Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Jan. 2019 - XII ZB 489/18
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. Januar 2019 durch den Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Schilling, Dr. Nedden-Boeger, Dr. Botur und Guhling
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Die 86jährige Betroffene hatte ihrer Tochter, der Beteiligten zu 2, am 2. August 2010 notarielle General- und Vorsorgevollmacht erteilt, aufgrund derer die Tochter die Angelegenheiten der Betroffenen erledigt und deren Vermögen verwaltet.
- 2
- Das Amtsgericht hat die zunächst von einer Pflegekraft, danach auch vom Sohn der Betroffenen angeregte Einrichtung einer Kontrollbetreuung abgelehnt , weil sämtliche gegen die Tochter erhobenen Vorwürfe ausgeräumt worden seien. Das Landgericht hat die vom Sohn eingelegte Beschwerde verworfen ; hiergegen richtet sich dessen Rechtsbeschwerde.
II.
- 3
- Die zulässige Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.
- 4
- Die Beschwerdebefugnis des Sohns der Betroffenen für das Verfahren der Rechtsbeschwerde folgt zwar daraus, dass seine (Erst-)Beschwerde erfolglos geblieben ist (vgl. Senatsbeschluss vom 11. Juli 2018 - XII ZB 471/17 - FamRZ 2018, 1607 Rn. 7 mwN).
- 5
- Die Rechtsbeschwerde ist jedoch unbegründet, weil das Landgericht die Erstbeschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts zu Recht mit der Begründung verworfen hat, dass dem Beschwerdeführer die Beschwerdebefugnis gefehlt hat.
- 6
- 1. Nach § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG sind im Interesse des Betroffenen unter anderem dessen Abkömmlinge zur Beschwerde gegen eine von Amts wegen ergangene Entscheidung befugt, wenn sie im ersten Rechtszug beteiligt worden sind.
- 7
- a) Ist ein Angehöriger erstinstanzlich nicht beteiligt worden, steht ihm kein Beschwerderecht zu, unabhängig davon, aus welchen Gründen die Beteiligung unterblieben ist. Für die Beschwerdebefugnis nach § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG ist somit entscheidend, ob der Beschwerdeführer tatsächlich im ersten Rechtszug beteiligt worden ist. Allerdings kann die Hinzuziehung eines Beteiligten auch konkludent erfolgen, beispielsweise durch das Übersenden von Schriftstücken oder die Ladung zu Terminen. Eine nachträgliche Erlangung der Beschwerdebefugnis durch Hinzuziehung von Angehörigen nach Erlass der angefochtenen Entscheidung des Amtsgerichts scheidet indessen aus (Senatsbeschluss vom 11. Juli 2018 - XII ZB 471/17 - FamRZ 2018, 1607 Rn. 10 mwN).
- 8
- b) Der Sohn der Betroffenen war im ersten Rechtszug des Verfahrens über die Einrichtung einer Kontrollbetreuung nicht beteiligt worden, so dass er auch nicht nach § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG zur Beschwerde befugt war.
- 9
- aa) Zwar hat das Amtsgericht auf Anregung einer Pflegekraft der Betroffenen ein Verfahren auf Einrichtung einer Kontrollbetreuung eingeleitet, indem es deren Eingabe der Betreuungsbehörde zwecks Sachverhaltsermittlung und Stellungnahme übersandte. Auch hat es die nachfolgende Betreuungsanregung durch den Sohn der Betroffenen an die Betreuungsbehörde "mit der Bitte um Berücksichtigung im Rahmen der Stellungnahme" übersandt. Die bloße Anregung zur Einleitung eines Verfahrens begründet für sich genommen jedoch keine Beteiligtenstellung des Anregenden (vgl. Senatsbeschluss vom 11. Juli 2018 - XII ZB 471/17 - FamRZ 2018, 1607 Rn. 12 mwN). Weil das Verfahren auf Einrichtung einer Betreuung von Amts wegen zu betreiben ist, war der Beschwerdeführer auch nicht als Antragsteller im Sinne des § 7 Abs. 1 FamFG formell verfahrensbeteiligt.
- 10
- bb) Der Beschwerdeführer ist auch nicht im weiteren Verlauf des Verfahrens beteiligt worden. So wurden ihm weder die Stellungnahmen der bevollmächtigten Tochter oder der Betreuungsbehörde übersandt noch die Bestellung der Verfahrenspflegerin oder deren Stellungnahme zur Kenntnis gegeben. Er ist auch nicht angehört oder sonst in irgendeiner Form hinzugezogen worden, bis der angefochtene Beschluss des Amtsgerichts ergangen ist. Eine Beteiligtenstellung im gerichtlichen Verfahren ist ferner nicht dadurch begründet worden, dass die Betreuungsbehörde im Rahmen ihrer Sachverhaltsermittlung telefonischen Kontakt zu dem Sohn aufgenommen hatte.
- 11
- Schließlich stellt die Bekanntgabe des amtsgerichtlichen Beschlusses an den Sohn keine Beteiligung im Sinne des § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG dar.
- 12
- cc) Auch eine etwaige Verfahrensbeteiligung nach Erlass des amtsgerichtlichen Beschlusses vermag dem Beschwerdeführer nicht zu einer Beschwerdebefugnis nach § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG zu verhelfen. Zwar hat das Beschwerdegericht den Sohn der Betroffenen in seiner Funktion als Beschwerdeführer als "weiteren Beteiligten" behandelt. Zu diesem Zeitpunkt war das erstinstanzliche Verfahren jedoch durch Erlass des angefochtenen Beschlusses bereits abgeschlossen, so dass die nachfolgende Beteiligtenstellung im Beschwerdeverfahren eine rückwirkende Beteiligung im ersten Rechtszug als Zulässigkeitsvoraussetzung der Beschwerde nicht mehr zu begründen vermochte (vgl. Senatsbeschluss vom 11. Juli 2018 - XII ZB 471/17 - FamRZ 2018, 1607 Rn. 18).
- 13
- 2. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung , zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG).
Vorinstanzen:
AG München, Entscheidung vom 13.06.2018 - 710 XVII 2302/18 -
LG München I, Entscheidung vom 14.09.2018 - 13 T 10379/18 -
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Annotations
(1) Das Recht der Beschwerde steht der zuständigen Behörde gegen Entscheidungen über
- 1.
die Bestellung eines Betreuers oder die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts, - 2.
Umfang, Inhalt oder Bestand einer in Nummer 1 genannten Maßnahme
(2) Das Recht der Beschwerde gegen eine von Amts wegen ergangene Entscheidung steht im Interesse des Betroffenen
- 1.
dessen Ehegatten oder Lebenspartner, wenn die Ehegatten oder Lebenspartner nicht dauernd getrennt leben, sowie den Eltern, Großeltern, Pflegeeltern, Abkömmlingen und Geschwistern des Betroffenen sowie - 2.
einer Person seines Vertrauens
(3) Das Recht der Beschwerde steht dem Verfahrenspfleger zu.
(4) Der Betreuer oder der Vorsorgebevollmächtigte kann gegen eine Entscheidung, die seinen Aufgabenkreis betrifft, auch im Namen des Betroffenen Beschwerde einlegen. Führen mehrere Betreuer oder Vorsorgebevollmächtigte ihr Amt gemeinschaftlich, kann jeder von ihnen für den Betroffenen selbständig Beschwerde einlegen.
(1) In Antragsverfahren ist der Antragsteller Beteiligter.
(2) Als Beteiligte sind hinzuzuziehen:
- 1.
diejenigen, deren Recht durch das Verfahren unmittelbar betroffen wird, - 2.
diejenigen, die auf Grund dieses oder eines anderen Gesetzes von Amts wegen oder auf Antrag zu beteiligen sind.
(3) Das Gericht kann von Amts wegen oder auf Antrag weitere Personen als Beteiligte hinzuziehen, soweit dies in diesem oder einem anderen Gesetz vorgesehen ist.
(4) Diejenigen, die auf ihren Antrag als Beteiligte zu dem Verfahren hinzuzuziehen sind oder hinzugezogen werden können, sind von der Einleitung des Verfahrens zu benachrichtigen, soweit sie dem Gericht bekannt sind. Sie sind über ihr Antragsrecht zu belehren.
(5) Das Gericht entscheidet durch Beschluss, wenn es einem Antrag auf Hinzuziehung gemäß Absatz 2 oder Absatz 3 nicht entspricht. Der Beschluss ist mit der sofortigen Beschwerde in entsprechender Anwendung der §§ 567 bis 572 der Zivilprozessordnung anfechtbar.
(6) Wer anzuhören ist oder eine Auskunft zu erteilen hat, ohne dass die Voraussetzungen des Absatzes 2 oder Absatzes 3 vorliegen, wird dadurch nicht Beteiligter.
(1) Das Recht der Beschwerde steht der zuständigen Behörde gegen Entscheidungen über
- 1.
die Bestellung eines Betreuers oder die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts, - 2.
Umfang, Inhalt oder Bestand einer in Nummer 1 genannten Maßnahme
(2) Das Recht der Beschwerde gegen eine von Amts wegen ergangene Entscheidung steht im Interesse des Betroffenen
- 1.
dessen Ehegatten oder Lebenspartner, wenn die Ehegatten oder Lebenspartner nicht dauernd getrennt leben, sowie den Eltern, Großeltern, Pflegeeltern, Abkömmlingen und Geschwistern des Betroffenen sowie - 2.
einer Person seines Vertrauens
(3) Das Recht der Beschwerde steht dem Verfahrenspfleger zu.
(4) Der Betreuer oder der Vorsorgebevollmächtigte kann gegen eine Entscheidung, die seinen Aufgabenkreis betrifft, auch im Namen des Betroffenen Beschwerde einlegen. Führen mehrere Betreuer oder Vorsorgebevollmächtigte ihr Amt gemeinschaftlich, kann jeder von ihnen für den Betroffenen selbständig Beschwerde einlegen.
(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft ist und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.
(2) Ergibt die Begründung des angefochtenen Beschlusses zwar eine Rechtsverletzung, stellt sich die Entscheidung aber aus anderen Gründen als richtig dar, ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
(3) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Beteiligten gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 71 Abs. 3 und § 73 Satz 2 gerügt worden sind. Die §§ 559, 564 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.
(4) Auf das weitere Verfahren sind, soweit sich nicht Abweichungen aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts ergeben, die im ersten Rechtszug geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden.
(5) Soweit die Rechtsbeschwerde begründet ist, ist der angefochtene Beschluss aufzuheben.
(6) Das Rechtsbeschwerdegericht entscheidet in der Sache selbst, wenn diese zur Endentscheidung reif ist. Andernfalls verweist es die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Verfahrens zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht oder, wenn dies aus besonderen Gründen geboten erscheint, an das Gericht des ersten Rechtszugs zurück. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(7) Von einer Begründung der Entscheidung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.