Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Apr. 2016 - XII ZB 43/16
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. April 2016 durch den Vorsitzenden Richter Dose, die Richterin Weber-Monecke und die Richter Dr. Klinkhammer, Dr. Nedden-Boeger und Guhling
beschlossen:
Gründe:
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- Die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 3 (Staatskasse), mit der sie eine Festsetzung der Betreuervergütung mit einem Stundensatz von 27 € statt eines erhöhten Stundensatzes von 33,50 € begehrt, führt zur Aufhebung der Beschwerdeentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
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- 1. Die Beurteilung des Beschwerdegerichts, wonach die Betreuerin durch ihre im Jahr 1992 abgeschlossene Ausbildung zur Krankengymnastin (heutige Berufsbezeichnung: Physiotherapeutin) für die Betreuung nutzbare Kenntnisse i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 2 VBVG erworben habe, hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Das Beschwerdegericht hat die maßgeblichen Tatsachen nicht vollständig ermittelt.
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- a) Im Ansatz zutreffend geht das Beschwerdegericht allerdings davon aus, dass ein erhöhter Stundensatz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 VBVG nicht schon dann gerechtfertigt ist, wenn die Ausbildung gleichsam am Rande auch die Vermittlung betreuungsrelevanter Kenntnisse zum Inhalt hat, sondern dass vielmehr erforderlich ist, dass sie in ihrem Kernbereich hierauf ausgerichtet ist (Senatsbeschluss vom 15. Juli 2015 - XII ZB 123/14 - FamRZ 2015, 1794 Rn. 4 mwN).
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- Erforderlich ist demnach die Feststellung, dass ein erheblicher Teil der Ausbildung auf die Vermittlung solchen Wissens gerichtet ist und dass das dadurch erworbene Wissen über ein Grundwissen deutlich hinausgeht. Allein daraus, dass bestimmte Kenntnisse für die Berufsausübung von erheblicher Bedeutung sind, kann nicht darauf geschlossen werden, dass diese auch einen erheblichen Teil der Ausbildung darstellen. Solches Wissen kann nämlich auch durch Lebenserfahrung, Fortbildungen oder Berufspraxis erworben werden, was nicht zu einer erhöhten Vergütung nach § 4 Abs. 1 Satz 2 VBVG führt. Bei der Entscheidung über eine erhöhte Vergütung nach § 4 Abs. 1 Satz 2 VBVG muss das Gericht eine konkrete Betrachtung des tatsächlichen Inhalts der Ausbildung vornehmen, insbesondere den Umfang der für die Betreuung nutzbaren Ausbildungsinhalte bzw. deren Anteil an der Gesamtausbildungszeit feststellen, und in die Würdigung einbeziehen, inwieweit diese Kenntnisse selbständiger und maßgeblicher Teil der Abschlussprüfung sind. Der Umfang bzw. Anteil der Vermittlung für die Betreuung nutzbarer Kenntnisse muss dabei nicht so genau festgestellt werden, dass ein exakter Prozentanteil angegeben werden kann. Es genügt, wenn aufgrund des erkennbaren zeitlichen Aufwands oder anderer Anhaltspunkte feststeht, dass ein erheblicher Teil der Ausbildungszeit auf die Vermittlung solchen Wissens fällt (Senatsbeschluss vom 15. Juli 2015 - XII ZB 123/14 - FamRZ 2015, 1794 Rn. 5 mwN).
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- b) Das Beschwerdegericht hat den Inhalt der Ausbildung nicht ermittelt, sondern ist ohne nähere Prüfung davon ausgegangen, dass die Ausbildung in ihrem Kernbereich medizinische Kenntnisse vermittle, was es der Betreuerin ermögliche, bestimmte Krankheitsbilder besser einzuschätzen, den erforderlichen Therapiebedarf eigenständig zu beurteilen, dadurch besser und effektiver die notwendigen Behandlungs-, Therapie- und Pflegemaßnamen in die Wege zu leiten sowie bestimmte therapeutische Maßnahmen besser zu überwachen, als dies einem Betreuer ohne eine entsprechende Ausbildung möglich wäre.
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- Dabei hat das Beschwerdegericht keine Feststellungen zum Umfang und Anteil der Vermittlung für die Betreuung nutzbaren Wissens an der Gesamtausbildung der Betreuerin getroffen (vgl. insoweit Senatsbeschluss vom 15. Juli 2015 - XII ZB 123/14 - FamRZ 2015, 1794 Rn. 5). Ferner fehlt es an der Feststellung , ob bzw. inwieweit das angenommene für die Betreuung nutzbare Wissen über Grundwissen hinausgeht. Das Erlernen physiotherapeutischer Behandlungstechniken gehört für sich genommen nicht zu den Ausbildungsinhalten , die im Rahmen einer rechtlichen Betreuung nutzbar sind.
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- 2. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts ist daher aufzuheben. Da die erforderlichen Feststellungen noch zu treffen sind, ist dem Senat eine abschließende Entscheidung in der Sache verwehrt. Die Sache ist zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen (§ 74 Abs. 6 Satz 2 FamFG).
Vorinstanzen:
AG Darmstadt, Entscheidung vom 20.03.2015 - 503 XVII 493/14 (V) -
LG Darmstadt, Entscheidung vom 11.01.2016 - 5 T 237/15 -
Annotations
(1) Die dem Betreuer nach § 1 Absatz 2 zu bewilligende Vergütung bestimmt sich nach monatlichen Fallpauschalen, die in den Vergütungstabellen A bis C der Anlage festgelegt sind.
(2) Die Vergütung des Betreuers richtet sich nach Vergütungstabelle A, sofern der Betreuer über keine besonderen Kenntnisse verfügt, die für die Führung der Betreuung nutzbar sind.
(3) Verfügt der Betreuer über besondere Kenntnisse, die für die Führung der Betreuung nutzbar sind, so richtet sich die Vergütung
- 1.
nach Vergütungstabelle B, wenn diese Kenntnisse durch eine abgeschlossene Lehre oder eine vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben sind; - 2.
nach Vergütungstabelle C, wenn diese Kenntnisse durch eine abgeschlossene Ausbildung an einer Hochschule oder durch eine vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben sind.
(4) § 3 Absatz 2 gilt entsprechend. § 1 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 findet keine Anwendung.
(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft ist und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.
(2) Ergibt die Begründung des angefochtenen Beschlusses zwar eine Rechtsverletzung, stellt sich die Entscheidung aber aus anderen Gründen als richtig dar, ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
(3) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Beteiligten gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 71 Abs. 3 und § 73 Satz 2 gerügt worden sind. Die §§ 559, 564 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.
(4) Auf das weitere Verfahren sind, soweit sich nicht Abweichungen aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts ergeben, die im ersten Rechtszug geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden.
(5) Soweit die Rechtsbeschwerde begründet ist, ist der angefochtene Beschluss aufzuheben.
(6) Das Rechtsbeschwerdegericht entscheidet in der Sache selbst, wenn diese zur Endentscheidung reif ist. Andernfalls verweist es die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Verfahrens zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht oder, wenn dies aus besonderen Gründen geboten erscheint, an das Gericht des ersten Rechtszugs zurück. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(7) Von einer Begründung der Entscheidung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.