Bundesgerichtshof Urteil, 25. Jan. 2011 - 5 StR 418/10
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendschutzkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
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- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes (Einzelfreiheitsstrafe sechs Monate), wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer Jugendlichen (Einzelfreiheitsstrafe vier Jahre), wegen sexueller Nötigung in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer Jugendlichen (Einzelfreiheitsstrafe drei Jahre), wegen weiterer vier Fälle des sexuellen Missbrauchs einer Jugendlichen (Einzelfreiheitsstrafen zweimal sechs Monate und zweimal ein Jahr) sowie wegen Zugänglichmachens pornographischer Schriften (Einzelfreiheitsstrafe vier Monate) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die dagegen gerichtete Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg. Auf die erhobenen Verfahrensrügen kommt es nicht an.
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- 1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
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- a) Der niemals strafrechtlich in Erscheinung getretene Angeklagte hatte den Beruf des Krankenpflegers erlernt und viele Jahre ausgeübt. Er war zu den Tatzeiten 64 bis 67 Jahre alt, über 40 Jahre verheiratet und Vater von fünf erwachsenen Söhnen. In der DDR war er zuletzt erfolgreicher Altstoffhändler. Er ließ sich wegen wachsender gesundheitlicher Probleme verrenten. Im Jahr 1994 wurde ihm als Folge schwerer Durchblutungsstörungen ein Bein oberhalb des Knies amputiert. Es besteht eine erektile Dysfunktion, die es dem Angeklagten schon im Tatzeitraum unmöglich machte, vaginalen Geschlechtsverkehr auszuüben, seine Fähigkeit zur Vornahme der abgeurteilten Handlungen jedoch nicht ausschloss.
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- b) Die am 18. Juli 1991 geborene J. W. , die Nebenklägerin, ist die Enkelin des Angeklagten. Sie wuchs in einem Zustand recht weitgehender persönlicher Vernachlässigung durch ihre Eltern auf. Bei dem Angeklagten fand sie mit ihrem Anlehnungsbedürfnis ein hohes Maß an Gegenliebe. Er wählte sie unter seinen Enkelkindern zu seinem erklärten Liebling. Mit dem Einsetzen der Pubertät seiner Enkelin begann der Angeklagte, auch ein körperlich-sexuelles Interesse an ihr zu entwickeln.
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- c) Als sich seine Ehefrau im Dezember 2003 länger in Kliniken aufhalten musste, ließ sich der Angeklagte zu dem ersten körperlichen Übergriff auf seine damals zwölf Jahre alte Enkelin hinreißen. Mit großer Regelmäßigkeit und Häufigkeit, in der Erinnerung der Nebenklägerin beinahe täglich, kam es anschließend bis März 2007 bei allmählich sich steigernder Intensität zu sexuellen Übergriffen, von denen acht angeklagt und sieben abgeurteilt worden sind:
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- Im Dezember 2003 schlug der Angeklagte den Büstenhalter der Enkelin nach oben. Er streichelte und knetete ihre Brüste.
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- Nach dem 14. Geburtstag der Nebenklägerin veranlasste der Angeklagte seine Enkelin in zwei Fällen zu Manipulationen an seinem Penis bis zum Samenerguss und drang einmal mehrere Minuten lang mit einem Finger in ihre Scheide ein. Außerdem steckte er ein weiteres Mal den Finger in die Scheide seiner Enkelin und ließ sich von ihr mit der Hand befriedigen.
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- Vermutlich im Sommer 2006 fuhr der Angeklagte mit der Nebenklägerin in den Wald. Dort veranlasste er sie, den Oralverkehr bei ihm durchzuführen , und umfasste dabei ihren Kopf so fest, dass sie den Samenerguss in den Mund dulden und sein Sperma schlucken musste.
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- Im gleichen Tatzeitraum entkleidete der Angeklagte seine Enkelin und leckte an ihrer Scheide. Dabei hielt er den Stuhl fest, auf dem sie saß. Deshalb misslang es ihr, den Kopf des Angeklagten wegzudrücken.
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- d) Nachdem die Nebenklägerin im Laufe der Zeit die Erkenntnis gewonnen hatte, dass ein Großvater derartiges mit seiner Enkelin nicht tun dürfe (UA S. 10), verweigerte sie sich im März 2007 dem Angeklagten, der sie immer unter dem Vorwand, sie möge ihm am Computer helfen, in seine Nähe gerufen hatte. Ihre Offenbarung des Geschehens führte bei ihren Eltern zu keinen Konsequenzen. Ende März 2007 verfasste sie einen Brief an einen ihr nahe stehenden Mitschüler, in dem sie schilderte, ihr Großvater habe sie angefasst und unsittlich berührt. Von diesem Brief nahm die Direktorin der Schule der Nebenklägerin Kenntnis; sie verständigte das Jugendamt. Auf dessen Initiative verließ die Mutter der Nebenklägerin mit ihren beiden Töchtern das Familienanwesen und zog in ein Frauenhaus, später in eine eigene Wohnung.
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- Anschließend fiel die Nebenklägerin in einem von ihr besuchten Jugendtreff durch stark sexualisiertes Verhalten auf. Sie nahm zwischen Ende Juli 2007 und April 2008 an 20 Gesprächen mit einem an einem Beratungszentrum tätigen Psychologen teil, dem sie im Schwerpunkt orale Missbräu- che schilderte, mit denen sie sehr intensive Gefühle wie Ekel, Angst und Wut verband. Der Psychologe nahm Selbstverletzungen („Ritzen“) der Nebenklägerin wahr, bewertete ihre ärztlich behandelten Unterleibsbeschwerden als psychosomatisch verursacht und diagnostizierte eine traumatische Belastungsstörung nach sexuellem Missbrauch.
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- Die Nebenklägerin hatte erst am 23. August 2007 die Kraft zur Anzeigeerstattung gegen ihren Großvater und zu einer Vernehmung – in Anwesenheit ihrer Mutter – aufgebracht; zuvor war sie davor zurückgescheut, weil sie sicher war, dass ihr niemand glauben würde.
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- e) Das Landgericht hat sich allein aufgrund der Aussage der Nebenklägerin von der Schuld des die Vorwürfe bestreitenden Angeklagten überzeugt. Deren Bekundungen hat es auch unter Würdigung der Aussage des als sachverständigen Zeugen vernommenen behandelnden Psychologen und eines in der Hauptverhandlung erstatteten Glaubhaftigkeitsgutachtens einer Diplompsychologin für uneingeschränkt glaubhaft befunden.
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- 2. Die vom Landgericht in seinen Wertungen maßgeblich berücksichtigten sachverständigen Darlegungen sind indes in mehrfacher Hinsicht für das Revisionsgericht nicht hinreichend nachvollziehbar (vgl. BGH, Urteil vom 30. Juli 1999 – 1 StR 618/98, BGHSt 45, 164, 178). So entfällt ein in der hier gegebenen Konstellation „Aussage gegen Aussage“ auf Grund erheblicher Inkonstanz im Aussageverhalten der einzigen Belastungszeugin regelmäßig gebotenes gewichtiges, die Glaubhaftigkeit der Aussage im Übrigen stützendes Indiz (vgl. Schmandt, StraFo 2010, 446, 447 mN). Dies begründet hier auch eingedenk des Beurteilungsspielraums des Tatgerichts bei der Bewertung der Glaubhaftigkeit einer Zeugenaussage die Revision (vgl. Brause, NStZ 2007, 505, 507).
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- a) In Frage steht in erster Linie die im Urteil akzeptierte gutachterliche Bewertung der Aussagen der Nebenklägerin zum Kerngeschehen des als Vergewaltigungstat mit der Einsatzfreiheitsstrafe von vier Jahren geahndeten Geschehens im Wald.
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- Hierzu hatte die Nebenklägerin in ihrer polizeilichen Vernehmung in Anwesenheit ihrer Mutter ausgeführt, der Angeklagte habe auf den Boden ejakuliert, so dass sie sein Sperma nicht habe schlucken müssen. In den Explorationsgesprächen und in der Hauptverhandlung hat die Nebenklägerin bekundet, nur bei dieser Gelegenheit habe der Angeklagte in ihren Mund ejakuliert. Im Widerspruch zu anderweit mehrfach – zentral gegenüber dem Psychologen – bekundetem vielfachen Oralverkehr hat die Nebenklägerin in der Hauptverhandlung beharrlich erklärt, der Übergriff im Wald sei zugleich auch der einzige Fall von Oralverkehr mit dem Angeklagten gewesen. Das Landgericht hat dies als durchaus auffälligen Bruch in der Aussagekonstanz bewertet, der indes nach den Erläuterungen der Sachverständigen plausibel erklärt werde. Dies trifft nicht zu.
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- aa) Es begegnet schon Bedenken, dass die Strafkammer der Erklärung der Sachverständigen gefolgt ist, die hochgradig gehemmte Nebenklägerin sei durch die Anwesenheit ihrer Mutter davon abgehalten worden, alle negativ gefühlsbesetzten Einzelheiten während ihrer polizeilichen Vernehmung zu offenbaren. Mangels Darlegung der Umstände und Einzelheiten der polizeilichen Vernehmung erscheint diese Wertung eher als Plausibilitätsvermutung ; sie steht in einem Spannungsverhältnis gegenüber Angaben zu dem – offensichtlich in ähnlichem Umfang negativ gefühlsbesetzten – Lecken des Angeklagten an der Scheide der Nebenklägerin und zu dem – wenn auch möglicherweise als geringfügig weniger belastend empfundenen – vielfachen Oralverkehr, was indes beides ersichtlich in Anwesenheit der Mutter bekundet worden ist.
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- Zudem bleibt unklar, ob der Umstand in die Sachverständigenbewertung einbezogen worden ist, dass nicht nur ein bloßes ursprüngliches Verschweigen einer Tatsache in Frage stand, sondern es auch galt, einen den Angeklagten stärker als bislang belastenden Aussagewechsel in der Hauptverhandlung hinsichtlich einer möglichen Belastungstendenz zu würdigen.
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- bb) Soweit das Landgericht der Sachverständigen auch darin gefolgt ist, dass früher von der Nebenklägerin bekundete Oralverkehrshandlungen als unbewusstes Vermeidungsverhalten in der Hauptverhandlung verdrängt und in Abrede gestellt worden seien, um nähere Nachfragen zu den Einzelheiten dieses Oralverkehrs zu ersparen, sind Widersprüche zu anderen Erwägungen unbeachtet geblieben. Es wird nicht abgehandelt, weshalb ein Verdrängen unter diesem Aspekt nicht gleichermaßen für die in der Hauptverhandlung mit einer noch stärkeren Belastung verbundene Schilderung eines Oralverkehrs mit einem Samenerguss in den Mund zu erwarten gewesen wäre.
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- Die Annahme eines Verdrängens der früher insbesondere gegenüber dem behandelnden Psychologen als zentralen Missbrauch bekundeten Oralverkehrshandlungen steht zudem in einem Spannungsverhältnis zu der von der Sachverständigen gefundenen und vom Landgericht nachvollzogenen Aussagestruktur der Nebenklägerin. Diese habe nämlich die Abläufe des Tatgeschehens als Schemata abgespeichert, weshalb es ihr auch nicht gelungen sei, sich an einzelne Ereignisse innerhalb der Schemata konkret zu erinnern. Nach dieser Einordnung wäre eine grundlegende Veränderung der Aussage zu den lediglich schematisch erinnerten und auf diese Weise reproduzierten Oralverkehrshandlungen eher nicht zu erwarten gewesen.
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- b) Die auf dem Gutachten der Sachverständigen aufbauende Beweiswürdigung bleibt überdies den Beleg für die behauptete Anzahl und die Qualität der für eine erlebnisfundierte Aussage notwendigen Realkennzeichen schuldig. Solche führt das Landgericht nicht aus. Es teilt lediglich abstrakt wertende Äußerungen der Sachverständigen mit.
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- Zwar kann eine im Wesentlichen auf die Mitteilung des Ergebnisses eines Gutachtens beschränkte Darstellung der Überzeugungsbildung des Tatgerichts ausreichen, wenn es sich um ein allgemein anerkanntes und weithin standardisiertes Verfahren handelt (vgl. BGH, Beschluss vom 15. September 2010 – 5 StR 345/10, StV 2011, 8 mwN). Hierzu gehört indes ein stets höhere Anforderungen stellendes Glaubhaftigkeitsgutachten nicht (vgl. BGH, Urteil vom 30. Juli 1999 – 1 StR 618/98, BGHSt 45, 164). Bei beurteilungsrelevanten Divergenzen zwischen den verschiedenen belastenden Aussagen sind auch die Anknüpfungstatsachen der Sachverständigen darzulegen , um deren Bewertung nachvollziehbar zu machen (vgl. BGH, Beschluss vom 27. April 2010 – 5 StR 127/10; BGH, Beschluss vom 21. September 2005 – 2 StR 311/05, NStZ 2007, 538).
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- c) Das Landgericht hat es schließlich unterlassen, den von dem sachverständigen Zeugen erst in der Hauptverhandlung bekundeten Umstand der Selbstverletzungen der Nebenklägerin auf einen möglichen Zusammenhang mit einer etwaigen psychischen Störung hin zu untersuchen (vgl. BGH, Urteil vom 12. August 2010 – 2 StR 185/10). Zwar gibt es weder den Erfahrungssatz , dass selbstverletzendes Verhalten typische Folge eines erlittenen Missbrauchs ist (vgl. Schwenn, StV 2010, 705, 710), noch denjenigen, dass es sich dabei regelmäßig um den Ausdruck einer krankhaften seelischen Störung handelt. Auch dieser Aspekt wäre indes in den Blick zu nehmen gewesen , da Anlass für die Klärung eines möglichen Zusammenhangs zwischen Selbstverletzung und Persönlichkeitsstörung hätte bestehen können (vgl. auch BGH, Beschluss vom 27. April 2010 – 5 StR 127/10).
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- Das Unterlassen solcher Prüfung lässt insbesondere auch besorgen, dass die von der Sachverständigen und dem sachverständigen Zeugen gestellte , vom Landgericht übernommene – und von diesem ersichtlich auch als die Glaubhaftigkeit der qualitätsgeminderten Aussage der Nebenklägerin steigernder Umstand herangezogene – Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung auf einem Wertungsfehler beruhen kann. Auf geltend ge- machte grundsätzliche Bedenken hinsichtlich einer zirkulären Argumentationsweise bei einer mit dieser Diagnose maßgeblich begründeten Glaubhaftigkeit einer Zeugenaussage kommt es bei dieser Sachlage nicht einmal an. Sie wäre indes für das weitere Verfahren zu bedenken (vgl. BGH, Urteil vom 27. Oktober 2010 – 5 StR 319/10; Steller in NJW-Sonderheft für Gerhard Schäfer, 2002, S. 69, 71).
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- 3. Der Mangel der Beweiswürdigung erfasst die vom Landgericht angenommene Glaubhaftigkeit der Angaben der Nebenklägerin insgesamt (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Mai 2010 – 5 StR 157/10). Allein aufgrund der – freilich verbliebenen – deutlichen Hinweise auf ein Missbrauchsgeschehen können Teile des Schuldspruchs nicht aufrechterhalten bleiben.
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- 4. Für die neu erforderliche Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
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- a) Das neu berufene Tatgericht wird angesichts der divergierenden Bekundungen der Nebenklägerin die Entwicklung sämtlicher Aussagen, auch derjenigen im Familienkreis, zu betrachten (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Mai 2002 – 5 StR 136/02 mwN; BGH, Beschluss vom 24. November 2004 – 5 StR 480/04, StV 2005, 253) und ihre Schilderungen gegenüber dem sachverständigen Zeugen auch inhaltlich näher darzustellen haben. Es wird ferner zu prüfen haben, ob die Nebenklägerin im Hinblick auf die festgestellten Umstände in ihrer Person auch von einem psychiatrischen Sachverständigen begutachtet werden muss (BGH, Beschluss vom 19. Februar 2002 – 1 StR 5/02, BGHR StPO § 244 Abs. 2 Sachverständiger 18).
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- b) Im Falle eines Schuldspruchs wird angesichts des Alters des Angeklagten zur Tatzeit, seines Gesundheitszustands und seiner weiteren Lebensumstände zu prüfen sein, ob hirnorganisch bedingte Wesensveränderungen die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten in einem für die Anwendung des § 21 StGB bedeutsamen Umfang beeinträchtigt haben (vgl. BGH, Urteil vom 11. August 1998 – 1 StR 338/98, NStZ 1999, 297 mwN; BGH, Urteil vom 19. Dezember 2006 – 1 StR 583/06, NStZ 2007, 328; Kröber, NStZ 1999, 298).
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- Nicht abgeurteilte Straftaten werden nur dann strafschärfend berücksichtigt werden dürfen, wenn sie prozessordnungsgemäß und so bestimmt festgestellt sind, dass sie in ihrem wesentlichen Unrechtsgehalt abzuschätzen sind und eine unzulässige Berücksichtigung des bloßen Verdachts weiterer Straftaten ausgeschlossen werden kann (BGH, Beschluss vom 2. Juli 2009 – 3 StR 251/09, NStZ-RR 2009, 306; vgl. auch Fischer, StGB, 58. Aufl., § 46 Rn. 41a).
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Annotations
(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.
(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.
(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn
- 1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist, - 2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist, - 3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist, - 4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist, - 5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder - 6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.
(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.
(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.
(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.