Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Feb. 2018 - EnVR 55/16
Gericht
Tenor
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Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 3. Kartellsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 26. Oktober 2016 wird zurückgewiesen.
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Die Betroffene trägt die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen der Bundesnetzagentur.
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Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 250.000 Euro festgesetzt.
Gründe
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A. Die Betroffene betreibt ein Gasverteilernetz, die weitere Beteiligte ist Marktgebietsverantwortliche im Sinne von § 20 GasNZV.
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Mit Beschluss vom 19. Dezember 2014 (BK7-14-020) hat die Bundesnetzagentur eine Festlegung zur Bilanzierung in Gasnetzen (GaBi Gas 2.0) getroffen. Die Betroffene wendet sich gegen die darin enthaltene Anordnung, eine Netzkontenabrechnung für jeden einzelnen Tag zu erstellen.
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In der Festlegung werden die Netzbetreiber unter Nr. 8 des Tenors verpflichtet, unter Mitwirkung der Marktgebietsverantwortlichen einen Anreizmechanismus für die Bereitstellung einer genauen Prognose bei Entnahmestellen mit Standard-Lastprofil vorzuschlagen, der Ausschüttungen und Zahlungen für den Fall einer Abweichung der tatsächlich ausgespeisten Gasmenge von den prognostizierten und allokierten Mengen vorsieht. Die Differenzmengen sind für jeden Tag gesondert zu ermitteln. Mindestens am Ende jedes Monats muss auf der Grundlage der festgestellten Tagesdifferenzmengen eine vorläufige Abrechnung erfolgen. Nach der zuvor geltenden Regelung wurden bei der Abrechnung die einzelnen Tageswerte saldiert und nur die sich daraus für den gesamten Monat ergebende Differenz berücksichtigt.
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Unter Nr. 11 des Tenors werden Marktgebietsverantwortliche sowie Betreiber von Fernleitungs- und Verteilernetzen verpflichtet, die festgelegten Regelungen mit Wirkung zum 1. Oktober 2015 anzuwenden.
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Die Betroffene hat beantragt, die Festlegung in Nr. 8 des Tenors vollständig und in Nr. 11 insoweit aufzuheben, als sie darin zur Anwendung der Regelung in Nr. 8 verpflichtet wird. Das Beschwerdegericht hat die Beschwerde zurückgewiesen.
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Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Betroffene ihr Begehren hinsichtlich der Regelungen in Nr. 8 Buchst. a bis e und Nr. 11 weiter. Gegen die Regelung in Nr. 8 Buchst. f, wonach Verteilernetzbetreiber, die eine überdurchschnittliche Abweichung aufweisen, vom Marktgebietsverantwortlichen in einer Transparenzliste im Internet zu veröffentlichen sind, wendet sie sich nicht mehr. Die Bundesnetzagentur tritt dem Rechtsmittel entgegen.
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B. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
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I. Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
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Die Vorgaben für den Anreizmechanismus hielten sich im Rahmen der Ermächtigungsgrundlage und der in Art. 39 Abs. 4 der Verordnung (EU) Nr. 312/2014 der Kommission vom 26. März 2014 zur Festlegung eines Netzkodex für die Gasbilanzierung in Fernleitungsnetzen (ABl. EU L 91, 15; nachfolgend: Netzkodex) vorgegebenen Grenzen. Die genannte Vorschrift ermächtige nicht nur dazu, Netzbetreiber dazu aufzufordern, einen Anreizmechanismus vorzuschlagen, sondern auch zu Vorgaben für dessen Ausgestaltung. Die angegriffene Festlegung beachte auch die Vorgaben aus Art. 11 Abs. 4 des Netzkodex.
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Die Festlegung sei auch im Übrigen formell rechtmäßig. Die Bundesnetzagentur habe nicht gegen ihre Amtsermittlungspflicht verstoßen. Die Festlegung sei hinreichend mit Gründen versehen und ihr Inhalt hinreichend bestimmt.
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Der in Nr. 8 des Tenors vorgegebene Rahmen für den vorzuschlagenden Anreizmechanismus stehe in Einklang mit dem Netzkodex. Bei der Ausgestaltung dieser Vorgaben stehe der Bundesnetzagentur ein Regulierungsermessen zu. Vor diesem Hintergrund sei die Vorgabe einer tagesscharfen Abrechnung nicht zu beanstanden. Die Bundesnetzagentur gehe gut nachvollziehbar davon aus, dass mit dieser Vorgabe tendenziell die Prognosegenauigkeit verbessert werden könne. Die bislang praktizierte monatsscharfe Abrechnung habe die stark schwankenden Wetter- und Temperaturverhältnisse nur grob und letztlich unzureichend abbilden können. Die neue Festlegung behalte die bisher geltenden Regeln in weiten Teilen bei und entwickle diese lediglich fort.
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Entgegen der Auffassung der Betroffenen müsse die Bundesnetzagentur nicht den Nachweis erbringen, dass die Umstellung von einer monatlichen auf eine tägliche Abrechnung erforderlich sei. Vielmehr sei ausreichend, dass ein möglicher Regelenergiebedarf minimiert werden könne. Dass diese Voraussetzung erfüllt sei, habe die Bundesnetzagentur überzeugend dargelegt.
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Ein Anreizmechanismus werde nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Prognoseschätzungen mit Unsicherheiten verbunden und viele Einflussfaktoren von den Verteilernetzbetreibern nicht exakt beeinflussbar seien. Die Festlegung verlange keine mit der tatsächlichen Ausspeisung übereinstimmende Prognose, sondern lediglich eine Optimierung der hierfür herangezogenen Profile.
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Ein Verstoß gegen den Netzkodex ergebe sich nicht daraus, dass die Zahlungsverpflichtungen der Netzbetreiber und der Marktgebietsverantwortlichen asymmetrisch ausgestaltet seien. Art. 11 Abs. 4 lit. a des Netzkodex verlange nicht zwingend die Ausweisung einer einheitlich definierten Leistungsvorgabe.
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Das geplante Anreizmodell berücksichtige auch bewährte nationale Bilanzierungspraktiken. Schon nach der bisherigen Praxis seien die Ein- und Ausspeisungen eines Netzbetreibers tagesscharf gegenübergestellt worden. Die nunmehr vorgesehene taggenaue Abrechnung sei eine in sich nachvollziehbare Verbesserung dieses Systems.
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Dass die taggenaue Abrechnung zu einem Verlust an Liquidität führen könne, sei nicht zu beanstanden, weil gerade daraus ein Anreiz für eine möglichst genaue Prognose resultiere. Unabhängig davon habe eine Auswertung der Bundesnetzagentur ergeben, dass die Betroffene im Zeitraum von Oktober 2012 bis September 2015 bei Anwendung der neuen Regeln sogar besser gestellt gewesen wäre.
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Die angefochtene Festlegung sei nicht als Pönale für Verteilernetzbetreiber anzusehen. Sie verletze weder die europarechtlichen Grundsätze der Diskriminierungsfreiheit und der Verhältnismäßigkeit noch das Grundrecht auf unternehmerische Freiheit nach Art. 16 und das Eigentumsrecht nach Art. 17 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union.
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II. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung stand.
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1. Rechtsfehlerfrei ist das Beschwerdegericht zu dem Ergebnis gelangt, dass die angegriffene Festlegung durch die Ermächtigungsgrundlage in Art. 39 Abs. 4 des Netzkodex gedeckt ist.
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Nach Art. 39 Abs. 4 des Netzkodex kann die nationale Regulierungsbehörde den Fernleitungsnetzbetreiber, den Verteilungsnetzbetreiber und die prognostizierende Partei auffordern, für die Bemessung einer genauen Prognose für die nicht täglich gemessenen Ausspeisungen eines Netznutzers einen Anreizmechanismus vorzuschlagen, der die für den Fernleitungsnetzbetreiber in Art. 11 Abs. 4 des Netzkodex festgelegten Kriterien erfüllt.
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Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde hält sich die angefochtene Festlegung im Rahmen dieser Ermächtigung.
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a) Die Anordnungen in Nr. 8 Buchst. a bis e des Tenors dienen, wie auch die Rechtsbeschwerde im Ansatz nicht in Zweifel zieht, dem Zweck, einen Anreizmechanismus zu schaffen, um die Prognose der Abnahmemenge von Kunden zu präzisieren, deren Abnahme nicht täglich oder sogar stündlich gemessen, sondern anhand von Standardlastprofilen im Sinne von § 24 GasNZV prognostiziert wird. Dies entspricht der Zielsetzung von Art. 39 Abs. 4 des Netzkodex und steht zugleich in Einklang mit dem in Erwägungsgrund 6 des Netzkodex angeführten Zweck, das Tagesbilanzierungssystem zu fördern.
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Aus der Bezugnahme auf Art. 11 Abs. 4 des Netzkodex, der bestimmte inhaltliche Anforderungen an den Inhalt eines Anreizmechanismus definiert, ergibt sich des Weiteren, dass die Bundesnetzagentur ihre Aufforderung mit inhaltlichen Vorgaben versehen kann, um die Einhaltung dieser Anforderungen zu gewährleisten. Diesem Zweck dient die Vorgabe, die täglich ermittelten Differenzmengen taggenau abzurechnen.
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b) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde sind die angefochtenen Anordnungen einschließlich der Vorgabe einer taggenauen Abrechnung zur Erreichung dieses Zwecks geeignet und erforderlich.
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aa) Im Ansatz zutreffend macht die Rechtsbeschwerde allerdings geltend, dass eine auf Art. 39 Abs. 4 des Netzkodex gestützte Aufforderung - wie jedes Verwaltungshandeln - die Grenzen einhalten muss, die sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergeben. Eine Anordnung ist deshalb nach deutschem wie nach europäischem Recht nur dann rechtmäßig, wenn sie zur Erreichung des angestrebten Zwecks geeignet und erforderlich ist und nicht zu einer unverhältnismäßigen Belastung führt (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 27. Januar 2015 - EnVR 37/13, ZNER 2015, 133 Rn. 24 - ONTRAS Gastransport GmbH).
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Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde folgt hieraus indes nicht, dass die Bundesnetzagentur nur solche Maßnahmen vorgeben darf, die abstrakt gesehen zu einer möglichst geringen Belastung der Netzbetreiber führen. Die Prüfung, ob eine Maßnahme geeignet, erforderlich und verhältnismäßig ist, hat sich vielmehr an dem mit der Maßnahme angestrebten Ziel zu orientieren.
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bb) Hinsichtlich dieser Zielvorgabe steht der Regulierungsbehörde, wie das Beschwerdegericht zu Recht entschieden hat, ebenso wie in vielen vergleichbaren Situationen ein Spielraum zu, der in einzelnen Aspekten einem Beurteilungsspielraum, in anderen Aspekten einem Regulierungsermessen gleichkommt (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Januar 2014 - EnVR 12/12, RdE 2014, 276 Rn. 24 - Stadtwerke Konstanz GmbH).
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(1) Mit dem in Art. 39 Abs. 4 des Netzkodex vorgegebenen Ziel einer genauen Prognose der nicht täglich gemessenen Ausspeisungen hat der Verordnungsgeber eine Vorgabe aufgestellt, die der inhaltlichen Konkretisierung bedarf.
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Die nicht täglich gemessenen Ausspeisungen können schon deshalb nicht mit absoluter Genauigkeit prognostiziert werden, weil ihr Umfang von der Außentemperatur und weiteren Faktoren abhängt, deren Entwicklung kurzfristigen Schwankungen unterworfen ist. Die Vorgabe einer "genauen" Prognose kann deshalb stets nur darauf gerichtet sein, einen möglichst hohen Grad an Genauigkeit zu erreichen. In welchem Umfang dies geschehen soll, ist in Art. 39 Abs. 4 und Art. 11 Abs. 4 des Netzkodex nicht im Einzelnen geregelt.
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Eine Verbesserung der Genauigkeit kann darüber hinaus nicht nur auf einem bestimmten Weg erreicht werden. Zur Erreichung dieses Ziels kommen nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts mehrere unterschiedliche Mechanismen in Betracht, die jeder für sich aus einer komplexen Kombination aus Maßnahmen bestehen, deren Wirkungen ihrerseits nicht vollständig exakt prognostiziert werden können und die sich deshalb einer exakten Einordnung im Sinne eines "richtig" oder "falsch" entziehen.
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(2) Deshalb können die angefochtenen Anordnungen nur darauf überprüft werden, ob sie geeignet sind, die Prognosegenauigkeit zu verbessern, und ob die Regulierungsbehörde bei der Auswahl unter mehreren in Betracht kommenden Maßnahmen die gültigen Verfahrensbestimmungen eingehalten hat, von einem richtigen Verständnis des anzuwendenden Gesetzesbegriffs ausgegangen ist, den erheblichen Sachverhalt vollständig und zutreffend ermittelt hat und sich bei der eigentlichen Beurteilung an allgemeingültige Wertungsmaßstäbe gehalten, insbesondere das Willkürverbot nicht verletzt hat (BGH RdE 2014, 276 Rn. 27 - Stadtwerke Konstanz GmbH).
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cc) Vor diesem Hintergrund hat das Beschwerdegericht die angefochtenen Anordnungen einschließlich der Vorgabe einer taggenauen Abrechnung zu Recht als geeignet und erforderlich angesehen.
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(1) Das Beschwerdegericht hat im Einzelnen festgestellt, dass eine taggenaue Abrechnung eine Verbesserung der Prognosegenauigkeit bewirken kann, weil sie ein höheres Maß an Transparenz und eine in höherem Maße an der Verursachung orientierte Zuordnung der Kosten für Regelenergie ermöglicht. Bei der zuvor praktizierten monatsgenauen Abrechnung ergibt sich auch dann das rechnerische Bild einer "guten" Prognose, wenn die prognostizierte und dem Netz zugeordnete (allokierte) Menge an bestimmten Tagen erheblich unter und an anderen Tagen erheblich über der tatsächlich ausgespeisten Menge liegt. Sowohl eine Unter- als auch eine Überdeckung verursachen aber Kosten für Regelenergie.
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Aus diesen Feststellungen ergibt sich, dass eine taggenaue Abrechnung einen Anreiz bietet, eine Über- oder Unterdeckung nicht nur über einen Monat hinweg, sondern an jedem einzelnen Tag möglichst zu vermeiden.
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(2) Das Beschwerdegericht hat darüber hinaus festgestellt, dass Betreiber von Verteilernetzen trotz der bereits erwähnten Unwägbarkeiten die Möglichkeit haben, die Genauigkeit einer auf den einzelnen Tag bezogenen Prognose zu erhöhen. Es hat hierbei berücksichtigt, dass in bestimmten Temperaturbereichen schon eine Abweichung von weniger als einem Grad Celsius zu einer Änderung der ausgespeisten Menge um 15 % führen kann. Nach seinen Feststellungen und den von ihm in Bezug genommenen Ausführungen im Statusbericht zum Standardlastprofilverfahren Gas vom November 2014 (Anlage BG2 S. 46 f.) tritt diese hohe Abweichung aber nur im Temperaturbereich um 15 °C auf, da hier die allokierten Mengen bereits relativ gering sind. Bei Temperaturen um 0 °C beträgt die Änderung nur noch 5 %, bei noch kälteren Temperaturen ist sie noch geringer.
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(3) Diese im Wesentlichen auf tatrichterlichem Gebiet liegenden Feststellungen lassen keinen Rechtsfehler erkennen.
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Soweit die Rechtsbeschwerde geltend macht, den Betreibern von Verteilernetzen oder zumindest der Betroffenen stünden keine weiteren Optimierungsmaßnahmen zur Verfügung und die angegriffenen Anordnungen führten deshalb nur dazu, dass häufiger Abweichungen zwischen allokierten und ausgespeisten Mengen festgestellt würden, zeigt sie nicht auf, dass das Beschwerdegericht entscheidungserhebliches Vorbringen übergangen hat oder von unzutreffenden Beurteilungsmaßstäben ausgegangen ist. Dass das Beschwerdegericht dem Vorbringen der Betroffenen in der Sache nicht beigetreten ist, begründet für sich gesehen keinen Rechtsfehler.
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Ohne Rechtsfehler ist das Beschwerdegericht zu dem Ergebnis gelangt, dass ein Zusammenhang zwischen der Prognosequalität und dem Bedarf an Regelenergie besteht. Die abweichende Auffassung der Rechtsbeschwerde beruht auf ihrer Argumentation, dass der Betroffenen keine Mittel zur Verfügung stünden, um die Prognosequalität zu verbessern. Dieses Vorbringen steht in Widerspruch zu den rechtsfehlerfreien tatrichterlichen Feststellungen des Beschwerdegerichts.
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2. Ebenfalls zutreffend hat das Beschwerdegericht entschieden, dass die angefochtenen Anordnungen nicht deshalb rechtswidrig sind, weil die Bundesnetzagentur die Schwellenwerte, deren Überschreitung zu einer Ausgleichszahlung führt, nicht selbst vorgegeben hat.
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a) Die Rechtsbeschwerde führt insoweit § 39 Abs. 1 Satz 2 VwVfG als Prüfungsmaßstab an. In der Sache macht sie indes geltend, mangels einer Vorgabe konkreter Schwellenwerte sei die Festlegung nicht hinreichend bestimmt. Einschlägiger Prüfungsmaßstab ist damit § 37 Abs. 1 VwVfG.
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aa) Nach § 37 Abs. 1 VwVfG muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Das bedeutet zum einen, dass der Adressat in die Lage versetzt werden muss zu erkennen, was von ihm gefordert wird. Zum anderen muss der Verwaltungsakt eine geeignete Grundlage für Maßnahmen zu seiner zwangsweisen Durchsetzung bilden. Im Einzelnen richten sich die Anforderungen an die notwendige Bestimmtheit eines Verwaltungsakts nach den Besonderheiten des jeweils anzuwendenden und mit dem Verwaltungsakt umzusetzenden materiellen Rechts (BVerwGE 84, 335, juris Rn. 29).
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bb) Diesen Anforderungen wird die angefochtene Anordnung gerecht.
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Nach Art. 39 Abs. 4 des Netzkodex darf die Bundesnetzagentur einen Mechanismus zur Schaffung eines Anreizes für die Betreiber von Verteilernetzen nicht selbst anordnen. Sie darf lediglich Netzbetreiber und Marktverantwortliche zur Erstellung eines Vorschlags auffordern. Hierbei darf sie, wie bereits dargelegt, zwar einzelne inhaltliche Vorgaben machen. Den Adressaten der Aufforderung muss aber hinreichend Spielraum verbleiben, um in Ausfüllung des vorgegebenen Rahmens einen eigenen Vorschlag zu formulieren.
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Angesichts dessen ist nicht zu beanstanden, dass die Bundesnetzagentur lediglich eine taggenaue Abrechnung der Differenzen vorgegeben hat, nicht aber feste Schwellenwerte, deren Überschreitung zu einer Ausgleichszahlung führen muss. Wie auch die Rechtsbeschwerde in anderem Zusammenhang nicht in Zweifel zieht, führt die taggenaue Abrechnung dazu, dass es in einer größeren Zahl von Fällen zu Abweichungen der tatsächlich ausgespeisten von der allokierten Menge kommt. Damit ist ein wesentliches Element des Anreizmechanismus vorgegeben. Die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine festgestellte Abweichung zu einer Ausgleichspflicht führt, betrifft einen daran anknüpfenden Detailpunkt, der einer Gestaltung durch einen auf der Grundlage von Art. 39 Abs. 4 des Netzkodex erstellten Vorschlag und durch eine Kooperationsvereinbarung auf der Grundlage von § 20 Abs. 1b Satz 7 EnWG zugänglich ist. Hinreichende Anhaltspunkte für die Art und Weise dieser Ausgestaltung ergeben sich aus dem Zweck, einen Anreiz für eine genauere Prognose der nicht täglich gemessenen Ausspeisungen eines Netznutzers zu schaffen.
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cc) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde hat die Bundesnetzagentur durch das Absehen von detaillierteren Vorgaben nicht gegen ihre Pflicht zur Amtsermittlung verstoßen.
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Die Pflicht zur Amtsermittlung bezieht sich nur auf Umstände, die für den Inhalt der zu treffenden Entscheidung von Bedeutung sind. Nähere Ermittlungen zu den möglichen Wirkungen eines bestimmten Schwellenwerts hätte die Bundesnetzagentur deshalb allenfalls dann anstellen müssen, wenn sie insoweit nähere Vorgaben gemacht hätte. Hiervon hat sie indes rechtsfehlerfrei abgesehen.
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Dass die Entscheidung über die Schwellenwerte und sonstige Voraussetzungen für eine Zahlungspflicht damit in bestimmtem Umfang den Adressaten der Festlegung überlassen bleibt, begründet entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde keinen Rechtsfehler. Dieser Umstand steht vielmehr in Einklang mit Art. 39 Abs. 4 des Netzkodex, der die Regulierungsbehörde lediglich dazu ermächtigt, die Betroffenen zur Unterbreitung eines Vorschlags aufzufordern, die inhaltliche Ausgestaltung dieses Vorschlags innerhalb des durch die Verordnung vorgegebenen Rahmens aber den Betroffenen überlässt.
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b) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde sind die angefochtenen Anordnungen auch nicht deshalb rechtswidrig, weil die Bundesnetzagentur es nicht ausgeschlossen hat, dass für Unterspeisungen und Überspeisungen unterschiedliche Schwellenwerte festgelegt werden.
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aa) Nach Art. 11 Abs. 4 des Netzkodex muss der Anreizmechanismus begrenzte Zahlungen an den Fernleitungsnetzbetreiber für eine höhere Leistung sowie begrenzte Zahlungen des Fernleitungsnetzbetreibers bei einer geringeren Leistung vorsehen.
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Damit ist, wie das Beschwerdegericht zutreffend ausgeführt hat, zwar zwingend vorgeschrieben, dass sowohl eine Unterspeisung als auch eine Überspeisung unter bestimmten Voraussetzungen zu einer Zahlungspflicht führen müssen, nicht aber, dass Voraussetzungen und Höhe dieser Zahlungspflicht für die beiden Konstellationen einander spiegelbildlich entsprechen müssen. Aus dem Zweck von Art. 39 Abs. 4 des Netzkodex ergibt sich vielmehr, dass für die beiden Konstellationen unterschiedliche Regelungen vorgesehen werden können, sofern dies geeignet ist, das in Art. 39 Abs. 4 des Netzkodex vorgegebene Ziel zu erreichen.
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bb) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde lässt sich der angefochtenen Festlegung nicht entnehmen, dass die Bundesnetzagentur eine Zahlungspflicht nur für den Fall der Unterspeisung vorgegeben hat.
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An der von der Rechtsbeschwerde zitierten Stelle der Begründung wird zwar ausgeführt, Fehlmengen seien bislang zumindest in der Übergangszeit und im Winter sehr stark von Unterspeisungen dominiert, weshalb das Anreizsystem auch daraufhin ausgerichtet werden müsse (S. 122 f. unter (b)). Im gleichen Zusammenhang wird aber ausdrücklich klargestellt, dass auch eine Auszahlung von überspeisten Fehlmengen zu erfolgen hat und dass ein ausschließlich auf Unterspeisung ausgerichtetes Anreizsystem nicht den Anforderungen des Netzkodex entspricht (S. 122 unter (a)).
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cc) Dass die Bundesnetzagentur hierbei nicht ausgeschlossen hat, die Auszahlungen in unterschiedlicher Weise zu begrenzen, ist ebenfalls nicht zu beanstanden.
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Art. 11 Abs. 4 des Netzkodex sieht begrenzte Zahlungen ausdrücklich vor. Dass die Begrenzung für Unter- und Überschreitungen in gleicher Weise vorzunehmen sei, lässt sich der Vorschrift hingegen nicht entnehmen.
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3. Zu Recht hat das Beschwerdegericht entschieden, dass die angefochtenen Anordnungen bewährte nationale Bilanzierungspraktiken in der gebotenen Weise berücksichtigen.
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a) Nach Erwägungsgrund 11 des Netzkodex sollen die nationalen Regulierungsbehörden und die Fernleitungsnetzbetreiber den bewährten Praktiken und Bemühungen zur Harmonisierung der Prozesse für die Durchführung dieser Verordnung Rechnung tragen.
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b) Zu den bewährten nationalen Praktiken in diesem Sinne gehört, wie auch die Rechtsbeschwerde nicht in Zweifel zieht, die frühere Festlegung in Sachen Ausgleichsleistung Gas vom 28. Mai 2008 (BK7-08-002, GaBi Gas 1.0), die eine Abrechnung auf der Basis monatlich saldierter Tageswerte vorsah.
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Im Vergleich zu dieser Regelung stellen die angefochtenen Anordnungen, wie das Beschwerdegericht im Einzelnen zutreffend dargelegt hat, keine vollständige Neuregelung, sondern eine punktuelle Weiterentwicklung dar. Soweit die Rechtsbeschwerde eine Weiterentwicklung mit der Begründung in Abrede stellt, die Umstellung auf eine taggenaue Abrechnung sei nicht geeignet, die Prognosequalität zu erhöhen, setzt sie sich erneut in Widerspruch zu den rechtsfehlerfrei getroffenen tatrichterlichen Feststellungen des Beschwerdegerichts.
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c) Aus denselben Gründen vermag die Rechtsbeschwerde auch mit ihren Rügen, die angefochtenen Anordnungen leisteten keinen Beitrag zur Liquidität auf dem Gasmarkt und führten im Ergebnis zu einer Pönale für die Betreiber von Verteilernetzen, keinen Rechtsfehler aufzuzeigen. Diese Rügen beruhen ebenfalls auf der Prämisse, der Übergang zu einer taggenauen Abrechnung sei nicht geeignet, eine Erhöhung der Prognosequalität zu bewirken.
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Unabhängig davon ist der Einwand, die neue Regelung führe zu einer Pönalisierung, schon deshalb nicht hinreichend substantiiert, weil die Neuregelung nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts auf der Grundlage der Daten für Oktober 2012 bis September 2015 sogar zu einer Besserstellung der Betroffenen geführt hat und die Rechtsbeschwerde keinen Vortrag der Betroffenen aufzeigt, aus dem sich konkrete Anhaltspunkte dafür ergeben, dass für die Zukunft mit abweichenden Ergebnissen zu rechnen ist.
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4. Vor diesem Hintergrund hat das Beschwerdegericht zu Recht einen Verstoß gegen allgemeine Vorgaben des Unionsrechts verneint.
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a) Die von der Rechtsbeschwerde erhobene Rüge, die angefochtenen Anordnungen verstießen gegen das Diskriminierungsverbot, beruht im Kern auf der Prämisse, die Betreiber von Verteilernetzen hätten keine Möglichkeit, die Prognosequalität zu verbessern. Dies steht in Widerspruch zu den tatsächlichen Feststellungen des Beschwerdegerichts.
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Soweit die Rechtsbeschwerde geltend macht, größere Netzbetreiber könnten einen vorgegebenen Schwellenwert leichter einhalten als kleinere Netzbetreiber mit einer inhomogenen Kundenstruktur, ist ihr Vorbringen schon deshalb nicht hinreichend substantiiert, weil sie im gleichen Zusammenhang geltend macht, in jedem Netz gebe es unabhängig von der Größe stets eine Mischung aus Kunden mit Standardlastprofil und Kunden mit Leistungsmessung, und nicht aufzeigt, aus welchem Grund die Größe des Netzes dennoch für die erreichbare Prognosegenauigkeit von Bedeutung sein soll.
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Selbst wenn insoweit signifikante Unterschiede zwischen größeren und kleineren Netzen bestünden, wäre eine daraus resultierende Ungleichbehandlung zudem sachlich gerechtfertigt, weil Unterschiede in der finanziellen Belastung gegebenenfalls nicht aus der Netzgröße resultieren, sondern aus den unterschiedlichen Differenzen zwischen allokierter und tatsächlich ausgespeister Menge. Eine abweichende Beurteilung käme auch insoweit allenfalls dann in Betracht, wenn entgegen den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Beschwerdegerichts keine Möglichkeit zur Verbesserung der Prognosequalität bestünde.
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b) Die Rüge, die angefochtenen Regelungen verstießen gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, beruht ebenfalls auf der Prämisse, der Übergang zu einer taggenauen Abrechnung sei nicht geeignet, die Prognosequalität zu verbessern. Sie ist deshalb aus den bereits angeführten Gründen ebenfalls unbegründet.
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Unabhängig davon ist das Vorbringen, die neue Regelung führe zu Liquiditätsengpässen bei der Betroffenen, schon deshalb nicht hinreichend substantiiert, weil die Umstellung für sie nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts sogar zu einer Besserstellung führt.
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5. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde besteht kein Anlass, eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union einzuholen.
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a) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde besteht eine Vorlagepflicht nicht schon dann, wenn das Gericht eines Mitgliedstaats eine einzelstaatliche Regelung als mit den einschlägigen Vorgaben des Unionsrechts vereinbar ansieht. Eine Vorlage ist vielmehr nur dann geboten, wenn die Auslegung der für die Entscheidung erheblichen Vorschriften des Unionsrechts klärungsbedürftig ist.
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b) Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt.
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aa) Aus Wortlaut und Zweck von Art. 39 Abs. 4 und Art. 11 Abs. 4 des Netzkodex ergibt sich zweifelsfrei, dass die angefochtenen Anordnungen aus den oben aufgezeigten Gründen rechtmäßig sind.
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Die hiergegen von der Rechtsbeschwerde erhobenen Einwendungen beruhen im Kern auf einer abweichenden Bewertung der für die Beurteilung maßgeblichen Tatsachengrundlage. Deren Feststellung ist ohnehin dem nationalen Richter - im vorliegenden Zusammenhang in erster Linie dem Beschwerdegericht - vorbehalten. Soweit die Rechtsbeschwerde rügt, einzelne Anordnungen seien mit den Vorgaben der beiden genannten Bestimmungen nicht vereinbar, findet dies weder im Wortlaut der Vorschriften noch in sonstigen konkreten Umständen eine Grundlage. Entsprechendes gilt für die von der Rechtsbeschwerde vertretene Auffassung, die Regulierungsbehörde müsse den Anreizmechanismus abweichend vom Wortlaut von Art. 39 Abs. 4 des Netzkodex in allen Punkten selbst festlegen.
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bb) Gegenstand und Reichweite der unionsrechtlichen Grundsätze der Diskriminierungsfreiheit und der Verhältnismäßigkeit sind durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union hinreichend geklärt. Die Entscheidung des Streitfalls hängt allein davon ab, ob die danach für einen Verstoß erforderlichen tatsächlichen Voraussetzungen gegeben sind. Dies ist von den nationalen Gerichten zu entscheiden.
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C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 90 Satz 2 EnWG, die Festsetzung des Gegenstandswerts auf § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GKG und § 3 ZPO.
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Annotations
(1) Die Fernleitungsnetzbetreiber bilden Marktgebiete. Für jedes gebildete Marktgebiet ist ein Marktgebietsverantwortlicher zu benennen. Der Marktgebietsverantwortliche hat insbesondere folgende Aufgaben:
- 1.
den Betrieb des Virtuellen Handelspunkts eines Marktgebiets; - 2.
die Bilanzkreisabwicklung, insbesondere Vertragsabwicklung, Datenübermittlung und –veröffentlichung sowie Abrechnung der Bilanzkreise, sowie - 3.
die Beschaffung und die Steuerung des Einsatzes von Regelenergie.
(2) Jeder Ein- und Ausspeisepunkt muss durch die Transportkunden zu jedem Zeitpunkt eindeutig einem Marktgebiet zugeordnet werden können. Dazu haben die Netzbetreiber alle Netzbereiche vor- und nachgelagerter Netzbetreiber einem Marktgebiet zuzuordnen. Die Zuordnung eines Netzbereichs zu mehreren Marktgebieten ist zulässig, soweit dies aus netztechnischen Gründen erforderlich ist.
(1) Verteilnetzbetreiber wenden für die Allokation der Ausspeisemengen von Letztverbrauchern bis zu einer maximalen stündlichen Ausspeiseleistung von 500 Kilowattstunden pro Stunde und bis zu einer maximalen jährlichen Entnahme von 1,5 Millionen Kilowattstunden vereinfachte Methoden (Standardlastprofile) an.
(2) Die Verteilnetzbetreiber können Lastprofile auch für Letztverbraucher mit höheren maximalen Ausspeiseleistungen oder höheren jährlichen Entnahmen als die in Absatz 1 genannten Grenzwerte festlegen. Darüber hinaus können die Verteilnetzbetreiber abweichend von Absatz 1 auch niedrigere Grenzwerte festlegen, wenn bei Berücksichtigung der in Absatz 1 genannten Grenzwerte ein funktionierender Netzbetrieb technisch nicht zu gewährleisten ist oder die Festlegung niedrigerer Grenzwerte im Einzelfall mit einem Transportkunden vereinbart ist. Höhere oder niedrigere Grenzwerte kann der Verteilnetzbetreiber auch lediglich für einzelne Gruppen von Letztverbrauchern festlegen. Innerhalb einer solchen Lastprofilgruppe sind die Grenzwerte jedoch einheitlich auf alle Letztverbraucher anzuwenden. Legt der Verteilnetzbetreiber höhere oder niedrigere Grenzwerte fest, hat er dies der Regulierungsbehörde unverzüglich anzuzeigen.
(3) Standardlastprofile müssen sich am typischen Abnahmeprofil verschiedener Gruppen von Letztverbrauchern orientieren, insbesondere von:
Bei der Entwicklung und Anwendung der Standardlastprofile haben Verteilnetzbetreiber darauf zu achten, dass der Einsatz von Regelenergie möglichst reduziert wird. Die Anwendung eines Standardlastprofils für Kochgaskunden hat ab dem 1. Oktober 2011 zu erfolgen.(4) Örtliche Verteilnetzbetreiber sind verpflichtet, für jeden Lastprofilkunden des Transportkunden eine Prognose über den Jahresverbrauch festzulegen, die in der Regel auf dem Vorjahresverbrauch basiert. Die Prognose ist dem Transportkunden mitzuteilen. Dieser kann unplausiblen Prognosen widersprechen und dem örtlichen Verteilnetzbetreiber eine eigene Prognose unterbreiten. Kommt keine Einigung zustande, legt der örtliche Verteilnetzbetreiber die Prognose über den Jahresverbrauch fest. In begründeten Ausnahmefällen kann die Jahresverbrauchsprognose vom Transportkunden und dem örtlichen Gasverteilnetzbetreiber gemeinsam auch unterjährig angepasst werden.
(1) Ein schriftlicher oder elektronischer sowie ein schriftlich oder elektronisch bestätigter Verwaltungsakt ist mit einer Begründung zu versehen. In der Begründung sind die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Die Begründung von Ermessensentscheidungen soll auch die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist.
(2) Einer Begründung bedarf es nicht,
- 1.
soweit die Behörde einem Antrag entspricht oder einer Erklärung folgt und der Verwaltungsakt nicht in Rechte eines anderen eingreift; - 2.
soweit demjenigen, für den der Verwaltungsakt bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, die Auffassung der Behörde über die Sach- und Rechtslage bereits bekannt oder auch ohne Begründung für ihn ohne weiteres erkennbar ist; - 3.
wenn die Behörde gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl oder Verwaltungsakte mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlässt und die Begründung nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist; - 4.
wenn sich dies aus einer Rechtsvorschrift ergibt; - 5.
wenn eine Allgemeinverfügung öffentlich bekannt gegeben wird.
(1) Ein Verwaltungsakt muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein.
(2) Ein Verwaltungsakt kann schriftlich, elektronisch, mündlich oder in anderer Weise erlassen werden. Ein mündlicher Verwaltungsakt ist schriftlich oder elektronisch zu bestätigen, wenn hieran ein berechtigtes Interesse besteht und der Betroffene dies unverzüglich verlangt. Ein elektronischer Verwaltungsakt ist unter denselben Voraussetzungen schriftlich zu bestätigen; § 3a Abs. 2 findet insoweit keine Anwendung.
(3) Ein schriftlicher oder elektronischer Verwaltungsakt muss die erlassende Behörde erkennen lassen und die Unterschrift oder die Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten enthalten. Wird für einen Verwaltungsakt, für den durch Rechtsvorschrift die Schriftform angeordnet ist, die elektronische Form verwendet, muss auch das der Signatur zugrunde liegende qualifizierte Zertifikat oder ein zugehöriges qualifiziertes Attributzertifikat die erlassende Behörde erkennen lassen. Im Fall des § 3a Absatz 2 Satz 4 Nummer 3 muss die Bestätigung nach § 5 Absatz 5 des De-Mail-Gesetzes die erlassende Behörde als Nutzer des De-Mail-Kontos erkennen lassen.
(4) Für einen Verwaltungsakt kann für die nach § 3a Abs. 2 erforderliche Signatur durch Rechtsvorschrift die dauerhafte Überprüfbarkeit vorgeschrieben werden.
(5) Bei einem schriftlichen Verwaltungsakt, der mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen wird, können abweichend von Absatz 3 Unterschrift und Namenswiedergabe fehlen. Zur Inhaltsangabe können Schlüsselzeichen verwendet werden, wenn derjenige, für den der Verwaltungsakt bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, auf Grund der dazu gegebenen Erläuterungen den Inhalt des Verwaltungsaktes eindeutig erkennen kann.
(6) Einem schriftlichen oder elektronischen Verwaltungsakt, der der Anfechtung unterliegt, ist eine Erklärung beizufügen, durch die der Beteiligte über den Rechtsbehelf, der gegen den Verwaltungsakt gegeben ist, über die Behörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf einzulegen ist, den Sitz und über die einzuhaltende Frist belehrt wird (Rechtsbehelfsbelehrung). Die Rechtsbehelfsbelehrung ist auch der schriftlichen oder elektronischen Bestätigung eines Verwaltungsaktes und der Bescheinigung nach § 42a Absatz 3 beizufügen.
(1) Betreiber von Energieversorgungsnetzen haben jedermann nach sachlich gerechtfertigten Kriterien diskriminierungsfrei Netzzugang zu gewähren sowie die Bedingungen, einschließlich möglichst bundesweit einheitlicher Musterverträge, Konzessionsabgaben und unmittelbar nach deren Ermittlung, aber spätestens zum 15. Oktober eines Jahres für das Folgejahr Entgelte für diesen Netzzugang im Internet zu veröffentlichen. Sind die Entgelte für den Netzzugang bis zum 15. Oktober eines Jahres nicht ermittelt, veröffentlichen die Betreiber von Energieversorgungsnetzen die Höhe der Entgelte, die sich voraussichtlich auf Basis der für das Folgejahr geltenden Erlösobergrenze ergeben wird. Sie haben in dem Umfang zusammenzuarbeiten, der erforderlich ist, um einen effizienten Netzzugang zu gewährleisten. Sie haben ferner den Netznutzern die für einen effizienten Netzzugang erforderlichen Informationen zur Verfügung zu stellen. Die Netzzugangsregelung soll massengeschäftstauglich sein.
(1a) Zur Ausgestaltung des Rechts auf Zugang zu Elektrizitätsversorgungsnetzen nach Absatz 1 haben Letztverbraucher von Elektrizität oder Lieferanten Verträge mit denjenigen Energieversorgungsunternehmen abzuschließen, aus deren Netzen die Entnahme und in deren Netze die Einspeisung von Elektrizität erfolgen soll (Netznutzungsvertrag). Werden die Netznutzungsverträge von Lieferanten abgeschlossen, so brauchen sie sich nicht auf bestimmte Entnahmestellen zu beziehen (Lieferantenrahmenvertrag). Netznutzungsvertrag oder Lieferantenrahmenvertrag vermitteln den Zugang zum gesamten Elektrizitätsversorgungsnetz. Alle Betreiber von Elektrizitätsversorgungsnetzen sind verpflichtet, in dem Ausmaß zusammenzuarbeiten, das erforderlich ist, damit durch den Betreiber von Elektrizitätsversorgungsnetzen, der den Netznutzungs- oder Lieferantenrahmenvertrag abgeschlossen hat, der Zugang zum gesamten Elektrizitätsversorgungsnetz gewährleistet werden kann. Der Netzzugang durch die Letztverbraucher und Lieferanten setzt voraus, dass über einen Bilanzkreis, der in ein vertraglich begründetes Bilanzkreissystem nach Maßgabe einer Rechtsverordnung über den Zugang zu Elektrizitätsversorgungsnetzen einbezogen ist, ein Ausgleich zwischen Einspeisung und Entnahme stattfindet.
(1b) Zur Ausgestaltung des Zugangs zu den Gasversorgungsnetzen müssen Betreiber von Gasversorgungsnetzen Einspeise- und Ausspeisekapazitäten anbieten, die den Netzzugang ohne Festlegung eines transaktionsabhängigen Transportpfades ermöglichen und unabhängig voneinander nutzbar und handelbar sind. Zur Abwicklung des Zugangs zu den Gasversorgungsnetzen ist ein Vertrag mit dem Netzbetreiber, in dessen Netz eine Einspeisung von Gas erfolgen soll, über Einspeisekapazitäten erforderlich (Einspeisevertrag). Zusätzlich muss ein Vertrag mit dem Netzbetreiber, aus dessen Netz die Entnahme von Gas erfolgen soll, über Ausspeisekapazitäten abgeschlossen werden (Ausspeisevertrag). Wird der Ausspeisevertrag von einem Lieferanten mit einem Betreiber eines Verteilernetzes abgeschlossen, braucht er sich nicht auf bestimmte Entnahmestellen zu beziehen. Alle Betreiber von Gasversorgungsnetzen sind verpflichtet, untereinander in dem Ausmaß verbindlich zusammenzuarbeiten, das erforderlich ist, damit der Transportkunde zur Abwicklung eines Transports auch über mehrere, durch Netzkopplungspunkte miteinander verbundene Netze nur einen Einspeise- und einen Ausspeisevertrag abschließen muss, es sei denn, diese Zusammenarbeit ist technisch nicht möglich oder wirtschaftlich nicht zumutbar. Sie sind zu dem in Satz 5 genannten Zweck verpflichtet, bei der Berechnung und dem Angebot von Kapazitäten, der Erbringung von Systemdienstleistungen und der Kosten- oder Entgeltwälzung eng zusammenzuarbeiten. Sie haben gemeinsame Vertragsstandards für den Netzzugang zu entwickeln und unter Berücksichtigung von technischen Einschränkungen und wirtschaftlicher Zumutbarkeit alle Kooperationsmöglichkeiten mit anderen Netzbetreibern auszuschöpfen, mit dem Ziel, die Zahl der Netze oder Teilnetze sowie der Bilanzzonen möglichst gering zu halten. Betreiber von über Netzkopplungspunkte verbundenen Netzen haben bei der Berechnung und Ausweisung von technischen Kapazitäten mit dem Ziel zusammenzuarbeiten, in möglichst hohem Umfang aufeinander abgestimmte Kapazitäten in den miteinander verbundenen Netzen ausweisen zu können. Bei einem Wechsel des Lieferanten kann der neue Lieferant vom bisherigen Lieferanten die Übertragung der für die Versorgung des Kunden erforderlichen, vom bisherigen Lieferanten gebuchten Ein- und Ausspeisekapazitäten verlangen, wenn ihm die Versorgung des Kunden entsprechend der von ihm eingegangenen Lieferverpflichtung ansonsten nicht möglich ist und er dies gegenüber dem bisherigen Lieferanten begründet. Betreiber von Fernleitungsnetzen sind verpflichtet, die Rechte an gebuchten Kapazitäten so auszugestalten, dass sie den Transportkunden berechtigen, Gas an jedem Einspeisepunkt für die Ausspeisung an jedem Ausspeisepunkt ihres Netzes oder, bei dauerhaften Engpässen, eines Teilnetzes bereitzustellen (entry-exit System). Betreiber eines örtlichen Verteilernetzes haben den Netzzugang nach Maßgabe einer Rechtsverordnung nach § 24 über den Zugang zu Gasversorgungsnetzen durch Übernahme des Gases an Einspeisepunkten ihrer Netze für alle angeschlossenen Ausspeisepunkte zu gewähren.
(1c) Verträge nach den Absätzen 1a und 1b dürfen das Recht zum Wechsel des Messstellenbetreibers nach den Vorschriften des Messstellenbetriebsgesetzes weder behindern noch erschweren. Verträge nach Absatz 1a müssen Verträge mit Aggregatoren nach den §§ 41d und 41e ermöglichen, sofern dem die technischen Anforderungen des Netzbetreibers nicht entgegenstehen.
(1d) Der Betreiber des Energieversorgungsnetzes, an das eine Kundenanlage oder eine Kundenanlage zur betrieblichen Eigenversorgung angeschlossen ist, hat den Zählpunkt zur Erfassung der durch die Kundenanlage aus dem Netz der allgemeinen Versorgung entnommenen und in das Netz der allgemeinen Versorgung eingespeisten Strommenge (Summenzähler) sowie alle Zählpunkte bereitzustellen, die für die Gewährung des Netzzugangs für Unterzähler innerhalb der Kundenanlage im Wege der Durchleitung (bilanzierungsrelevante Unterzähler) erforderlich sind. Bei der Belieferung der Letztverbraucher durch Dritte findet im erforderlichen Umfang eine Verrechnung der Zählwerte über Unterzähler statt. Einem Summenzähler nach Satz 1 stehen durch einen virtuellen Summenzähler rechnerisch ermittelte Summenmesswerte eines Netzanschlusspunktes gleich, wenn alle Messeinrichtungen, deren Werte in die Saldierung eingehen, mit intelligenten Messsystemen nach § 2 Satz 1 Nummer 7 des Messstellenbetriebsgesetzes ausgestattet sind. Bei nicht an ein Smart-Meter-Gateway angebundenen Unterzählern ist eine Verrechnung von Leistungswerten, die durch standardisierte Lastprofile nach § 12 Absatz 1 der Stromnetzzugangsverordnung ermittelt werden, mit am Summenzähler erhobenen 15-minütigen Leistungswerten des Summenzählers aus einer registrierenden Lastgangmessung zulässig.
(2) Betreiber von Energieversorgungsnetzen können den Zugang nach Absatz 1 verweigern, soweit sie nachweisen, dass ihnen die Gewährung des Netzzugangs aus betriebsbedingten oder sonstigen Gründen unter Berücksichtigung des Zwecks des § 1 nicht möglich oder nicht zumutbar ist. Die Ablehnung ist in Textform zu begründen und der Regulierungsbehörde unverzüglich mitzuteilen. Auf Verlangen der beantragenden Partei muss die Begründung im Falle eines Kapazitätsmangels auch aussagekräftige Informationen darüber enthalten, welche Maßnahmen und damit verbundene Kosten zum Ausbau des Netzes erforderlich wären, um den Netzzugang zu ermöglichen; die Begründung kann nachgefordert werden. Für die Begründung nach Satz 3 kann ein Entgelt, das die Hälfte der entstandenen Kosten nicht überschreiten darf, verlangt werden, sofern auf die Entstehung von Kosten zuvor hingewiesen worden ist.
Im Beschwerdeverfahren und im Rechtsbeschwerdeverfahren kann das Gericht anordnen, dass die Kosten, die zur zweckentsprechenden Erledigung der Angelegenheit notwendig waren, von einem Beteiligten ganz oder teilweise zu erstatten sind, wenn dies der Billigkeit entspricht. Hat ein Beteiligter Kosten durch ein unbegründetes Rechtsmittel oder durch grobes Verschulden veranlasst, so sind ihm die Kosten aufzuerlegen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes vom 5. Mai 2004 (BGBl. I S. 718, 788), das zuletzt durch Artikel 24 Absatz 8 des Gesetzes vom 25. Juni 2021 (BGBl. I S. 2154) geändert worden ist, bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern. Im Übrigen gelten die Vorschriften der Zivilprozessordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren und die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen entsprechend.
(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:
- 1.
über Beschwerden gegen Verfügungen der Kartellbehörden und über Rechtsbeschwerden (§§ 73 und 77 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen), - 2.
über Beschwerden gegen Entscheidungen der Regulierungsbehörde und über Rechtsbeschwerden (§§ 75 und 86 des Energiewirtschaftsgesetzes oder § 35 Absatz 3 und 4 des Kohlendioxid-Speicherungsgesetzes), - 3.
über Beschwerden gegen Verfügungen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (§ 48 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes und § 113 Absatz 1 des Wertpapierhandelsgesetzes), - 4.
über Beschwerden gegen Entscheidungen der zuständigen Behörde und über Rechtsbeschwerden (§§ 13 und 24 des EU-Verbraucherschutzdurchführungsgesetzes) und - 5.
über Beschwerden gegen Entscheidungen der Registerbehörde (§ 11 des Wettbewerbsregistergesetzes).
(2) Im Verfahren über die Beschwerde gegen die Entscheidung der Vergabekammer (§ 171 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen) einschließlich des Verfahrens über den Antrag nach § 169 Absatz 2 Satz 5 und 6, Absatz 4 Satz 2, § 173 Absatz 1 Satz 3 und nach § 176 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen beträgt der Streitwert 5 Prozent der Bruttoauftragssumme.
Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.