Bundesgerichtshof Urteil, 27. Sept. 2004 - II ZR 378/02
published on 27/09/2004 00:00
Bundesgerichtshof Urteil, 27. Sept. 2004 - II ZR 378/02
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Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 378/02 Verkündet am:
27. September 2004
Boppel
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche
Verhandlung vom 27. September 2004 durch die Richter Prof. Dr. Goette,
Dr. Kurzwelly, Kraemer, Münke und Dr. Strohn
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 22. März 2002 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin, die zeitweise als A. AG firmierte, streitet mit der Beklagten um die wechselseitigen Ansprüche aus zwei Darlehen, mit denen diese ihren Beitritt zur G.-GbR, S. Straße 3 und 5, D., Fonds Nr. 11 [im folgenden: Fonds (-gesellschaft)] finanzierte.
Die Beklagte unterzeichnete Ende 1992 eine "Beitrittserklärung" zu dem Fonds. Darin verpflichtete sie sich zum Beitritt und bot einem Rechtsanwalt M. F. den Abschluß eines auf die Verwendung der einzuzahlenden Gelder bezogenen Treuhandvertrages nebst gesonderter Vollmacht an.
Die Fondsgesellschaft war von der Do. GmbH und deren Geschäftsführer W. Gr. gegründet worden. Gesellschaftszweck war der Erwerb, die Bebauung, wirtschaftliche Ausnutzung und Verwaltung des Grundstücks S. Straße 3 und 5 in D.. Die Einlage der Beklagten sollte 50.000,00 DM betragen und in vollem Umfang durch zwei von der Klägerin zu gewährende Kredite finanziert werden. Dementsprechend unterzeichnete die Beklagte am 30. November 1992 zwei Darlehensanträge, einer betraf einen Festkredit, der durch eine Lebensversicherung getilgt werden sollte, der andere betraf einen Tilgungskredit. In beiden Fällen sollte die Darlehensvaluta an den Treuhänder ausgezahlt werden.
Die Klägerin zahlte die Darlehensvaluten in Höhe der Einlage und eines Agios auf ein Konto des Treuhänders. In der Folgezeit konnten die in dem Fondsprospekt veranschlagten und von der Do. GmbH für die Dauer von fünf Jahren garantierten Mieten nicht erwirtschaftet werden. Die Do. GmbH stellte im Juni 1996 ihre Zahlungen ein. Ein Konkursantrag wurde mangels Masse abgelehnt. Der Initiator des Fonds, W. Gr., wurde 1999 wegen Kapitalanlagebetrugs in vier Fällen, u.a. hinsichtlich des Fonds 11, rechtskräftig verurteilt. Er hatte sich oder der Do. GmbH ohne Wissen der Anleger von der Grundstücksverkäuferin und Bauträgerin, der Dom. GmbH, einen Teil der in dem Fondsprospekt für den Erwerb und die Bebauung des Grundstücks veranschlagten 10,5 Mio. DM, nämlich etwa 4,4 Mio. DM, zurückzahlen lassen. Auf diese Weise war von dem insgesamt aufgebrachten Kapital des Fonds in Höhe von 14,07 Mio. DM weniger als die Hälfte in das Bauvorhaben geflossen.
Nachdem diese Vorgänge bekannt geworden waren, erklärte die Beklagte mit Anwaltsschreiben vom 30. Oktober 1996 gegenüber der Klägerin die An-
fechtung des Festkreditvertrages wegen arglistiger Täuschung. Am 4. Oktober 2000 kündigte sie ihre Mitgliedschaft in der Fondsgesellschaft. Unter dem 6. Dezember 2001 erklärte sie den Widerruf ihrer auf den Abschluß der beiden Darlehensverträge gerichteten Willenserklärungen. Mit Schreiben vom 5. Januar 2002 widerrief sie ihre Beitrittserklärung zur Fondsgesellschaft.
Die Klägerin verlangt mit der Klage Rückzahlung der Darlehen jeweils einschließlich eines Disagios und einer Bearbeitungsgebühr, zusammen 56.524,98 DM. Die Beklagte hat widerklagend Rückgewähr der an die Klägerin gezahlten Zinsen von 2.367,21 DM und Rückabtretung ihrer zur Sicherheit an die Klägerin abgetretenen Lebensversicherung verlangt.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage hinsichtlich der Rückabtretung der Lebensversicherung stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin und die auf Rückzahlung geleisteter Zinsen gerichtete unselbständige Anschlußberufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision will die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zur Darlehensrückzahlung und die Abweisung der Widerklage auch in Bezug auf die Lebensversicherung erreichen.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist nicht begründet. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin gegen die landgerichtliche Entscheidung im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen.
I. Das Zahlungsverlangen der Klägerin muß schon deshalb erfolglos bleiben , der Widerklageantrag der Beklagten auf Rückabtretung ihrer Lebensversi-
cherung dagegen Erfolg haben, weil die Beklagte die Darlehensverträge der Parteien nach dem Haustürwiderrufsgesetz (in seiner bis zum 30. September 2000 geltenden Fassung) wirksam widerrufen hat.
1. Das Berufungsgericht hat offen gelassen, ob die Beklagte nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 HaustürWG ein Recht zum Widerruf ihrer auf den Abschluß der Kreditverträge gerichteten Willenserklärungen hatte. Die von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts ergeben jedoch, daß die Beklagte die Darlehensverträge der Parteien wirksam widerrufen hat.
a) Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, sind die Vorschriften des Haustürwiderrufsgesetzes hier nicht durch die Vorrangregelung des § 5 Abs. 2 HaustürWG ausgeschlossen.
§ 5 Abs. 2 HaustürWG ist richtlinienkonform dahin auszulegen, daß die Vorschriften des Haustürwiderrufsgesetzes auch dann anzuwenden sind, wenn das Widerrufsrecht nach dem Verbraucherkreditgesetz ausgeschlossen oder erloschen ist (BGHZ 150, 248, 256; 152, 331, 334 f.; Sen.Urt. v. 14. Juni 2004 - II ZR 395/01, ZIP 2004, 1402, 1403). Letzteres ist hier der Fall. Die Widerrufsfrist des § 7 Abs. 2 Satz 3 VerbrKrG ist, wie das Berufungsgericht ebenfalls mit Recht festgestellt hat, infolge Fristablaufs erloschen, so daß die Vorschriften des Haustürwiderrufsgesetzes entgegen der Auffassung der Revision Anwendung finden.
b) Die Voraussetzungen des Widerrufs nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 HaustürWG liegen vor. Das Berufungsgericht hat festgestellt, daß die Beklagte durch einen von der Do. GmbH beauftragten Anlagevermittler auf dessen Initiative
in ihrer Wohnung zum Fondsbeitritt und dazu bestimmt worden ist, den Beitritt durch die Klägerin finanzieren zu lassen.
c) Die Haustürsituation ist der Klägerin zuzurechnen. Insoweit gelten die für die Zurechnung einer arglistigen Täuschung nach § 123 Abs. 2 BGB entwikkelten Grundsätze (BGH, Urt. v. 12. November 2002 - XI ZR 3/01, ZIP 2003, 22, 24 f.; v. 15. Juli 2003 - XI ZR 162/00, ZIP 2003, 1741, 1743; v. 20. Januar 2004 - XI ZR 460/02, DB 2004, 647, 648). Ist danach - wie hier - der Verhandlungsführer als Dritter anzusehen, so ist sein Handeln dem Erklärungsempfänger zuzurechnen, wenn dieser es kannte oder kennen mußte. Für eine fahrlässige Unkenntnis in diesem Sinne genügt, daß die Umstände des Falles den Erklärungsempfänger veranlassen mußten, sich zu erkundigen, auf welchen Umständen die ihm übermittelte Willenserklärung beruht (BGH, Urt. v. 9. April 1992 - IX ZR 145/91, ZIP 1992, 755, 756).
Auch wenn die Klägerin, was allerdings nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zur Vorgeschichte höchst unwahrscheinlich ist, nicht schon gewußt haben sollte, daß die Fondsbeteiligungen und die zugehörigen Finanzierungen in Haustürsituationen vertrieben wurden, war sie nach den vorstehend dargelegten Grundsätzen jedenfalls verpflichtet, sich bei der Fondsgesellschaft oder dem Vermittlungsunternehmen über die Umstände der Vertragsverhandlungen zu erkundigen, weil sie in das Vertriebssystem des Fonds eingebunden war. Sie hatte dem Vermittler ihre Vertragsformulare überlassen. Dessen Anschrift hat die Beklagte unwidersprochen mit L. angegeben, sie selbst dagegen wohnte seinerzeit wie auch heute in Sch.. Ausweislich des Inhalts der Darlehensanträge hat sie die Schriftstücke auch in Sch. unterschrieben. Damit war aus der Sicht der Klägerin von einer Haustürsituation auszugehen, mußte sich ihr dieser Eindruck jedenfalls aufdrängen.
d) Das Widerrufsrecht der Beklagten ist nicht durch Fristablauf erloschen. Die einwöchige Widerrufsfrist des § 1 Abs. 1 HaustürWG hat mangels ordnungsgemäßer Belehrung nach § 2 Abs. 1 Satz 2 und 3 HaustürWG nicht zu laufen begonnen.
Die Belehrung hinsichtlich der Darlehensverträge enthält den Hinweis, daß nach dem Empfang des Darlehens der Widerruf als nicht erfolgt gelte, wenn der Nettokreditbetrag nicht binnen zwei Wochen zurückgezahlt werde. Eine derartige - dem § 7 Abs. 3 VerbrKrG entsprechende - Widerrufsbelehrung genügt entgegen der Auffassung der Revision nicht den Anforderungen des § 2 HaustürWG, weil sie eine "andere" - zudem noch unrichtige - Erklärung enthält (vgl. Sen.Urt. v. 14. Juni 2004 - II ZR 395/01, ZIP 2004, 1402, 1404). Die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Satz 4 HaustürWG liegen ersichtlich nicht vor.
2. Als Rechtsfolge des Widerrufs sind die Vertragspartner gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 HaustürWG verpflichtet, dem jeweils anderen Teil die empfangenen Leistungen zurückzugewähren.
a) Danach braucht die Beklagte der Klägerin nicht die Darlehensvaluta zurückzuzahlen, sondern ihr lediglich ihren Fondsanteil abzutreten.
Der Senat hat in seinem Urteil vom 14. Juni 2004 (II ZR 395/01, ZIP 2004, 1402, 1404 f.) entschieden, daß die von dem Darlehensnehmer empfangene Leistung im Falle der Auszahlung des Darlehens an einen Dritten bei einem Verbundgeschäft i.S. von § 9 VerbrKrG der finanzierte Gesellschaftsanteil ist. Der Fondsbeitritt der Beklagten und die Darlehensverträge der Parteien bilden ein verbundenes Geschäft i.S. von § 9 Abs. 1, 4 VerbrKrG. Ein solches
liegt vor, wenn sich Fondsgesellschaft und Bank derselben Vertriebsorganisation bedienen (vgl. Sen.Urt. v. 21. Juli 2003 - II ZR 387/02, ZIP 2003, 1592, 1594; ebenso Entscheidungen vom 14. Juni 2004 in den Sachen - II ZR 393/02, ZIP 2004, 1394, 1396, 1398 und II ZR 395/01, ZIP 2004, 1402, 1405). Das war hier der Fall. Die Klägerin hat ihre Vertragsformulare dem von den Fondsinitiatoren eingeschalteten Vermittler überlassen.
Ihre Fondsbeteiligung hat die Beklagte der Klägerin bereits als Sicherheit abgetreten sowie mit Anwaltsschreiben vom 30. Oktober 1996 zur Verfügung gestellt.
b) Die Klägerin hat der Beklagten die ihr sicherungshalber abgetretene Lebensversicherung rückabzutreten, da der Sicherungszweck wegen Unwirksamkeit der Darlehensverträge entfallen ist.
II. Damit erweist sich die angefochtene Entscheidung wegen wirksamen Widerrufs der Darlehensverträge im Ergebnis als zutreffend. Die Revision
der Klägerin unterliegt der Zurückweisung, ohne daß es auf die von den Parteien diskutierten weiteren Rechtsfragen ankommt.
Goette Kurzwelly Kraemer
Münke Strohn
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(1) Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, kann die Erklärung anfechten.
(2) Hat ein Dritter die Täuschung verübt, so ist eine Erklärung, die einem anderen gegenüber
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(1) Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, kann die Erklärung anfechten.
(2) Hat ein Dritter die Täuschung verübt, so ist eine Erklärung, die einem anderen gegenüber
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published on 14/06/2004 00:00
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL II ZR 395/01 Verkündet am: 14. Juni 2004 Vondrasek Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR:
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published on 12/11/2002 00:00
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL XI ZR 3/01 Verkündet am: 12. November 2002 Herrwerth, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja.
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published on 23/11/2004 00:00
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 27.02.2004 (8 O 523/03) wird
zurückgewiesen.
2. Die Widerklage der Beklagte
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Annotations
(1) Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, kann die Erklärung anfechten.
(2) Hat ein Dritter die Täuschung verübt, so ist eine Erklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben war, nur dann anfechtbar, wenn dieser die Täuschung kannte oder kennen musste. Soweit ein anderer als derjenige, welchem gegenüber die Erklärung abzugeben war, aus der Erklärung unmittelbar ein Recht erworben hat, ist die Erklärung ihm gegenüber anfechtbar, wenn er die Täuschung kannte oder kennen musste.