Bundesgerichtshof Urteil, 05. Feb. 2015 - 3 StR 504/14
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. Die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
Von Rechts wegen
Gründe:
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- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Dagegen wenden sich die jeweils auf Verfahrensbeanstandungen und die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft. Die Rechtsmittel haben keinen Erfolg.
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- I. Nach den Feststellungen des Landgerichts übernahm der Angeklagte am 26. Juni 2013 unter ungeklärten Umständen im Rhein-Main-Gebiet gut elfeinhalb Kilogramm Amphetaminzubereitung mit einem Wirkstoffgehalt von ca. 1.300 Gramm Amphetamin-Base, die in zwölf durchsichtige Plastikbeutel verpackt war und verstaute sie in einer ihm gehörenden Tasche, die sich wiederum im Kofferraum des von ihm gesteuerten, von einer dritten Person geleasten Personenkraftwagens befand. Über eine Fahrerlaubnis verfügt der Angeklagte nicht. Als er wegen zu schnellen Fahrens auf dem Gelände eines Autohofs von der Polizei kontrolliert wurde, fiel den Beamten auf, dass das Lichtbild und das Geburtsdatum auf dem vom Angeklagten vorgezeigten Führerschein nicht auf ihn zutrafen. Um eine anschließende Durchsuchung des Fahrzeugs zu verhindern, warf der Angeklagte den Fahrzeugschlüssel ca. 30 Meter weit weg, mit dem er zuvor über Funk das Auto verschlossen hatte. Nachdem die Polizeibeamten den Schlüssel wiedergefunden hatten, öffneten und durchsuchten sie den Pkw und fanden die Betäubungsmittel im Kofferraum.
- 3
- Das Landgericht ist in der rechtlichen Würdigung des Urteils davon ausgegangen , dass der Angeklagte die Betäubungsmittel lediglich transportierte. Seiner Einlassung, er habe im Auftrag eines M. gehandelt, der ihm im Ge- genzug Schulden erlassen, 1.500 € bezahlen und Kokain geben wollte, hat es zwar nicht geglaubt, sich aber auch nicht davon zu überzeugen vermocht, dass der Angeklagte selbst täterschaftlich mit den Betäubungsmitteln Handel trieb. Es hat die Tätigkeiten des Angeklagten folglich als Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln - jeweils in nicht geringer Menge - gewertet.
- 4
- II. Die Revision des Angeklagten ist unbegründet.
- 5
- 1. Soweit er eine Verletzung von § 261 StPO geltend macht, weil die Strafkammer bei der Wertung seiner Einlassung als Schutzbehauptung eine rein subjektive Gewissheit an die Stelle der notwendigen, auf Tatsachen gestützten Überzeugungsbildung gesetzt habe, greift er der Sache nach die Be- weiswürdigung an und kann insoweit mit einer Verfahrensbeanstandung nicht durchdringen.
- 6
- Gleiches gilt im Ergebnis für die Rüge einer Verletzung der Aufklärungspflicht gemäß § 244 Abs. 2 StPO: Auch insoweit beanstandet die Revision in erster Linie von ihr behauptete Fehler in der Beweiswürdigung, insbesondere eine unzureichende Begründung der von der Strafkammer gezogenen Schlussfolgerungen. Soweit der Beschwerdeführer weiter geltend macht, das Landgericht habe es unterlassen, durch Nachfragen weitergehende Aufklärung dazu zu betreiben, dass er in seiner Exploration Details angegeben habe, "die die Annahme einer langjährigen Drogenabhängigkeit rechtfertigten", ist eine Aufklärungsrüge damit nicht zulässig erhoben: Es fehlt schon an der Mitteilung eines bestimmten Beweisergebnisses, das sich durch die unterlassene Beweiserhebung ergeben hätte (st. Rspr.; vgl. zuletzt BGH, Beschluss vom 30. September 2014 - 3 StR 351/14, juris).
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- 2. Die umfassende Überprüfung des Urteils auf die erhobene Sachrüge hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Der näheren Ausführung bedarf nur Folgendes:
- 8
- a) Die Beweiswürdigung hält revisionsrechtlicher Überprüfung stand. Die Heranziehung und Wertung der Beweismittel ist Sache des Tatgerichts, das sich im Wege der freien Beweiswürdigung eine persönliche Überzeugung von den entscheidungserheblichen Tatsachen zu verschaffen hat; seine Annahmen und Schlussfolgerungen müssen nicht zwingend sein, es reicht aus, dass sie möglich und nachvollziehbar sind. Die revisionsgerichtliche Überprüfung beschränkt sich allein darauf, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind, was in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall ist, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich , unklar oder lückenhaft ist, oder gegen Denkgesetze oder Erfah- rungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 20. September2012 - 3 StR 140/12, NStZ-RR 2013, 75, 77 mwN).
- 9
- Gemessen an diesen Maßstäben ist es entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers zunächst nicht zu beanstanden, dass das Landgericht seiner Einlassung zum vermeintlichen Auftraggeber der Kurierfahrt nicht gefolgt ist. Die Annahme, dass in aller Regel bei einer Betäubungsmittellieferung des verfahrensgegenständlichen Umfangs zwischen Auftraggeber und Kurier Erreichbarkeiten ausgetauscht werden, ist nicht nur möglich, sondern äußerst naheliegend. Folglich konnte die Strafkammer die dies verneinende Einlassung des Angeklagten mit guten Gründen als Schutzbehauptung werten. Die dagegen vorgebrachten Angriffe des Beschwerdeführers beschränken sich auf eine eigene Würdigung seiner Einlassung, mit der er im Revisionsverfahren keinen Erfolg haben kann.
- 10
- Die Beweiswürdigung ist auch nicht widersprüchlich, weil die Strafkammer einerseits der - zur Entlastung vorgebrachten - Einlassung des Angeklagten zu seinem Auftraggeber nicht gefolgt ist, andererseits aber gleichwohl davon ausgegangen ist, dass er als Kurier der Betäubungsmittel fungierte. Dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe lässt sich entnehmen, dass das Landgericht die Einlassung nicht zuletzt unter Beachtung des Zweifelssatzes jedenfalls insoweit den Feststellungen zugrunde gelegt hat, dass der Angeklagte die Betäubungsmittel im Auftrag eines Dritten übernahm. Angesichts der in seiner Tasche verstauten großen Menge von Betäubungsmitteln lag es wiederum nahe, dass diese Betäubungsmittel sich nicht zufällig in dem von ihm gesteuerten Fahrzeug befanden und dass sie zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt waren. Davon ausgehend war die Annahme, dass der Angeklag- te lediglich ein fremdes Geschäft unterstützte, diejenige, die ihn am wenigsten belastete.
- 11
- Auch die Schlussfolgerungen, die die Strafkammer zur Übernahme der Betäubungsmittel gezogen hat, erweisen sich - wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt hat - als möglich und somit nicht als rechtsfehlerhaft. Es kommt deshalb nicht darauf an, dass auf einem Rechtsfehler insoweit das Urteil auch nicht beruhen würde: Wer die Betäubungsmittel im Kofferraum des Fahrzeugs verstaute, ist für den Schuldspruch ersichtlich ohne Bedeutung; der Senat schließt angesichts der großen Menge der Betäubungsmittel und der teilweise einschlägigen Vorstrafen des Angeklagten auch aus, dass es sich bei der Strafzumessung zu seinen Gunsten ausgewirkt hätte, wenn das Landgericht ihm geglaubt hätte, ein unbekannter Dritter habe die zwölf durchsichtigen Plastikbeutel mit Amphetamin auf offener Straße in seine im Kofferraum liegende Tasche gepackt.
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- b) Die Nichtanordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB erweist sich ebenfalls als frei von Rechtsfehlern. Der Generalbundesanwalt hat zutreffend ausgeführt, dass die Strafkammer jedenfalls das Vorliegen eines Hangs, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, mit tragfähiger Begründung verneint hat.
- 13
- III. Das vom Generalbundesanwalt nicht vertretene Rechtmittel der Staatsanwaltschaft, die die Verurteilung des Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge erstrebt, ist ebenfalls unbegründet.
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- Die Verfahrensrügen dringen aus den zutreffenden Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts nicht durch.
- 15
- Die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts zeigt keinen Rechtsfehler zu Gunsten des Angeklagten auf. Der Umstand, dass die Strafkammer dem Angeklagten seine Einlassung zu seinem Auftraggeber nicht geglaubt hat, zwang es nicht dazu, deshalb von einem täterschaftlichen Handeltreiben des Angeklagten auszugehen. Dass sich das Landgericht diese Überzeugung nicht zu verschaffen vermocht hat, ist nach den oben dargelegten Grundsätzen vom Senat als Revisionsgericht hinzunehmen.
- 16
- Soweit die Staatsanwaltschaft die Unvollständigkeit des Sachverhalts rügt, weil sich in der Tasche mit den Betäubungsmitteln auch ein Kurzmesser befunden habe, ist dieser Vortrag urteilsfremd und kann der Revision im Rahmen der Sachrüge - eine zulässige Verfahrensrüge hat die Staatsanwaltschaft insoweit nicht erhoben - nicht zum Erfolg verhelfen.
- 17
- Schließlich erweisen sich auch die Strafzumessungserwägungen des Landgerichts aus den zutreffenden Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts als rechtsfehlerfrei.
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Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.
(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.
(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.
(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn
- 1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist, - 2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist, - 3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist, - 4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist, - 5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder - 6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.
(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.
(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.
(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.