. im Auftrag der Treuhand formuliert wurden und das Kaufangebot in dem zwischen ihr und der Rechtsvorgängerin der Klägerin geschlossenen Erbbaurechtsvertrag vom 14. August 1964 enthalten ist, genügt als solches nicht, um die Treuhand als Verwenderin der Klausel anzusehen. Bei dieser formalen Betrachtung bliebe unberücksichtigt, dass sich die Rolle der Treuhand im Rahmen des Gesamtprojekts auf eine bloße Vermittlung zwischen den Grundstückseigentümern und den Wohnungsbauunternehmen gerichtet haben kann und die Vor- und Nachteile aus den Verträgen möglicherweise nur diese treffen sollten. In diesem Fall hätte die Treuhand trotz der Beteiligung an dem Vertrag der Rechtsvorgängerin der Klägerin die Angebotsklausel nicht gestellt; vielmehr handelte es sich um eine neutrale Drittbedingung, die weder den Grundstückseigentümern noch den Wohnungsbauunternehmen zuzurechnen wäre. Verwenderin der Klausel wäre die Treuhand aber dann, wenn sie über eine Vermittlungstätigkeit hinaus eigene Interessen verfolgt hätte und damit „echte“ Vertragsbeteiligte gewesen wäre (Senat, Urteil vom 1. März 2013 - V ZR 31/12, NJW-RR 2013, 1028 Rn. 20, 22).
- 13
- c) Diesen rechtlichen Ausgangspunkt berücksichtigt das Berufungsgericht nicht hinreichend. Es verneint eine bloße Vermittlungstätigkeit der Treuhand im Wesentlichen mit der Begründung, die Beklagten hätten nicht nachgewiesen , dass bereits 1959 festgestanden habe, welche Wohnungsbauunternehmen an dem Projekt hätten beteiligt werden sollen. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin sei erst später aus einer unbestimmten Zahl potentieller Erwerber ausgewählt worden. Die Treuhand sei auch nicht vorab von der Rechtsvorgängerin der Klägerin mit der Landbeschaffung beauftragt worden. Diese fehlerfrei getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts - die gegen die Beweiswürdigung von der Revision erhobenen Verfahrensrügen hat der Senat geprüft, jedoch nicht für durchgreifend erachtet (§ 564 Satz 1 ZPO) - rechtfertigen nicht die Annahme, die Treuhand habe mit dem Abschluss der Verträge über die Vermittlung hinaus eigene - insbesondere wirtschaftliche - Interessen verfolgt, die ihrer Qualifizierung als neutraler Dritter entgegenstünden.
- 14
- d) Etwas anderes ergibt sich nicht aus den Hinweisen des Senats unter Rn. 22 f. des ersten Revisionsurteils, an denen sich das Berufungsgericht orientiert hat. Sie sind vor dem Hintergrund der tatsächlichen Feststellungen im ersten Berufungsurteil zu sehen, wonach die Treuhand nicht im Auftrag der Stadt gehandelt habe (Senat, Urteil vom 1. März 2013 - V ZR 31/12, NJW-RR 2013, 1028 Rn. 46). Im weiteren Verlauf des Verfahrens ist demgegenüber in den Vordergrund getreten, dass die Treuhand Organ der staatlichen Wohnungspolitik war und damit im Interesse und zumindest mittelbar im Auftrag der Stadt gehandelt hat. Nach den in diesem Zusammenhang weiter getroffenen Feststellungen ist davon auszugehen, dass die Treuhand auch unabhängig von einem Auftrag der Rechtsvorgängerin der Klägerin zur Baulandbeschaffung nicht als „echte“, sondern nur als formale Vertragsbeteiligte anzusehen ist, die die Ver- tragsklauseln und damit auch die Angebotsklausel als Dritte für die Grundstückseigentümer einerseits und die Wohnungsbauunternehmen andererseits formuliert hat. Dies kann der Senat als Revisionsgericht selbst entscheiden, weil es hierzu keiner weiteren tatsächlichen Feststellungen bedarf.
- 15
- aa) Die Treuhand trat als Organ der staatlichen Wohnungspolitik auf. Gemäß § 28 Abs. 1 Satz 2 des zum 1. Januar 1990 außer Kraft getretenen Gesetzes über die Gemeinnützigkeit im Wohnungswesen (WGG) hatten solche Organe die gleiche Rechtsstellung wie ein als gemeinnützig anerkanntes Wohnungsunternehmen. Dies hat wiederum zur Folge, dass eine Gewinnerzielung und damit die Verfolgung eigener wirtschaftlicher Interessen ausgeschlossen waren. Konsequenterweise findet sich in dem am 14. August 1964 nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zugleich mit dem Erbbaurechtsvertrag zwischen der Treuhand und der Rechtsvorgängerin der Klägerin geschlossenen Zusatzvertrag unter § 1 Abs. 3 die Regelung, dass das von der Treuhand der Rechtsvorgängerin der Klägerin für die Beschaffung des Erbbaurechts berechnete Entgelt an die H. Wohnungsbaukasse zu zahlen war. Bereits in dem zwischen der Treuhand und dem Erblasser am 6. Mai 1959 geschlossenen Vertrag hatte sich die Treuhand verpflichtet, einen etwaigen Erlös aus der Abgabe von Flächen für den Gemeingebrauch und Gemeinbedarf an die Stadt zur Minderung der Aufschließungskosten zu verwenden. Auf die Stellung der Treuhand als Organ der staatlichen Wohnungspolitik wird ausdrücklich hingewiesen. Hierin fügt sich, dass der von dem Berufungsgericht vernommene Zeuge K. bekundet hat, die Treuhand sei als Organ des staatlichen Wohnungswesens aufgetreten mit der Aufgabe, Flächen für den Wohnungsbau zu beschaffen. Dabei habe es sich um Flächen gehandelt, für die noch kein Bebauungsplan existiert habe.
- 16
- bb) Für eine bloße Vermittlungstätigkeit der Treuhand spricht zudem § 1 des Vertrages vom 6. Mai 1959. Hiernach soll der Erwerb des Eigentums an dem Grundstück „zum Zwecke der Schaffung von Baugelände“ und nur „vorübergehend“ erfolgen. In § 2 ist die Verpflichtung der Treuhand enthalten, dem Erblasser nach einer Neuordnung des Grund und Bodens ein neues Grundstück zuzuteilen, das vor der Übertragung mit einem Erbbaurecht zu Gunsten von Bauträgern, die von der Treuhand ausgesucht würden, belastet werde. Damit stand von vorneherein fest, dass die Treuhand gegenüber dem Erblasser und den weiteren Eigentümern einerseits und den Wohnungsbauunternehmen andererseits nur deshalb als Vertragspartner auftrat, weil ein Neuzuschnitt der Grundstücke und eine Erbbaurechtsbestellung an den neu ent- standenen Grundstücken erforderlich war. Dass eine Rückübertragung des nach der Durchführung der Bodenordnung verbleibenden Nettobaulandes an die früheren Grundstückseigentümer und die vor einer Rückübertragung vorzunehmende Belastung mit einem Erbbaurecht Teile eines Gesamtkonzepts waren , ergibt sich auch aus der Vorbemerkung des zwischen der Treuhand und der Rechtsvorgängerin der Klägerin am 14. August 1964 abgeschlossenen Zusatzvertrags , in der diese Teilschritte geschildert werden.
- 17
- cc) Die Tätigkeit der Treuhand dem Erblasser zuzurechnen, widerspräche auch dem Schutzzweck der Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen , die einseitige Ausnutzung der Vertragsgestaltungsfreiheit durch eine Vertragspartei zu verhindern (BGH, Urteil vom 30. Juni 1994 - VII ZR 116/93, BGHZ 126, 326, 332). Eine Ausnutzung privatautonomer Gestaltungsmacht kann dem Erblasser nämlich nicht vorgeworfen werden.
- 18
- Er war an dem Projekt, in dessen Verlauf das Erbbaurecht zu Gunsten der Rechtsvorgängerin der Klägerin bestellt wurde, weder unmittelbar noch mittelbar als Initiator oder Durchführender beteiligt. Das freiwillige Bodenordnungsverfahren , in dessen Verlauf die unbebauten Flächen an die Treuhand übertragen wurden, diente nicht den Zwecken der Eigentümer, insbesondere nicht der Neuordnung von Ackerflächen im Interesse einer effektiveren Landwirtschaft, sondern der Beschaffung von Bauland für den sozialen Wohnungsbau. Die Initiative hierfür ging nach den von dem Berufungsgericht in Bezug genommenen Feststellungen des Landgerichts von dem Verband Norddeutscher Wohnungsunternehmer aus; die Durchführung oblag der Treuhand.
- 19
- Der Landerwerb erfolgte zwar nicht durch schlichten Ankauf der Flächen, sondern - weil die Eigentümer zu einem Verkauf ihrer Grundstücke nicht bereit waren - durch einen gestuften Erwerb, an dessen Ende die Begründung eines Erbbaurechts und die Abgabe des Kaufangebots stand. Die Tätigkeit der Treu- hand deshalb dem Erblasser zuzurechnen, verfehlte aber den wirtschaftlichen Sinn des Gesamtgeschehens. Die Einschaltung der Treuhand hatte nicht den Zweck, ein besonderes Gestaltungsinteresse der Eigentümer zu verwirklichen. Sie war vielmehr notwendig, weil die im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus vorgesehene Bebauung über die Grenzen der vorhandenen Grundstücke hinausgriff und deshalb zunächst deren Neuzuschnitt erforderte. Sie diente damit in erster Linie dazu, interessierten Wohnungsbauunternehmen den (freiwilligen) Erwerb von Erbbaurechten an für sie passend zugeschnittenen Grundstücken zu ermöglichen. Dies schließt es aus, die Tätigkeit der Treuhand dem Erblasser zuzurechnen.
- 20
- 3. Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO), insbesondere kommt eine Unwirksamkeit der Angebotsklausel entsprechend § 11 Abs. 2 BauGB (vgl. zur Anwendbarkeit auch auf vor ihrem Inkrafttreten am 1. Januar 1998 abgeschlossene Verträge Senat, Urteil vom 29. November 2002 - V ZR 105/02, BGHZ 152, 93, 98) nicht in Betracht.
- 21
- a) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts folgt das allerdings nicht daraus, dass es schon deshalb an einem städtebaulichen Vertrag fehlt, weil die Stadt an keinem der Verträge unmittelbar als Vertragspartei beteiligt ist. Wie der Senat bereits entschieden hat, gelten die - jetzt in § 11 Abs. 2 BauGB normierten - Anforderungen an einen städtebaulichen Vertrag auch dann, wenn eine Kommune sich eines von ihr beauftragten Zwischenerwerbers bedient hat (Senat, Urteil vom 29. November 2002 - V ZR 105/02, BGHZ 153, 93, 96 f.). Sollen mit einem Vertrag öffentliche Aufgaben erfüllt werden, kann sich die Kommune nicht dadurch der Beachtung der öffentlich-rechtlichen Vorschriften entziehen, dass sie nicht selbst als Vertragspartner auftritt, sondern ein privates Unternehmen dazwischen schaltet.
- 22
- b) Hierauf kommt es aber nicht an, weil eine Überprüfung der Angebotsklausel anhand der Regeln entsprechend § 11 Abs. 2 BauGB aus einem anderen Grund nicht angezeigt ist. Das hier allein interessierende Rechtsverhältnis zwischen der Rechtsvorgängerin der Klägerin und dem Erblasser bzw. dessen Erben ist als ausschließlich privatrechtlich zu qualifizieren. Dies gilt sowohl für das zugunsten der Rechtsvorgängerin der Klägerin an dem Erbbaugrundstück begründete Erbbaurecht als auch für das von ihr als Erbbauberechtigte an den jeweiligen Eigentümer des Grundstücks gerichtete Kaufangebot. Öffentlichrechtliche Pflichten gegenüber der Stadt sind insoweit nicht begründet worden.
- 23
- c) Eine Umgehung des Schutzmechanismus des § 11 Abs. 2 BauGB ist hiermit nicht verbunden. Soweit es nämlich um Pflichten geht, die die Rechtsvorgängerin der Klägerin in öffentlich-rechtlicher Hinsicht gegenüber der Treuhand und gegenüber der Stadt übernommen hat, sind diese Pflichten ggf. entsprechend § 11 Abs. 2 BauGB zu prüfen. Dies gilt insbesondere für den zusätzlichen Vertrag, den die Treuhand und die Rechtsvorgängerin der Klägerin am 14. August 1964 abgeschlossen haben und in dem diese unter anderem die Pflicht übernommen hat, das Grundstück in einer bestimmten Weise zu bebauen.
- 24
- d) Eine andere Beurteilung ergibt sich schließlich auch nicht daraus, dass der Erbbaurechtsvertrag vom 14. August 1964, in dem auch die Angebotsklausel enthalten ist, unter der Bedingung steht, dass die Rechtsvorgängerin der Klägerin mit der Treuhand einen weiteren Vertrag schließt, in dem die sonstigen mit der Beschaffung des Erbbaurechts zusammenhängenden Verpflichtungen zu regeln waren. Dieser Vertrag ist tatsächlich geschlossen worden , so dass auch die Angebotsklausel wirksam begründet worden ist. Auf die Frage, welche Auswirkungen eine mögliche Unwirksamkeit einzelner Klauseln dieses städtebaulichen Vertrages auf die vereinbarte Angebotsklausel hätte und ob die Klägerin bzw. ihre Rechtsvorgängerin von der Treuhand die Rückabwicklung des Erbbaurechtsvertrages aus dem Jahr 1964 hätte verlangen können, kommt es nicht an. Dass im Zeitpunkt der Annahmeerklärung durch die Beklagten im Jahre 2008 eine solche Rückabwicklung stattgefunden hätte, ist weder festgestellt noch verweist die Klägerin auf entsprechenden Vortrag.
III.
- 25
- Das Berufungsurteil kann danach keinen Bestand haben. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil es keiner weiteren Feststellungen bedarf und die Sache zur Entscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Weil durch die Annahmeerklärung der Beklagten zwischen den Parteien ein Kaufvertrag zustande gekommen ist, ist die auf Feststellung des Nichtzustandekommens eines Kaufvertrages (Hauptantrag) bzw. der Unwirksamkeit des Kaufangebots im Zeitpunkt der Annahmeerklärung (Hilfsantrag) gerichtete Klage abzuweisen.
IV.
- 26
- Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Stresemann Schmidt-Räntsch Weinland Kazele Göbel
LG Hamburg, Entscheidung vom 08.01.2010 - 311 O 91/09 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 20.05.2015 - 8 U 42/11 -
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(1) Die Gemeinde kann städtebauliche Verträge schließen. Gegenstände eines städtebaulichen Vertrags können insbesondere sein:
- 1.
die Vorbereitung oder Durchführung städtebaulicher Maßnahmen durch den Vertragspartner auf eigene Kosten; dazu gehören auch die Neuordnung der Grundstücksverhältnisse, die Bodensanierung und sonstige vorbereitende Maßnahmen, die Erschließung durch nach Bundes- oder nach Landesrecht beitragsfähige sowie nicht beitragsfähige Erschließungsanlagen, die Ausarbeitung der städtebaulichen Planungen sowie erforderlichenfalls des Umweltberichts; die Verantwortung der Gemeinde für das gesetzlich vorgesehene Planaufstellungsverfahren bleibt unberührt; - 2.
die Förderung und Sicherung der mit der Bauleitplanung verfolgten Ziele, insbesondere die Grundstücksnutzung, auch hinsichtlich einer Befristung oder einer Bedingung, die Durchführung des Ausgleichs im Sinne des § 1a Absatz 3, die Berücksichtigung baukultureller Belange, die Deckung des Wohnbedarfs von Bevölkerungsgruppen mit besonderen Wohnraumversorgungsproblemen sowie der Erwerb angemessenen Wohnraums durch einkommensschwächere und weniger begüterte Personen der örtlichen Bevölkerung; - 3.
die Übernahme von Kosten oder sonstigen Aufwendungen, die der Gemeinde für städtebauliche Maßnahmen entstehen oder entstanden sind und die Voraussetzung oder Folge des geplanten Vorhabens sind; dazu gehört auch die Bereitstellung von Grundstücken; - 4.
entsprechend den mit den städtebaulichen Planungen und Maßnahmen verfolgten Zielen und Zwecken die Errichtung und Nutzung von Anlagen und Einrichtungen zur dezentralen und zentralen Erzeugung, Verteilung, Nutzung oder Speicherung von Strom, Wärme oder Kälte aus erneuerbaren Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung; - 5.
entsprechend den mit den städtebaulichen Planungen und Maßnahmen verfolgten Zielen und Zwecken die Anforderungen an die energetische Qualität von Gebäuden.
(2) Die vereinbarten Leistungen müssen den gesamten Umständen nach angemessen sein. Die Vereinbarung einer vom Vertragspartner zu erbringenden Leistung ist unzulässig, wenn er auch ohne sie einen Anspruch auf die Gegenleistung hätte. Trägt oder übernimmt der Vertragspartner Kosten oder sonstige Aufwendungen, ist unbeschadet des Satzes 1 eine Eigenbeteiligung der Gemeinde nicht erforderlich.
(3) Ein städtebaulicher Vertrag bedarf der Schriftform, soweit nicht durch Rechtsvorschriften eine andere Form vorgeschrieben ist.
(4) Die Zulässigkeit anderer städtebaulicher Verträge bleibt unberührt.
Die Entscheidung braucht nicht begründet zu werden, soweit das Revisionsgericht Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Dies gilt nicht für Rügen nach § 547.
Ergibt die Begründung des Berufungsurteils zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.
(1) Die Gemeinde kann städtebauliche Verträge schließen. Gegenstände eines städtebaulichen Vertrags können insbesondere sein:
- 1.
die Vorbereitung oder Durchführung städtebaulicher Maßnahmen durch den Vertragspartner auf eigene Kosten; dazu gehören auch die Neuordnung der Grundstücksverhältnisse, die Bodensanierung und sonstige vorbereitende Maßnahmen, die Erschließung durch nach Bundes- oder nach Landesrecht beitragsfähige sowie nicht beitragsfähige Erschließungsanlagen, die Ausarbeitung der städtebaulichen Planungen sowie erforderlichenfalls des Umweltberichts; die Verantwortung der Gemeinde für das gesetzlich vorgesehene Planaufstellungsverfahren bleibt unberührt; - 2.
die Förderung und Sicherung der mit der Bauleitplanung verfolgten Ziele, insbesondere die Grundstücksnutzung, auch hinsichtlich einer Befristung oder einer Bedingung, die Durchführung des Ausgleichs im Sinne des § 1a Absatz 3, die Berücksichtigung baukultureller Belange, die Deckung des Wohnbedarfs von Bevölkerungsgruppen mit besonderen Wohnraumversorgungsproblemen sowie der Erwerb angemessenen Wohnraums durch einkommensschwächere und weniger begüterte Personen der örtlichen Bevölkerung; - 3.
die Übernahme von Kosten oder sonstigen Aufwendungen, die der Gemeinde für städtebauliche Maßnahmen entstehen oder entstanden sind und die Voraussetzung oder Folge des geplanten Vorhabens sind; dazu gehört auch die Bereitstellung von Grundstücken; - 4.
entsprechend den mit den städtebaulichen Planungen und Maßnahmen verfolgten Zielen und Zwecken die Errichtung und Nutzung von Anlagen und Einrichtungen zur dezentralen und zentralen Erzeugung, Verteilung, Nutzung oder Speicherung von Strom, Wärme oder Kälte aus erneuerbaren Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung; - 5.
entsprechend den mit den städtebaulichen Planungen und Maßnahmen verfolgten Zielen und Zwecken die Anforderungen an die energetische Qualität von Gebäuden.
(2) Die vereinbarten Leistungen müssen den gesamten Umständen nach angemessen sein. Die Vereinbarung einer vom Vertragspartner zu erbringenden Leistung ist unzulässig, wenn er auch ohne sie einen Anspruch auf die Gegenleistung hätte. Trägt oder übernimmt der Vertragspartner Kosten oder sonstige Aufwendungen, ist unbeschadet des Satzes 1 eine Eigenbeteiligung der Gemeinde nicht erforderlich.
(3) Ein städtebaulicher Vertrag bedarf der Schriftform, soweit nicht durch Rechtsvorschriften eine andere Form vorgeschrieben ist.
(4) Die Zulässigkeit anderer städtebaulicher Verträge bleibt unberührt.
(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.
(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.
(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.