Bundesgerichtshof Urteil, 15. Nov. 2012 - IX ZR 109/09
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von den Kosten des Rechtsstreits haben zu tragen der Kläger 56 vom Hundert der Kosten erster und zweiter Instanz sowie die Kosten des Revisionsverfahrens, der Beklagte 44 vom Hundert der Kosten erster und zweiter Instanz sowie die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde, soweit sie nicht auf die Kosten des Revisionsverfahrens angerechnet werden.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
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- Der beklagte Steuerberater hat für sich, den Kläger und einen dritten Beteiligten in der Grundstücksgesellschaft bürgerlichen Rechts S. straße in B. die Steuererklärungen zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Grundlagen für die Einkommensbesteuerung abgegeben. Wegen der für die Veranlagungszeiträume 1999 bis 2003 unterbliebenen Abschreibungen der Gebäudemodernisierungskosten aus der Zeit von 1996 bis 1998 hat das Berufungsgericht dem Kläger Ersatz seines Steuerschadens und eines Teils der hierfür aufgewendeten Rechtsverfolgungskosten zugesprochen. Den für das Jahr 1998 geltend gemachten Schadensbetrag hat es wegen Verjährung abgewiesen. Der Senat hat die Revision gegen dieses Urteil zugelassen, soweit sich die Verurteilung zum Schadensersatz auf die Veranlagungszeiträume 1999 und 2000 bezieht. Der Beklagte verfolgt in diesen Punkten seinen Klagabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
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- Die Revision ist begründet. Das Berufungsgericht hat zwar den Grund einer Schadensersatzpflicht des Klägers gegen den Beklagten rechtsfehlerfrei bejaht. Die hierauf gestützten Ansprüche begegnen jedoch wegen der Steuerschäden in den Veranlagungszeiträumen 1999 und 2000 ebenso wie schon derjenige des Vorjahres einem dauernden Leistungsverweigerungsrecht des Beklagten nach § 214 Abs. 1 BGB wegen Verjährung.
I.
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- Das Berufungsgericht hat angenommen, Gegenstand der Klage sei eine Mehrzahl von Schäden, welche durch die Abgabe mangelhafter Steuererklärungen zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Grundlagen für die Einkommensbesteuerung innerhalb der Grundstücksgesellschaft S. straße in B. eingetreten seien. Der Grundsatz der Schadenseinheit sei deshalb hier nicht anzuwenden. Das trifft zu, wie der Senat in seinem Beschluss vom 21. Juni 2012 in dieser Sache dargelegt hat. Weiterhin hat das Berufungsgericht jedoch für die Folgen der Feststellungsbescheide 1999 und 2000 dem Kläger die Grundsätze der Sekundärhaftung zugutegehalten, die den Rechtsberater hindert, sich auf das ihm zuzurechnende Verstreichen der gesetzlichen Verjährungsfrist gegenüber dem Mandanten zu berufen. Der Beklagte sei bei Abgabe der Steuererklärungen für die Grundstücksgesellschaft keinem Rechtsirrtum in einer steuerlichen Vorfrage unterlegen, sondern habe die Geltendmachung von Sonderabschreibungen nach dem Fördergebietsgesetz seit 1998 vollkommen übersehen und infolgedessen eine Null in das dafür vorgesehene Feld des Erklärungsvordrucks eingetragen. Dieser Fehler sei so offensichtlich , dass er dem Beklagten bei Abgabe der Steuererklärungen für die Folgejahre ohne weiteres habe auffallen müssen. Dies genüge als Anlass, um die Pflicht zu begründen, den Mandanten auf den unterlaufenen Fehler, die Haftung und ihre Verjährung hinzuweisen. Dem sei der Beklagte nicht nachgekommen. Dagegen wendet sich die Revision mit dem Argument, Offensichtlichkeit des unterlaufenen Fehlers allein könne den verjährungsrechtlichen Sekundäranspruch nicht auslösen.
II.
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- Die Sachrüge der Revision greift durch. Die Klage ist nach dem festgestellten Sachverhältnis infolgedessen unter Aufhebung der Instanzurteile nach § 563 Abs. 3 ZPO abzuweisen, soweit über sie nicht bereits rechtskräftig erkannt ist.
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- 1. Die Tatsacheninstanzen sind mit Recht davon ausgegangen, dass sich die Verjährung der Steuerberaterhaftung in Fällen, in denen der Schadensersatzanspruch vor dem 15. Dezember 2004 entstanden ist, gemäß Art. 229 § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 13, Satz 2 und § 6 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 EGBGB weiter nach § 68 StBerG in der bis zu diesem Tage geltenden Fassung richtet, wobei der verjährungsrechtliche Sekundäranspruch eingeschlossen ist (vgl. BGH, Urteil vom 13. November 2008 - IX ZR 69/07, WM 2009, 283 Rn. 7 f). Das trifft für die Ansprüche des Klägers zu.
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- 2. Die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Entstehung des verjährungsrechtlichen Sekundäranspruchs gegenüber einem Steuerberater betont, dass neben den unterlassenen Hinweis auf begangene Pflichtverletzungen und den Schaden in Gestalt der eingetretenen Primärverjährung der Anlass treten muss, welcher der steuerliche Berater unbeachtet gelassen hat (vgl. Urteil vom 14. Juli 2005 - IX ZR 284/01, WM 2005, 2106, 2107 f unter B. II. 2.; Beschluss vom 17. Juli 2008 - IX ZR 174/05, DStRE 2009, 251 Rn. 2; Urteil vom 16. Oktober 2008 - IX ZR 135/07, WM 2008, 2307 Rn. 21; vom heutigen Tage - IX ZR 184/09, zVb). Wiederholt der Steuerberater aufgrund fortwirkenden Irrtums über einen steuerrechtlich erheblichen Umstand bei der Anfertigung von Steuererklärungen nur seinen ersten Fehler und hat er dabei keinen neuen Anhaltspunkt, der auf den begangenen Fehler und das besondere Haf- tungsrisiko der zurückliegenden Tätigkeit hindeutet, so fehlt der Anlass, der den verjährungsrechtlichen Sekundäranspruch wegen unterlassener Aufklärung des Mandanten über die mögliche Haftung und ihre Verjährung begründen kann (insoweit überholt Zugehör/Chab, Handbuch der Anwaltshaftung, 3. Aufl., Rn. 1396 bei Fn. 369).
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- Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts bedarf es eines neuen Anhaltspunktes , der auf den begangenen Fehler hindeutet, grundsätzlich auch dann, wenn dieser Fehler besonders auffällig ist. Drängt sich die Erkenntnis des Fehlers geradezu auf, welcher den Erstschaden verursacht hat, kann der neue Anhaltspunkt lediglich im Einzelfall schwächer sein als bei weniger leicht erkennbaren Fehlern. Ganz fehlen - wie im vorliegenden Fall - darf ein neuer Anhaltspunkt , nach dem der Steuerberater seinen früheren Fehler hätte erkennen müssen, nicht, weil der verjährungsrechtliche Sekundäranspruch eine neue, eigenständige Pflichtwidrigkeit des Rechtsberaters voraussetzt (BGH, Urteil vom 13. November 2008, aaO Rn. 11 f; vom 12. Juli 2012 - IX ZR 96/10, WM 2012, 2106 Rn. 12 - zur Anwaltshaftung).
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- Zu einer neuen, eigenständigen Pflichtwidrigkeit des Beraters kommt es nicht, wenn ein Fehler nur aufgrund der bisherigen Annahmen zur Sach- und Rechtslage in die nächstfolgende Steuererklärung übernommen wird. Dies begründet eine weitere Primärhaftung des Beraters, aber keine Sekundärhaftung für den ersten Fehler. Für diese Würdigung ist es hier nicht von Belang, ob der Beklagte die Möglichkeit zu weiteren Abschreibungen gemäß § 4 Abs. 3 des Fördergebietsgesetzes rechtlich komplett übersehen hat, wie das Berufungsgericht meint, oder ob er in Kenntnis des Gesetzes aufgrund einer falschen Berechnung das Abschreibungsvolumen durch die Ansätze in den Jahren 1996 bis 1998 für erschöpft hielt, wie es der Beklagte in der Revisionsinstanz vorgetra- gen hat. Ebenso kommt es nicht darauf an, dass der Beklagte hier nicht nur als Steuerberater gehandelt hat, sondern auch als geschäftsführender Gesellschafter mit den Steuerangelegenheiten der Grundstücksgesellschaft befasst war.
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- Hat ein Berater selbst seinen Fehler vor Mandatsbeendigung erkannt, ist ein äußerer Hinweis auf den vorgefallenen Irrtum über Rechts- oder Tatfragen als Anlass einer neuen Prüfung unnötig. Die eigene Erkenntnis des begangenen Fehlers gibt dann Anlass genug, dass der beklagte Berater den Mandanten über die möglichen Haftungsfolgen seiner (ersten) Pflichtwidrigkeit und ihre Verjährung aufklärt. Eine solche Erkenntnis seiner Fehler in den Steuererklärungen hat der Beklagte jedoch bestritten.
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- 3. Die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen des verjährungsrechtlichen Sekundäranspruchs liegt bei dem geschädigten Mandanten, der damit die ansonsten begründete Verjährungseinrede des beklagten Steuerberaters entkräften will (BGH, Urteil vom 1. Februar 2007 - IX ZR 180/04, WM 2007, 801 Rn. 14; vom 12. Juli 2012, aaO Rn. 18). Zu dieser Last des Mandanten gehört nach dem Schutzzweck des Sekundäranspruchs auch der Vortrag und Nachweis, dass der Anlass, den Mandanten über die Möglichkeit der eigenen Haftung und ihre Verjährung aufzuklären, sich so rechtzeitig ergeben hat, dass bei Erfüllung dieser Pflicht des Beraters der Mandant die Primärverjährung noch hemmen konnte (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juli 2012, aaO, Rn. 12). Zu diesen , den verjährungsrechtlichen Sekundäranspruch begründenden Umständen ist jedoch dem Sachvortrag und den Beweisantritten des Klägers nichts weiteres zu entnehmen.
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- Der Schadensersatzanspruch des Klägers gegen den Beklagten für die Veranlagungszeiträume 1999 und 2000 ist damit nach dem Zeitpunkt der Be- kanntgabe der entsprechenden Feststellungsbescheide gemäß § 68 StBerG verjährt gewesen, bevor der Beklagte auf die Erhebung der Einrede am 13. September 2005 für alle nicht schon verjährten Ansprüche verzichtet hat.
Lohmann Pape
Vorinstanzen:
LG Augsburg, Entscheidung vom 30.05.2008 - 10 O 1713/07 -
OLG München, Entscheidung vom 23.04.2009 - 24 U 421/08 -
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(1) Nach Eintritt der Verjährung ist der Schuldner berechtigt, die Leistung zu verweigern.
(2) Das zur Befriedigung eines verjährten Anspruchs Geleistete kann nicht zurückgefordert werden, auch wenn in Unkenntnis der Verjährung geleistet worden ist. Das Gleiche gilt von einem vertragsmäßigen Anerkenntnis sowie einer Sicherheitsleistung des Schuldners.
(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.
(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.
(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.