Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Juli 2008 - XII ZR 117/06

published on 09/07/2008 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Juli 2008 - XII ZR 117/06
Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile
Previous court decisions
Landgericht Landshut, 73 O 1954/05, 23/02/2006
Oberlandesgericht München, 20 U 2381/06, 31/05/2006

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZR 117/06
vom
9. Juli 2008
in dem Rechtsstreit
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. Juli 2008 durch die Richter
Sprick, Prof. Dr. Wagenitz und Fuchs, die Richterin Dr. Vézina und den Richter
Dose

beschlossen:
Nach übereinstimmender Erledigungserklärung werden die Kosten des Rechtsstreits dem Beklagten auferlegt. Streitwert: 6.369 €

Gründe:


I.

1
Die Klägerin betrieb seit 1995 in M. ein Krankenhaus mit eigener Küche. Der Beklagte errichtete in der Nachbarschaft des Krankenhauses ein Altenheim ohne eigene Küche. Nach einer Besprechung, deren Ergebnis zwischen den Parteien streitig ist, und Errichtung eines unterirdischen Verbindungsganges zwischen dem Krankenhaus und dem Altenheim übernahm der Beklagte den Betrieb der Krankenhausküche und versorgte von dort sowohl das Krankenhaus als auch das Altenheim.
2
Zum 31. Dezember 2003 legte die Klägerin das Krankenhaus still. Der Beklagte benutzte die Küchenräume der Klägerin weiter für sein Altenheim. Mit Schreiben vom 7. April 2005 kündigte die Klägerin das Vertragsverhältnis gegenüber dem Beklagten fristlos und hilfsweise ordentlich zum nächstmöglichen Zeitpunkt und verlangte die Räumung und Herausgabe der Küche. Das Land- gericht hat die Räumungsklage abgewiesen mit der Begründung, die Parteien hätten bei Beginn des Vertragsverhältnisses die ordentliche Kündigung ausgeschlossen. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Das Berufungsgericht hat das zwischen den Parteien bestehende Nutzungsverhältnis als Mietvertrag angesehen, bei dem die ordentliche Kündigung erst nach Amortisierung der vom Beklagten vorgenommenen Investitionen zulässig sein sollte. Das Berufungsgericht ging von einer Amortisationsdauer von ca. 20 Jahren aus und hat dementsprechend die ordentliche Kündigung während dieses Zeitraumes für ausgeschlossen angesehen. Der Senat hat die Revision der Klägerin mit Beschluss vom 5. Dezember 2007 zugelassen. Mit Schriftsatz vom 26. März 2008 hat die Klägerin den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 11. April 2008 der Erledigungserklärung zugestimmt.

II.

3
Nachdem die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist über die Kosten des Rechtsstreits nach § 91 a ZPO zu entscheiden. Die Bestimmung findet Anwendung, weil übereinstimmende Erledigungserklärungen auch in der Revisionsinstanz noch zulässig sind (BGHZ 106, 359, 368 und 123, 264, 265 f.). Die Kostenentscheidung ergeht nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes. Danach sind die Kosten dem Beklagten aufzuerlegen, weil er voraussichtlich unterlegen wäre.
4
a) Zutreffend und unangefochten sind die Tatgerichte davon ausgegangen , dass die Krankenhausküche der Klägerin dem Beklagten für einen langen Zeitraum zur Nutzung zur Verfügung stehen sollte. Die Annahme des Beru- fungsgerichts, der Beklagte habe von der Errichtung einer Küche abgesehen, weil er von der Möglichkeit einer langfristigen Nutzung der Krankenhausküche habe ausgehen dürfen, ist naheliegend; ebenso die Wertung, die ordentliche Kündigung sei deshalb bis zur Amortisation der vom Beklagten getätigten Investition ausgeschlossen worden.
5
b) Das Berufungsgericht hat aber übersehen, dass der Ausschluss der ordentlichen Kündigung nicht wirksam vereinbart worden ist, weil die Schriftform des § 550 BGB nicht eingehalten ist. Wird nämlich ein Mietvertrag für längere Zeit als ein Jahr nicht in schriftlicher Form abgeschlossen, so gilt er für unbestimmte Zeit und kann - frühestens zum Ablauf eines Jahres nach Überlassung - ordentlich gekündigt werden. Zwar haben die Parteien keine bestimmte Laufzeit vereinbart. In Rechtsprechung und Literatur besteht aber Einigkeit, dass die Bestimmung auch auf Mietverträge mit unbestimmter Dauer Anwendung findet, wenn die Parteien die ordentliche Kündigung über ein Jahr hinaus ausschließen (BGH, Urteil vom 8. Dezember 1959 - VIII ZR 164/58 - NJW 1960, 475 f.; OLG Köln ZMR 2001, 963, 966; Schmidt-Futterer/Lammel Mietrecht 9. Aufl. § 550 BGB Rdn. 20; Lindner-Figura/Oprée/Stellmann Geschäftsraummiete Kap. 6 Rdn. 16; Staudinger/Emmerich BGB [2003] § 550 Rdn. 8; Emmerich /Sonnenschein Miete 9. Aufl. § 550 Rdn. 5; Herrlein/Kandelhard Mietrecht 3. Aufl. § 550 Rdn. 28; Palandt/Weidenkaff BGB 67. Aufl. § 550 Rdn. 7). Damit war die ordentliche Kündigung der Klägerin wirksam und der Beklagte hätte zur Räumung und Herausgabe verurteilt werden müssen. Das Herausgabeverlangen verstößt auch nicht gegen Treu und Glauben. Zwar hat die Rechtsprechung unter engen Voraussetzungen eine Berufung auf den Schriftformmangel als treuwidrig angesehen (vgl. Emmerich aaO Rdn. 29 m.w.N.). Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor.

III.

6
Der Streitwert der Räumungsklage (§ 41 Abs. 2 GKG) hat sich durch die übereinstimmende Erledigungserklärung nicht verändert, da die bis zur Erledigungserklärung entstandenen Kosten des Rechtsstreits den Streitwert nach § 41 Abs. 2 GKG übersteigen und der Streitwert nach § 47 Abs. 2 Satz 1 GKG durch den Wert des Streitgegenstandes der ersten Instanz begrenzt ist.
Sprick Richter am Bundesgerichtshof Fuchs Prof. Dr. Wagenitz ist urlaubsabwesend und kann deshalb nicht unterschreiben. Sprick Vézina Dose

Vorinstanzen:
LG Landshut, Entscheidung vom 23.02.2006 - 73 O 1954/05 -
OLG München, Entscheidung vom 31.05.2006 - 20 U 2381/06 -
Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
{{count_recursive}} Urteilsbesprechungen zu {{shorttitle}}

moreResultsText


(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, inn

(1) Ist das Bestehen oder die Dauer eines Miet-, Pacht- oder ähnlichen Nutzungsverhältnisses streitig, ist der Betrag des auf die streitige Zeit entfallenden Entgelts und, wenn das einjährige Entgelt geringer ist, dieser Betrag für die Wertberechnung
{{title}} zitiert {{count_recursive}} §§.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, inn

(1) Ist das Bestehen oder die Dauer eines Miet-, Pacht- oder ähnlichen Nutzungsverhältnisses streitig, ist der Betrag des auf die streitige Zeit entfallenden Entgelts und, wenn das einjährige Entgelt geringer ist, dieser Betrag für die Wertberechnung
1 Referenzen - Urteile
{{Doctitle}} zitiert oder wird zitiert von {{count_recursive}} Urteil(en).

published on 05/10/2015 00:00

Tenor 1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 34, vom 23.04.2015 (Aktenzeichen 334 O 234/14), wird zurückgewiesen. 2. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. 3. Das
{{count_recursive}} Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren {{Doctitle}}.

Annotations

Wird der Mietvertrag für längere Zeit als ein Jahr nicht in schriftlicher Form geschlossen, so gilt er für unbestimmte Zeit. Die Kündigung ist jedoch frühestens zum Ablauf eines Jahres nach Überlassung des Wohnraums zulässig.

(1) Ist das Bestehen oder die Dauer eines Miet-, Pacht- oder ähnlichen Nutzungsverhältnisses streitig, ist der Betrag des auf die streitige Zeit entfallenden Entgelts und, wenn das einjährige Entgelt geringer ist, dieser Betrag für die Wertberechnung maßgebend. Das Entgelt nach Satz 1 umfasst neben dem Nettogrundentgelt Nebenkosten dann, wenn diese als Pauschale vereinbart sind und nicht gesondert abgerechnet werden.

(2) Wird wegen Beendigung eines Miet-, Pacht- oder ähnlichen Nutzungsverhältnisses die Räumung eines Grundstücks, Gebäudes oder Gebäudeteils verlangt, ist ohne Rücksicht darauf, ob über das Bestehen des Nutzungsverhältnisses Streit besteht, das für die Dauer eines Jahres zu zahlende Entgelt maßgebend, wenn sich nicht nach Absatz 1 ein geringerer Streitwert ergibt. Wird die Räumung oder Herausgabe auch aus einem anderen Rechtsgrund verlangt, ist der Wert der Nutzung eines Jahres maßgebend.

(3) Werden der Anspruch auf Räumung von Wohnraum und der Anspruch nach den §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Fortsetzung des Mietverhältnisses über diesen Wohnraum in demselben Prozess verhandelt, werden die Werte nicht zusammengerechnet.

(4) Bei Ansprüchen nach den §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist auch für die Rechtsmittelinstanz der für den ersten Rechtszug maßgebende Wert zugrunde zu legen, sofern nicht die Beschwer geringer ist.

(5) Bei Ansprüchen auf Erhöhung der Miete für Wohnraum ist der Jahresbetrag der zusätzlich geforderten Miete, bei Feststellung einer Minderung der Miete für Wohnraum der Jahresbetrag der Mietminderung, bei Ansprüchen des Mieters auf Durchführung von Instandsetzungsmaßnahmen der Jahresbetrag einer angemessenen Mietminderung und bei Ansprüchen des Vermieters auf Duldung einer Durchführung von Modernisierungs- oder Erhaltungsmaßnahmen der Jahresbetrag einer möglichen Mieterhöhung, in Ermangelung dessen einer sonst möglichen Mietminderung durch den Mieter maßgebend. Endet das Mietverhältnis vor Ablauf eines Jahres, ist ein entsprechend niedrigerer Betrag maßgebend.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.