Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Juli 2016 - XII ZR 125/14
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. Juli 2016 durch den Vorsitzenden Richter Dose, die Richter Dr. Klinkhammer, Dr. Nedden-Boeger und Guhling und die Richterin Dr. Krüger
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Rückzahlung von übergebenen Geldbeträgen in Höhe von 70.750 € in Anspruch. Sie hatte ihm im Laufe des Jahres 2012, als die Parteien freundschaftlich eng verbunden waren, insgesamt 87.200 € übergeben. Einen Teilbetrag von 10.000 € zahlte der Beklagte am 29. April 2013 zurück, die Klägerin quittierte dies. Am 8. Juni 2013 erfolgte eine weitere Rückzahlung. Auch hierüber wurde von der Klägerin eine Quittung ausgestellt , wobei jeweils der Quittungsvordruck vom Beklagten ausgefüllt und von der Klägerin unterschrieben wurde. Die vom Beklagten vorgelegte Quittung weist einen Betrag von 75.000 € aus. Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Beklagte an jenem Tag tatsächlich 75.000 € zurückzahlte oder ob er nur 750 € zahlte und den Quittungsbetrag nachträglich um zwei Nullen ergänzte.
- 2
- Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht hat der Klägerin lediglich einen Betrag von 500 € zugesprochen und deren Berufung im Übrigen zurückgewiesen, wobei es die Rückzahlung von 75.000 € am 8. Juni 2013 für erwiesen erachtet hat. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision.
II.
- 3
- Die Nichtzulassungsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Zulassung der Revision sowie zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit mit diesem zum Nachteil der Klägerin entschieden ist, und insoweit zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.
- 4
- 1. Die Nichtzulassungsbeschwerde rügt mit Recht, dass das Oberlandesgericht den Anspruch der Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) dadurch verletzt hat, dass es bei der Beurteilung der Beweiskraft der vom Beklagten vorgelegten Quittung über 75.000 € entscheidungserheblichen Vortrag der Beklagten und dafür angetretenen Sachverständigenbeweis in rechtsfehlerhafter Weise nicht berücksichtigt hat.
- 5
- a) Die Klägerin hat vorgetragen, der Beklagte habe auf der Quittung vom 8. Juni 2013 nachträglich an die Zahl "750" zwei Nullen sowie an die ausgeschriebenen Zahlwörter "sieben/fünf/null" zweimal das Wort "Null" angefügt. Diesen Vortrag hatte die Klägerin durch das Angebot eines Schriftsachverständigengutachtens unter Beweis gestellt. Das Oberlandesgericht ist dem Beweisangebot der Klägerin nicht nachgegangen, weil die Quittung als Privaturkunde, die unstreitig von der Klägerin unterschrieben wurde, gemäß § 416 ZPO den vollen Beweis dafür begründe, dass die in ihr enthaltene Erklärung von der Klägerin abgegeben worden sei. Die Klägerin habe eine Abweichung von der tatsächlich abgegebenen Erklärung nicht bewiesen. Nach § 440 Abs. 2 ZPO gelte die Vermutung der Echtheit der über der Unterschrift befindlichen Erklärung. Die Beweiskraft einer Privaturkunde nach § 440 Abs. 2 ZPO könne nur entkräftet werden, wenn die Urkunde Mängel i.S.v. § 419 ZPO aufweise. Derartige Mängel seien nicht erkennbar, so dass weiteren Beweisangeboten nicht nachgegangen werden müsse.
- 6
- b) Dies ist rechtsfehlerhaft. Den "vollen Beweis" gemäß § 416 ZPO für die Abgabe der in der Urkunde enthaltenen Erklärung begründet nur die echte Urkunde. Steht jedoch - wie hier - die Echtheit der Urkunde im Streit, greift lediglich die Vermutung des § 440 Abs. 2 ZPO ein. Diese Vermutung führt dazu, dass die Klägerin in diesem Punkt beweispflichtig ist, nicht aber, dass die Echtheit der Urkunde und damit der darin enthaltenen Erklärung feststeht und deswegen ein Beweisangebot abgelehnt werden dürfte. Somit kann die Klägerin entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht nur äußere Mängel der Urkunde im Sinne von § 419 ZPO anführen, sondern auch den Beweis der Fälschung antreten.
- 7
- Indem das Berufungsgericht dem Beweisangebot der Klägerin nicht nachgegangen ist, hat es die Klägerin in ihrem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt (vgl. BGH Beschluss vom 27. Oktober 2015 - VI ZR 355/14 - NJW 2016, 641 Rn. 6 mwN).
- 8
- 2. Der angefochtene Beschluss beruht auf der dargestellten Verletzung des rechtlichen Gehörs, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Oberlandesgericht nach schriftsachverständiger Begutachtung der Quittung zu einer anderen Beweiswürdigung gelangt wäre. Der angefochtene Beschluss ist daher aufzuheben und der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 544 Abs. 7 ZPO).
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 17.01.2014 - 25 O 227/13 -
OLG Köln, Entscheidung vom 23.10.2014 - 12 U 8/14 -
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(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).
(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder - 2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.
(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.
(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.
(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.
(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.
(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.
(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.
(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.
Privaturkunden begründen, sofern sie von den Ausstellern unterschrieben oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet sind, vollen Beweis dafür, dass die in ihnen enthaltenen Erklärungen von den Ausstellern abgegeben sind.
(1) Die Echtheit einer nicht anerkannten Privaturkunde ist zu beweisen.
(2) Steht die Echtheit der Namensunterschrift fest oder ist das unter einer Urkunde befindliche Handzeichen notariell beglaubigt, so hat die über der Unterschrift oder dem Handzeichen stehende Schrift die Vermutung der Echtheit für sich.
Inwiefern Durchstreichungen, Radierungen, Einschaltungen oder sonstige äußere Mängel die Beweiskraft einer Urkunde ganz oder teilweise aufheben oder mindern, entscheidet das Gericht nach freier Überzeugung.
Privaturkunden begründen, sofern sie von den Ausstellern unterschrieben oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet sind, vollen Beweis dafür, dass die in ihnen enthaltenen Erklärungen von den Ausstellern abgegeben sind.
(1) Die Echtheit einer nicht anerkannten Privaturkunde ist zu beweisen.
(2) Steht die Echtheit der Namensunterschrift fest oder ist das unter einer Urkunde befindliche Handzeichen notariell beglaubigt, so hat die über der Unterschrift oder dem Handzeichen stehende Schrift die Vermutung der Echtheit für sich.
Inwiefern Durchstreichungen, Radierungen, Einschaltungen oder sonstige äußere Mängel die Beweiskraft einer Urkunde ganz oder teilweise aufheben oder mindern, entscheidet das Gericht nach freier Überzeugung.
(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).
(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder - 2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.
(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.
(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.
(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.
(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.
(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.
(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.
(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.