Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Mai 2014 - XII ZB 548/11

published on 14/05/2014 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Mai 2014 - XII ZB 548/11
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Landgericht Frankfurt am Main, 04 O 211/09, 18/04/2011
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, 18 W 120/11, 03/08/2011

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 548/11
vom
14. Mai 2014
in dem Rechtsstreit
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Mai 2014 durch den Vorsitzenden
Richter Dose, die Richterin Weber-Monecke und die Richter Schilling,
Dr. Nedden-Boeger und Guhling

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten wird der Beschluss des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 3. August 2011 aufgehoben. Die sofortige Beschwerde der Klägerinnen gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss II des Landgerichts Frankfurt am Main vom 18. April 2011 wird zurückgewiesen. Die Kosten der Rechtsmittel werden den Klägerinnen auferlegt. Beschwerdewert: 1.114 €

Gründe:

I.

1
Die Parteien streiten um die Berücksichtigung einer Aufrechnung im Kostenfestsetzungsverfahren.
2
Die Klägerinnen haben gegen den Beklagten zu 2 (im Folgenden: Beklagter ) gemäß rechtskräftigem Urteil des Landgerichts nach teilweisem Obsiegen einen Zahlungsanspruch in Höhe von 29.109,58 €. Der Beklagte hat aus diesem Prozess einen Kostenerstattungsanspruch in Höhe von 29 % seiner außergerichtlichen Kosten, die das Landgericht mit Kostenfestsetzungsbe- schluss II vom 18. April 2011 in Höhe von 1.114,24 € gegen die Klägerinnen festgesetzt hat. Dieser Kostenfestsetzungsbeschluss wurde den Klägerinnen am 27. April 2011 zugestellt. Mit weiterem Beschluss vom 19. April 2011 hat das Landgericht die von dem Beklagten an die Klägerinnen zu erstattenden Kosten unter Ausgleichung der Gerichtskosten auf 1.442,49 € festgesetzt. Die Klägerinnen haben außergerichtlich am 10. Mai 2011 "vorsorglich" für den Fall der Nichtzahlung der Hauptforderung durch den Beklagten die Aufrechnung gegenüber den Kostenerstattungsansprüchen des Beklagten mit ihrem Zahlungsanspruch erklärt und sodann sofortige Beschwerde gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss eingelegt. Der Beklagte wendet ein, die Aufrechnung sei im Kostenfestsetzungsverfahren nicht zu berücksichtigen. Überdies habe er den Kostenerstattungsanspruch bereits mit der Vollmachtserteilung am 24. Mai 2010 an seinen Prozessbevollmächtigten abgetreten und die Vollmacht mit der Abtretung am 28. September 2010 an die Klägerinnen übersandt.
3
Das Oberlandesgericht hat den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts aufgehoben und die Kosten des Beschwerdeverfahrens den Klägerinnen zu je ½ auferlegt. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Beklagte die Aufhebung des Beschlusses und Zurückweisung der sofortigen Beschwerde.

II.

4
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
5
1. Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt , der Kostenerstattungsanspruch des Beklagten sei einschließlich der Zinsen durch Aufrechnung erloschen. Die Abtretung der Kostenerstattungsansprüche in der Vollmachtserteilung an den Prozessbevollmächtigten sei nach § 305 c Abs. 1 BGB unwirksam, da es sich um eine überraschende Klausel in einem Formularvertrag handele. Nach § 571 Abs. 2 Satz 1 ZPO könne die Beschwerde auf neue Angriffsmittel gestützt werden, so dass unschädlich sei, dass die Aufrechnung erst nach Erlass des Kostenfestsetzungsbeschlusses erklärt worden sei. Zwar beschränke sich das Kostenfestsetzungsverfahren grundsätzlich auf die Berücksichtigung kostenrechtlicher Aspekte. Ausnahmsweise finde aber eine Aufrechnung aus prozessökonomischen Gründen Berücksichtigung , wenn die zur Aufrechnung gestellte Forderung außer Streit stehe oder rechtskräftig festgestellt sei. Hier sei die Forderung rechtskräftig festgestellt , da die Berufung des Beklagten gegen das die Kostengrundentscheidung enthaltende landgerichtliche Urteil zurückgewiesen worden sei. Die zur Aufrechnung gestellte Forderung könne sich auch aus dem Titel ergeben, der gleichzeitig die für die Festsetzung maßgebliche Kostengrundentscheidung darstelle, und zwar auch in Fällen, in denen die Kostenentscheidung wie hier eine Kostenquote vorsehe. Soweit vertreten werde, eine Aufrechnungslage liege mangels Bestimmbarkeit des Erstattungsanspruchs erst mit Erlass des Festsetzungsbeschlusses vor, könne dem nicht gefolgt werden. Der prozessuale Kostenerstattungsanspruch entstehe aufschiebend bedingt bereits zu Beginn des Prozessrechtsverhältnisses und werde mit rechtskräftiger Entscheidung unbedingt. Spätestens zu diesem Zeitpunkt sei er der Aufrechnung zugänglich. § 106 ZPO sehe nur die Verrechnung vor, berühre aber die Existenz zweier Kostenerstattungsansprüche nicht. Nach § 106 Abs. 2 ZPO sei zum einen auch eine einseitige Festsetzung möglich und vorliegend sogar durchgeführt worden, zum anderen gingen der Verrechnung zwei Festsetzungsentscheidungen voraus , die jeweils selbstständig mit der Beschwerde anfechtbar seien. Hinreichende Bestimmtheit der Forderung liege vor, sobald die Parteien ihre Kostenfestsetzungsanträge eingereicht hätten und der Rechtspfleger in der Lage sei, das Verrechnungsergebnis festzustellen.
6
2. Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
7
a) Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Beschwerdegericht angenommen , dass materiell-rechtliche Einwendungen, wie die Aufrechnung der Klägerinnen , außerhalb des Kostenfestsetzungsverfahrens geltend zu machen sind. Denn dieses Verfahren, das mit dem Erlass eines Kostenfestsetzungsbeschlusses endet, ist eine Umsetzung der zwischen den Parteien ergangenen Kostengrundentscheidung ; es hat allein die Frage zum Gegenstand, welcher Betrag nach der Kostengrundentscheidung zu erstatten ist. Deshalb ist das Kostenfestsetzungsverfahren auf eine formale Prüfung der Kostentatbestände und auf die Klärung einfacher Fragen des Kostenrechts zugeschnitten und aus diesem Grund auf den Rechtspfleger übertragen. Die Klärung von zwischen den Parteien streitigen Tatsachen und von komplizierteren Rechtsfragen ist in diesem Verfahren nicht vorgesehen und mangels der dafür notwendigen verfahrensrechtlichen Instrumente auch nicht sinnvoll möglich (Senatsbeschluss vom 9. Dezember 2009 - XII ZB 79/06 - NJW-RR 2010, 718 Rn. 9; BGH Beschlüsse vom 23. März 2006 - V ZB 189/05 - FamRZ 2006, 854 f. und vom 22. November 2006 - IV ZB 18/06 - NJW-RR 2007, 422 Rn. 8). Materiell-rechtliche Einwendungen gegen den Kostenerstattungsanspruch sind daher grundsätzlich nicht zu berücksichtigen; vielmehr sind diese vorrangig mit der Vollstreckungsgegenklage geltend zu machen (BGH Beschluss vom 22. November 2006 - IV ZB 18/06 - NJW-RR 2007, 422 Rn. 8).
8
b) Allerdings kann es aus verfahrensökonomischen Gründen angezeigt sein, den Kostenerstattungsschuldner nicht auf die - einen ungleich höheren Aufwand erfordernde - Vollstreckungsgegenklage zu verweisen, wenn es um materiell-rechtliche Einwendungen geht, die keine Tatsachenaufklärung erfordern und sich mit den im Kostenfestsetzungsverfahren zur Verfügung stehenden Mitteln ohne Weiteres klären lassen. Das kann etwa der Fall sein, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen feststehen, weil sie unstreitig sind oder vom Rechtspfleger im Festsetzungsverfahren ohne Schwierigkeiten aus den Akten ermittelt werden können. Solche Einwendungen können deshalb ausnahmsweise auch im Kostenfestsetzungsverfahren erhoben und beschieden werden (Senatsbeschluss vom 9. Dezember 2009 - XII ZB 79/06 - NJW-RR 2010, 718 Rn. 10; BGH Beschluss vom 23. März 2006 - V ZB 189/05 - FamRZ 2006, 854 f. und vom 22. November 2006 - IV ZB 18/06 - NJW-RR 2007, 422 Rn. 9).
9
c) Ein solcher Ausnahmefall ist hier jedoch entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts nicht gegeben. Die Klägerinnen haben zwar einen rechtskräftig festgestellten Anspruch gegen den Beklagten. Ob sie jedoch mit diesem Anspruch gegen den Kostenerstattungsanspruch des Beklagten aufrechnen können , bedarf materiell-rechtlicher Prüfung und weiterer Tatsachenaufklärung, da der Beklagte einwendet, alle Kostenerstattungsansprüche an seinen Prozessbevollmächtigten abgetreten und die Klägerinnen davon in Kenntnis gesetzt zu haben. Die hieran anschließende Prüfung des Beschwerdegerichts, ob die Abtretung in der Prozessvollmacht im Hinblick auf § 305 c BGB wirksam war, zeigt, dass eine materiell-rechtliche Prüfung erforderlich war; eine solche ist dem Rechtspfleger im Kostenfestsetzungsverfahren aber verwehrt. Auch eine Prüfung der Frage, ob der Prozessbevollmächtigte des Beklagten die Aufrechnung der Klägerinnen nach §§ 406 oder 407 BGB gegen sich gelten lassen müsste, betrifft materielles Recht und erfordert weitere Tatsachenaufklärung, da der Rechtspfleger zu prüfen hätte, ob der Schuldner von der Abtretung der Forderung wusste. Diese Fragen lassen sich mit den im Kostenfestsetzungsverfahren zur Verfügung stehenden Mitteln nicht ohne Weiteres klären. Die Klägerinnen sind daher mit ihrer Aufrechnung auf die Vollstreckungsgegenklage zu verweisen.
Dose Weber-Monecke Schilling Nedden-Boeger Guhling
Vorinstanzen:
LG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 18.04.2011 - 2-04 O 211/09 -
OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 03.08.2011 - 18 W 120/11 -
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(1) Der neue Gläubiger muss eine Leistung, die der Schuldner nach der Abtretung an den bisherigen Gläubiger bewirkt, sowie jedes Rechtsgeschäft, das nach der Abtretung zwischen dem Schuldner und dem bisherigen Gläubiger in Ansehung der Forderung vorg

(1) Die Beschwerde soll begründet werden. (2) Die Beschwerde kann auf neue Angriffs- und Verteidigungsmittel gestützt werden. Sie kann nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen

Der Schuldner kann eine ihm gegen den bisherigen Gläubiger zustehende Forderung auch dem neuen Gläubiger gegenüber aufrechnen, es sei denn, dass er bei dem Erwerb der Forderung von der Abtretung Kenntnis hatte oder dass die Forderung erst nach der Er
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Annotations

(1) Die Beschwerde soll begründet werden.

(2) Die Beschwerde kann auf neue Angriffs- und Verteidigungsmittel gestützt werden. Sie kann nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat.

(3) Der Vorsitzende oder das Beschwerdegericht kann für das Vorbringen von Angriffs- und Verteidigungsmitteln eine Frist setzen. Werden Angriffs- und Verteidigungsmittel nicht innerhalb der Frist vorgebracht, so sind sie nur zuzulassen, wenn nach der freien Überzeugung des Gerichts ihre Zulassung die Erledigung des Verfahrens nicht verzögern würde oder wenn die Partei die Verspätung genügend entschuldigt. Der Entschuldigungsgrund ist auf Verlangen des Gerichts glaubhaft zu machen.

(4) Ordnet das Gericht eine schriftliche Erklärung an, so kann diese zu Protokoll der Geschäftsstelle abgegeben werden, wenn die Beschwerde zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt werden darf (§ 569 Abs. 3).

(1) Sind die Prozesskosten ganz oder teilweise nach Quoten verteilt, so hat nach Eingang des Festsetzungsantrags das Gericht den Gegner aufzufordern, die Berechnung seiner Kosten binnen einer Woche bei Gericht einzureichen. Die Vorschriften des § 105 sind nicht anzuwenden.

(2) Nach fruchtlosem Ablauf der einwöchigen Frist ergeht die Entscheidung ohne Rücksicht auf die Kosten des Gegners, unbeschadet des Rechts des letzteren, den Anspruch auf Erstattung nachträglich geltend zu machen. Der Gegner haftet für die Mehrkosten, die durch das nachträgliche Verfahren entstehen.

Der Schuldner kann eine ihm gegen den bisherigen Gläubiger zustehende Forderung auch dem neuen Gläubiger gegenüber aufrechnen, es sei denn, dass er bei dem Erwerb der Forderung von der Abtretung Kenntnis hatte oder dass die Forderung erst nach der Erlangung der Kenntnis und später als die abgetretene Forderung fällig geworden ist.

(1) Der neue Gläubiger muss eine Leistung, die der Schuldner nach der Abtretung an den bisherigen Gläubiger bewirkt, sowie jedes Rechtsgeschäft, das nach der Abtretung zwischen dem Schuldner und dem bisherigen Gläubiger in Ansehung der Forderung vorgenommen wird, gegen sich gelten lassen, es sei denn, dass der Schuldner die Abtretung bei der Leistung oder der Vornahme des Rechtsgeschäfts kennt.

(2) Ist in einem nach der Abtretung zwischen dem Schuldner und dem bisherigen Gläubiger anhängig gewordenen Rechtsstreit ein rechtskräftiges Urteil über die Forderung ergangen, so muss der neue Gläubiger das Urteil gegen sich gelten lassen, es sei denn, dass der Schuldner die Abtretung bei dem Eintritt der Rechtshängigkeit gekannt hat.