Bundesgerichtshof Urteil, 20. Juli 2016 - IV ZR 245/15
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende Richterin Mayen, die Richter Felsch, Lehmann, die Richterinnen Dr. Brockmöller und Dr. Bußmann auf die mündliche Verhandlung vom 22. Juni 2016
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
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- Der Kläger unterhält eine Rechtsschutzversicherung. Dem Versicherungsvertrag liegen Allgemeine Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB 2004) des Versicherers (im Folgenden nur: ARB) zugrunde , deren §§ 2 und 3 auszugsweise wie folgt lauten: "§ 2 Leistungsarten Der Umfang des Versicherungsschutzes kann in den Formen des § 21 bis § 29 vereinbart werden. Je nach Vereinbarung umfaßt der Versicherungsschutz …
d) Rechtsschutz im Vertrags- und Sachenrecht (auch über Internet geschlossene Verträge) für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus privatrechtlichen Schuldverhältnissen und dinglichen Rechten, … … § 3 Ausgeschlossene Rechtsangelegenheiten Rechtsschutz besteht, soweit nicht etwas anderes vereinbart ist, nicht für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen … (3) a) in Verfahren vor Verfassungsgerichten;
b) in Verfahren vor internationalen oder supranationalen Gerichtshöfen, soweit es sich nicht um die Wahrnehmung rechtlicher Interessen von Bediensteten internationaler oder supranationaler Organisationen aus Arbeitsverhältnissen oder öffentlichrechtlichen Dienstverhältnissen handelt;
c) in ursächlichem Zusammenhang mit einem über das Vermögen des Versicherungsnehmers beantragten oder eröffneten Konkurs- oder Vergleichsverfahren;
d) in Enteignungs-, Planfeststellungs-, Flurbereinigungs - sowie im Baugesetzbuch geregelten Angelegenheiten ;
e) in Ordnungswidrigkeiten- und Verwaltungsverfahren wegen des Vorwurfes eines Halt- oder Parkverstoßes ; …"
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- Die Beklagte ist das vom Versicherer beauftragte Schadenabwicklungsunternehmen.
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- Der Kläger begehrt Rechtsschutz für eine Klage gegen die Hellenische Republik. Er hatte im Jahre 2010 Staatsanleihen des griechischen Staates erworben, deren Nominalwert 10.000 € betrug, bevor sie auf Grundlage des griechischen Gesetzes Nr. 4050/2012 vom 23. Februar 2012, dem sogenannten Greek Bondholder Act, konvertiert und gegen neue Staatsanleihen mit einem niedrigeren Nominalwert ausgetauscht wurden.
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- Der Kläger akzeptiert den Zwangsumtausch nicht und will mit der beabsichtigten Klage gegen die Hellenische Republik, die die Rückzahlung der ursprünglich am 20. August 2012 fälligen Anleihen verweigert, einen Zahlungsanspruch Zug um Zug gegen Gestattung der Rückbuchung der zugunsten des Klägers im Zuge des Umtausches eingebuchten Wertpapiere geltend machen.
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- Dazu führen der Klageentwurf und das Begleitschreiben seiner Bevollmächtigten an den Versicherer aus, es würden Zahlungsansprüche aus den 2010 erworbenen, zur Rückzahlung fälligen Anleihen verfolgt. Hilfsweise sollen Ansprüche aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung geltend gemacht werden. Im Klageentwurf wird die Umschuldung als rechtswidriger enteignungsgleicher Eingriff gewürdigt. Die angenommenen Verstöße gegen die Griechische Verfassung, die Grundrechtecharta der Europäischen Union und das Völkergewohnheitsrecht bewirkten einen Verstoß gegen den ordre public, der dazu führe, dass der Greek Bondholder Act nicht angewendet werden dürfe.
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- Die Beklagte hat die erbetene Kostenzusage unter Berufung auf § 3 (3) d) der ARB abgelehnt. In Enteignungsangelegenheiten genieße der Kläger keinen Rechtsschutz.
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- Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
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- In der Revisionsverhandlung hat sich die Beklagte ergänzend darauf berufen, dass es im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 8. März 2016 (VI ZR 516/14) nunmehr auch an der hinreichenden Erfolgsaussicht für die beabsichtigte Klagefehle.
Entscheidungsgründe:
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- Die Revision hat keinen Erfolg.
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- I. Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung unter anderem in VersR 2015, 1159 veröffentlicht ist, hat ausgeführt, die beabsichtigte Klage falle unter das versicherte Risiko. Der Versicherungsschutz umfasse nach § 26 (3) der ARB auch Vertragsrecht im Sinne des § 2 d) der ARB. Der Anspruch, den der Kläger geltend zu machen beabsichtige, habe seine Grundlage in einem schuldrechtlichen Vertragsverhältnis.
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- Die Klausel des § 3 (3) d) der ARB schließe die Rechtsangelegenheit nicht vom Versicherungsschutz aus. Dabei könne offen bleiben, ob es sich bei der beabsichtigten Klage allein um die Geltendmachung eines Darlehensrückzahlungsanspruchs handele oder um eine einen schuldrechtlichen Anspruch betreffende Enteignungsangelegenheit. Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer, dessen Sicht maßgeblich sei, werde unter Berücksichtigung der Verklammerung der in § 3 (3) d) der ARB aufgeführten Begriffe den Schluss ziehen, dass hier ein Leistungsausschluss nur für Enteignungen im Zusammenhang mit Grundeigentum vorgenommen werde. Im allgemeinen Sprachgebrauch werde der Begriff Enteignung typischerweise bezogen auf körperliche Gegenstände verwendet. Dass sich nach juristischen Kriterien Enteignungen auch auf schuldrechtliche Ansprüche beziehen könnten, sei dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer nicht geläufig.
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- Der Bezug zu Grundstücksangelegenheiten ergebe sich aus der Verwendung des Enteignungsbegriffs gemeinsam mit den Begriffen Planfeststellungs -, Flurbereinigungs- und im Baugesetzbuch geregelte Angelegenheiten. Letztere drei beträfen eindeutig Grundstücksangelegenheiten. Die sprachliche Verknüpfung durch den gemeinsamen Begriff "Angelegenheiten" begründe dabei einen besonders engen Zusammenhang.
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- Ein solches Verständnis lege auch der systematische Aufbau von § 3 (3) der ARB nahe. Die dort unter den jeweiligen Alternativen a) bis e) geregelten Ausschlüsse bezögen sich jeweils auf einen einheitlichen Regelungsgegenstand , der bei Buchstabe d) in "Grundstücksangelegenheiten" bestehe.
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- Im Übrigen ergebe sich aus der gebotenen engen Auslegung von Ausschlussklauseln, dass Enteignungen oder enteignungsgleiche Eingriffe bezogen auf schuldrechtliche Ansprüche nicht erfasst würden. Selbst wenn man eine gegenteilige Auslegung für möglich erachtete, verbliebe es als Folge des Günstigkeitsprinzips dabei, dass § 3 (3) d) der ARB nicht zum Ausschluss des Versicherungsschutzes führt.
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- II. Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.
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- 1. Der Antrag des Klägers, die Beklagte zu verurteilen, ihm "Rechtsschutz zu bewilligen", ist so auszulegen, dass die Feststellung begehrt wird, die Beklagte sei zur Gewährung von Versicherungsschutz verpflichtet (vgl. Senatsurteil vom 20. Oktober 1982 - IVa ZR 48/81, VersR 1983, 125 unter I).
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- 2. Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht angenommen, die beabsichtigte Rechtsverfolgung falle unter die Leistungsart "Vertragsrecht" im Sinne des § 2 d) der ARB.
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- a) Als Voraussetzung für das Bestehen von Versicherungsschutz muss der Versicherungsnehmer schlüssig darlegen, dass der von ihm verfolgte Anspruch aus einem Rechtsverhältnis herrührt, das in den Schutzbereich seines Versicherungsvertrages fällt (Harbauer/Stahl, Rechtsschutzversicherung 8. Aufl. § 2 ARB 2000 Rn. 4; vgl. auch BGH, Urteil vom 12. Januar 1961 - II ZR 249/58, VersR 1961, 121 m.w.N. zur Haftpflichtversicherung). Der Rechtsschutz nach § 2 d) der ARB umfasst privatrechtliche Schuldverhältnisse aller Art (Harbauer/Stahl, Rechtsschutzversicherung 8. Aufl. § 2 ARB 2000 Rn. 160).
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- b) Diese Anforderungen hat der Kläger erfüllt. Er hat vorgetragen, fällige privatrechtliche Zahlungsansprüche gegen die Hellenische Republik aus von ihr begebenen Inhaberschuldverschreibungen zu verfolgen (zur Leistungsart Vertrags-Rechtsschutz in § 2 d) ARB 2000 bei Wertpapierrechtsverhältnissen vgl. Harbauer/Stahl, Rechtsschutzversicherung 8. Aufl. § 2 ARB 2000 Rn. 165). Entgegen der Auffassung der Revision ergibt sich aus dem Klägervortrag nicht, dass er seinen schuldrechtli- chen Anspruch aus den erworbenen Anleihen als erloschen betrachtet und Entschädigungsansprüche aus einem enteignungsgleichen Eingriff geltend macht. Nach der im Klageentwurf und im Begleitschreiben an den Versicherer geäußerten Auffassung besteht der schuldrechtliche Anspruch fort, weil der Greek Bondholder Act wegen Verstoßes gegen den ordre public nicht angewendet werden dürfe und überdies die für die Durchführung des Umtauschs erforderliche Quote nicht erreicht worden sei. Die beabsichtigte Verfolgung vertragsrechtlicher Ansprüche ist nicht deshalb zu verneinen, weil der Kläger inseinem Entwurf der Klageschrift bereits in großem Umfang zu auf den Greek Bondholder Act gestützten Einwendungen der Hellenischen Republik Stellung nimmt und im Hinblick hierauf sowohl dieses Gesetz als auch den Umtausch der Anleihen einer rechtlichen Bewertung unterzieht.
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- 3. Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, dass der Anspruch nicht durch § 3 (3) d) der ARB des Versicherers ausgeschlossen ist.
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- a) Wie das Berufungsgericht richtig gesehen hat, ist der Begriff "Enteignungsangelegenheiten" aus der maßgeblichen Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers so zu verstehen, dass er nur Enteignungen erfasst, die - anders als im Streitfall - einen Grundstücksbezug aufweisen (a.A. LG Düsseldorf r+s 2013, 550, 551 f. und LG Hannover r+s 2015, 135).
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- aa) Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht (Se- natsurteil vom 23. Juni 1993 - IV ZR 135/92, BGHZ 123, 83, 85; st. Rspr.). Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit - auch - auf seine Interessen an. Dieser Grundsatz erfährt jedoch eine Ausnahme, wenn die Rechtssprache mit dem verwendeten Ausdruck einen fest umrissenen Begriff verbindet. In diesen Fällen ist anzunehmen , dass auch die Allgemeinen Versicherungsbedingungen darunter nichts anderes verstehen wollen. Ein von der Rechtssprache abweichendes Verständnis kann allerdings dann in Betracht kommen, wenn das allgemeine Sprachverständnis von der Rechtssprache in einem Randbereich deutlich abweicht oder wenn der Sinnzusammenhang der Versicherungsbedingungen etwas anderes ergibt (Senatsurteile vom 21. Mai 2003 - IV ZR 327/02, r+s 2003, 362 unter 2 a; vom 8. Dezember 1999 - IV ZR 40/99, VersR 2000, 311 unter II 4 b aa).
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- bb) (1) Ausgangspunkt der Auslegung ist der Klauselwortlaut (Senatsurteil vom 11. Dezember 2002 - IV ZR 226/01, BGHZ 153, 182,186). Der verwendete Begriff "Enteignung" verweist zwar auf rechtliche Kategorien. Der zusätzliche, in hohem Maße interpretationsbedürftige und interpretationsfähige Ausdruck "Angelegenheiten" führt aber dazu, dass ein fest umrissener Begriff der Rechtssprache nicht anzunehmen ist (vgl. Senatsurteil vom 21. Mai 2003 - IV ZR 327/02, r+s 2003, 362 unter 2 b aa zum Ausdruck "Bereich").
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- (2) Demgemäß kommt es für die Auslegung auf die Verständnismöglichkeiten und auch auf die Interessen des durchschnittlichen Versicherungsnehmers an. Bei Risikoausschlüssen geht das Interesse des Versicherungsnehmers regelmäßig dahin, dass der Versicherungsschutz nicht weiter verkürzt wird, als der erkennbare Zweck der Klausel dies gebietet. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer braucht nach ständiger Rechtsprechung des Senats nicht mit Lücken im Versicherungsschutz zu rechnen, ohne dass eine Klausel ihm dies hinreichend verdeutlicht (Senatsurteile vom 28. Oktober 2015 - IV ZR 269/14, VersR 2016, 41 Rn. 38 und vom 8. Mai 2013 - IV ZR 233/11, VersR 2013, 853 Rn. 41; Senatsbeschluss vom 11. September 2013 - IV ZR 259/12, VersR 2013, 1395 Rn. 12; jeweils m.w.N.).
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- (3) Die Ausschlussklausel verfolgt den - für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer erkennbaren - Zweck, die erfahrungsgemäß besonders kostenträchtigen und im Kostenrisiko schwer überschaubaren Streitigkeiten von der Versicherung auszunehmen, von denen nur ein regional begrenzter Kreis von Rechtsinhabern betroffen ist (vgl. Harbauer/ Maier, Rechtsschutzversicherung 8. Aufl. § 3 ARB 2000 Rn. 161; OLG Karlsruhe r+s 1999, 70, 72 zu § 4 (1) r) ARB 1984), weil sich die aufgezählten hoheitlichen Maßnahmen oder Planungen nachteilig auf Grundstücke oder Rechte an Grundstücken auswirken (vgl. Looschelders in Looschelders/Paffenholz, ARB § 3 ARB 2010 Rn. 156; Obarowski in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch 3. Aufl. § 37 Rn. 338). Das nur dieser Minderheit drohende hohe Kostenrisiko soll nicht der Risikogemeinschaft aller Versicherten aufgebürdet werden (vgl. Harbauer/Maier aaO Rn. 147).
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- (4) Die gewählte Ausdrucksweise und Systematik sprechen ebenfalls für diese Begrenzung des Anwendungsbereiches der Ausschlussklausel. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer erkennt, dass die in § 3 der ARB vom Versicherungsschutz ausgenommenen Risiken zu Gruppen zusammengefasst sind. Die Zusammenfassung wird bei § 3 (3)
d) der ARB neben der Aufzählung unter einem gemeinsamen Buchsta- ben durch die sprachliche Verknüpfung mit dem Begriff "Angelegenheiten" vorgenommen. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer wird davon ausgehen, dass die Angelegenheiten wegen einer allen Elementen der jeweiligen Aufzählung innewohnenden Gemeinsamkeit zusammengefasst wurden. Als die Aufzählung in § 3 (3) d) der ARB verbindende Gemeinsamkeit wird er den Grundstücksbezug ausmachen, der bei Planfeststellungs -, Flurbereinigungs- und im Baugesetzbuch geregelten Angelegenheiten gegeben ist. Anders als die Revision meint, wird er nicht annehmen, dass die Zusammenfassung auf dem Enteignungscharakter beruht, weil Enteignungen mit im Baugesetzbuch geregelten Angelegenheiten nicht typischerweise verbunden sind.
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- (5) Das Geltendmachen von Zahlungsansprüchen im Zusammenhang mit einem gesetzlich angeordneten Umtausch von Inhaberschuldverschreibungen eines Staates ist deshalb bei der gebotenen engen Auslegung von Risikoausschlussklauseln nicht als Wahrnehmung rechtlicher Interessen in Enteignungsangelegenheiten im Sinne des § 3 (3) d) der ARB des Versicherers anzusehen (so zu wortgleichen Bedingungen LG Bonn r+s 2015, 232; Cornelius-Winkler, jurisPR-VersR 2/2014 Anm. 6; Schimikowski, r+s 2013, 552; a.A. LG Hannover r+s 2015, 135 zu § 4 (1) r) ARB 1975/2002; LG Düsseldorf r+s 2013, 550, 551; Armbrüster in Prölss/Martin, VVG 29. Aufl. § 3 ARB 2010 Rn. 72; Obarowski in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch 3. Aufl. § 37 Rn. 344a).
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- b) Unabhängig hiervon könnte die in Rede stehende Ausschlussklausel im Streitfall selbst dann nicht zum Zuge kommen, wenn man ihr Eingreifen grundsätzlich auch außerhalb der Enteignung von Grundstücken für möglich hielte.
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- Der durchschnittliche Versicherungsnehmer wird die Regelung bei der gebotenen engen Auslegung nämlich jedenfalls so verstehen, dass eine Enteignungsangelegenheit nur dann vorliegt, wenn er sich unmittelbar gegen eine enteignende oder enteignungsgleiche Maßnahme zur Wehr setzen will, wie z.B. durch Feststellungs- oder Anfechtungsklagen vor den Verwaltungsgerichten, oder wenn er Ansprüche (etwa auf Entschädigung ) geltend machen will, die erst auf dieser hoheitlichen Maßnahme beruhen, nicht aber, wenn er einen Anspruch verfolgen und durchsetzen will, der bereits unabhängig von der enteignenden Maßnahme entstanden ist und durchgesetzt werden soll und dem eine hoheitliche Maßnahme lediglich im Wege einer Einwendung entgegengehalten wird. Er wird nicht annehmen, dass sich das Vorliegen einer Enteignungsangelegenheit nach den Einwendungen bestimmt, mit denen der Gegner sich gegenüber dem Anspruch, den der Versicherungsnehmer im Aktivprozess zu verfolgen beabsichtigt, verteidigt.
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- Dementsprechend ist auch nach der neueren Senatsrechtsprechung für die Bestimmung der Angelegenheit, in der der Versicherungsnehmer seine rechtlichen Interessen verfolgen will, nur der Tatsachenvortrag entscheidend, mit dem er seinen Anspruch begründet. Darauf, welche Einwendungen der Gegner dem entgegenhält, kommt es für die Bestimmung des Versicherungsfalles nicht an (Senatsurteil vom 25. Februar 2015 - IV ZR 214/14, VersR 2015, 485 Rn. 14 ff.). Anderenfalls hätte es der am Rechtsschutzversicherungsvertrag nicht beteiligte Dritte als Außenstehender in der Hand, durch die Wahl seiner Verteidigung dem Versicherungsnehmer den Rechtsschutz zu entziehen (Senat aaO Rn. 16).
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- Im Streitfall verlangt der Kläger, wie ausgeführt, eine Zahlung aus den 2010 erworbenen Anleihen und begründet diesen Zahlungsanspruch nicht damit, eine Entschädigung wegen der Enteignung im Hinblick auf diese Wertpapiere zu verfolgen. Gegenstand seines Begehrens, für das er Deckung begehrt, ist danach gerade nicht die hoheitliche Maßnahme, die dem Anspruch als Einwendung entgegengehalten wird, hier der Greek Bondholder Act, auf den sich die Hellenische Republik beruft, um den Erfüllungsanspruch aus der ursprünglich begebenen Anleihe nicht erfüllen zu müssen.
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- III. Schließlich scheitert der Klageanspruch nicht an einer fehlenden Erfolgsaussicht der beabsichtigten Klage.
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- 1. Nach § 18 (1) b) der ARB ist ein derartiger Einwand dem Versicherungsnehmer unverzüglich schriftlich mitzuteilen. Das ist hier nicht geschehen; die Beklagte hat ihre Leistungsablehnung in ihren Schreiben vom 13. Januar 2014 und vom 28. Januar 2014 ausschließlich darauf gestützt, dass es sich um eine Enteignungsangelegenheit im Sinne der Ausschlussklausel handele. Wird der Einwand fehlender Erfolgsaussicht nicht in der gebotenen Form und Frist erhoben, so hat dies den Verlust dieses Ablehnungsrechts zur Folge (Senatsurteil vom 19. März 2003 - IV ZR 139/01, VersR 2003, 638 unter 2 a aa, juris Rn. 13).
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- 2. Das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 8. März 2016 (VI ZR 516/14), mit dem eine Schadensersatzklage gegen die Hellenische Republik für unzulässig erachtet wurde, ändert daran für den Streitfall nichts.
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- a) Insoweit kann es dahinstehen, ob hierin eine auch den Streitfall erfassende Umgestaltung der Rechtslage erblickt werden kann - was zweifelhaft sein könnte, weil dort nicht über vertragliche Ansprüche entschieden wurde - und ob eine eventuelle Umgestaltung durch eine höchstrichterliche Entscheidung auch die nachträgliche Erhebung des Einwands rechtfertigen kann (vgl. dazu LG Bonn r+s 2015, 232, 233 juris Rn. 46). Ebenso kann offen bleiben, ob ein hierauf gestützter Einwand gegebenenfalls auch noch im Revisionsverfahren vorgebracht werden kann (vgl. zu einer ähnlichen Problematik Senatsurteil vom 20. Februar 2013 - IV ZR 17/12, juris Rn. 26).
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- b) Denn selbst wenn man beides zugunsten der Beklagten unterstellt , so hätte sie jedenfalls nach Bekanntwerden des Urteils des Bundesgerichtshofs vom 8. März 2016 den Einwand nunmehr unverzüglich in der gebotenen Form erheben müssen.
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- Insoweit fehlt es zum einen an der erforderlichen Form, weil der Einwand dem Kläger entgegen § 18 (1) b) der ARB nicht schriftlich und mit dem nach § 128 Satz 2 VVG sowie auch § 18 (2) der ARB zwingend vorgeschriebenen Hinweis auf ein Gutachterverfahren mitgeteilt wurde, weshalb das Rechtsschutzbedürfnis des Versicherungsnehmers nach § 128 Satz 3 VVG weiterhin als anerkannt gilt.
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- Letztlich kommt es aber auch hierauf nicht an, weshalb sich ein Hinweis des Senats nach § 139 ZPO auf die fehlende Form erübrigte, weil der Einwand - worauf der Senat in der Revisionsverhandlung hingewiesen hat - zum anderen nicht mehr unverzüglich erfolgte. Unverzüglich bedeutet, dass die Ablehnung innerhalb des Zeitraums erfolgen muss und auch nur erfolgen kann, den der Versicherer bei sachgerechter, nicht schuldhaft verzögerter Prüfung für seine Entschließung benötigt (Senatsurteil vom 19. März 2003 - IV ZR 139/01, VersR 2003, 638 unter 2 a aa, juris Rn. 13). Insoweit wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung und im Schrifttum regelmäßig eine Frist von zwei bis drei Wochen angenommen (OLG Frankfurt NJW-RR 1997, 1386, 1387; OLG Köln r+s 1991, 419, 420; 1988, 334, 335; Harbauer/Bauer, ARB 8. Aufl. Vor § 18 ARB 2000 Rn. 8). Diese Frist ist auch im vorliegenden Zusammenhang jedenfalls nicht länger zu bemessen, da es nicht um die vollständige erstmalige Prüfung der Erfolgsaussichten nach Geltendmachung des Versicherungsfalles ging, sondern allenfalls um die isolierte Prüfung der einzelnen Frage, ob durch ein höchstrichterliches Urteil eine maßgebliche Umgestaltung der Rechtslage herbeigeführt wurde.
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- Zu dem in Rede stehenden Urteil des Bundesgerichtshofs vom 8. März 2016 ist noch am selben Tage eine Pressemitteilung veröffentlicht worden. Seit dem 13. April 2016 war es in vollem Wortlaut bei juris abrufbar. Am 22. bzw. 23. April 2016 ist es in einschlägigen juristischen Fachzeitschriften veröffentlicht worden (ZIP 2016, 789; WM 2016, 734).
Spätestens zu diesem Zeitpunkt wäre eine Prüfung durch die Beklagte veranlasst gewesen. Danach war der Einwand fehlender Erfolgsaussicht unter Berufung auf dieses Urteil in der Revisionsverhandlung vom 22. Juni 2016 verspätet.
Mayen Felsch Lehmann
Dr. Brockmöller Dr. Bußmann
Vorinstanzen:
LG München II, Entscheidung vom 03.07.2014- 10 O 1009/14 Ver -
OLG München, Entscheidung vom 17.04.2015 - 25 U 2925/14 -
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Annotations
Für den Fall, dass der Versicherer seine Leistungspflicht verneint, weil die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete oder mutwillig sei, hat der Versicherungsvertrag ein Gutachterverfahren oder ein anderes Verfahren mit vergleichbaren Garantien für die Unparteilichkeit vorzusehen, in dem Meinungsverschiedenheiten zwischen den Vertragsparteien über die Erfolgsaussichten oder die Mutwilligkeit einer Rechtsverfolgung entschieden werden. Der Versicherer hat den Versicherungsnehmer bei Verneinung seiner Leistungspflicht hierauf hinzuweisen. Sieht der Versicherungsvertrag kein derartiges Verfahren vor oder unterlässt der Versicherer den Hinweis, gilt das Rechtsschutzbedürfnis des Versicherungsnehmers im Einzelfall als anerkannt.
(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen. Das Gericht kann durch Maßnahmen der Prozessleitung das Verfahren strukturieren und den Streitstoff abschichten.
(2) Auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, darf das Gericht, soweit nicht nur eine Nebenforderung betroffen ist, seine Entscheidung nur stützen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Dasselbe gilt für einen Gesichtspunkt, den das Gericht anders beurteilt als beide Parteien.
(3) Das Gericht hat auf die Bedenken aufmerksam zu machen, die hinsichtlich der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen.
(4) Hinweise nach dieser Vorschrift sind so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen. Ihre Erteilung kann nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Gegen den Inhalt der Akten ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.
(5) Ist einer Partei eine sofortige Erklärung zu einem gerichtlichen Hinweis nicht möglich, so soll auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann.