Bundesgerichtshof Urteil, 05. Juli 2018 - IX ZR 141/17

published on 05/07/2018 00:00
Bundesgerichtshof Urteil, 05. Juli 2018 - IX ZR 141/17
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Previous court decisions
Amtsgericht Tecklenburg, 13 C 71/16, 25/08/2016
Landgericht Münster, 2 S 8/16, 11/05/2017

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 141/17
Verkündet am:
5. Juli 2018
Kluckow
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
ECLI:DE:BGH:2018:050718UIXZR141.17.0

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 5. Juli 2018 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die Richter Prof. Dr. Gehrlein, Grupp, Dr. Schoppmeyer und Meyberg

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Münster vom 11. Mai 2017 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die E. Gesellschaft mbH (fortan: Schuldnerin) gab eine kostenlose Zeitung heraus. Zur Deckung ihres Kapitalbedarfs bot die Schuldnerin privaten Anlegern seit Ende der 90er Jahre die Möglichkeit, sich mit einer Einlage als stille Gesellschafter zu beteiligen (sogenannte Medienbriefe). Seit dem Jahr 2001 wiesen die Handelsbilanzen der Schuldnerin stets einen Jahresverlust aus. Die Einlagen neu beitretender Gesellschafter verwendete die Schuldnerin in der Art eines sogenannten Schneeballsystems für Auszahlungen an die stillen Gesellschafter sowie zur Finanzierung ihres Geschäftsbetriebs.
2
Die Beklagte erwarb in der Zeit zwischen dem 3. Juni 2008 und dem 7. September 2009 insgesamt vier Medienbriefe zu je 5.000 €. Die jeweiligen Medienbriefe enthielten stets gleichlautende Bestimmungen. Die Schuldnerin zahlte an die Beklagte zwischen dem 1. Juli 2010 und dem 27. Dezember 2012 als Vorabvergütungen insgesamt 3.750 €. Hiervon führte die Schuldnerin für die Beklagte als Abgeltungssteuer einen Betrag von 989,04 € an das Finanzamt ab.
3
Auf einen Eigenantrag der Schuldnerin vom 23. Januar 2014 eröffnete das Insolvenzgericht mit Beschluss vom 18. März 2014 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin und bestellte den Kläger zum Insolvenzverwalter. Der Kläger forderte die Beklagte mit Schreiben vom 5. September 2014 auf, die Vorabvergütungen einschließlich der abgeführten Abgeltungssteuer in Höhe von 3.750 € zu erstatten.
4
Da die Beklagte der Zahlungsaufforderung nicht nachkam, erhob der Kläger Klage auf Zahlung von 3.750 € nebst Zinsen. Das Amtsgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt; auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:


5
Die Revision hat keinen Erfolg.

I.


6
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, dem Kläger stehe kein Anfechtungsanspruch gemäß § 143 Abs. 1, § 134 Abs. 1 InsO zu. Bei den Zahlungen der Schuldnerin habe es sich nicht um unentgeltliche Leistungen gehandelt. Die Vorabvergütungen seien gerade vertraglich geschuldet gewesen. Die Beklagte sei nicht nach Treu und Glauben gehindert gewesen, diesen Anspruch geltend zu machen.
7
Die Regelung in § 3 der jeweiligen Gesellschaftsverträge enthalte eine Regelung über garantierte Zinszahlungen in Form einer (Mindest-)Verzinsung. Zwar sei der Wortlaut der Klausel nicht eindeutig. Jedoch ergebe sich dies vor allem aus den Besonderheiten der Vertragsdurchführung. Eine Gewinn- oder Verlustverteilung gemäß § 4 des Gesellschaftsvertrags sei nicht durchgeführt worden. Trotz ständig erzielter Verluste habe die Schuldnerin die Zahlungen nicht zurückgefordert.
8
Schließlich sei eine unterlassene Rückforderung nicht nach § 134 Abs. 1 InsO anfechtbar. Es fehle schon an einer Einigung darüber, dass die Beklagte keinen ausgleichenden Gegenwert zu erbringen gehabt habe. Mangels Gewinnund Verlustverteilungen habe die Beklagte nicht wissen können, dass ein Verzicht auf eine Rückzahlungsverpflichtung vorliege. Zudem liege eine Gegenleistung der Beklagten darin, dass sie durch die Zahlungen von einer Kündigung abgehalten worden sei. Die Schuldnerin habe somit planmäßig den Erhalt der Beteiligungen erkauft.

II.


9
Dies hält rechtlicher Überprüfung im Ergebnis stand. Dem Kläger steht kein Rückgewähranspruch gemäß § 143 Abs. 1 InsO zu, weil die Voraussetzungen des § 134 Abs. 1 InsO nicht erfüllt sind.
10
1. Eine unentgeltliche Leistung liegt im - hier bestehenden - Zwei-Personen -Verhältnis vor, wenn ein Vermögenswert des Verfügenden zugunsten einer anderen Person aufgegeben wird, ohne dass dem Verfügenden ein entspre- chender Vermögenswert vereinbarungsgemäß zufließen soll (BGH, Urteil vom 20. April 2017 - IX ZR 252/16, WM 2017, 1215 Rn. 10 mwN, zVb in BGHZ). Hingegen sind Zahlungen des Inhabers eines Handelsgewerbes an einen stillen Gesellschafter, denen ein gewinnunabhängiges Zahlungsversprechen im Gesellschaftsvertrag zugrunde liegt, entgeltliche Leistungen, wenn sie die Gegenleistung für die erbrachte Einlage darstellen. Dies hat der Senat mit Urteil vom 5. Juli 2018 (IX ZR 139/17, zVb) in einer Parallelsache entschieden und näher begründet.
11
2. Nach diesen Maßstäben handelt es sich bei den angefochtenen Zahlungen um eine entgeltliche Leistung der Schuldnerin. Die Schuldnerin hat mit den Zahlungen nach den Feststellungen des Berufungsgerichts weder eine Einlage zurückgewährt noch Scheingewinne gezahlt, sondern ihre Verpflichtung aus § 3 des Gesellschaftsvertrags erfüllt.
12
a) § 3 des Gesellschaftsvertrags enthält - wie der Senat mit Urteil vom 5. Juli 2018 (IX ZR 139/17, zVb) entschieden und näher begründet hat - einen Anspruch auf eine garantierte, gewinn- und verlustunabhängige jährliche Mindestverzinsung der Einlage des stillen Gesellschafters. Die auf dieser Grundlage gezahlten Vorabvergütungen stellen mithin eine Gegenleistung für die Einlage der stillen Gesellschafter dar, die in Form einer festen Kapitalverzinsung oder garantierten Mindesttantieme zu Lasten des Kapitals geht.
13
Soweit bei einem zweigliedrigen stillen Gesellschaftsverhältnis sich die Auslegung des Vertrags gemäß §§ 133, 157 BGB iVm § 242 BGB nach dem Empfängerhorizont des beitretenden Anlegers richtet (vgl. BGH, Beschluss vom 22. September 2015 - II ZR 310/14, ZIP 2016, 266 Rn. 12), hat das Berufungsgericht in tatrichterlicher Würdigung festgestellt, dass keine individuellen Umstände bestanden, die im Rahmen der hier vorliegenden zweigliedrigen stillen Gesellschaft eine abweichende Auslegung rechtfertigen. Die Revision zeigt solche Umstände auch nicht auf.
14
b) Der Anspruch auf Zahlung einer Vorabvergütung war auch wirksam und durchsetzbar. Der in Form einer stillen Gesellschaft erfolgte Beitritt der Beklagten zur Schuldnerin ist wirksam. Dem steht nicht entgegen, dass die Schuldnerin nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ein sogenanntes Schneeballsystem betrieb, weil die Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft zur Anwendung kommen (vgl. BGH, Urteil vom 8. Juli 2018 - IX ZR 139/17, zVb). Die Beklagte war schließlich nicht im Hinblick auf eine Treuepflicht gehindert, die ihr zustehenden Ansprüche auf Vorabvergütung geltend zu machen (vgl. BGH, Urteil vom 8. Juli 2018 - IX ZR 139/17, zVb).
Kayser Gehrlein Grupp Schoppmeyer Meyberg
Vorinstanzen:
AG Tecklenburg, Entscheidung vom 25.08.2016 - 13 C 71/16 -
LG Münster, Entscheidung vom 11.05.2017 - 2 S 8/16 -
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Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Was durch die anfechtbare Handlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist, muß zur Insolvenzmasse zurückgewährt werden. Die Vorschriften über die Rechtsfolgen einer ungerechtfertigten Bereicherung, bei der dem E
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Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Was durch die anfechtbare Handlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist, muß zur Insolvenzmasse zurückgewährt werden. Die Vorschriften über die Rechtsfolgen einer ungerechtfertigten Bereicherung, bei der dem E
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Annotations

(1) Was durch die anfechtbare Handlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist, muß zur Insolvenzmasse zurückgewährt werden. Die Vorschriften über die Rechtsfolgen einer ungerechtfertigten Bereicherung, bei der dem Empfänger der Mangel des rechtlichen Grundes bekannt ist, gelten entsprechend. Eine Geldschuld ist nur zu verzinsen, wenn die Voraussetzungen des Schuldnerverzugs oder des § 291 des Bürgerlichen Gesetzbuchs vorliegen; ein darüber hinausgehender Anspruch auf Herausgabe von Nutzungen eines erlangten Geldbetrags ist ausgeschlossen.

(2) Der Empfänger einer unentgeltlichen Leistung hat diese nur zurückzugewähren, soweit er durch sie bereichert ist. Dies gilt nicht, sobald er weiß oder den Umständen nach wissen muß, daß die unentgeltliche Leistung die Gläubiger benachteiligt.

(3) Im Fall der Anfechtung nach § 135 Abs. 2 hat der Gesellschafter, der die Sicherheit bestellt hatte oder als Bürge haftete, die dem Dritten gewährte Leistung zur Insolvenzmasse zu erstatten. Die Verpflichtung besteht nur bis zur Höhe des Betrags, mit dem der Gesellschafter als Bürge haftete oder der dem Wert der von ihm bestellten Sicherheit im Zeitpunkt der Rückgewähr des Darlehens oder der Leistung auf die gleichgestellte Forderung entspricht. Der Gesellschafter wird von der Verpflichtung frei, wenn er die Gegenstände, die dem Gläubiger als Sicherheit gedient hatten, der Insolvenzmasse zur Verfügung stellt.

(1) Anfechtbar ist eine unentgeltliche Leistung des Schuldners, es sei denn, sie ist früher als vier Jahre vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden.

(2) Richtet sich die Leistung auf ein gebräuchliches Gelegenheitsgeschenk geringen Werts, so ist sie nicht anfechtbar.

(1) Was durch die anfechtbare Handlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist, muß zur Insolvenzmasse zurückgewährt werden. Die Vorschriften über die Rechtsfolgen einer ungerechtfertigten Bereicherung, bei der dem Empfänger der Mangel des rechtlichen Grundes bekannt ist, gelten entsprechend. Eine Geldschuld ist nur zu verzinsen, wenn die Voraussetzungen des Schuldnerverzugs oder des § 291 des Bürgerlichen Gesetzbuchs vorliegen; ein darüber hinausgehender Anspruch auf Herausgabe von Nutzungen eines erlangten Geldbetrags ist ausgeschlossen.

(2) Der Empfänger einer unentgeltlichen Leistung hat diese nur zurückzugewähren, soweit er durch sie bereichert ist. Dies gilt nicht, sobald er weiß oder den Umständen nach wissen muß, daß die unentgeltliche Leistung die Gläubiger benachteiligt.

(3) Im Fall der Anfechtung nach § 135 Abs. 2 hat der Gesellschafter, der die Sicherheit bestellt hatte oder als Bürge haftete, die dem Dritten gewährte Leistung zur Insolvenzmasse zu erstatten. Die Verpflichtung besteht nur bis zur Höhe des Betrags, mit dem der Gesellschafter als Bürge haftete oder der dem Wert der von ihm bestellten Sicherheit im Zeitpunkt der Rückgewähr des Darlehens oder der Leistung auf die gleichgestellte Forderung entspricht. Der Gesellschafter wird von der Verpflichtung frei, wenn er die Gegenstände, die dem Gläubiger als Sicherheit gedient hatten, der Insolvenzmasse zur Verfügung stellt.

(1) Anfechtbar ist eine unentgeltliche Leistung des Schuldners, es sei denn, sie ist früher als vier Jahre vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden.

(2) Richtet sich die Leistung auf ein gebräuchliches Gelegenheitsgeschenk geringen Werts, so ist sie nicht anfechtbar.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.