Bundesgerichtshof Urteil, 17. Feb. 2016 - IV ZR 353/14

ECLI: ECLI:DE:BGH:2016:170216UIVZR353.14.0
published on 17/02/2016 00:00
Bundesgerichtshof Urteil, 17. Feb. 2016 - IV ZR 353/14
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Landgericht Mannheim, 1 O 56/12, 28/12/2012
Oberlandesgericht Karlsruhe, 12 U 18/13, 06/08/2014

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 353/14 Verkündet am:
17. Februar 2016
Schick
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
VVG § 201; AVB Krankheitskostenversicherung (hier § 5 (1) b MB/KK 94)
1. Eine Krankheit im Sinne von § 5 (1) b MB/KK 94 ist auch dadurch gekennzeichnet,
dass sie eine nicht ganz unerhebliche Störung körperlicher oder geistiger Funktionen
mit sich bringt und deshalb die Notwendigkeit einer Heilbehandlung begründet.
2. Ein Erfahrungssatz, wonach sich die versicherte Person mit allen ihr durch ärztliche
Aufklärung bekannt gewordenen möglichen Krankheitsfolgen eines geplanten
ärztlichen Eingriffs, die mit einer gewissen Häufigkeit beobachtet werden, im Sinne
einer billigenden Inkaufnahme abfindet, besteht nicht.
BGH, Urteil vom 17. Februar 2016 - IV ZR 353/14 - OLG Karlsruhe
LG Mannheim
ECLI:DE:BGH:2016:170216UIVZR353.14.0

Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch die Vorsitzende Richterin Mayen, die Richter Felsch, Lehmann, die Richterinnen Dr. Brockmöller und Dr. Bußmann auf die mündliche Verhandlung vom 17. Februar 2016

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers zu 1 wird das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 6. August 2014 aufgehoben, soweit darin zum Nachteil des Klägers zu 1 entschieden worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger zu 1 (im Folgenden: Kläger) verlangt von der Beklagten Krankenversicherungsleistungen wegen einer bei seiner Ehefrau, der früheren Klägerin zu 2, durchgeführten Auswechslung von Brustimplantaten.
2
Er hält seit Ende 2005/Anfang 2006 eine private Krankheitskostenversicherung bei der Beklagten. Seine Ehefrau ist darin mitversichert. Dem Vertrag liegen Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung (im Folgenden : AVB) zugrunde, deren ersten Teil die Musterbedingungen des Verbandes der privaten Krankenversicherung (MB/KK 94) bilden. Darin heißt es unter anderem: "Der Versicherungsschutz § 1 … Teil I (1) Der Versicherer bietet Versicherungsschutz für Krankheiten , Unfälle und andere im Vertrag genannte Ereignisse. Er gewährt im Versicherungsfall
a) in der Krankheitskostenversicherung Ersatz von Aufwendungen für Heilbehandlung und sonst vereinbarte Leistungen,
b) … (2) Versicherungsfall ist die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen. Der Versicherungsfall beginnt mit der Heilbehandlung; er endet, wenn nach medizinischem Befund Behandlungsbedürftigkeit nicht mehr besteht. Muß die Heilbehandlung auf eine Krankheit oder Unfallfolge ausgedehnt werden, die mit der bisher behandelten nicht ursächlich zusammenhängt, so entsteht insoweit ein neuer Versicherungsfall … § 5 Einschränkung der Leistungspflicht Teil I (1) Keine Leistungspflicht besteht
a) …
b) für auf Vorsatz beruhende Krankheiten und Unfälle einschließlich deren Folgen sowie für Entziehungsmaßnahmen einschließlich Entziehungskuren …"
3
Bereits vor Abschluss des Versicherungsvertrages hatte sich die Ehefrau des Klägers im Jahre 2004 aus kosmetischen Gründen mittels Implantaten die Brüste vergrößern lassen, was der Kläger im Versicherungsantrag bei Beantwortung der dort gestellten Gesundheitsfragen nicht angegeben hatte. Ende 2011 bildete sich in der rechten Brust der Ehefrau des Klägers ausgelöst durch das Implantat eine schmerzhafte Kapselfibrose; in ihrer linken Brust war es zu einer Implantatdislokation gekommen. Am 19. Januar 2012 wurde deshalb ein beidseitiger Implantatwechsel vorgenommen, für den das ausführende Klinikum 4.629,61 € in Rechnung stellte.
4
Der Kläger meint, die Beklagte sei hierfür eintrittspflichtig, anderenfalls schulde sie die Kostenerstattung wegen Verletzung vorvertraglicher Pflichten, weil sie bei Vertragsschluss darüber hätte informieren müssen, dass sie für die Folgen kosmetischer Operationen nicht einstehe.
5
Die Beklagte lehnt die Kostenerstattung unter Berufung auf § 5 Teil I (1) b AVB ab. Da die Ehefrau des Klägers vor ihrer Operation im Jahre 2004, die nicht zum Zwecke einer Heilbehandlung erfolgt sei, über die mit der Brustvergrößerung verbundenen Risiken aufgeklärt worden sei, zu denen auch eine Kapselfibrose oder eine unerwünschte Formveränderung zählte, habe sie diese Komplikationen bedingt vorsätzlich herbeigeführt. Weiter bestreitet die Beklagte die medizinische Notwendigkeit des Implantatwechsels.
6
Das Landgericht hat die Klage beider Eheleute abgewiesen, das Berufungsgericht die vom Kläger eingelegte Berufung nach Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Entscheidungsgründe:


7
Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
8
I. Dieses hat dem Kläger die Erstattung der Kosten für den Implantatwechsel nach § 201 VVG versagt, weil seine mitversicherte Ehefrau die Krankheit vorsätzlich bei sich selbst herbeigeführt habe. Auf Einwände des Klägers gegen die Wirksamkeit der Ausschlussklausel in § 5 Teil I (1) b AVB komme es deshalb nicht an. Der Kläger könne die Kostenerstattung auch nicht als Schadensersatz wegen Verletzung vorvertraglicher Pflichten verlangen.
9
Brustimplantate führten zu einem objektiv nach ärztlichem Urteil bestehenden anormalen, regelwidrigen Körperzustand und damit zu einer bedingungsgemäßen Krankheit. Dabei könne dahinstehen, ob gene- rell der Zustand nach einer Schönheitsoperation als anormaler Körperzustand und damit im versicherungsrechtlichen Sinne als Krankheit einzustufen sei. Jedenfalls wenn eine solche Operation die Einbringung eines Fremdkörpers in Form eines Brustimplantats zum Ziel habe, werde ein dauerhaft regelwidriger und anormaler Zustand geschaffen. Anders als die Einbringung von anderen Fremdkörpern, wie etwa Herzschrittmachern oder Prothesen, geschehe dies nicht aus medizinischen, sondern nur aus kosmetischen Gründen.
10
Nach § 201 VVG müsse sich der Vorsatz der versicherten Person lediglich auf die Krankheit, nicht auch auf deren Folgen erstrecken, wobei bedingter Vorsatz genüge. Die Kapselfibrose sei eine solche Folge des von der Ehefrau des Klägers nach Einsetzten der Brustimplantate mit zumindest bedingtem Vorsatz herbeigeführten regelwidrigen Körperzustandes.
11
Im Übrigen sei aber sogar die Kapselfibrose vom bedingten Vorsatz der Versicherten erfasst, weil es sich nach den Ausführungen des medizinischen Sachverständigen um eine natürliche, je nach Prothesenart in 5% bis 20% der Fälle eintretende Fremdkörperreaktion auf das Implantat handele. Über das Risiko der Kapselfibrose sei die Versicherte vor ihrer Operation aufgeklärt worden. Jedenfalls dann, wenn es sich bei einer Folgeerkrankung um eine nicht ganz fernliegende Folge des ursprünglichen Eingriffs handele, sondern diese - wie hier - Folge eines natürlichen Abstoßungsprozesses sei, der in einer bedeutsamen Zahl von Fällen auftrete, nehme der über diese Folge aufgeklärte Versicherte diese billigend in Kauf. In der Einwilligung in eine Schönheitsoperation liege auch keine den Vorsatzbegriff des § 201 VVG anderenfalls möglicherweise einschränkende sozialadäquate Handlung.
12
Nach dem hier maßgeblichen, bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Versicherungsvertragsrecht sei die Beklagte nicht verpflichtet gewesen , ohne Anlass darüber aufzuklären, dass Folgebehandlungen einer Schönheitsoperation nicht vom Versicherungsschutz umfasst seien. Ein solcher Beratungsanlass habe gefehlt, weil der Kläger die Schönheitsoperation seiner Ehefrau bei Vertragsschluss nicht angegeben habe.
13
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der gegebenen Begründung hätte das Berufungsgericht die Klage nicht abweisen dürfen.
14
1. Zu Unrecht hat es angenommen, bereits die 2004 mittels der Implantate herbeigeführte Brustvergrößerung habe bei der Ehefrau des Klägers zu einer Krankheit im Sinne von § 201 VVG bzw. § 1 Teil I (1) und § 5 Teil I (1) Buchst. b AVB geführt.
15
a) Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht (Senatsurteil vom 23. Juni 1993 - IV ZR 135/92, BGHZ 123, 83, 85; st. Rspr.).
16
b) Unter einer bedingungsgemäßen Krankheit wird ein solcher Versicherungsnehmer entsprechend dem allgemeinen Sprachgebrauch (vgl. zu diesem Maßstab Senatsurteile vom 4. März 2015 - IV ZR 128/14, r+s 2015, 383 Rn. 12; vom 10. Dezember 2014 - IV ZR 289/13, r+s 2015, 88 Rn. 26; vom 8. Mai 2013 - IV ZR 174/12, r+s 2013, 334 Rn. 12; st. Rspr.), wie er sich auf der Grundlage allgemein bekannt gewordener medizinischer Erkenntnisse herausgebildet hat (vgl. dazu LG Köln VersR 1983, 388), einen objektiv nach ärztlichem Urteil bestehenden anorma- len, regelwidrigen Körper- oder Geisteszustand verstehen (vgl. nur Senatsurteile vom 17. Dezember 1986 - IVa ZR 78/85, BGHZ 99, 228 unter II 2 a; vom 21. September 2005 - IV ZR 113/04, BGHZ 164, 122 unter II 1; vom 15. September 2010 - IV ZR 187/07, r+s 2011, 75 Rn. 11), wobei sich die Einstufung als "anormal" aus einem Vergleich mit der normalen biologischen Beschaffenheit des Menschen, die Einstufung als "regelwidrig" aus der ergänzenden medizinischen Bewertung eines anormalen Zustandes ergibt.
17
Eine Krankheit ist nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch auch dadurch gekennzeichnet, dass sie eine nicht ganz unerhebliche Störung körperlicher oder geistiger Funktionen mit sich bringt (Prölss/Martin/Voit, VVG 29. Aufl. § 192 Rn. 20; MünchKomm-VVG/Kalis, § 192 Rn. 16; ders. in Bach/Moser, Private Krankenversicherung 5. Aufl. § 1 MB/KK Rn. 15, jeweils m.w.N.) und deshalb die Notwendigkeit einer Heilbehandlung begründet (vgl. BGH, Urteil vom 19. Juni 1952 - III ZR 295/51, BGHZ 7, 30 unter 3 zu § 616 Abs. 2 BGB; vgl. dazu auch BSG, Urteil vom 19. Juni 1963 - 3 RK 37/59, BSGE 19, 179 unter II).
18
c) Danach führt - anders als das Berufungsgericht meint - eine mittels ärztlichen Eingriffs vorgenommene Brustvergrößerung nach allgemeinem Sprachgebrauch zu keiner Krankheit im Sinne der Bedingung. Zwar mag die Implantation eines Fremdkörpers, etwa eines Silikonkissens , einen biologisch anormalen Körperzustand bewirken, medizinisch regelwidrig im Sinne einer Erkrankung ist dieser nach dem Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers aber schon deshalb nicht, weil - wenngleich nicht medizinisch geboten - er von einem Arzt unter Beachtung medizinischer Regeln und Sorgfaltsanforderungen herbeigeführt wird und bei normalem, komplikationsfreiem Verlauf auch nicht zur Störung körperlicher oder geistiger Funktionen führt und keinen Behandlungsbedarf begründet.
19
Dementsprechend wird beispielsweise in Teilen der Rechtsprechung zu Recht angenommen, eine medizinisch nicht gebotene, lediglich mit Blick auf die individuelle Lebensplanung durchgeführte Sterilisation führe nicht zu einer Krankheit (vgl. OLG Nürnberg VersR 2005, 1383, 1384; offen gelassen von OLG Köln VersR 1994, 1170; vgl. für die gesetzliche Krankenversicherung BSG NJW 1986, 1572, 1573). Denn eine solche mit ärztlicher Hilfe freiwillig herbeigeführte Unfruchtbarkeit wird ein Versicherungsnehmer nach dem allgemeinen Sprachgebrauch schon deshalb nicht als krankhaft ansehen, weil sie keinen weitergehenden Behandlungsbedarf auslöst. Lässt eine versicherte Person bewusst und gewollt einen ärztlichen Eingriff aus kosmetischen Gründen vornehmen, so wird auch der dadurch geschaffene Zustand selbst dann, wenn Fremdkörper implantiert werden, weder von der Rechtsgemeinschaft noch von einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer als"krankhaft" angesehen. Solche ärztlichen Eingriffe sind nicht verboten. Wer sie vornehmen lässt, will sich damit nicht in die Situation eines Kranken begeben (vgl. BSG aaO). Soweit die Beklagte behauptet und unter Sachverständigenbeweis gestellt hat, die Implantation von Silikonkissen führe in jedem Fall zu körperlichen Abwehrreaktionen, die einen fortschreitenden Prozess in Gang setzten, der dann zu Komplikationen wie einer Kapselfibrose führen könne, hat das Berufungsgericht entsprechende Feststellungen nicht getroffen. Sachverständig beraten hat es lediglich festgestellt , dass eine Kapselfibrose in 5% bis 20% der Fälle eintreten könne. Selbst wenn man aber unterstellt, dass auch in den übrigen Fällen stets körperliche Reaktionen auf die Implantate stattfinden, ist deren Behandlungsbedürftigkeit und ein Einfluss auf körperliche Funktionen nicht er- sichtlich. Allein der Umstand, dass der Körper auf eingebrachte Silikonimplantate reagiert, schafft somit noch keinen Zustand einer bedingungsgemäßen Krankheit.
20
2. Hat mithin die 2004 durchgeführte Brustvergrößerung zunächst zu keiner bedingungsgemäßen Krankheit geführt, kommt es weder für den Leistungsausschluss nach § 201 VVG noch den aus § 5 Teil I (1) Buchst. b AVB darauf an, ob sich die Ehefrau des Klägers dieser Operation vorsätzlich und freiwillig unterzogen hat, denn Krankheiten im Sinne dieser Bestimmungen stellen allenfalls die späteren Komplikationen, d.h. die Kapselfibrose und die Implantatdislokation dar.
21
Die Beklagte wäre nur dann leistungsfrei, wenn - wie das Berufungsgericht jedenfalls in Bezug auf die Kapselfibrose weiter angenommen hat - die Ehefrau des Klägers auch diese sowie die Implantatdislokation zumindest billigend in Kauf genommen hätte. Die dazu vom Berufungsgericht angestellten Erwägungen halten rechtlicher Überprüfung indes ebenfalls nicht stand.
22
a) Das Berufungsgericht hat angenommen, eine versicherte Person nehme die Folgeerkrankung einer Operation jedenfalls immer dann billigend in Kauf, wenn es sich um eine nicht ganz fernliegende Folge des ursprünglichen Eingriffs, sondern um einen natürlichen Abstoßungsprozess handele, der in einer durchaus bedeutsamen Zahl von Fällen (hier in 5% bis 20% der Fälle) auftrete, und die versicherte Person vor der Operation darüber aufgeklärt worden sei. Damit hat das Berufungsgericht seiner Beweiswürdigung zur Frage des Vorsatzes der Versicherten einen unzutreffenden Erfahrungssatz zugrunde gelegt und die gebotene umfassende Prüfung nicht vorgenommen, ob die Ehefrau des Klä- gers die Komplikationen nach ihrer Brustoperation vorsätzlich herbeigeführt hat.
23
b) Vorsatz ist gekennzeichnet durch das Zusammentreffen eines Wissens- und eines Wollens-Elementes in der Vorstellung der handelnden Person (vgl. BGH, Urteile vom 20. Dezember 2011 - VI ZR 309/10 VersR 2012, 454 Rn. 9, 10 m.w.N.; vom 2. Juni 1993 - IV ZR 72/92, VersR 1993, 960 unter I 2 insoweit in BGHZ 122, 388 nicht abgedruckt).
24
aa) Die vorsätzliche Herbeiführung einer Krankheit durch eine versicherte Person erfordert deshalb zunächst ihr Wissen darüber, dass ihre Handlungsweise, etwa die Duldung eines medizinischen Eingriffs, zu dieser Krankheit führen kann, wobei die Vorstellung genügt, die Krankheit könne mögliche Folge der Handlung sein. Dieses Wissen kann, wie das Berufungsgericht noch zutreffend annimmt, insbesondere auch aus der ärztlichen Aufklärung über mögliche Folgen einer geplanten Operation herrühren. Wird eine versicherte Person - wie hier - darüber aufgeklärt , dass die operative Einbringung eines Fremdkörpers mit einer gewissen Häufigkeit einen natürlichen Abstoßungsprozess hervorrufen kann, so weiß die versicherte Person fortan um diese mögliche Gefahr.
25
bb) Damit ist jedoch noch nicht geklärt, ob auch das WollensElement des Vorsatzes erfüllt ist, das zum Wissen des Handelnden hinzutreten muss. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht eine diesbezügliche gesonderte Prüfung mit der Erwägung für entbehrlich erachtet, dass immer dann, wenn die versicherte Person über mögliche Operationsfolgen aufgeklärt werde und diese Folgen in einer "durchaus bedeutsamen Zahl von Fällen" aufträten, bereits das so vermittelte Wissen bedingten Vorsatz begründe. Wäre das richtig, hätte die aus Haftungsgründen regelmäßig extensive medizinische Aufklärung über die mit einer gewissen Häufigkeit möglichen Folgen geplanter ärztlicher Eingriffe nach § 201 VVG den weitgehenden Verlust des Krankenversicherungsschutzes für danach eintretende Komplikationen zur Folge.
26
Das Wollens-Element des Vorsatzes ist nur dann gegeben, wenn der Handelnde im Wissen um den möglichen Eintritt eines schädlichen "Erfolges" sich mit diesem im Interesse der Handlung in der Weise abfindet , dass er diesen Erfolg billigend in Kauf nimmt (BGH aaO m.w.N.). Dabei ist nicht entscheidend, welche Schlüsse ein verständig handelnder Dritter in der Rolle des Handelnden aus dessen Wissen hätte ziehen können oder müssen, denn das könnte - wenn der konkret Handelnde diese Schlüsse nicht gezogen hat - lediglich einen Fahrlässigkeitsvorwurf begründen. Entscheidend ist vielmehr allein die Vorstellung, die der konkret Handelnde mit seinem Verhalten verbindet. Dabei verläuft die Grenze zwischen bewusster Fahrlässigkeit und bedingtem Vorsatz bei der Prognose über den weiteren Geschehensablauf.
27
Das lässt sich - was das Berufungsgericht verkannt hat - nur für den Einzelfall unter - hier unterbliebener - umfassender Würdigung der Fallumstände treffen. Ein Erfahrungssatz, wonach sich die versicherte Person mit allen ihr durch ärztliche Aufklärung bekannt gewordenen möglichen Krankheitsfolgen eines geplanten ärztlichen Eingriffs, die mit einer gewissen Häufigkeit beobachtet werden, im Sinne einer billigenden Inkaufnahme abfindet, besteht nicht. Einer solchen generalisierenden Betrachtung steht bereits die - ebenfalls nur allgemeine - Erwägung entgegen , dass sich Patienten einem ärztlichen Eingriff in aller Regel in der Hoffnung unterziehen, dieser werde erfolgreich und komplikationsfrei verlaufen. Welche Vorstellungen eine versicherte Person mit einem bevorstehenden ärztlichen Eingriff konkret verbindet, muss deshalb stets im Einzelfall geklärt werden.

28
3. Hierzu wird das Berufungsgericht noch die erforderlichen Feststellungen zu treffen haben. Zudem hat es aus seiner Sicht konsequent, die Einwände der Beklagten gegen die medizinische Notwendigkeit des Implantataustausches bisher nicht abschließend geprüft. Es hat insbesondere nicht geklärt, ob es hier medizinisch notwendig war, nicht nur die alten Implantate zu entfernen, sondern auch neue Implantate einzusetzen.
Mayen Felsch Lehmann
Dr. Brockmöller Dr. Bußmann
Vorinstanzen:
LG Mannheim, Entscheidung vom 28.12.2012- 1 O 56/12 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 06.08.2014- 12 U 18/13 -
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Der Versicherer ist nicht zur Leistung verpflichtet, wenn der Versicherungsnehmer oder die versicherte Person vorsätzlich die Krankheit oder den Unfall bei sich selbst herbeiführt.

Der zur Dienstleistung Verpflichtete wird des Anspruchs auf die Vergütung nicht dadurch verlustig, dass er für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird. Er muss sich jedoch den Betrag anrechnen lassen, welcher ihm für die Zeit der Verhinderung aus einer auf Grund gesetzlicher Verpflichtung bestehenden Kranken- oder Unfallversicherung zukommt.

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