Bundesgerichtshof Urteil, 16. Sept. 2015 - IV ZR 105/14

published on 16/09/2015 00:00
Bundesgerichtshof Urteil, 16. Sept. 2015 - IV ZR 105/14
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Amtsgericht Passau, 17 C 2013/12, 12/07/2013
Landgericht Passau, 1 S 58/13, 27/02/2014

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR105/14 Verkündet am:
16. September 2015
Heinekamp
Amtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende
Richterin Mayen, die Richterin Harsdorf-Gebhardt, die Richter
Dr. Karczewski, Lehmann und die Richterin Dr. Brockmöller im schriftlichen
Verfahren, bei dem Schriftsätze bis zum 5. August 2015 eingereicht
werden konnten,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerseite wird das Urteil des Landgerichts Passau - 1. Zivilkammer - vom 27. Februar 2014 aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 2.304,85 € festgesetzt.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerseite (Versicherungsnehmer: im Folgenden d. VN) begehrt von dem beklagten Versicherer (im Folgenden Versicherer) Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer fondsgebundenen Lebensversicherung.
2
Diese wurde aufgrund eines Antrags d. VN mit Versicherungsbeginn zum 1. April 2002 abgeschlossen. Mit Schreiben vom 25. Februar 2009 erklärte d. VN den Widerspruch nach § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F., hilfsweise die Kündigung. Der Versicherer akzeptierte die Kündigung und zahlte den Rückkaufswert aus.
3
Mit der Klage verlangt d. VN Rückzahlung aller auf den Vertrag geleisteten Beiträge nebst Zinsen abzüglich des bereits gezahlten Rückkaufswerts , insgesamt 2.304,85 €.
4
D. VN trägt vor, der Versicherungsvertrag sei nach dem so genannten Policenmodell des § 5a VVG in der seinerzeit gültigen Fassung (im Folgenden § 5a VVG a.F.) abgeschlossen worden und nicht wirksam zustande gekommen. Der Versicherungsschein enthalte keine Widerspruchsbelehrung. Auch nach Ablauf der Frist des - gegen Gemeinschaftsrecht verstoßenden - § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. habe der Widerspruch noch erklärt werden können.
5
Nach Auffassung des Versicherers ist der Vertrag im Antragsmodell geschlossen worden.
6
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landgericht die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt d. VN das Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:


7
Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
8
I. Dieses hat unter Bezugnahme auf das erstinstanzliche Urteil offengelassen , ob der Vertrag im Antragsmodell oder nach dem Policenmodell geschlossen wurde, und einen Prämienrückerstattungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung verneint. Die vorgelegten Schriftstücke enthielten keine ausreichende Widerrufsbelehrung. Der Widerspruch sei verfristet, weil die Ausschlussfrist des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. abgelaufen gewesen sei. Diese Vorschrift sei mit den maßgeblichen europäischen Richtlinien vereinbar.
9
II. Die Revision ist begründet.
10
1. Ein - mit der Revision allein weiter verfolgter - Anspruch auf Prämienrückzahlung aus ungerechtfertigter Bereicherung kann mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung nicht verneint werden.
11
Da das Berufungsgericht keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob der Vertrag im Policenmodell oder im Antragsmodell geschlossen wurde, ist auch offen, ob d. VN eine Rücktrittsbelehrung nach § 8 Abs. 5 Satz 3 VVG a.F. oder eine Widerspruchsbelehrung gemäß § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. zu erteilen war und ob im Falle einer fehlerhaften Belehrung als Anspruchsgrundlage für einen etwaigen Rückzahlungsanspruch § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB oder § 346 Abs. 1 BGB in Betracht kommt.

12
2. Die fehlenden Feststellungen wird das Berufungsgericht nachzuholen haben und dabei - je nachdem zu welchem Ergebnis es gelangt - die Vorgaben der Senatsurteile vom 7. Mai 2014 (IV ZR 76/11, BGHZ 201, 101), vom 16. Juli 2014 (IV ZR 73/13, BGHZ 202, 102) und vom 17. Dezember 2014 (IV ZR 260/11, VersR 2015, 224) zu beachten haben.
Mayen Harsdorf-Gebhardt Dr. Karczewski
Lehmann Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
AG Passau, Entscheidung vom 12.07.2013- 17 C 2013/12 -
LG Passau, Entscheidung vom 27.02.2014- 1 S 58/13 -
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Versicherungsvertragsgesetz - VVG

(1) Hat sich eine Vertragspartei vertraglich den Rücktritt vorbehalten oder steht ihr ein gesetzliches Rücktrittsrecht zu, so sind im Falle des Rücktritts die empfangenen Leistungen zurückzugewähren und die gezogenen Nutzungen herauszugeben. (2)

(1) Der Versicherungsnehmer kann seine Vertragserklärung innerhalb von 14 Tagen widerrufen. Der Widerruf ist in Textform gegenüber dem Versicherer zu erklären und muss keine Begründung enthalten; zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung.
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Versicherungsvertragsgesetz - VVG

(1) Hat sich eine Vertragspartei vertraglich den Rücktritt vorbehalten oder steht ihr ein gesetzliches Rücktrittsrecht zu, so sind im Falle des Rücktritts die empfangenen Leistungen zurückzugewähren und die gezogenen Nutzungen herauszugeben. (2)

(1) Der Versicherungsnehmer kann seine Vertragserklärung innerhalb von 14 Tagen widerrufen. Der Widerruf ist in Textform gegenüber dem Versicherer zu erklären und muss keine Begründung enthalten; zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung.
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(1) Hat sich eine Vertragspartei vertraglich den Rücktritt vorbehalten oder steht ihr ein gesetzliches Rücktrittsrecht zu, so sind im Falle des Rücktritts die empfangenen Leistungen zurückzugewähren und die gezogenen Nutzungen herauszugeben.

(2) Statt der Rückgewähr oder Herausgabe hat der Schuldner Wertersatz zu leisten, soweit

1.
die Rückgewähr oder die Herausgabe nach der Natur des Erlangten ausgeschlossen ist,
2.
er den empfangenen Gegenstand verbraucht, veräußert, belastet, verarbeitet oder umgestaltet hat,
3.
der empfangene Gegenstand sich verschlechtert hat oder untergegangen ist; jedoch bleibt die durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme entstandene Verschlechterung außer Betracht.
Ist im Vertrag eine Gegenleistung bestimmt, ist sie bei der Berechnung des Wertersatzes zugrunde zu legen; ist Wertersatz für den Gebrauchsvorteil eines Darlehens zu leisten, kann nachgewiesen werden, dass der Wert des Gebrauchsvorteils niedriger war.

(3) Die Pflicht zum Wertersatz entfällt,

1.
wenn sich der zum Rücktritt berechtigende Mangel erst während der Verarbeitung oder Umgestaltung des Gegenstandes gezeigt hat,
2.
soweit der Gläubiger die Verschlechterung oder den Untergang zu vertreten hat oder der Schaden bei ihm gleichfalls eingetreten wäre,
3.
wenn im Falle eines gesetzlichen Rücktrittsrechts die Verschlechterung oder der Untergang beim Berechtigten eingetreten ist, obwohl dieser diejenige Sorgfalt beobachtet hat, die er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt.
Eine verbleibende Bereicherung ist herauszugeben.

(4) Der Gläubiger kann wegen Verletzung einer Pflicht aus Absatz 1 nach Maßgabe der §§ 280 bis 283 Schadensersatz verlangen.