Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Aug. 2007 - XII ZB 64/06
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Die Beteiligte zu 2 begehrt die Durchführung des Versorgungsausgleichs.
- 2
- Die am 30. August 1991 geschlossene Ehe der Parteien, aus der eine Tochter hervorgegangen ist, wurde auf den am 26. Mai 2000 zugestellten Antrag durch Verbundurteil des Amtsgerichts - Familiengericht - vom 12. Oktober 2000 rechtskräftig geschieden; der Versorgungsausgleich wurde nach § 2 Abs. 1 Satz 2 VAÜG ausgesetzt.
- 3
- Nach dem Tod des Antragstellers (im Folgenden: Ehemann; geb. am 21. Dezember 1964, verstorben am 26. Mai 2002) hat die Beteiligte zu 2 die Wiederaufnahme des Verfahrens über den Versorgungsausgleich beantragt, weil aus der Versicherung des Ehemannes eine Halbwaisenrente zu zahlen sei und die Antragsgegnerin (im Folgenden: Ehefrau, geb. am 15. Juni 1967) eine Erziehungsrente (§ 47 SGB VI) beantragt habe. In der Ehezeit (1. August 1991 bis 30. April 2000, § 1587 Abs. 2 BGB) haben die Parteien Rentenanwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung erworben, und zwar die Ehefrau bei der Beteiligten zu 1 volldynamische Anrechte in Höhe von 325,89 DM, der Ehemann bei der Beteiligten zu 2 volldynamische Anrechte in Höhe von (104,91 € =) 205,19 DM sowie angleichungsdynamische Anrechte in Höhe von (56,15 € =) 109,82 DM, jeweils monatlich und bezogen auf den 30. April 2000.
- 4
- Das Amtsgericht - Familiengericht - hat mit Beschluss vom 21. Februar 2005 festgestellt, dass ein Versorgungsausgleich nicht stattfindet. Der Ehemann sei ausgleichsberechtigt; mit seinem Tod sei sein Ausgleichsanspruch gemäß § 1587 e Abs. 2 BGB erloschen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Beteiligten zu 2 hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Beteiligte zu 2 ihr Begehren auf Durchführung des Versorgungsausgleichs weiter.
II.
- 5
- Das Rechtsmittel ist nicht begründet.
- 6
- 1. Das Oberlandesgericht geht zu Recht davon aus, dass der Ehemann bei Durchführung des Versorgungsausgleichs ausgleichsberechtigt wäre. Nach den Berechnungen des Amtsgerichts, auf die das Oberlandesgericht Bezug nimmt, übersteigt der Wert der von der Ehefrau in der Ehezeit erworbenen Anwartschaften den Wert der vom Ehemann in der Ehezeit erworbenen Anwart- schaften um 9,73 DM. Diese Berechnung, der sich das Oberlandesgericht angeschlossen hat, lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Auch die Rechtsbeschwerde erinnert hiergegen nichts.
- 7
- 2. Nicht zu beanstanden ist auch die Auffassung der Vorinstanzen, dass mit dem Tod des - ausgleichsberechtigten - Ehemannes dessen Ausgleichsanspruch gemäß § 1587 e Abs. 2 BGB erloschen und ein Versorgungsausgleich deshalb nicht mehr durchzuführen ist.
- 8
- a) § 1587 e Abs. 2 BGB beruht auf dem Gedanken, dass (nur) die beiden Ehegatten an dem in der Ehe erworbenen Versorgungsvermögen gleichen Anteil haben sollen. Der Umstand, dass die dem ausgleichsberechtigten Ehegatten im Versorgungsausgleich übertragenen oder für ihn begründeten Versorgungsanrechte im Todesfall möglicherweise auch seinen Hinterbliebenen zugute kommen, ergibt sich aus der Eigenständigkeit der im Versorgungsausgleich erworbenen Anrechte. Insoweit handelt es sich aber nur um eine mittelbare Folge des Versorgungsausgleichs; am Zweck des Versorgungsausgleichs, der auf Versorgungsteilhabe nur unter den Ehegatten zielt, ändert die mittelbare Begünstigung auch von Hinterbliebenen nichts.
- 9
- b) Allgemein anerkannt ist, dass nach § 1587 e Abs. 2 BGB der Anspruch des ausgleichsberechtigten Ehegatten mit dessen Tod auch dann erlischt , wenn der Versorgungsausgleich nach § 628 ZPO abgetrennt oder nach § 53 c FGG ausgesetzt war (vgl. Johannsen/Henrich/Hahne, Eherecht 4. Aufl., § 1587 e Rdn. 8; Staudinger/Rehme, BGB [2004], § 1587 e Rdn. 23, jeweils für den Fall des § 628 ZPO). Allein entscheidend ist dabei, dass der ausgleichsberechtigte Ehegatte vor der Durchführung des Versorgungsausgleichs stirbt, so dass die Durchführung des Versorgungsausgleichs sich nicht mehr zu seinen Gunsten auswirken kann. Auf die Gründe, die dazu geführt haben, dass der Versorgungssausgleich zu Lebzeiten des ausgleichsberechtigten Ehegatten nicht mehr durchgeführt worden ist, kommt es nicht an. Dies gilt auch in den Fällen des § 2 Abs. 1 Satz 2 VAÜG (so auch Staudinger/Rehme aaO; Palandt /Brudermüller, BGB 66. Aufl., § 1587 e Rdn. 7 und VAÜG § 2 Rdn. 15; Borth FamRZ 2005, 397, 398; Götsche FamRZ 2006, 513, 516; Kemnade FamRZ 2003, 1842). Der vom Kammergericht - zur Begründung seiner gegenteiligen Auffassung - hervorgehobene Gesichtspunkt, dass in den Fällen des § 2 Abs. 1 Satz 2 VAÜG die Wiederaufnahme des Versorgungsausgleichsverfahrens und dessen endgültiger Abschluss bei Beendigung des Scheidungsverbunds regelmäßig nicht absehbar und von den Parteien nicht beeinflussbar sei (KG FamRZ 2005, 986 und 2003, 1841, 1842 mit kritischer Anm. Kemnade aaO 1842), rechtfertigt eine unterschiedliche Behandlung dieser Fälle nicht. Zum einen können auch bei einer Abtrennung oder Aussetzung des Verfahrens nach § 628 ZPO oder § 53 c FGG Wiederaufnahme und Abschluss des Verfahrens ungewiss sein und sich einer Einflussnahme der Parteien entziehen. Zum anderen kommt es auf diese Gesichtspunkte nach dem dargelegten Sinn und Zweck des § 1587 e Abs. 2 BGB nicht an.
- 10
- c) Aus der Regelung des § 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Satz 1 VAÜG ergibt sich nichts Gegenteiliges. Nach dieser Vorschrift können, wenn die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Satz 1 VAÜG eintreten, die Ehegatten, aber auch deren Hinterbliebene und die betroffenen Versorgungsträger eine Wiederaufnahme des nach § 2 Abs. 1 Satz 2 VAÜG ausgesetzten Versorgungsausgleichsverfahrens verlangen. Das Kammergericht leitet aus dieser Antragsberechtigung der Hinterbliebenen her, dass ein Anspruch auf Versorgungsausgleich im Falle der Aussetzung nach § 2 Abs. 1 Satz 2 VAÜG entgegen § 1587 e Abs. 2 BGB nicht erlischt, wenn der ausgleichsberechtigte Ehegatte stirbt (ebenso MünchKomm/ Sander BGB 4. Aufl., § 2 VAÜG Rdn. 14). Dieser Auffassung vermag der Senat nicht zu folgen:
- 11
- § 1587 e Abs. 2 BGB ist eine materiell-rechtliche Grundsatznorm; deren Geltung kann - bei systematischer Auslegung - schwerlich durch die bloße Verfahrensregelung in § 2 Abs. 2 Satz 2 VAÜG beschränkt werden. Im Übrigen liegt der Argumentation des Kammergerichts offenbar die Annahme zugrunde, die Hinterbliebenen des Verpflichteten könnten an der Durchführung des Versorgungsausgleichs kein Interesse haben. Das "den Hinterbliebenen" eingeräumte Antragsrecht könne folglich nur die Hinterbliebenen des Berechtigten begünstigen, dies könne aber wiederum nur sinnvoll sein, wenn der Versorgungsausgleich noch zu ihren Gunsten durchgeführt werden könne, der Ausgleichsanspruch des Berechtigten also nicht mit dessen Tod erloschen sei. Diese Annahme trifft, wie das Oberlandesgericht dargelegt hat, in dieser Allgemeinheit nicht zu. Vielmehr sind durchaus - wenn auch eher seltene - Fälle denkbar, in denen auch die Hinterbliebenen des Verpflichteten ein Interesse an der Durchführung des Versorgungsausgleichs haben können - so etwa dann, wenn sich die Erben des Verpflichteten auseinandersetzen wollen und dazu über eine etwaige Verpflichtung zur Erbringung von Beitragszahlungen an den Berechtigten Klarheit schaffen wollen. Auch wird z.T. ein Rechtsschutzinteresse der Hinterbliebenen des Berechtigten an der Feststellung anerkannt, dass der Ausgleichsanspruch erloschen sei (Götsche FamRZ 2006, 513, 516; vgl. auch OLG Frankfurt FamRZ 1990, 296, 297, das ein Interesse des Verpflichteten an einem solchen Ausspruch bejaht). Derartigen Fällen trägt § 2 Abs. 2 Satz 2 VAÜG dadurch Rechnung, dass nicht nur die Ehegatten, sondern auch "ihre Hinterbliebenen" die Wiederaufnahme des ausgesetzten Versorgungsausgleichs beantragen können; eine Ausnahme von § 1587 e Abs. 2 BGB liegt darin nicht begründet.
- 12
- Dies gilt um so mehr, als eine solche Beschränkung nicht nur, wie dargelegt , mit dem Ziel des Versorgungsausgleichs unvereinbar ist, die gleichberechtigte Teilhabe (nur) der Ehegatten an dem in der Ehe erworbenen Versorgungs- vermögen zu ermöglichen. Sie würde auch dazu führen, dass in einem von den Hinterbliebenen des Berechtigten wiederaufgenommenen Versorgungsausgleichsverfahren für diesen Rentenanwartschaften übertragen oder für ihn begründet werden müssten. Eine Möglichkeit, für einen Versicherten nach dessen Tod Versorgungsanrechte zu begründen, ist dem Sozialversicherungsrecht jedoch grundsätzlich fremd. Anderes gilt insoweit für die - dem § 2 Abs. 2 Satz 2 VAÜG wortgleiche - Regelung des § 10 a Abs. 4 VAHRG. Das von dieser Vorschrift den Hinterbliebenen auch des Berechtigten eingeräumte Antragsrecht gewährt diesen nicht nur eine Verfahrensbefugnis. Vielmehr wird, soweit dem Berechtigten im Abänderungsverfahren weitergehende Anrechte zu übertragen oder für ihn zu begründen sind, zugleich der materielle Ausgleichsanspruch des Berechtigten gegen den Verpflichteten erweitert. Die Geltendmachung dieses materiellen Anspruchs wird in § 10 a Abs. 4 VAHRG auch den Hinterbliebenen des Berechtigten eingeräumt. § 1586 e Abs. 2 BGB erfährt insoweit eine vom Gesetz gewollte Einschränkung (vgl. MünchKomm/Dörr, BGB 4. Aufl., § 10 a VAHRG Rdn. 90; vgl. auch Johannsen/Henrich/Hahne aaO § 10 a VAHRG Rdn. 55). Der sozialversicherungsrechtliche Grundsatz, nach dem für einen verstorbenen Versicherten keine Versorgungsanrechte begründet werden können, tritt insoweit zurück.
III.
- 13
- Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 Abs. 1 und 3 ZPO. § 93 a ZPO ist unanwendbar, wenn - wie hier - ein Drittbeteiligter ein erfolgloses Rechtsmittel einlegt (Johannsen/Henrich/Sedemund-Treiber aaO § 93 a ZPO Rdn. 13 a).
Sprick Weber-Monecke Wagenitz Vézina Dose
Vorinstanzen:
AG Herzberg am Harz, Entscheidung vom 21.02.2005 - 7 F 104/00 -
OLG Braunschweig, Entscheidung vom 24.02.2006 - 2 UF 37/05 -
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Nach Maßgabe des Versorgungsausgleichsgesetzes findet zwischen den geschiedenen Ehegatten ein Ausgleich von im In- oder Ausland bestehenden Anrechten statt, insbesondere aus der gesetzlichen Rentenversicherung, aus anderen Regelsicherungssystemen wie der Beamtenversorgung oder der berufsständischen Versorgung, aus der betrieblichen Altersversorgung oder aus der privaten Alters- und Invaliditätsvorsorge.
(1) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Erziehungsrente, wenn
- 1.
ihre Ehe nach dem 30. Juni 1977 geschieden und ihr geschiedener Ehegatte gestorben ist, - 2.
sie ein eigenes Kind oder ein Kind des geschiedenen Ehegatten erziehen (§ 46 Abs. 2), - 3.
sie nicht wieder geheiratet haben und - 4.
sie bis zum Tod des geschiedenen Ehegatten die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
(2) Geschiedenen Ehegatten stehen Ehegatten gleich, deren Ehe für nichtig erklärt oder aufgehoben ist.
(3) Anspruch auf Erziehungsrente besteht bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze auch für verwitwete Ehegatten, für die ein Rentensplitting durchgeführt wurde, wenn
- 1.
sie ein eigenes Kind oder ein Kind des verstorbenen Ehegatten erziehen (§ 46 Abs. 2), - 2.
sie nicht wieder geheiratet haben und - 3.
sie bis zum Tod des Ehegatten die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
(4) Für einen Anspruch auf Erziehungsrente gelten als Scheidung einer Ehe auch die Aufhebung einer Lebenspartnerschaft, als geschiedener Ehegatte auch der frühere Lebenspartner, als Heirat auch die Begründung einer Lebenspartnerschaft, als verwitweter Ehegatte auch ein überlebender Lebenspartner und als Ehegatte auch der Lebenspartner.
Nach Maßgabe des Versorgungsausgleichsgesetzes findet zwischen den geschiedenen Ehegatten ein Ausgleich von im In- oder Ausland bestehenden Anrechten statt, insbesondere aus der gesetzlichen Rentenversicherung, aus anderen Regelsicherungssystemen wie der Beamtenversorgung oder der berufsständischen Versorgung, aus der betrieblichen Altersversorgung oder aus der privaten Alters- und Invaliditätsvorsorge.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)
Hat der Beklagte nicht durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage Veranlassung gegeben, so fallen dem Kläger die Prozesskosten zur Last, wenn der Beklagte den Anspruch sofort anerkennt.