Bundesgerichtshof Urteil, 25. Apr. 2002 - I ZR 250/00
Gericht
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts München I, 1. Kammer für Handelssachen, vom 19. Mai 1999 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die beklagten Stadtwerke wurden am 3. September 1998 aus einem Eigenbetrieb der Landeshauptstadt M. in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung umgewandelt, deren Alleingesellschafterin die Landeshauptstadt M. ist. Seitdem führt die Beklagte auch für private Auftraggeber Elektroarbeiten aus, darunter auch das Aufstellen und das Entfernen von Verteilerschränken und Anschluûsäulen für die "fliegenden Bauten" auf der Auer Dult und auf dem Oktoberfest.
Die Klägerin betreibt in M. das Elektrikerhandwerk. Sie hat seit Jahren im Bereich der Landeshauptstadt M. für Marktkaufleute auf den Messen, Märkten und Festveranstaltungen Elektroarbeiten ausgeführt. Nach ihrer Umwandlung in eine GmbH erreichte die Beklagte binnen kurzer Zeit, daû eine Vielzahl von Kunden der Klägerin zu ihr überwechselten.
Die Klägerin ist der Ansicht, daû die Beklagte durch die Übernahme von Aufträgen privater Unternehmen für Elektroarbeiten gegen die Vorschriften der Bayer. Gemeindeordnung verstoûe, die zur Beschränkung der erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit der Gemeinden erlassen worden seien, und damit zugleich wettbewerbswidrig handele. Die Beklagte habe ihr nur deshalb so viele Kunden abwerben können, weil diese auf das Wohlwollen der Stadt angewiesen seien. Die Beklagte könne die Preise ihrer Wettbewerber nur unterbieten, weil sie nach wie vor die Unterlagen für die Ausschreibungen erstelle, auch wenn diese nunmehr vom Hochbaureferat der Landeshauptstadt M. durchgeführt würden.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen, elektrische Anlagen zur Erzeugung, Fortleitung, Umwandlung und Abgabe der elektrischen Energie privaten oder gewerblichen Auftraggebern anzubieten und/oder in deren Auftrag herzustellen, insbesondere Stromanschlüsse und sonstige Einrichtungen auf Messen , Dulten und gleichartigen Veranstaltungen mit fliegenden Bauten für private oder gewerbliche Auftraggeber zu installieren sowie Arbeiten zu deren Instandhaltung, Reparatur, Auswechslung oder Neuerrichtung privaten oder gewerblichen Auftraggebern anzubieten und/oder in deren Auftrag auszuführen sowie für derartige handwerkliche Dienstleistungen zu werben. Die Beklagte hat einen Verstoû gegen die Vorschriften der Bayer. Gemeindeordnung ebenso in Abrede gestellt wie einen Miûbrauch amtlicher Autorität oder eine wettbewerbswidrige Ausnutzung amtlicher Beziehungen.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben (LG München I GewArch 1999, 413).
Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben (OLG München GewArch 2000, 279 = OLGR München 2000, 221).
Mit ihrer Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
I. Das Berufungsgericht hat angenommen, daû der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nach § 1 UWG begründet sei. Die Beklagte handele wettbewerbswidrig, wenn sie die Grenzen, die Art. 87 Abs. 1 BayGO der erwerbswirtschaftlichen Betätigung der Gemeinden ziehe, überschreite und für private Auftraggeber die in dem Antrag genannten Elektroarbeiten ausführe. Auch nach ihrer Privatisierung unterliege die Beklagte als gemeindliches Unternehmen im Alleinbesitz der Landeshauptstadt M. den Schranken des Art. 87 BayGO.
Die beanstandeten Elektroarbeiten dienten nicht der Daseinsvorsorge zur Versorgung der Bevölkerung mit Strom, sondern seien Handwerksleistungen für private Auftraggeber, die ebenso gut und wirtschaftlich durch einen anderen erfüllt werden könnten.
Die Vorschrift des Art. 87 BayGO sei zwar kein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB. Bei einem planmäûigen, auf Dauer ausgerichteten Handeln, wie es hier gegeben sei, stehe dem Verletzten aber ein Unterlassungsanspruch aus § 1 UWG zu. Dies ergebe sich aus dem Zweck des Art. 87 BayGO, wie er aus der Gesetzesbegründung zu dieser Vorschrift hervorgehe.
Aus anderen Gründen sei der wettbewerbsrechtliche Unterlassungsanspruch dagegen nicht gegeben:
Ob die Beklagte bei ihrer Tätigkeit amtliche Informationen ausnutze, die sie dadurch erlangt habe, daû sie vor ihrer Umwandlung in eine GmbH die städtischen Ausschreibungen durchgeführt habe, könne ohne nähere Aufklärung nicht festgestellt werden. Diese Möglichkeit sei ohnehin allenfalls vorübergehend gegeben. Auch ein wettbewerbswidriger Miûbrauch amtlicher Autorität könne nicht allein damit begründet werden, daû jeder, der auf das Wohlwollen der Landeshauptstadt M. angewiesen oder um dieses bemüht sei, die Beklagte gegenüber anderen Handwerksbetrieben bevorzugen werde, weil sie im Alleinbesitz der Stadt sei. Andernfalls wäre jedes Gemeindeunternehmen in einer Rechtsform des Privatrechts von vornherein aus wettbewerbsrechtlichen Gründen am Tätigwerden gehindert.
II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Revisionsangriffe haben Erfolg.
1. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts handelt die Beklagte auch dann nicht sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG, wenn sie selbst oder die Landeshauptstadt M. bei der Übernahme von Aufträgen privater Unternehmen gegen die Schranken verstoûen sollten, die sich aus Art. 87 BayGO für die erwerbswirtschaftliche Tätigkeit von Gemeinden ergeben.
Ein Verstoû einer Gemeinde gegen die Vorschrift des Art. 87 BayGO ist nicht zugleich sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG. Daran ändert auch der Umstand nichts, daû eine Gemeinde nicht als Wettbewerberin auf dem Markt auftreten darf, soweit ihr eine erwerbswirtschaftliche Tätigkeit nach Art. 87 BayGO untersagt ist. Ein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte wegen einer Verletzung des Art. 87 BayGO scheidet daher auch dann
aus, wenn die beanstandete Tätigkeit der Beklagten mit dieser Vorschrift nicht vereinbar sein sollte, ohne daû es noch auf die Frage ankäme, ob die Beklagte als privatrechtliches Unternehmen im Alleinbesitz der Landeshauptstadt M. selbst den Beschränkungen des Art. 87 BayGO unterliegt oder ihre Störerhaftung in Betracht käme.
a) Zweck des § 1 UWG ist es, dem unmittelbar betroffenen Wettbewerber einen Anspruch zu geben, damit dieser selbst gegen unlautere Mittel und Methoden des Wettbewerbs vorgehen kann und damit zugleich in die Lage versetzt wird, sich gegen Schädigungen zur Wehr zu setzen, die er durch Wettbewerbsverzerrungen infolge unlauteren Wettbewerbs erleidet oder befürchten muû. Die Anspruchsnorm ist so die Grundlage für einen deliktsrechtlichen Individualschutz (BGHZ 144, 255, 264 - Abgasemissionen; BGH, Urt. v. 5.10.2000 - I ZR 224/98, GRUR 2001, 354, 356 = WRP 2001, 255 - Verbandsklage gegen Vielfachabmahner; Urt. v. 6.12.2001 - I ZR 284/00, GRUR 2002, 360, 362 = WRP 2002, 434 - "H.I.V. POSITIVE" II, zum Abdruck in BGHZ vorgesehen ). Im Hinblick auf die Zielsetzung des § 1 UWG, die Lauterkeit des Wettbewerbs im Interesse der Marktbeteiligten und der Allgemeinheit zu schützen , ist der darin enthaltene Begriff der Sittenwidrigkeit wettbewerbsbezogen auszulegen (vgl. BGHZ 144, 255, 265 - Abgasemissionen; 147, 296, 303 - Gewinn -Zertifikat; BGH GRUR 2002, 360, 362 - "H.I.V. POSITIVE" II, m.w.N.).
Gemäû seiner beschränkten Zielsetzung ist § 1 UWG auch dann, wenn ein beanstandetes Verhalten gegen ein Gesetz verstöût, nur anwendbar, wenn von diesem Gesetzesverstoû zugleich eine unlautere Störung des Wettbewerbs auf dem Markt ausgeht. Es genügt nicht, daû bei einer Wettbewerbshandlung ein Gesetzesverstoû lediglich mitverwirklicht wird. Der Gesetzesver-
stoû muû die Handlung vielmehr in der Weise prägen, daû diese gerade auch als Wettbewerbsverhalten sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG ist (vgl. BGH GRUR 2001, 354, 356 - Verbandsklage gegen Vielfachabmahner).
b) Für die wettbewerbsrechtliche Beurteilung von Verstöûen gegen Vorschriften , die den Zutritt zum Markt regeln, gilt nichts anderes. Ein Anspruch aus § 1 UWG ist nicht immer schon dann gegeben, wenn ein Wettbewerber Vorschriften verletzt, bei deren Einhaltung er aus dem Markt ausscheiden müûte. Als Grundlage deliktsrechtlicher Ansprüche von Wettbewerbern bezweckt § 1 UWG nur den Schutz vor unlauterem Wettbewerb. Es ist nicht Sinn des § 1 UWG, den Anspruchsberechtigten zu ermöglichen, Wettbewerber unter Berufung darauf, daû ein Gesetz ihren Marktzutritt verbiete, vom Markt fernzuhalten , wenn das betreffende Gesetz den Marktzutritt nur aus Gründen verhindern will, die den Schutz des lauteren Wettbewerbs nicht berühren. Unter dem Gesichtspunkt des Wettbewerbsrechts, zu dessen Zielen der Schutz der Freiheit des Wettbewerbs gehört, ist vielmehr jede Belebung des Wettbewerbs, wie sie unter Umständen auch vom Marktzutritt der öffentlichen Hand ausgehen kann, grundsätzlich erwünscht (vgl. dazu auch BVerwG NJW 1995, 2938, 2939; Köhler, WRP 1999, 1205, 1209 und GRUR 2001, 777, 780). Auch bei einem Verstoû gegen Vorschriften über den Marktzutritt muû daher anhand einer - am Schutzzweck des § 1 UWG auszurichtenden - Würdigung des Gesamtcharakters des Verhaltens geprüft werden, ob es durch den Gesetzesverstoû das Gepräge eines wettbewerbsrechtlich unlauteren Verhaltens erhält. Der Gesetzesverstoû kann dazu allein nicht genügen, wenn die verletzte Norm nicht zumindest eine sekundäre wettbewerbsbezogene, d.h. - entsprechend dem Normzweck des § 1 UWG - eine auf die Lauterkeit des Wettbewerbs bezogene , Schutzfunktion hat (vgl. BGHZ 144, 255, 267 - Abgasemissionen). Ei-
ne solche Schutzfunktion besitzen z.B. Vorschriften, die als Voraussetzung für die Ausübung bestimmter Tätigkeiten - etwa ärztlicher Behandlungen - im Interesse des Schutzes der Allgemeinheit den Nachweis besonderer fachlicher Fähigkeiten fordern (vgl. dazu auch Köhler, GRUR 2001, 777, 781). Eine Schutzfunktion dieser Art fehlt jedoch Art. 87 BayGO.
c) Wie in der Gesetzesbegründung zu Art. 87 BayGO (Begründung zu § 1 Nr. 9 des Gesetzentwurfs zur Änderung des kommunalen Wirtschaftsrechts und anderer kommunalrechtlicher Vorschriften, LT-Drucks. 13/10828 S. 19), auf die sich das Berufungsgericht bei seiner Beurteilung des Normzwecks dieser Vorschrift gestützt hat, näher dargelegt ist, hat Art. 87 BayGO den Zweck, die Kommunen vor den Gefahren überdehnter unternehmerischer Tätigkeit zu schützen und zugleich einer "ungezügelten Erwerbstätigkeit der öffentlichen Hand zu Lasten der Privatwirtschaft" vorzubeugen (vgl. dazu auch BayVGH BayVBl. 1976, 628, 629; Widtmann/Grasser/Glaser, Bayer. Gemeindeordnung, Art. 87 Rdn. 3). Zweck der Schranken für die erwerbswirtschaftliche Tätigkeit der Gemeinden ist danach nicht die Kontrolle der Lauterkeit des Marktverhaltens , sondern die Einfluûnahme auf das unternehmerische Verhalten der Gemeinden und gegebenenfalls der Schutz der Privatwirtschaft vor einem Wettbewerb durch die öffentliche Hand.
Erwerbswirtschaftliche Tätigkeiten, die einer Gemeinde nach Art. 87 BayGO untersagt sein können, sind als solche nicht unlauter, und zwar auch dann nicht, wenn sie von einer Gemeinde ausgeübt werden. Derartige wirtschaftliche Tätigkeiten sind vielmehr innerhalb der Grenzen des Art. 87 BayGO grundsätzlich auch den Gemeinden erlaubt. Als Wettbewerbsverhalten ist die betreffende Tätigkeit dementsprechend auch bei Berücksichtigung des Zwecks
des Art. 87 BayGO nicht schon dann unlauter, wenn die Gemeinde dabei die ihrer erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit gezogenen Schranken nicht einhält (vgl. dazu auch Tomerius, LKV 2000, 41, 46 f.; a.A. Gröning, WRP 2002, 17, 26). Die Unlauterkeit einer erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit einer Gemeinde kann sich zwar gerade auch aus ihrer Eigenschaft als öffentlich-rechtlicher Gebietskörperschaft und der damit verbundenen besonderen Stellung gegenüber den anderen Marktteilnehmern, insbesondere den Verbrauchern, ergeben - etwa wenn öffentlich-rechtliche Aufgaben mit der erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit verquickt werden (vgl. BGH, Urt. v. 12.11.1998 - I ZR 173/96, GRUR 1999, 594, 597 = WRP 1999, 650 - Holsteiner Pferd), die amtliche Autorität oder das Vertrauen in die Objektivität und Neutralität der Amtsführung miûbraucht wird (vgl. BGH, Urt. v. 18.10.2001 - I ZR 193/99, Umdruck S. 8 - Elternbriefe) oder der Bestand des Wettbewerbs auf dem einschlägigen Markt gefährdet wird (vgl. BGHZ 82, 375, 395 ff. - Brillen-Selbstabgabestellen; 123, 157, 160 ff. - Abrechnungs-Software für Zahnärzte; BGH, Urt. v. 19.6.1986 - I ZR 54/84, GRUR 1987, 116, 118 f. = WRP 1987, 22 - Kommunaler Bestattungswirtschaftsbetrieb I; Urt. v. 12.7.1990 - I ZR 62/89, GRUR 1991, 53, 55 f. = WRP 1991, 102 - Kreishandwerkerschaft I). Auf derartige Umstände stellt Art. 87 BayGO aber nicht ab.
d) An der Beurteilung, daû eine erwerbswirtschaftliche Tätigkeit einer Gemeinde nicht deshalb sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG ist, weil sie gegen Art. 87 BayGO verstöût, ändert auch der Umstand nichts, daû es - wie dargelegt - zu den Zwecken des Art. 87 BayGO gehört, die Privatwirtschaft vor dem Marktzutritt von Gemeinden zu schützen, wenn die in dieser Vorschrift genannten Voraussetzungen nicht vorliegen. In diesem Zusammenhang ist es auch unerheblich, ob Art. 87 BayGO ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs.
2 BGB ist (vgl. dazu unter II. 2.). Soweit es zu den Zielen des Art. 87 BayGO gehört, die Privatwirtschaft vor einem Wettbewerb durch Gemeinden zu schützen , geht es nicht um die Lauterkeit des Wettbewerbs, sondern allenfalls um die Erhaltung einer Marktstruktur, die von privaten Unternehmen geprägt ist. Es ist jedoch nicht Sinn des § 1 UWG, Wettbewerbern kommunaler Unternehmen, Ansprüche zur Verwirklichung dieses Schutzzwecks des Art. 87 BayGO zu gewähren , die nach öffentlichem Recht etwa gegebene Ansprüche (vgl. dazu BVerwG NJW 1995, 2938, 2939; Tettinger, NJW 1998, 3473, 3474; Frenz, DÖV 2000, 802, 808) ergänzen könnten oder nach öffentlichem Recht bestehende Schutzlücken ausfüllen (vgl. dazu auch Henneke, NdsVBl. 1999, 1, 6 ff.; Pagenkopf, GewArch 2000, 177, 184 f.; Köhler, GRUR 2001, 777, 781; a.A. Cosson, DVBl. 1999, 891, 896; Otting, DÖV 1999, 549, 552 ff.; David, NVwZ 2000, 738 ff.). Die Vorschrift des § 1 UWG bezweckt nicht den Erhalt bestimmter Marktstrukturen. Auch in den Fällen, in denen aus ihr Ansprüche zum Schutz des Bestandes des Wettbewerbs auf einem bestimmten Markt hergeleitet werden können (vgl. BGHZ 82, 375, 395 ff. - Brillen-Selbstabgabestellen; 123, 157, 160 f. - Abrechnungs-Software für Zahnärzte), geht es nicht darum, bestimmte Marktstrukturen zu erhalten, sondern darum, wettbewerbliche Verhaltensweisen zu unterbinden, die nach den Gesamtumständen unter Berücksichtigung ihrer Auswirkungen auf die Marktstruktur gerade auch als Wettbewerbsmaûnahmen unlauter sind.
e) Ohne Bedeutung für die Beurteilung der Frage, ob ein Verstoû einer Gemeinde gegen Art. 87 BayGO ihre erwerbswirtschaftliche Tätigkeit im Sinne des § 1 UWG sittenwidrig macht, ist es auch, ob dieser Verstoû vorsätzlich oder planmäûig begangen wird und ob das Vorgehen der Gemeinde bereits durch ihre Aufsichtsbehörden beanstandet worden ist. Da der Gesetzesverstoû
die wettbewerbsrechtliche Lauterkeit der erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit als solche nicht berührt, kann es für die wettbewerbsrechtliche Beurteilung auch nicht darauf ankommen, ob der Verstoû bewuût und gegebenenfalls hartnäckig begangen wird. Soweit der Entscheidung des Senats "Blockeis II" (Urt. v. 12.2.1965 - Ib ZR 42/63, GRUR 1965, 373, 374 = WRP 1965, 139; vgl. dazu auch - für diese Entscheidung allerdings nicht tragend - BGH, Urt. v. 26.4.1974 - I ZR 8/73, GRUR 1974, 733, 734 = WRP 1974, 397 - Schilderverkauf) etwas anderes entnommen werden kann, wird daran nicht festgehalten.
f) Das Ergebnis, daû ein Verstoû gegen Art. 87 BayGO für sich genommen keinen Anspruch aus § 1 UWG begründet, trägt dem Umstand Rechnung, daû dem Recht gegen unlauteren Wettbewerb bei der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung des Marktzutritts der öffentlichen Hand nur eine auf die Schutzfunktion seiner Anspruchsnormen begrenzte Kontrollfunktion zukommt. Bereits in seiner Entscheidung "Schilderverkauf" (BGH GRUR 1974, 733, 734; vgl. weiter BGH, Urt. v. 19.1.1995 - I ZR 41/93, GRUR 1996, 213, 216 = WRP 1995, 475 - Sterbegeldversicherung, m.w.N.) hat der Senat - zu niedersächsischen Vorschriften zur Beschränkung der erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit kommunaler Gebietskörperschaften - dargelegt, daû sich die wettbewerbsrechtliche Beurteilung nur auf die Art und Weise der Beteiligung der öffentlichen Hand am Wettbewerb beziehen kann. Davon ist - wie in der Entscheidung weiter ausgeführt ist - die allgemeinpolitische und wirtschaftspolitische Frage zu unterscheiden, ob sich die öffentliche Hand überhaupt erwerbswirtschaftlich betätigen darf und welche Grenzen ihr insoweit gesetzt sind oder gesetzt werden sollen. Die Lösung dieser Frage ist Aufgabe der Gesetzgebung und Verwaltung sowie der parlamentarischen Kontrolle und für die Gemeinden und Landkreise gegebenenfalls der Kommunalaufsicht, nicht aber der ordentlichen
Gerichte bei der ihnen zustehenden Beurteilung von Wettbewerbshandlungen nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb. Dies gilt auch dann, wenn besondere Vorschriften zur Einschränkung der erwerbswirtschaftlichen Betätigung der öffentlichen Hand erlassen worden sind. Denn auch diese regeln nur den Zugang zum Wettbewerb und sagen nichts darüber aus, wie er auszuüben ist (vgl. dazu weiter BGH, GRUR 1987, 116, 118 - Kommunaler Bestattungswirtschaftsbetrieb I; BGH, GRUR 1991, 53, 56 - Kreishandwerkerschaft I; BGH, Urt. v. 1.12.1994 - I ZR 128/92, GRUR 1995, 127, 128 = WRP 1995, 304 - Schornsteinaufsätze; BGH GRUR 1996, 213, 216 - Sterbegeldversicherung ; vgl. auch Piper, GRUR 1986, 574, 578; Pagenkopf, GewArch 2000, 177, 184 f.).
Aus der Entscheidung "Sterbegeldversicherung" (BGH GRUR 1996, 213, 216) ergibt sich nichts anderes. Diese betraf einen Fall, in dem der Marktzutritt einer öffentlich-rechtlichen Krankenkasse gegen ein Gesetz verstieû , das im Interesse der privaten Versicherungen ein ganz bestimmtes Handeln auf dem Markt (den Abschluû von Sterbegeldversicherungsverträgen) untersagte und ein Zuwiderhandeln nach seinem Normzweck zugleich als unlauteres Wettbewerbsverhalten kennzeichnete.
2. Der Klageantrag ist auch nicht als quasinegatorischer Unterlassungsanspruch wegen Verletzung eines Schutzgesetzes (§ 1004 BGB analog i.V. mit § 823 Abs. 2 BGB; vgl. BGH, Urt. v. 11.10.1996 - V ZR 3/96, NJW-RR 1997, 16, 17) begründet, da Art. 87 BayGO, gegen den die Beklagte nach Ansicht der Klägerin verstöût, kein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB ist (ebenso Bauer/Böhle/Masson/Samper, Bayer. Kommunalgesetze, 4. Aufl., Art. 87 GO Rdn. 7; Hölzl/Hien, Gemeindeordnung mit Verwaltungsgemeinschafts-
ordnung, Landkreisordnung und Bezirksordnung für den Freistaat Bayern, 1999, Art. 87 GO Anm. 4; Köhler, WRP 1999, 1205, 1208; vgl. auch Widtmann/Grasser/Glaser aaO Art. 87 GO Rdn. 3; Tomerius, LKV 2000, 41, 46 m.w.N.; vgl. weiter BGH, Urt. v. 26.5.1961 - I ZR 177/60, GRUR 1962, 159, 162 - Blockeis I).
Eine Vorschrift ist nicht schon dann ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, wenn sie nach ihrem Inhalt und Zweck die Belange eines anderen fördert. Erforderlich ist vielmehr, daû sie in der Weise einem gezielten Individualschutz gegen eine näher bestimmte Art der Schädigung dienen soll, daû an die Verletzung des geschützten Interesses die deliktische Einstandspflicht des Verletzers geknüpft wird (vgl. BGHZ 66, 388, 390; 84, 312, 314; 100, 13, 14; 122, 1, 3). Bei Art. 87 BayGO läût sich weder dem Wortlaut der Vorschrift noch der für sie im Gesetzgebungsverfahren gegebenen Begründung (vgl. dazu vorstehend unter II. 1. c)) ein Anhaltspunkt für einen solchen Schutzzweck entnehmen. Die Vorschrift beschränkt zwar die erwerbswirtschaftliche Tätigkeit der Gemeinden auch deshalb, weil sich diese zu Lasten der Privatwirtschaft auswirken kann. Sie hat aber nicht den Zweck, die einzelnen Unternehmen dadurch vor einem Wettbewerb durch gemeindliche Unternehmen zu schützen, daû ein Verstoû Individualansprüche auf Schadensersatz und Unterlassung begründen kann.
3. Der sehr weit gefaûte Klageantrag kann auch nicht darauf gestützt werden, daû die beanstandete Tätigkeit der Beklagten aus anderen Gründen wettbewerbsrechtlich unlauter sei.
Es ist weder mit konkretem Tatsachenvorbringen dargetan noch sonst ersichtlich, daû die angegriffene erwerbswirtschaftliche Tätigkeit der Beklagten stets oder auch nur im Regelfall mit einer miûbräuchlichen Ausnutzung ihrer Stellung als Unternehmen der Landeshauptstadt M. verbunden ist. Eine so weitgehende Annahme ist auch nicht insoweit gerechtfertigt, als es um Aufträge von Kunden geht, die an Messen, Dulten und ähnlichen Veranstaltungen teilnehmen wollen und dazu Genehmigungen der Stadt benötigen.
Das Berufungsgericht hat die Frage, ob die Beklagte bei ihrer Tätigkeit gegenwärtig amtlich erlangte Informationen ausnutze, offengelassen und dargelegt , daû dies jedenfalls zukünftig nicht der Fall sein werde. Die Revisionserwiderung hat demgegenüber nicht auf hinreichend substantiierten Sachvortrag in den Tatsacheninstanzen Bezug nehmen können.
Sollte die Beklagte im Einzelfall ihre Stellung als Unternehmen der Landeshauptstadt M. in wettbewerbswidriger Weise ausnutzen, könnte die Klägerin dagegen mit entsprechend konkret gefaûten wettbewerbsrechtlichen Ansprüchen vorgehen.
III. Auf die Revision der Beklagten war danach das Berufungsurteil aufzuheben. Auf ihre Berufung war das landgerichtliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Erdmann v. Ungern-Sternberg Pokrant
Büscher Schaffert
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Annotations
(1) Dieses Gesetz dient dem Schutz der Mitbewerber, der Verbraucher sowie der sonstigen Marktteilnehmer vor unlauteren geschäftlichen Handlungen. Es schützt zugleich das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb.
(2) Vorschriften zur Regelung besonderer Aspekte unlauterer geschäftlicher Handlungen gehen bei der Beurteilung, ob eine unlautere geschäftliche Handlung vorliegt, den Regelungen dieses Gesetzes vor.
(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.
(1) Dieses Gesetz dient dem Schutz der Mitbewerber, der Verbraucher sowie der sonstigen Marktteilnehmer vor unlauteren geschäftlichen Handlungen. Es schützt zugleich das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb.
(2) Vorschriften zur Regelung besonderer Aspekte unlauterer geschäftlicher Handlungen gehen bei der Beurteilung, ob eine unlautere geschäftliche Handlung vorliegt, den Regelungen dieses Gesetzes vor.
(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.
(1) Dieses Gesetz dient dem Schutz der Mitbewerber, der Verbraucher sowie der sonstigen Marktteilnehmer vor unlauteren geschäftlichen Handlungen. Es schützt zugleich das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb.
(2) Vorschriften zur Regelung besonderer Aspekte unlauterer geschäftlicher Handlungen gehen bei der Beurteilung, ob eine unlautere geschäftliche Handlung vorliegt, den Regelungen dieses Gesetzes vor.
(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.
(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.
(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.