Bundesgerichtshof Beschluss, 21. März 2018 - XII ZR 98/17
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Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. März 2018 durch den Vorsitzenden Richter Dose, die Richter Prof. Dr. Klinkhammer, Schilling und Dr. Günter und die Richterin Dr. Krüger
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Die Parteien streiten über die Nachzahlung von Betriebskosten (Heizund Wasserkosten) für den Zeitraum 2009 bis 2012.
- 2
- Der Kläger ist als Zwangsverwalter des Grundbesitzes H. Straße in D. eingesetzt, in dem die Beklagte bis zum 31. Dezember 2012 zwei Lagerhallen (mit der Bezeichnung B 11 und A 12) und die hiermit verbundenen zugänglichen Nebenräume gemietet hatte. Nachdem durch den vom Landgericht beauftragten Sachverständigen Mängel bei der Erfassung und Verteilung der Heizkörper festgestellt worden waren, die weder der Heizkostenverordnung noch den anerkannten Regeln der Technik entsprachen, folgte der Kläger einer Empfehlung des Sachverständigen, die Heiz- und Wasserkosten in einer Umlage anhand des umbauten Raums der beheizten Flächen zu verteilen.
- 3
- Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von Betriebskosten in Hö- he von 23.461,67 € nebst Zinsen sowie von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 911,80 € nebst Zinsen verurteilt. Auf die Berufung der Be- klagten hat das Oberlandesgericht die Entscheidung dahingehend abgeändert, dass die Beklagte zur Zahlung von 23.459,17 € nebst Zinsen verurteilt wird. Die Klage im Übrigen und die weitergehende Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten, mit der sie weiterhin die Abweisung der Klage anstrebt.
II.
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- Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nach § 544 ZPO zulässig, insbesondere ist der Beschwerdewert nach §§ 544 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO erreicht. In der Sache hat sie Erfolg und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Zulassung der Revision und zur Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht. Die angefochtene Entscheidung verletzt in entscheidungserheblicher Weise den Anspruch der Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG).
- 5
- 1. Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt , das Vorgehen des Klägers, die Heiz- und Wasserkosten anhand des umbauten Raums der beheizten Räume umzulegen, sei nicht zu beanstanden. Das Aufmaß des umbauten Raums der beheizten Räume sei nicht fehlerhaft. Unter beheizten Räumen seien diejenigen Räume zu verstehen, die aufgrund bestimmungsgemäßer Nutzung direkt oder durch den Raumverbund beheizt werden. Dies entspreche auch der Definition des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung. Soweit die Beklagte behaupte, der Keller sei beheizbar gewesen, ergebe sich aus dem im Termin vom 26. Januar 2017 übergebe- nen Plan, dass die „Heizkörper Keller“ nicht nur nicht genutzt worden seien und der Strang abgestellt, sondern dass die Absperrung manipulationssicher verplombt gewesen sei. Die von der Beklagten beantragte Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens zur Frage, ob weitere nicht direkt beheizte Räume in die Abrechnung einzubeziehen seien, stelle kein taugliches Beweismittel dar, da ein neuer Sachverständiger lediglich den Ist-Zustand, nicht aber feststellen könne, welche Räume seinerzeit beheizbar waren.
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- 2. Mit Erfolg macht die Nichtzulassungsbeschwerde geltend, dass das Oberlandesgericht den Anspruch der Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt hat, weil es entscheidungserhebliche tatsächliche Einwendungen der Beklagten gegen das gerichtlich erhobene Sachverständigengutachten nicht zur Kenntnis genommen und nicht berücksichtigt hat.
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- a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verstößt ein Gericht gegen die aus Art. 103 Abs. 1 GG folgende Pflicht, Parteivorbringen zu berücksichtigen, wenn im Einzelfall besondere Umstände darauf hindeuten, dass erhebliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung ersichtlich nicht erwo- gen worden ist - etwa wenn das Gericht auf den wesentlichen Kern des Vortrags einer Partei zu einer zentralen Frage des Verfahrens in den Entscheidungsgründen nicht eingeht (BVerfG MDR 2013, 1113 Rn. 15 mwN; vgl. auch BGH Beschluss vom 3. Dezember 2013 - XI ZR 301/11 - NJW-RR 2014, 381 Rn. 9 mwN).
- 8
- b) Die Beklagte hat sowohl vor dem Landgericht als auch vor dem Oberlandesgericht unter Antritt des Sachverständigenbeweises gegen das gerichtlich erhobene Sachverständigengutachten eingewandt, der Kläger und der Sachverständige hätten nicht alle beheizten, insbesondere nicht alle indirekt durch den Raumverbund beheizten Räume in die Abrechnung der Heiz- und Wasserkosten einbezogen. Der Sachverständige hat diese Einwendungen bei seiner ergänzenden Vernehmung vor dem Landgericht im Termin vom 26. Januar 2017 insoweit bestätigt, als er angegeben hat, dass er nicht sagen könne, ob tatsächlich alle direkt oder indirekt beheizten Räume erfasst worden seien, da er die Räume selbst nicht alle besichtigt habe.
- 9
- Der Umstand, dass das Oberlandesgericht diesen Einwendungen nicht nachgegangen ist, sondern das von der Beklagten beantragte weitere Sachverständigengutachten als untaugliches Beweismittel angesehen hat, lässt nur den Schluss zu, dass das Oberlandesgericht das streitige Vorbringen der Beklagten zur Frage, welche Räume aufgrund des Raumverbunds indirekt beheizt wurden , nicht zur Kenntnis genommen hat.
- 10
- Die Beklagte rügt zu Recht, dass die Überlegungen des Oberlandesgerichts eine unzulässige vorweggenommene Beweiswürdigung enthalten, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass ein Sachverständiger auf der Grundlage der sich bei den Gerichtsakten befindlichen Pläne und nach Beurteilung der konkreten - wenn auch teilweise baulich veränderten - Örtlichkeit den Altbaubestand und die Umbaumaßnahmen auseinanderhalten und die damals beheizten Räume bestimmen kann. Immerhin liegen Pläne über die Heizanlagen einschließlich der Heizkörper sowohl für das Keller- als auch das Erdgeschoss vor. Die Beklagte hat auch in einer konkreten Berechnung des umbauten Raums sämtliche Räume gekennzeichnet, die der Kläger bei der Berechnung unberücksichtigt gelassen hat.
- 11
- Zutreffend rügt die Beklagte zudem, dass das Oberlandesgericht insoweit die Darlegungs- und Beweislast verkannt hat. Stützt der Kläger - wie hier - seine Abrechnung weiterer Heizkosten auf die insgesamt angefallenen Kosten, die er nach dem Rauminhalt der direkt oder indirekt beheizten Räume umlegt, dann muss er darlegen und ggf. beweisen, welche Räume des gesamten Objekts dafür in Ansatz zu bringen sind.
- 12
- 3. Mit Erfolg macht die Nichtzulassungsbeschwerde ferner geltend, dass das Oberlandesgericht den Anspruch der Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt hat, weil es seiner Entscheidung Unterlagen zugrunde gelegt hat, zu denen die Beklagte zuvor nicht Stellung nehmen konnte (vgl. etwa BVerfGE 84, 188, 190 = NJW 1991, 2823).
- 13
- Die Beklagte rügt zutreffend, dass das Oberlandesgericht die Nichtbeheizung des Kellers aus einem Plan entnehmen möchte, der im Termin vom 26. Januar 2017 vor dem Landgericht übergeben worden sei. Der Terminsniederschrift des Landgerichts vom 26. Januar 2017 lässt sich aber weder die Vorlage noch die Übergabe eines solchen Planes an die Beklagte entnehmen.
- 14
- 4. Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Oberlandesgericht bei Berücksichtigung des Vorbringens der Beklagten zu den direkt oder indirekt im Raumverbund beheizten Räumen und ggf. Erhebung der - nach Hinweis auf die Darlegungs- und Beweislast - dafür angebotenen Beweise zu einer anderen Beurteilung des Falles gekommen wäre, ist das Urteil aufzuheben und die Sache an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen. Dose Klinkhammer Schilling Günter Krüger
LG Dresden, Entscheidung vom 09.02.2017 - 9 O 235/14 -
OLG Dresden, Entscheidung vom 20.09.2017 - 5 U 431/17 -
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Annotations
(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).
(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder - 2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.
(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.
(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.
(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.
(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.
(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.
(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.
(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.